Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 13 A 2239/14
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 25. September 2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand:
2Die Klägerin, eine Tochter des Deutsche Bahn AG-Konzerns, ist ein Verkehrsunternehmen, das u.a. im Kreisgebiet des Beklagten Busverkehrsdienstleistungen erbringt. Sie streitet mit dem Beklagten, der Aufgabenträger für den öffentlichen Personennahverkehr ist, über die endgültige Bewilligung der Ausgleichsleistung für den Ausbildungsverkehr für das Jahr 2011.
3Mit Bescheid vom 20. Oktober 2011 setzte der Beklagte auf entsprechenden Antrag der Klägerin gemäß § 11 a des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen (ÖPNVG NRW) i. V. m. der „Allgemeinen Vorschrift des Kreises D. zu § 11 a Abs. 2 ÖPNVG NRW“ vom 28. Juli 2011 (Allgemeine Vorschrift – AV) aus den vom Land NRW zur Verfügung gestellten Mitteln für das Jahr 2011 den voraussichtlichen Anteil der Klägerin an der Ausbildungsverkehr-Pauschale vorläufig in Höhe von 236.710,55 Euro fest. Die Bewilligung stand unter den Vorbehalten der Bestimmungen der Ziffern 5.2 und 5.3 AV.
4Am 25. November 2011 hat die Klägerin hiergegen Klage mit dem Begehren erhoben, den Bescheid über die vorläufige Bewilligung insoweit aufzuheben, als dieser unter dem Vorbehalt der Bestimmungen der Ziffern 5.2 und 5.3 der Satzung stehe und diese bei der Berechnung des Ausgleichs eine Umsatzrendite von 3,0 % vorgebe.
5Nach Übermittlung der für die endgültige Festsetzung der Ausgleichsleistung erforderlichen Informationen durch die Klägerin setzte der Beklagte mit Bescheid vom 27. Mai 2014 den Anteil der Klägerin an der Ausbildungsverkehr-Pauschale für das Jahr 2011 endgültig in Höhe von 142.387 Euro fest. Die danach auf der Grundlage des durch den endgültigen Bescheid ersetzten vorläufigen Bescheides vom 20. Oktober 2011 entstandene Überzahlung von 70.652,50 Euro sei zu erstatten.
6Die Klägerin hat daraufhin die Klage geändert und sie nunmehr gegen den endgültigen Bescheid vom 27. Mai 2014 gerichtet. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht: Der Beklagte habe den anrechenbaren angemessenen Gewinn rechtswidrig festgelegt. Die Festlegung stehe im Widerspruch zu Ziff. 6 des Anhangs der VO (EG) Nr. 1370/2007 und sei in willkürlicher Weise sowie im Ergebnis zu gering erfolgt. Bei der Bestimmung des angemessenen Gewinns seien zwei Komponenten zu berücksichtigen. Zunächst sei der angemessene Gewinn in dem betreffenden Sektor im jeweiligen Mitgliedstaat zu ermitteln. Eine linienscharfe Betrachtung, die allein das Zuständigkeitsgebiet des Beklagten erfasse, sei unzulässig. Zu berücksichtigen sei als unternehmensindividuelle Komponente – für jedes Verkehrsunternehmen gesondert – auch das Risiko, das aufgrund des Eingreifens der zuständigen Behörde entstehe oder entfalle. Somit dürfe der angemessene Gewinn nicht pauschalierend für alle Verkehrsunternehmen im Anwendungsbereich der Allgemeinen Vorschrift des Beklagten festgelegt werden. Weiter sei die vom Beklagten in Ziff. 8.2.3 getroffene Festlegung rechtswidrig, weil keine sachlichen Erwägungen des Beklagten hierzu dokumentiert seien. Ebenso wenig seien andere Anhaltspunkte ersichtlich, die die getroffene Festlegung rechtfertigen könnten. Eine „freie“ Festsetzung sei unzulässig. Generalisierungen, Pauschalisierungen und Typisierungen, die nicht hinreichend realitätsgerecht seien, verstießen gegen Art. 12 Abs. 1 GG, da sie zu nicht realitätsgerechten Ausgleichsleistungen führen und den Wettbewerb unter konkurrierenden Unternehmen verfälschen würden. Die Orientierung des Beklagten an den „Hinweisen zur Erstellung der Allgemeinen Vorschrift nach § 11 a Abs. 2 Satz 6 ÖPNVG NRW“ sei nicht sachgerecht. Die Höhe des angemessenen Gewinns sei in der Arbeitsgruppe, die sich mit der Erstellung der Allgemeinen Vorschrift befasst habe, der wesentliche umstrittene Punkt gewesen, dem nicht alle Mitglieder der Arbeitsgruppe zugestimmt hätten. Vor diesem Hintergrund hätte der Beklagte die von ihm getroffene Festlegung näher begründen müssen. Dies gelte gerade auch, wenn wie hier ein Renditemaßstab herangezogen werde, der sowohl von Ziff. 6 Anhang VO (EG) Nr. 1370/2007 als auch von den Empfehlungen in den Hinweisen zur Erstellung Allgemeiner Vorschriften abweiche. Der Eindruck der Willkür dränge sich auch deshalb auf, weil der Beklagte offensichtlich eine Festlegung ohne nähere Begründung getroffen habe. Ungeachtet der Verantwortlichkeit des Beklagten, den Nachweis für eine rechtmäßige Festlegung des angemessenen Gewinns zu führen, habe die Muttergesellschaft der Klägerin eine wirtschaftswissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben mit dem Ziel, u. a. eine empirische Herleitung einer angemessenen Rendite im Bussektor festzustellen. Die Studie komme zu dem Ergebnis, dass ein Gewinn i. S. d. Ziff. 6 Anhang VO (EG) Nr. 1370/2007 für den deutschen Bussektor in einem Bereich von 6,3 % bis 11,5 % EBIT-Marge nicht unangemessen sei. Die vom Beklagten getroffene Festlegung zur Höhe des angemessenen Gewinns sei danach zu gering. Zusammenfassend belege die Studie, dass eine empirische und zugleich belastbare Grundlage für die Festlegung des angemessenen Gewinns durch die Aufgabenträger gefunden werden könne, diese Grundlage mit wissenschaftlich anerkannten Methoden ausgewertet und bewertet werden könne und eine transparente und nachvollziehbare Herleitung des festzusetzenden angemessenen Gewinns möglich sei.
7Die Klägerin hat Ende Juni 2014 den Abschlussbericht der E.CA Economics vom 18. Juni 2014 („Feststellung der methodischen Anforderungen und empirische Herleitung einer angemessenen Rendite im Bussektor“, Studie für DB Regio AG, Sparte Bus) in das Verfahren eingeführt.
8Die Klägerin hat beantragt,
9den Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 2014 insoweit aufzuheben, als er eine Rückzahlung festsetzt, die die Summe übersteigt, die die Klägerin unter Berücksichtigung eines nach Rechtsauffassung des Gerichts zu berechnenden angemessenen Gewinns i. S. d. Ziffer 6 der VO (EG) Nr. 1370/2007 zurückzahlen muss.
10Der Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Er hat in die Klageänderung eingewilligt und im Wesentlichen vorgetragen: Ein Anspruch auf einen Gewinn oder gar einen Gewinn in bestimmter Höhe stehe der Klägerin nicht zu. Weder § 11a ÖPNVG NRW noch die VO (EG) Nr. 1370/2007 regelten einen Anspruch der Verkehrsunternehmen auf Ausgleich eines angemessen Gewinns. Daraus folge, dass es die freie Entscheidung des Beklagten sei, ob er den Verkehrsunternehmen im Rahmen einer Allgemeinen Vorschrift überhaupt einen angemessenen Gewinn zubillige und wie er diesen genau ausgestalte. Dieses Ergebnis ergebe sich aus einer Auslegung unter Zugrundelegung des Wortlauts, der Regelungssystematik und des Sinn und Zwecks von § 11a ÖPNVG NRW und der VO (EG) 1370/2007, deren Anhang allein Regelungen zur Festlegung einer beihilfenrechtlichen Obergrenze enthalte. Der geltend gemachte Anspruch bestehe auch nicht nach dem Personenbeförderungsgesetz oder aus Verfassungsrecht. § 11a ÖPNVG NRW ersetze die bundesgesetzliche Regelung des § 45a PBefG, die weder einen angemessenen Gewinn noch einen vollständigen Defizitausgleich umfasst habe. Damit habe auch keine Verpflichtung des Beklagten bestanden, den „richtigen“ angemessenen Gewinn im Busverkehrsektor in Deutschland zu ermitteln. Vielmehr habe er die Festlegung des angemessenen Gewinns lediglich unter Berücksichtigung der Grenze des ihm zustehenden Spielraums vornehmen müssen. Dieser Spielraum bestehe sowohl hinsichtlich der Wahl der Bezugsgröße als auch hinsichtlich der Höhe des angemessenen Gewinns. Bei der Festlegung der Bezugsgröße sei es zulässig, die Sachgerechtheit und Praktikabilität zu berücksichtigen. In Bezug auf die Höhe des angemessenen Gewinns gebe Ziff. 6 Anhang VO (EG) Nr. 1370/2007 keine bestimmte Methode zu dessen Ermittlung vor. Angemessen sei der Gewinn dann, wenn er eine – ggf. auch regionale – Üblichkeit innerhalb des Sektors im jeweiligen Mitgliedstaat abbilde. Innerhalb seines Spielraums habe der Beklagte den angemessenen Gewinn unter Zugrundelegung sachgerechter Erwägungen festgelegt. Ausgangspunkt der Erwägungen des Beklagten seien die „Hinweise zur Erstellung der Allgemeinen Vorschrift nach § 11 a Abs. 2 Satz 6 ÖPNVG NRW“ gewesen. Der Beklagte habe ergänzend eine eigene Überprüfung zur Ermittlung des angemessenen Gewinns angestellt. Auf dieser Grundlage habe er die Festlegungen zum angemessenen Gewinn in seiner AV vorgenommen. Die Angemessenheit des auf diese Weise vom Beklagten festgelegten Gewinns finde auch externe Bestätigung. Im gesamten N. würden sich nur die Klägerin und ihre „Schwesterunternehmen“ gegen den angemessenen Gewinn in Höhe von 3% (bzw. 3,09 % als Kostenzuschlag) wenden. Für alle übrigen Verkehrsunternehmen scheine der u. a. vom Beklagten in seiner AV festgelegte Gewinn „auskömmlich“ zu sein. Auch im Übrigen stünden die Festlegungen des Beklagten zum angemessenen Gewinn im Einklang mit Ziff. 6 Anhang VO (EG) Nr. 1370/2007. Insbesondere habe der Beklagte die Festlegung des angemessenen Gewinns unter Beachtung des maßgeblichen Sektors und des räumlich relevanten Marktes, des zeitlich relevanten Betrachtungszeitraums und der konkret zugrundeliegenden Risikoverteilung vorgenommen. Eine pauschale Festlegung des angemessenen Gewinns für alle von der Allgemeinen Vorschrift des Beklagten erfassten Verkehrsunternehmen sei unter Berücksichtigung von Ziff. 6 Anhang VO (EG) Nr. 1370/2007 nicht durch eine unternehmensindividuelle Komponente ausgeschlossen. Die Klägerin stelle überzogene Anforderungen an die Festlegung eines angemessenen Gewinns in einer Allgemeinen Vorschrift nach § 11 a Abs. 2 ÖPNVG NRW i. V. m. Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007. Da kein Anspruch auf Gewährung eines Mindestgewinns bestehe, komme es für diese Regelung nicht auf eine wissenschaftlich exakte Bestimmung des maximal möglichen angemessenen Gewinns an. Entscheidend sei allein, dass die Obergrenze nach dem Anhang der VO (EG) Nr. 1370/2007 nicht überschritten und der Spielraum für die Bestimmung des angemessenen Gewinns gewahrt werde. Innerhalb dieses Spielraums müsse die Festlegung allein willkürfrei erfolgen. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot sei nur dann anzunehmen, wenn die Festlegung des angemessenen Gewinns als Umsatzrendite von 3 % unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar sei und somit auf sachfremden Erwägungen beruhe. Hingegen setze willkürfreies Handeln nicht voraus, dass der Beklagte wirtschafts-wissenschaftliche Studien heranziehe oder in Auftrag gebe, um herauszufinden, bis zu welcher maximalen beihilfenrechtlichen Obergrenze er die Mittel der Ausbildungsverkehr-Pauschale einem Unternehmen belassen könne. Eine solche auf Gewinnmaximierung abzielende Herangehensweise sei nicht sachgerecht. Da es um die Verwendung öffentlicher Mittel gehe, seien auch die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu berücksichtigen. Auf die von der Klägerin in das Verfahren eingeführte Studie komme es nicht an. Selbst wenn die Obergrenze des beihilfenrechtlich Zulässigen in dem von der Studie benannten Bereich liegen sollte, indiziere dies nicht, dass die Festlegung eines geringeren Wertes willkürlich sei. Denn wie schon § 45 a PBefG zeige, müsse für Tarifer-mäßigungen im Ausbildungsverkehr kein voller Kostenausgleich und schon gar kein bestimmter Gewinn zugestanden werden.
13Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 25. September 2014 die Klage abgewiesen. Sie sei nach zulässiger Klageänderung auch ohne ein Vorverfahren zulässig. Die Klage sei aber nicht begründet, weil der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 2014 rechtmäßig sei. Das Verwaltungsgericht hat offen gelassen, ob der Klageantrag hinreichend bestimmt gewesen ist und das Begehren hätte zugesprochen werden können. Denn jedenfalls habe der allein geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Neuberechnung der ihr aufgegebenen Rückzahlung unter Berücksichtigung eines nach Rechtsauffassung des Gerichts zu berechnenden angemessenen Gewinns im Sinne der Ziffer 6 des Anhangs der VO (EG) Nr. 1370/2007 nicht bestanden. Dieser hätte vorausgesetzt, dass die in der AV des Beklagten getroffenen Regelungen zur Durchführung der Überkompensationskontrolle zu beanstanden wären. Dies sei jedoch nicht der Fall, da die AV mit höherrangigem Recht – insbesondere der VO (EG) Nr. 1370/2007 – vereinbar sei. Die dort enthaltenen Regelungen über eine Ausgleichsleistung für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen auf der Grundlage von allgemeinen Vorschriften, insbesondere der Anhang, enthielten das beihilfenrechtlich begründete Verbot einer Überkompensation; damit gehe ein Verbot der Unterkompensation jedoch nicht einher. Deshalb gewähre die VO (EG) Nr. 1370/2007 keinen Anspruch der Betreiber auf Vollkompensation der finanziellen Folgen der Erfüllung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung. Dementsprechend stehe dem Beklagten bei der Ausgestaltung seiner AV im Rahmen des § 11 a Abs. 2 ÖPNVG NRW in Verbindung mit Art. 3 VO (EG) Nr. 1370/2007 ein weites Gestaltungsermessen zu, das allein dem Willkürverbot unterliege und deshalb durch sachliche Gründe gesteuert sein müsse. Dabei sei der Gesetzgeber gerade im Rahmen der Leistungsverwaltung berechtigt, von einem typischen Erscheinungsbild auszugehen und danach die zu gewährenden Leistungen generalisierend und pauschalierend zu regeln. Gemessen an diesen Vorgaben habe sich der Beklagte bei der Ausgestaltung seiner AV nicht von unsachlichen Erwägungen leiten lassen. Dies gelte sowohl in Bezug auf die Auswahl der Umsatzrendite als maßgeblichem Bezugsmaßstab als auch hinsichtlich der Festlegung der Höhe. Die Festsetzung in der AV des Beklagten auf 3,0 % entspreche plausibel erscheinenden Erfahrungswerten; zugleich habe der Beklagte auf einen sparsamen Umgang mit den ihm anvertrauten öffentlichen Geldern Bedacht zu nehmen. Der Beklagte sei bei alledem nicht verpflichtet gewesen, sich vor der Regelung der in seiner AV vorgesehenen Ausgleichsmechanismen gutachterlicher Ermittlungen und Einschätzungen für seine Regelung zu bedienen. Auf die von der Klägerin vorgelegte Studie der E.CA economics vom 18. Juni 2014 komme es demzufolge nicht entscheidungserheblich an. Der Vertretbarkeit der Festlegung einer Umsatzrendite von 3,0 % als angemessenem Gewinn stehe weder die Rüge der Klägerin im Hinblick auf den maßgeblichen räumlichen Bezugsrahmen noch deren Angriffe gegen eine linienscharfe Betrachtung bzw. die Beschränkung des Bezugszeitraumes auf das jeweilige Bewilligungsjahr entgegen. Weiter enthalte Ziff. 6 Anhang VO (EG) Nr. 1370/2007 hier nicht das Erfordernis einer unternehmensindividuellen Betrachtung, was einer pauschalierenden Festlegung der Höhe des angemessenen Gewinns für alle Verkehrsunternehmen ansonsten entgegenstünde. Da die vom Beklagten zur Anwendung gebrachte AV insgesamt und besonders in Bezug auf die Festlegung des angemessenen Gewinns rechtskonform sei, sei auch eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG durch eine rechtswidrige Wettbewerbsverfälschung nicht gegeben. Schon wegen der in der AV enthaltenen Anwendung gleicher Maßstäbe auf alle Verkehrsunternehmen werde eine Verfälschung des Wettbewerbs unterbunden.
14Die Klägerin hat die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt.
15Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem erstinstanz-lichen Verfahren und macht darüber hinaus im Wesentlichen geltend: Das Verwaltungsgericht habe schon im Ansatz nicht klar herausgearbeitet, dass es um die Überprüfung einer Rückforderungsentscheidung gehe. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es um gesetzlich nicht näher determinierte Leistungsverwaltung oder Subventionsgewährung gehe, sei fehlerhaft. Vielmehr gehe es um die Rückforderung von bereits gewährten Ausgleichsleistungen nach einem EU-verordnungsrechtlich vorgegebenen, vom Beklagten anzuwendenden Berechnungsmodell, welches vollständiger gerichtlicher Kontrolle unterliege. Die Festlegung des angemessenen Gewinns sei auch verordnungswidrig, wenn er zu niedrig festgesetzt werde. Das lasse das Gebot der Berücksichtigung eines angemessenen Gewinns leerlaufen. Der Beklagte habe insofern keinen Spielraum, sondern habe nach den Bestimmungen des Anhangs zur VO (EG) Nr. 1370/2007 zur Überkompensationskontrolle sowie dem Verteilungsmaßstab der Erlöse aus dem Ausbildungsverkehr nach § 11a Abs. 2 Satz 4 ÖPNVG NRW die Landesmittel an die Verkehrsunternehmen weiterzuleiten. Diese gebundene Rechtsanwendung und die damit verbundene Auslegung der Begriffe des Verordnungsrechts unterlägen uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Selbst wenn man einen Spielraum des Beklagten anerkennen wolle, seien dessen Grenzen überschritten. Schon bei der Tatsachenermittlung greife der Beklagte zu kurz. Dass auch insofern die Ermittlung des Sachverhalts möglich sei, verdeutliche die von ihr vorgelegte F. . D1. -Studie. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Sachgerechtigkeit der Festlegung der Höhe der Umsatzrendite enthielten sachliche Fehler und unzutreffende Annahmen bei der Auswertung der vorhandenen Aussagen zur Höhe des angemessenen Gewinns aus der Literatur oder anderen allgemeinen Quellen. Die Sachwidrigkeit der Festsetzung des Beklagten zeige sich auch durch eine Betrachtung der von anderen Aufgabenträgern in NRW festgesetzten Höhe des angemessenen Gewinns. Die Festlegung von 3,0 % Umsatzrendite sei die niedrigste Festsetzung in ganz NRW. In Bezug auf die in einem Landesgesetz enthaltene Ausgleichsregelung in Rheinland-Pfalz habe die EU-Kommission jüngst eine Umsatzrendite von 6,5 % akzeptiert. Trotz mehrfacher Aufforderungen und unbeanstandet durch das Verwaltungsgericht habe der Beklagte zu keiner Zeit Unterlagen oder Informationen vorgelegt, die den Abstimmungsprozess oder die Stellungnahmen der Berater dokumentierten. Es fehle auch an Angaben dazu, aufgrund welcher Datengrundlage der angemessene Gewinn auf 3,0 % festgesetzt worden sei. Soweit der Berater des Beklagten, Herr T. von l., nunmehr erkläre, seine dahingehende Empfehlung resultiere aus Erfahrungswerten zu den Renditen von Regionalbus-Unternehmen im Linienverkehr, seien diese nicht offengelegt worden. Im Übrigen seien die Risiken und damit auch die zu kalkulierenden Renditen im eigenwirtschaftlichen Verkehr einerseits und im gemeinwirtschaftlichen Verkehr andererseits nicht vergleichbar.
16Die Klägerin beantragt,
17das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 25. September 2014 zu ändern, den Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin Ausgleichsleistungen für das Jahr 2011 in Höhe von 220.739,49 Euro zu bewilligen.
18Der Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt ergänzend im Wesentlichen aus: Es bleibe dabei, dass eine Untergrenze für die Festlegung der Höhe des angemessenen Gewinns bzw. ein Verbot der Unterkompensation weder den Vorschriften der VO (EG) Nr. 1370/2007 noch der landesrechtlichen Regelung in § 11a Abs. 2 ÖPNVG NRW zu entnehmen sei. Dementsprechend sei die – zutreffend angewandte – AV des Beklagten in Bezug auf übergeordnete Rechtsebenen rechtmäßig. Die Regelungen zur vorläufigen Bewilligung stünden unter dem Vorbehalt nachträglicher endgültiger Festsetzung, so dass aus höherer vorläufiger Bewilligung nichts folge. Weil die Klägerin keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines die Obergrenze nach Ziff. 6 Anhang VO (EG) Nr. 1370/2007 ausschöpfenden Gewinns besitze, gingen ihre weiteren, Details der Ermittlung und Berechnung der Höhe des angemessenen Gewinns betreffenden Rügen ins Leere. Zudem griffen diese Angriffe sämtlich nicht durch: Er habe bei der Festlegung des angemessenen Gewinns keine sachwidrigen Erwägungen angestellt und dabei auch keine unzulässige Umverteilung unter Verkehrsunternehmen vorgenommen. Die von anderen Aufgabenträgern in ihren allgemeinen Vorschriften bei der Gewährung von Ausgleichsleistungen festgelegte Höhe des angemessenen Gewinns sei nicht von Bedeutung, weil jeder Aufgabenträger für seinen Zuständigkeitsbereich als Selbstverwaltungskörperschaft über einen Entscheidungsspielraum verfüge. Weiterhin sei er in diesem Streitverfahren zum einen schon nicht zu einer Auseinandersetzung mit der von der Klägerin vorgelegten F. . D1. - Studie verpflichtet. Diese Studie indiziere zum anderen aber auch keine Sachwidrigkeit der Festlegung des angemessenen Gewinns. Sie sei nämlich nicht verwertbar. Die verwendeten empirischen Daten seien nicht durchgängig valide. Die berücksichtigten Unternehmen seien teilweise nicht mit Regionalbus-Unternehmen vergleichbar. Erfasst seien u. a. auch solche, die etwa nur Reisedienst im Gelegenheitsverkehr betrieben oder Gesellschaften ohne eigenen Verkehrsbetrieb. Repräsentative veröffentlichte Daten existierten nicht. Das Gutachten leide zudem an statistischen Mängeln. Weiter enthalte es Marktstrukturerwägungen, die ungeeignet seien, einen angemessenen Renditewert zu begründen.
21In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die ökonomischen Berater der Beteiligten (Dr. G. , F. . D1. Economics, für die Klägerin; Herr T. , l., für den Beklagten) zu der F. . D1. -Studie vom 18. Juni 2014 und der maßgeblichen Renditehöhe angehört. Zu ihren Ausführungen im Einzelnen wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe:
24Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. September 2014 ist nicht begründet.
25Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist zulässig (A.), aber unbegründet (B.).
26A. Die Klage mit dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellten Verpflichtungsbegehren, gerichtet auf Gewährung höherer Ausgleichsleistung gemäß § 11a Abs. 2 ÖPNVG NRW für das Jahr 2011 in bestimmter Höhe, ist gemäß § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Eine vom Beklagten als unzulässig gerügte Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO liegt nicht vor, weil die Klägerin dieses Begehren – ungeachtet des zunächst anders formulierten Klageantrages – der Sache nach von Anfang an verfolgt hat und der Streitgegenstand demnach unverändert ist.
27B. Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung höherer Ausgleichsleistungen für den Ausbildungsverkehr für das Jahr 2011 als in Nr. 1 des Bescheids des Beklagten vom 27. Mai 2014 (auf 142.387 Euro) festgesetzt, insbesondere nicht im Umfang von insgesamt 220.739,49 Euro (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
28Den behaupteten Anspruch kann die Klägerin weder aus der VO (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. EU vom 3. Dezember 2007, L 315/1 – VO (EG) Nr. 1370/2007) (I.) noch aus § 11 a ÖPNVG NRW (II.) oder aus der Allgemeinen Vorschrift des Beklagten (AV) (III.) herleiten.
29I. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf höhere Ausgleichsleistungen für den Ausbildungsverkehr für das Jahr 2011 folgt nicht aus der VO (EG) Nr. 1370/2007. Die Verordnung begründet keinen unmittelbaren Anspruch des Verkehrsunternehmens auf Gewährung von Ausgleichsleistungen für den Ausbildungsverkehr.
30Die von der Klägerin begehrte Ausgleichsleistung ist eine Ausgleichsleistung im Sinne von Art. 2 lit. g VO (EG) Nr. 1370/2007. Sie stellt einen Vorteil finanzieller Art dar, der unmittelbar von einer zuständigen Behörde aus öffentlichen Mitteln während des Zeitraums der Erfüllung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung oder i.V.m. diesem Zeitraum gewährt wird. Der Beklagte als zuständige Behörde i. S. v. Art. 2 lit. b VO (EG) Nr. 1370/2007 i. V. m. § 3 ÖPNVG NRW erbringt die Ausgleichsleistung aus den vom Land zur Verfügung gestellten Mitteln der Ausbildungsverkehr-Pauschale gemäß § 11 a ÖPNVG NRW für die Auswirkungen der in Ziff. 3 AV geregelten Höchsttarifvorgabe für Zeitfahrausweise des Ausbildungsverkehrs in einem bestimmten Bewilligungsjahr.
31In den Regelungen der VO (EG) Nr. 1370/2007 findet sich nach Wortlaut, Systematik sowie unter Berücksichtigung der Zwecke der Verordnung keine Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen, aus der Betreiber von Personenverkehrsdiensten ‑ also Verkehrsunternehmen wie die Klägerin ‑ solche Ausgleichsleistungen unmittelbar fordern könnten. Die Regelungen der Verordnung richten sich vielmehr an die Mitgliedstaaten. Unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen den Verkehrsunternehmen und den nach nationalem Recht zuständigen Behörden begründen sie nicht.
32Art. 1 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 verdeutlicht, dass die Verordnung die allgemeinen Grundlagen und Voraussetzungen für Markteingriffe der zuständigen Behörden im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs regelt, mit denen diese ihren Gewährleistungsauftrag in Bezug auf den öffentlichen Personenverkehr (ÖPV) erfüllen können und dürfen.
33Vgl. Linke, Der Begriff des „angemessenen Gewinns“ bei Ausgleichsleistungen für DAWI im europäischen Beihilfenrecht am Beispiel des öffentlichen Personenverkehrs, EWS 2011, 456 f.
34Nach Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 regelt die Verordnung insbesondere, unter welchen Bedingungen die zuständigen Behörden den Verkehrsunternehmen unionsrechtskonform Ausgleichsleistungen für ihnen auferlegte gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen gewähren dürfen. Dem Regelungssystem von Art. 3 Abs. 2, Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 ist insofern zu entnehmen, dass allein auf der Grundlage der VO (EG) Nr. 1370/2007 keine Ausgleichsleistung an ein Verkehrsunternehmen geleistet werden kann bzw. darf, sondern die Verordnung auf einen sie konkretisieren Umsetzungsakt angewiesen ist. Dieser Umsetzungsakt kann entweder in einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag (Art. 3 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007) oder einer allgemeinen Vorschrift (Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007) bestehen. Der obligatorische Inhalt dieser Umsetzungsakte ist in Art. 4 VO (EG) Nr. 1370/2007 geregelt, wobei insbesondere Art. 4 Abs. 1 lit. b VO (EG) Nr. 1370/2007 mit dem Erfordernis der vorherigen objektiven und transparenten Aufstellung der Parameter, anhand deren die Ausgleichsleistung berechnet wird – also deren Tatbestandsvoraussetzungen –, verdeutlicht, dass ein Umsetzungsakt erforderlich ist, in dem dann eine Anspruchsgrundlage nach dem deutschen Rechtsverständnis zu normieren ist.
35II. Ein Anspruch der Klägerin auf höhere Bewilligung von Ausgleichsleistungen für Ausbildungsverkehr gegenüber dem Beklagten ergibt sich nicht aus § 11a ÖPNVG NRW. Der allein als Grundlage für den geltend gemachten Anspruch der Klägerin in Betracht kommende § 11a Abs. 2 ÖPNVG NRW stellt keine Anspruchsgrundlage für die unmittelbare Gewährung von Ausgleichsleistungen für den Ausbildungsverkehr an Verkehrsunternehmen in bestimmter Höhe dar.
36Dies ergibt eine Auslegung von § 11a Abs. 2 ÖPNVG NRW nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Norm.
37Zwar ordnet der Landesgesetzgeber in § 11a Abs. 2 Sätze 1 und 2 ÖPNVG NRW an, dass mindestens 87,5 % der auf einen Aufgabenträger entfallenden Pauschale an alle im jeweiligen Gebiet des Aufgabenträgers den Ausbildungsverkehr betreibenden Verkehrsunternehmen weiterzuleiten ist. Dieser Betrag steht für das jeweilige Jahr unter Berücksichtigung von § 11a Abs. 1 Satz 3 ÖPNVG NRW fest (i. V. m. Anlage 2a zu den Verwaltungsvorschriften zum Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in NRW – VV-ÖPNVG NRW, RdErl. d. Ministeriums für Bauen und Verkehr – II B 1-W-49-40/1 vom 30. November 2007). Maßstab für die Verteilung des 87,5 %-Anteils der Ausbildungsverkehr-Pauschale sind die Erträge der Verkehrsunternehmen im Ausbildungsverkehr des jeweiligen Jahres im Gebiet der jeweiligen Aufgabenträgers (Satz 4).
38Die Regelungen in § 11a Abs. 2 ÖPNVG NRW sind jedoch schon nach dem Wortlaut keine anspruchsbegründenden Vorschriften für die Verkehrsunternehmen, sondern regeln objektiv-rechtlich die „Weiterleitung“ der Landesmittel an die Verkehrsunternehmen (Satz 2), sowie Voraussetzungen und Maßstäbe für deren „Verteilung“ (Satz 4). Es handelt sich um Handlungsanweisungen an die Aufgabenträger zur Mittelverwendung, die keine unmittelbare Anspruchsgrundlage für die Verkehrsunternehmen enthalten. Dies bestätigt auch der Unterschied zu Formulierung und Aufbau der Anspruchsnorm im – für NRW gemäß § 64a PBefG durch Vorschriften des ÖPNVG NRW ersetzten – § 45 a PBefG („... ist auf Antrag ein Ausgleich zu gewähren, wenn und soweit ...“).
39Auch der Aufbau von § 11a ÖPNVG NRW spricht dafür, dass es sich allein um Vorschriften über die Mittelverwendung gegenüber den Aufgabenträgern handelt: In Abs. 1 sind die Grundsätze zur Gewährung der Ausbildungsverkehr-Pauschale vom Land NRW an die Aufgabenträger geregelt. Abs. 2 normiert Einzelheiten zur Verwendung eines von den Aufgabenträgern an die Verkehrsunternehmen weiterzuleitenden Anteils von mindestens 87,5 % der Pauschale. Für die verbleibenden bis zu 12,5 % der Pauschale gibt Abs. 3 Regeln für deren Verwendung durch die Aufgabenträger vor. Die Absätze 4 und 5 regeln Details der Abwicklung sowie den Rückfluss an das Land bei nicht erfolgter Verwendung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt.
40Die Regelung in § 11a Abs. 2 Satz 6 ÖPNVG NRW, wonach die Weiterleitung des 87,5 %-Anteils der Pauschale auf der Grundlage einer allgemeinen Vorschrift nach Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 erfolgen soll, zeigt die Absicht des Landesgesetzgebers, dass die Weiterleitung und Verteilung der Ausbildungsverkehr-Pauschale durch eine noch zu erlassende allgemeine Vorschrift gemäß Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 erfolgen soll. Das drückt aus, dass § 11a Abs. 2 ÖPNVG NRW die Anspruchsgrundlage der Verkehrsunternehmen noch nicht enthält, sondern diese erst in allgemeinen Vorschriften zu regeln ist.
41Diese sind auch erforderlich, um die Vereinbarkeit der Weiterleitung der Ausbildungsverkehr-Pauschale an die Verkehrsunternehmen mit dem Unionsrecht sicherzustellen, da allein der Maßstab der „Quote“ der Erträge im Ausbildungsverkehr gemäß § 11a Abs. 2 Satz 4 ÖPNVG NRW die Einhaltung des beihilfenrecht-lichen Verbots der Überkompensation nach VO (EG) Nr. 1370/2007 nicht gewährleistet. Insofern bedarf dieser Verteilungsmaßstab der Ausgestaltung durch allgemeine Vorschriften, um einen europarechtskonformen Mitteleinsatz sicherzustellen.
42Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung zu einem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in NRW vom 28. Oktober 2010, LT-Drs. 15/444, S. 20.
43III. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Festsetzung höherer Ausgleichsleistungen für den Ausbildungsverkehr für das Jahr 2011 unmittelbar aus der Allgemeinen Vorschrift des Beklagten. Diese Allgemeine Vorschrift als Anspruchsgrundlage der Ausgleichsleistung für den Ausbildungsverkehr ist wirksam (1.). Nr. 1 des Bescheides vom 27. Mai 2014 setzt mit Ausgleichsleistungen von 142.387 Euro das fest, was sich aus der Allgemeinen Vorschrift des Beklagten für die Klägerin für das Jahr 2011 ergibt (2.).
441. Die allgemeine Vorschrift des Beklagten ist nicht wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig. Dies gilt insbesondere für die Festlegung der Höhe der angemessenen Kapitalverzinsung in Ziff. 8.2.3 AV. Die maßgebliche Vorschrift lautet:
45„8.2.3 Angemessene Kapitalverzinsung
46Die zulässige Höhe der angemessenen Kapitalverzinsung wird pauschalierend bezogen auf die Linien (Ziff. 7.3) entsprechend einer Umsatzrendite von 3,00 % berechnet. Der Betrag wird als Anteil in Höhe von 3,09 % der maßgeblichen Kosten ermittelt. (...)“
47a. Der Beklagte hat seine Allgemeine Vorschrift zulässig in der Form einer vom Kreistag beschlossenen Satzung erlassen, die in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden ist.
48Regelungen über Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen i. S. v. Art. 2 lit. g VO (EG) Nr. 1370/2007 können gemäß Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 in den allgemeinen Vorschriften, die auch die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zur Festsetzung von Höchsttarifen zum Gegenstand haben, geregelt werden. Eine allgemeine Vorschrift ist gemäß Art. 2 lit. l VO (EG) Nr. 1370/2007 eine Maßnahme, die diskriminierungsfrei für alle öffentlichen Personenverkehrsdienste derselben Art in einem bestimmten geographischen Gebiet, das im Zuständigkeitsbereich einer zuständigen Behörde liegt, gilt. Erforderlich ist danach eine generell-abstrakte Regelung, die dem unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot bzw. dem nationalen Gleichbehandlungsgrundsatz entspricht. Zuständige Behörden sind in NRW gemäß § 3 ÖPNVG NRW vorrangig die Kreise und kreisfreien Städte, hier also der Beklagte für sein Kreisgebiet. Die Aufgabenträger auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte handeln in generell-abstrakter Form typischerweise durch Satzungen. Die hier vom Beklagten gewählte Form der Satzung entspricht dem, vgl. § 5 Kreisordnung NRW (KrO NRW).
49Vgl. zum Ergebnis Kaufmann/Lübbig/Prieß/ Pünder, VO (EG) Nr. 1370/2007, Art. 3 Rn. 10; Otting/Olgemöller, Ausgleich gemeinwirtschaft-licher Verpflichtungen durch allgemeine Vorschriften, GewArch 2012, 436 (438).
50Der Erlass als Satzung gemäß § 5 KrO NRW ist zulässig, weil der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) gemäß § 3 Abs. 1 ÖPNVG NRW eine Selbstverwaltungsangelegenheit des Kreises als Aufgabenträger ist.
51b. Gegen die Wirksamkeit der Satzung bestehen auch keine materiell - recht-lichen Bedenken. Der Beklagte hat - was zwischen den Beteiligten allein streitig ist - insbesondere die Höhe des im Rahmen der Überkompensationskontrolle zu berücksichtigenden Gewinns (aa.) in nicht zu beanstandender Weise auf 3,00 % Umsatzrendite festgesetzt. Diese Festsetzung steht sowohl mit den Vorgaben der VO (EG) Nr. 1370/2007 als auch mit § 11a ÖPVNG NRW im Einklang (bb.).
52aa. Um unionsrechtlich bedenkliche Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, dürfen in allgemeinen Vorschriften geregelte Ausgleichsleistungen für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen nicht den Betrag übersteigen, der dem finanziellen Nettoeffekt der Summe aller (positiven oder negativen) Auswirkungen der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen auf die Kosten und Einnahmen des Betreibers eines öffentlichen Dienstes entspricht; dabei ist einem angemessenen Gewinn Rechnung zu tragen (Art. 3 Abs. 2, 4 Abs. 1 Buchst. b, Art. 6 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 1370/2007, Ziff. 2 des Anhangs zur VO (EG) Nr. 1370/2008). Ziff. 6 des Anhangs zur VO (EG) Nr. 1370/2007 definiert den angemessenen Gewinn als „eine in dem betreffenden Sektor in einem bestimmten Mitgliedstaat übliche angemessene Kapitalrendite“, „wobei das aufgrund des Eingreifens der Behörde vom Betreiber eines öffentlichen Dienstes eingegangene Risiko oder für ihn entfallende Risiko zu berücksichtigen ist.“ Weitere Hinweise zur Methodik der Bestimmung des angemessenen Gewinns enthält die Verordnung nicht. Hierzu verhält sich auch § 11a ÖPVNG NRW nicht, soweit er in seinem Abs. 2 die Weiterleitung des Anteils der Pauschale auf der Grundlage einer allgemeinen Vorschrift nach Art. 3 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 anordnet und insoweit auch die dort beschriebenen Maßgaben zur Vermeidung einer Überkompensation in Bezug nimmt.
53bb. Die Festsetzung der Höhe des angemessenen Gewinns in Ziff. 8.2.3 der AV ist bezogen auf das Jahr 2011 rechtmäßig.
54(1) Soweit, wie die Klägerin meint, der Beklagte den zu berücksichtigenden Gewinn zu niedrig bemessen haben sollte, führt dies nicht zu einem Verstoß der AV gegen die VO (EG) Nr. 1370/2007. Aus der Verordnung einschließlich des Anhangs folgt weder ein Anspruch auf Vollkompensation des finanziellen Nettoeffekts im Sinne von Ziff. 2 des Anhangs noch ein Verbot der Unterkompensation oder ein Anspruch auf Gewinn (gegebenenfalls in bestimmter Mindesthöhe).
55Vgl. VG Augsburg, Urteil vom 24. März 2015- Au 3 K 13.2063 u. a. –, juris Rn. 108; Werner/ Oertel/Bayer/Telenta/Kemler/Karl, in: Praxis der Kommunalverwaltung (PdK), ÖPNVG NRW, § 11a, S. 79 Schaaffkamp/Karl/Oertel, Wie wird die Überkompensationskontrolle in der Praxis durchgeführt?, Verkehr und Technik 2014, 21 (26); Karl/Schaaffkamp, Finanzierungsmöglichkeiten des ÖPNV außerhalb von Verträgen – das Beispiel der allgemeinen Vorschrift (Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007), IR 2011, 275 (276); Grischkat/Karl/Berschin/Schaaffkamp, Allgemeine Vorschriften gemäß Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007, Verkehr und Technik 2010, 466 (467); Niemann, in: Saxinger/Winnes, Recht des öffentlichen Personenverkehrs, VO 1370 Art. 2 lit. g, Rn. 2, Schmitz, zu Art. 4 Abs. 1, Rn. 78; Linke, a. a. O., 457, 460; auch Otting/Olgemöller, a. a. O., befassen sich nicht mit einem Verbot der Unterkompensation.
56Die Vorschriften in Bezug auf Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen haben eine beihilfenrechtliche Zielsetzung. Dementsprechend ist (nur) das Überkompensationsverbot in der VO (EG) Nr. 1370/2007 verortet und stellt einen ihrer zentralen Regelungsinhalte und Zwecke dar (Erwägungsgründe Nr. 27, 28 und 33, Art. 3 Abs. 2 Satz 2, letzter Halbs. und Art. 4 Abs. 1 lit. b, 2. Halbs. VO (EG) Nr. 1370/2007). Eine Verpflichtung der zuständigen Behörde zur Gewährung einer Ausgleichsleistung, die den finanziellen Nettoeffekt unter Berücksichtigung eines angemessenen Gewinns vollständig deckt, enthält die VO (EG) Nr. 1370/2007 nicht. Beihilfenrechtlich unschädlich, weil keine Überkompensation herbeiführend, ist deshalb die Berücksichtigung eines zu geringen Gewinns.
57Dieses Ergebnis lässt sich auch dem systematischen Aufbau der Regelungen des Anhangs der VO (EG) Nr. 1370/2007 entnehmen, insbesondere der Ziff. 2: Nach dessen Satz 1 darf die Ausgleichsleistung den finanziellen Nettoeffekt der Auswirkungen der Erfüllung der auszugleichenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung nicht überschreiten. Dies bezieht sich auf die mit der Regelung beabsichtigte Einhaltung der beihilfenrechtlichen Obergrenze, jenseits derer eine Überkompensation vorliegt, die potentiell geeignet ist, den freien Wettbewerb zu beeinflussen und deshalb der Notifizierungspflicht unterliegt. Nach der in Ziff. 2 Satz 2 enthaltenen Formulierung der Differenzhypothese für die Beurteilung der Auswirkungen der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung folgt in Satz 3 die Vorgabe des Rechenmodells „für die Berechnung des finanziellen Nettoeffekts“, welches nach Kosten, positiven finanziellen Auswirkungen innerhalb des Netzes und Einnahmen auch die Berücksichtigung angemessenen Gewinns zu Gunsten des Verkehrsunternehmens regelt. Diese Regelungsabfolge zeigt, dass das in Satz 3 vorgegebene Berechnungsmodell allein für die Berechnung der eine Überkompensation vermeidenden Obergrenze des finanziellen Nettoeffekts gemäß Ziff. 2 Satz 1 des Anhangs gilt. Nur wenn eine nach der VO (EG) Nr. 1370/2007 die Obergrenze erreichende Ausgleichsleistung gewährt werden soll, ist nach diesem Rechenmodell der finanzielle Nettoeffekt zu ermitteln, da auf diese Art und Weise nach dem Erwägungsgrund Nr. 28 „bewiesen“ werden kann, „dass eine übermäßige Ausgleichsleistung vermieden wurde“.
58Dieses Ergebnis wird mittelbar dadurch bestätigt, dass im derzeitigen europäischen Rechtsetzungsverfahren zum sog. Eisenbahnpaket ein Änderungsvorschlag zu Art. 4 Abs. 1 lit. b, letzter Satz VO (EG) Nr. 1370/2007 vorliegt, wonach es statt „werden diese Parameter so bestimmt, dass die Ausgleichsleistung den Betrag nicht übersteigen kann, der ...“ (finanzieller Nettoeffekt) nunmehr lauten soll: „werden diese Parameter so bestimmt, dass die Ausgleichsleistung weder den Betrag übersteigt noch unter dem Betrag liegt, der…“ (finanzieller Nettoeffekt).
59Vgl. Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. Februar 2014 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der VO (EG) Nr. 1370/2007 hinsichtlich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste (COM(2013)0028 - C7-0024/2013 - 2013/0028(COD)), Abänderung 40.
60(2) Der nach der VO (EG) Nr. 1370/2007 bestehende weite Spielraum des Aufgabenträgers bei der Festlegung der Höhe des unterhalb der Schwelle der Überkompensation liegenden angemessenen Gewinns wird durch § 11a Abs. 2 ÖPNVG NRW stark eingeschränkt.
61Die nach § 11a Abs. 2 ÖPNVG NRW dem Aufgabenträger zur Verfügung stehenden Mittel sind unter den Verkehrsunternehmen nach dem Quoten-Maßstab des § 11a Abs. 2 Satz 4 ÖPNVG NRW bis zur Schwelle der Überkompensation zu verteilen. Eine allgemeine Vorschrift über Ausgleichsleistungen für den Ausbildungsverkehr muss deshalb in Nordrhein-Westfalen Regelungen zur Verhinderung von Überkompensation durch genaue Berechnung des finanziellen Nettoeffekts unter Berücksichtigung einer nach Ziff. 6 Anhang VO (EG) Nr. 1370/2007 festzulegenden Kapitalrendite enthalten.
62Dies ergibt sich aus einer Auslegung von § 11a Abs. 2 Sätze 4 und 6 ÖPNVG NRW unter Berücksichtigung der unmittelbar geltenden VO (EG) Nr. 1370/2007. § 11a Abs. 2 Satz 4 ÖPNVG NRW regelt die Verpflichtung der Aufgabenträger zur Weiterleitung der für die Verkehrsunternehmen bestimmten Finanzmittel (87,5 % der Ausbildungsverkehr-Pauschale) nach deren Anteil an den Erträgen im Ausbildungsverkehr („Quote“). § 11a Abs. 2 ÖPNVG NRW stellt damit die Höhe der an die einzelnen Verkehrsunternehmen weiterzuleitenden Mittel nicht in das Belieben des Aufgabenträgers. Mit der Verteilung nach Quote kann ‑ einzel-fallabhängig ‑ das Verbot der Überkompensation gemäß VO (EG) Nr. 1370/2007 im Widerspruch stehen. Das Spannungsverhältnis zwischen der „Quoten-Vertei-lung“ gemäß § 11a Abs. 2 Satz 4 ÖPNVG NRW und den Anforderungen der VO (EG) Nr. 1370/2007 ist unter Berücksichtigung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts derart aufzulösen, dass die Weiterleitung der Ausgleichsleistung nach Quote gemäß § 11a Abs. 2 Satz 4 ÖPNVG NRW umgesetzt wird, soweit nicht aus dem Überkompensationsverbot der VO (EG) Nr. 1370/2007 entgegen-stehendes folgt.
63Vgl. Karl/Schaaffkamp, a. a. O., 278 f., die insbesondere davon ausgehen, dass die Beschränkung des autonomen Zugriffs der lokalen Aufgabenträger auf die Ausbildungsverkehr-Pauschale die mit § 11a ÖPNVG NRW verfolgte Absicht des Landesgesetzgebers war.
64Da die durch § 11a Abs. 2 ÖPNVG NRW einbezogene Grenze der Überkompensation nach dem Anhang zur VO (EG) Nr. 1370/2007 zu berechnen ist, ist ein Aufgabenträger bei der Regelung der Ausgleichsleistung gemäß § 11a Abs. 2 ÖPNVG NRW an das Berechnungsmodell der Ziff. 2 Satz 3 Anhang VO (EG) Nr. 1370/2007 und hinsichtlich der Höhe des zu berücksichtigenden angemessenen Gewinns bei der Überkompensationskontrolle an Ziff. 6 Anhang VO (EG) Nr. 1370/2007 gebunden.
65Es verbleibt nur ein enger Einschätzungsspielraum des Aufgabenträgers. Dieser ergibt sich aus den Grenzen der Tatsachenermittlung sowie einem durch die benannten normativen Bindungen eingeschränkten Spielraum beim Erlass der Allgemeinen Vorschrift. Er bezieht sich etwa auf die Festlegung des Bezugsmaßstabes (wirtschaftliche Kennziffer) sowie die konkrete Renditehöhe hinsichtlich der einer exakten Bestimmung entzogenen unbestimmten Rechtsbegriffe der „üblichen angemessenen Kapitalrendite“ in Ziff. 6 Anhang VO (EG) Nr. 1370/2007.
66Vgl. zum „ökonomischen Anwendungsspielraum“ der zuständigen Behörden Kaufmann/Lübbig/ Prieß/Pünder, a. a. O., Anhang Rn. 2, 50; Hinweise zur Erstellung der allgemeinen Vorschrift nach § 11a Abs. 2 Satz 6 ÖPNVG NRW, erstellt von Landkreistag NRW, Städtetag NRW, Städte- und Gemeindebund NRW, Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr NRW (Hinweise NRW), Ziff. 9, S. 21.
67Der Normgeber ist nicht an ein bestimmtes Vorgehen zur Ermittlung der tatsächlichen Grundlagen der Normsetzung gebunden.
68Diesen Vorgaben genügt die Allgemeine Vorschrift, wie aus den nachfolgenden Ausführungen folgt.
69(3) Der vom Beklagten in Ziff. 8.2.3. AV festgelegte Gewinn ist bezogen auf die Ausgleichsleistung für das Jahr 2011 unter Berücksichtigung der dargestellten Maßstäbe nicht zu beanstanden.
70(a) Der Beklagte hat mit der Umsatzrendite einen zulässigen Bezugsmaßstab für den in Ziff. 2 Satz 3 Anhang VO (EG) Nr. 1370/2007 aufgeführten angemessenen Gewinn festgelegt.
71Dem steht nicht entgegen, dass Ziff. 6 Anhang der VO (EG) Nr. 1370/2007 von einer „Kapitalrendite“ spricht. Die Europäische Kommission hat die Berücksichtigung der Umsatzrendite,
72vgl. Deuster, Endspurt zur VO (EG) Nr. 1370/2007: Neue Regeln für beihilfenrechtskonforme Ausgleichsleistungen (Teil 2), IR 2009, 346 (350); Wachinger/Zimmer, Neue beihilferechtliche Vorgaben für Direktvergaben im SPNV, Der Nahverkehr 2010, 30 (32),
73bei der beihilfenrechtlichen Überprüfung von ÖPNV-Leistungen (außerhalb der VO (EG) Nr. 1370/2007) nicht gerügt.
74Vgl. Kommission, Entscheidung vom 22. Januar 2014 – SA.34155 (2013/N) –C(2014) 133 cor. –Landesgesetz Rheinland-Pfalz (mit Anm. Struß/Schué, Beihilfen für öffentliche Personenverkehrsdienste, Verkehr und Technik 2014, 311 ff.).
75Die Kommission geht in Bezug auf die beihilfenrechtliche Überprüfung von Ausgleichsleistungen für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (sog. DAWI) in ihrem DAWI-Beschluss vom 20. Dezember 2011 (außerhalb der Personenverkehrsbranche „zu Lande“) zwar davon aus, dass für die Bemessung des hierbei zu berücksichtigenden angemessenen Gewinns grundsätzlich eine Kapitalrendite zu Grunde gelegt werden soll, davon aber abgewichen werden darf, wenn dies aufgrund von besonderen Umständen nicht angebracht ist.
76Vgl. Beschluss der Kommission vom 20. Dezember 2011 über die Anwendung von Art. 106 Abs. 2 AEUV auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zu Gunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind (ABl. EU vom 11. Januar 2012, L 7/3 ff.), Art. 5 Abs. 5 Satz 1, Abs. 8 Satz 1.
77Entsprechendes gilt - was von den Beteiligten nicht in Abrede gestellt wird - für den Anwendungsbereich der VO (EG) 1370/2007. Der Rückgriff auf die Umsatzrendite ist für die Bemessung der Höhe des bei der Überkompensationskontrolle anzusetzenden angemessenen Gewinns bzw. der angemessenen Kapitalrendite gemäß Anhang zu VO (EG) Nr. 1370/2007 im Markt des öffentlichen Personenverkehrs mit Bussen sachgerecht und praktikabel. Sie gewährleistet eine gleichmäßige Beurteilung vergleichbarer Geschäftstätigkeiten und vermeidet angesichts unterschiedlicher Kapitalausstattungen der Unternehmen bestehende Zufälligkeiten und Manipulationsmöglichkeiten, die bei kapitalorientierten Renditekennzahlen, besonders aufgrund der verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten im Busverkehr, nicht auszuschließen wären.
78Vgl. Werner/Oertel/Bayer/Telenta/Kemler/Karl, a. a. O., § 11a ÖPNVG NRW, S. 79 ff.; Schaaffkamp/Karl/Oertel, a. a. O., 23 f.; Kloß/ Knoblich/Niemann/Schuh, Verbundfinanzierung angesichts demographischer Veränderungen, Der Nahverkehr 2012, 24 (26); Linke, a. a. O., 458.
79Das von der Klägerin in das Verfahren eingeführte F. . D1. - Gutachten geht mit der Kennzahl der EBIT-Marge letztlich ebenso von einer Ausprägung der Umsatzrendite aus, die den „Gewinn vor Zinsen und Steuern“ (earnings before interest and taxes = EBIT) ins Verhältnis zum Umsatz stellt. Ein Unterschied zur Umsatzrendite gemäß Ziff. 8.2.3. AV ist nicht gegeben.
80Vgl. F. . D1. -Gutachten, S. 3: „eine Umsatzrendite wie die EBIT-Marge als ein geeignetes Renditemaß“, sowie Ziff. 5.1, S. 21; zur EBIT-Marge als Form der Umsatzrendite vgl. Wikipedia-Artikel zu „Rentabilität“ und „EBIT“, www.wikipedia.de.
81(b) Die Höhe der Umsatzrendite ist mit 3,0 % in Ziff. 8.2.3 AV im Hinblick auf das hier im Streit stehende Jahr 2011 eine „in dem betreffenden Sektor im Mitgliedstaat übliche angemessene“ Rendite. Die Höhe des Renditesatzes von 3,0 % Umsatzrendite bewegt sich noch im ökonomisch vertretbaren Rahmen.
82Vgl. Werner/Oertel/Bayer/Telenta/Kemler/Karl, a. a. O., § 11a ÖPNVG NRW, S. 81 („zwischen 3 und 5 % Umsatzrendite“); Snaga/Vibrans, Angemessener Gewinn nach VO 1370/2007, Blickpunkt Verkehr 3/2011, 6 (8) (mittlere Umsatzrendite nach EBIT von 3,1 % im Zeitraum 2007 – 2009).
83Marktüblich und angemessen ist eine Rendite, die ein durchschnittliches Unternehmen bei der Entscheidung darüber, ob es die Dienstleistung erbringt, zugrundelegen würde. Zu deren Ermittlung kann auf die erwirtschafteten Renditen vergleichbarer Verkehrsunternehmen bei öffentlich ausgeschriebenen Verkehrsverträgen über vergleichbare Leistungen mit ähnlichem Risiko zurückgegriffen werden. Um eine tragfähige Grundlage für die Ermittlung der Üblichkeit zu schaffen, muss – im Rahmen des Möglichen – eine repräsentative Anzahl vergleichbarer Verkehrsunternehmen gefunden werden.
84Vgl. Kommission, DAWI-Beschluss vom 20. Dezember 2011, a. a. O., Art. 5 Abs. 8 Satz 4; Mitteilung der Kommission über den Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen (2011), sog. DAWI-Rahmen, ABl. EU vom 11. Januar 2012, C 8/15 ff., Rz. 33, 35 Schaaffkamp/Karl/Oertel, a. a. O., 24; Friederiszick/Kohnz, Angemessene Rendite im Bussektor, Der Nahverkehr 2015, 41; Linke, a.a.O., 458.
85Hierzu hat der Beklagte auf Renditewerte zurückgegriffen, die von Regionalbusverkehrsunternehmen im Linienverkehr unter Wettbewerbsbedingungen erzielt worden sind. Hierzu hat sein externer Berater, Herr T. , in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, Daten aus dem Wettbewerb stünden zwar nicht zur Verfügung. Die Daten beruhten aber auf Erfahrungswerten, die aus vertraulichen Informationen gewonnen worden seien, die deshalb nicht offen gelegt werden könnten. Im Jahr 2011 sei eine Umsatzrendite von 2 - 3 % marktüblich gewesen. Selbstverständlich habe es Ausreißer nach oben und unten gegeben.
86Diese Vorgehensweise ist – bis zur Erlangung besserer Informationen – wegen der fehlenden Verfügbarkeit verlässlicher Erkenntnisse über Renditewerte im eigenwirtschaftlich betriebenen Regionalbusverkehr nicht zu beanstanden.
87Vgl. Kommission, Entscheidung über die Anwendung von Art. 86 Abs. 2 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen, die bestimmten mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaft-lichem Interesse betrauten Unternehmen als Ausgleich gewährt werden, ABl. EU vom 29. November 2005, L 312/67 ff., Art. 5 Abs. 4 Satz 4.
88Der Senat hat keinen Anlass, die Erklärungen des in der mündlichen Verhandlung eingehend befragten und kompetenten Beraters T. (Unternehmensberatung l.) hinsichtlich der sachlichen Richtigkeit der aufgezeigten Renditewerte in Frage zu stellen. Er hat diese aus seiner umfangreichen und langjährigen Tätigkeit gewonnen, in der er Ausschreibungen von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen (ÖDA) begleitet hat. Der Beklagte hat im Übrigen den Prozess der Findung und Festlegung der Renditehöhe in der Berufungserwiderung vom 23. Oktober 2015, seinen früheren Schriftsätzen vom 31. März 2014 und 9. September 2014 sowie dem jüngsten Schriftsatz vom 18. November 2015 ins Einzelne gehend erläutert. Die Darstellung des Entscheidungsprozesses, der unter Berücksichtigung nur begrenzt verfügbarer Informationen und der im Land Nordrhein-Westfalen unter Mitwirkung des zuständigen Landesministeriums sowie der kommunalen Spitzenverbände erarbeiteten „Hinweise“ zur Erstellung von allgemeinen Vorschriften gemäß Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 in Umsetzung von § 11a Abs. 2 ÖPNVG NRW zu dem Ergebnis der Festsetzung von 3,0 % Umsatzrendite gelangte, ist nachvollziehbar und lässt unter sachgerechten Erwägungen das intensive Bemühen um Festlegung des „richtigen“ Renditewertes erkennen.
89Dass die den externen Beratern des Beklagten zur Verfügung stehenden Daten aus den von den Verkehrsunternehmen eingereichten Ausschreibungsunterlagen wegen ihrer Vertraulichkeit nicht offen gelegt werden durften, stellt die Richtigkeit der getroffenen Feststellungen nicht durchgreifend in Frage. Im Übrigen ist der Entwurf der AV den betroffenen Verkehrsunternehmen in der Verkehrsgemeinschaft N. von der Fachabteilung des Beklagten gemeinsam mit den rechtlichen und ökonomischen Beratern vorgestellt worden, wobei auch die Frage des angemessenen Gewinns thematisiert wurde. Dort soll der Frage der Renditehöhe mehrheitlich keine große Bedeutung beigemessen worden sein und die vorgestellte Festlegung keinen Widerspruch ausgelöst haben; dass die Höhe des angesetzten Gewinns bei einer überwiegenden Zahl der betroffenen Verkehrsunternehmen auf vehementen, insbesondere sachlich begründeten Widerspruch gestoßen wäre, behauptet auch die Klägerin nicht.
90Der klägerische Einwand, die Informationen von l. bezögen sich nicht auf eigenwirtschaftliche Verkehre – und damit nach der Risikostruktur nicht auf die maßgeblich zu vergleichenden Verkehrsleistungen – greift nicht durch. Die Risikostruktur der nach der Auffassung der Klägerin heranzuziehenden eigenwirtschaftlichen Verkehre weicht bei genauer Betrachtung nicht in der gerügten Weise rechtserheblich von den vorrangig im Ausschreibungswettbewerb vergebenen ÖDA ab, aus deren Kenntnis der Berater T. für den Beklagten seine Einschätzung maßgeblicher Renditen ableitete. Insofern kommt es weniger auf die Gegenüberstellung „eigenwirtschaftlicher Verkehr – gemeinwirtschaftlicher Verkehr“, sondern vielmehr auf die Auswahl der nach der Risikostruktur und der entsprechenden Renditeerwartung vergleichbaren Verkehre an. Nur wenn zwischen den hier maßgeblichen von der Klägerin und anderen regionalen Busunternehmen betriebenen Linienverkehren als eigenwirtschaftliche Verkehre auf der Grundlage von Liniengenehmigungen nach §§ 9, 42 PBefG der Risikostruktur nach wesentliche Unterschiede zu dem Erfahrungswissen des Beraters T. (im Ausschreibungswettbewerb vergebene ÖDA) bestehen, könnte dessen gegenüber dem Beklagten ausgesprochene Empfehlung Zweifeln unterliegen. Solche Unterschiede sind nicht feststellbar. Der von der Klägerin betriebene eigenwirtschaftliche Verkehr unter Inanspruchnahme verschiedener öffentlicher Zuschüsse und insbesondere der hier streitigen Ausgleichsleistung für den Ausbildungsverkehr begründet für ein Verkehrsunternehmen wie die Klägerin insbesondere ein Kostenrisiko durch die Beschränkung der Ausgleichsleistung auf die maßgeblichen Kosten nach der Vorab-Kalkulation; das Erlösrisiko ist im Rahmen des Quoten-Anteils des Unternehmens an den Landesmitteln nach § 11a Abs. 2 Satz 1 und Satz 4 ÖPNVG NRW auf den Aufgabenträger abgewälzt. Das unternehmerische Risiko ist durch den hohen Anteil vergleichbar sicherer Kunden im Ausbildungsverkehr, die durch den aufgrund der Höchsttarifvorgabe günstigen Preis eine höhere Unternehmensbindung aufweisen, vermindert. Die Risikostruktur der ÖDA, auf die sich der Berater T. bezieht, weicht hiervon nicht maßgeblich ab. Diese stellt sich nicht als einheitlich dar, sondern ist sehr verschieden. Je nach der Ausgestaltung der Verkehrsverträge als Brutto-, Netto- oder Brutto-Anreiz-Verträge entfalten diese höheres oder niedrigeres Risikopotenzial. Wie sich die Risikostruktur innerhalb der l. bekannten Verkehrsverträge konkret gestaltet, kann aufgrund der nicht möglichen Offenlegung der hierauf bezogenen Einzelheiten nicht näher untersucht werden. Insgesamt schätzt der Senat jedoch die wirtschaftlichen Risiken bei der Gesamtheit der ausgeschriebenen gemeinwirtschaftlichen Verkehre nicht wesentlich geringer ein als bei den eigenwirtschaftlichen Verkehren mit hohem Anteil öffentlicher Zuschuss- und Ausgleichsleistungen.
91Das Erfahrungswissen des Beraters T. ist zwar in Bezug auf die Auswertung von Angeboten der Verkehrsunternehmen für ausgeschriebene Verkehrsverträge auf eine ex-ante-Betrachtung fokussiert, er hat jedoch aus dem informellen Kontakt mit den Verkehrsunternehmen ausreichende Kenntnisse über die Realisierung der mit den Angeboten verbundenen Renditeerwartungen der Unternehmen. Zudem ist bei einer über einen langjährigen Zeitraum erfolgten Beobachtung der Angebotsentwicklung davon auszugehen, dass die von ihm betrachteten Angebote im Wesentlichen auf der Grundlage tragfähiger und nachhaltiger wirtschaftlicher Annahmen erfolgten.
92Darüber hinaus sind die von der Klägerin geforderten perfekten und zutreffenden Renditeinformationen für im Wettbewerb vergebene Verkehrsleistungen gleicher Risikostruktur (insbesondere mit Kostenrisiko beim Verkehrsunternehmen, wie bei der Klägerin) nicht verfügbar. Dieses Datenproblem,
93vgl. Kaufmann/Lübbig/Prieß/Pünder, a. a. O., Anhang Rn. 51; Linke, a. a. O., 459,
94hat der Berater T. eingehend dargelegt. Dies wird durch die F. . D1. -Studie, die Ausführungen des ökonomischen Beraters der Klägerin Dr. G. sowie die entsprechenden kritischen Stellungnahmen Herrn R. in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Auch F. . D1. ist es nicht gelungen, für ihre Studie Datenmaterial im gewünschten Sinne zu generieren, sondern auch unter den von ihnen berücksichtigten Unternehmen finden sich ‑ wie auch bei den von Herrn T. berücksichtigten Verkehren – solche, die verschiedenste Risikoprofile oder auch verschiedene Branchen vereinen. Sind die „perfekten Daten“ damit nicht verfügbar – was auch einer gerichtlichen Beweiserhebung entgegenstünde –, ist es zulässig, auf eine erreichbare Vergleichsgruppe auszuweichen. Hierzu hat l. dem Beklagten fachkundig Kenntnisse vermittelt, die dieser anhand regionaler Markterfahrungen und Erkenntnisse überprüft und dann für zutreffend befunden hat.
95Durchgreifend in Frage gestellt werden die vom Beklagten berücksichtigten Renditewerte ferner nicht durch die von der Klägerin in das Verfahren eingeführte F. . D1. -Studie, welche die Konzernmutter der Klägerin hat erstellen lassen und deren Abschlussbericht vom Juni 2014 datiert. Es ist bereits zweifelhaft, ob aus der Ende Juni 2014 abgeschlossenen F. . D1. -Studie Erkenntnisse für die Ende Juni 2011 getroffene Regelung in Ziff. 8.2.3 AV gewonnen werden können. Die Studie zeigt nicht auf, dass schon 2011 bessere Informationen über die üblichen und angemessenen Renditen im Bussektor verfügbar gewesen wären. Die Studie mag – dies stellt auch der Beklagte nicht in Abrede – Anlass für zukunftsbezogene Überlegungen zur Überprüfung und Änderung der Höhe des angemessenen Gewinns bzw. modifizierte Verfahren der Gewinn-Festlegung sein. Weiter überzeugt die Studie den Senat wegen der vom Berater T. dargelegten Angreifbarkeit der empirischen Datengrundlage sowie den in ihr enthaltenen Marktstrukturerwägungen nicht. Auch die normativen Erwägungen, mit denen die Anhebung des Schwellenwerts vom an sich nahe liegenden Median (50. Perzentil) auf eine Bandbreite um das 75. Perzentil (65. – 85. Perzentil) begründet werden, sind nicht zwingend.
96Zur Studie im Einzelnen aus Sicht der Ersteller Friederiszick/Kohnz, a. a. O.; kritisch Karl/ Petersen/Schaaffkamp, Anforderungen an die Ermittlung eines „angemessenen Gewinns“, Der Nahverkehr 2015, 59 ff.
97Aus den Entscheidungen der EU-Kommission zu Ausgleichsleistungen im Busverkehr mit höheren Renditen bei der Überkompensationskontrolle,
98Kommission, Entscheidung vom 24. Februar 2010 (Danske Statsbaner), ABl. EU vom 11. Januar 2011, L7/1 ff.; Entscheidung vom 26. November 2008 (Tschechische Republik/ Südmähren), ABl. EU vom 16. April 2009, L 97/14 ff.; Entscheidungen vom 15. September 2009, ABl. EU vom 24. Oktober 2009, C 255/4 ff. (Wittenberg II und Anhalt-Bitterfeld); Entscheidung vom 22. Januar 2014 – SA.34155 (2013/N) –C(2014) 133 cor. –(Landesgesetz Rheinland-Pfalz); Entscheidung vom 25. Juni 2014, ABl. EU vom 14. November 2014, L 329/35 ff. (Tschechische Republik/Usti),
99folgt kein Rechtsfehler der Regelung in Ziff. 8.2.3 AV. Diese Entscheidungen haben für den zu entscheidenden Fall, in dem die Klägerin letztlich geltend macht, dass die Festlegung der Höhe des angemessenen Gewinns in der allgemeinen Vorschrift des Beklagten rechtswidrig zu niedrig sei, keine präjudizierende Bedeutung. Die EU-Kommission hat in den angeführten Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten über die unionsrechtliche Zulässigkeit staatlicher Leistungen an Unternehmen des öffentlichen Verkehrs unter dem beihilfenrechtlichen Blickwinkel entschieden, ob eine vom betreffenden Mitgliedstaat bzw. Rechtsträger gewährte (Ausgleichs-)Leistung die beihilfenrechtliche Obergrenze überschreitet. Dies ist keine Entscheidung über eine Verpflichtung der zuständigen Behörde, in dieser Höhe Ausgleichsleistungen zu gewähren. Zugleich sind die Entscheidungen teils schon nicht zum öffentlichen Busverkehr oder zum ÖPNV-Markt in anderen Mitgliedstaaten ergangen. Insofern sowie auch zu den Entscheidungen mit Bezug zum deutschen ÖPNV-Markt gilt generell, dass die Aufgabenträger nicht an solche Einzelfall-Entscheidungen der Kommission gebunden sind. Sachargumente oder überzeugende inhaltliche Gesichtspunkte in Bezug auf Renditen im deutschen Busmarkt lassen sich den Kommissions-Entscheidungen nicht entnehmen.
100(c) Ziff. 8.2.3 AV verstößt nicht gegen Ziff. 6 des Anhang VO (EG) Nr. 1370/ 2007, wonach bei der Ermittlung des angemessenen Gewinns das aufgrund des Eingreifens der Behörde vom Betreiber eines öffentlichen Dienstes eingegangene Risiko oder für ihn entfallende Risiko zu berücksichtigen ist. Die im Anhang der VO (EG) Nr. 1370/2007 enthaltenen Regelungen sind inhaltlich vor allem an den Erfordernissen der Überkompensationskontrolle bei der Beurteilung von Ausgleichsleistungen im Zusammenhang mit direkt vergebenen öffentlichen Dienstleistungsaufträgen ausgerichtet.
101Vgl. Schmitz, in Saxinger/Winnes, a. a. O., Anhang, Kapitel 2, Rn. 2.
102Ein mit einem Verkehrsunternehmen geschlossener öffentlicher Dienstleistungsauftrag muss die Gegebenheiten dieses Verkehrsunternehmens berücksichtigen. Für die Gesamtheit der von einer allgemeinen Vorschrift erfassten Verkehrsunternehmen kann nur auf eine Risikoveränderung für alle betroffenen Verkehrsunternehmen abgestellt werden. Ein Erfordernis unternehmensindividueller Gewinnfestlegung kann dem deshalb nicht entnommen werden. Es ist Wesensmerkmal allgemeiner Vorschriften gemäß Art. 2 lit. l VO (EG) Nr. 1370/2007, dass diese diskriminierungsfrei für alle öffentlichen Personenverkehrsdienste derselben Art in einem bestimmten geographischen Gebiet innerhalb des Zuständigkeitsbereichs einer zuständigen Behörde gilt. Dies schließt eine Festlegung unterschiedlicher Renditesätze für jedes einzelne Unternehmen in einer allgemeinen Vorschrift aus.
103Vgl. Schaaffkamp/Karl/Oertel, a. a. O., 23; im Ergebnis ebenso Winnes, in: Saxinger/Winnes, a. a. O., Art. 3 Abs. 2, Rn. 40, Schmitz, zum Anhang, Kap. 2, Rn. 6; Werner/Oertel/ Bayer/Telenta/Kemler/Karl, a. a. O., § 11a ÖPNVG NRW, S. 81; anders Otting/Olgemöller, a. a. O., 439.
104(d) Der Beklagte war auch nicht gehalten, die Festlegung der Höhe des angemessenen Gewinns in Ziff. 8.2.3 AV als widerlegbare Vermutung mit einer Öffnungsklausel auszugestalten, die es dem Verkehrsunternehmen ermöglicht, ein höheres Renditeniveau in einem Markt darzulegen. Ein solches Regelungsmodell ist zwar zulässig, aber nicht zwingend.
105(e) Es stellt keinen Rechtsfehler der Allgemeinen Vorschrift des Beklagten dar, dass diese jährliche Zeiträume für die Bewilligung der Ausgleichsleistung und zugleich auch für die Durchführung der Überkompensationskontrolle regelt. Dies steht zugleich nicht im rechtserheblichen Widerspruch zur Festlegung der Höhe des angemessenen Gewinns in Ziff. 8.2.3 AV, die – soweit ersichtlich – von einem nicht nur im aktuellen Jahr bestehenden Renditeniveau ausgeht, sondern ein entsprechendes Marktniveau „der letzten Jahre“ zu Grunde legen dürfte und zugleich auch eine Prognose für die Zukunft enthält. Diese Entscheidung ist weder von Ziff. 6 Anhang VO (EG) Nr. 1370/2007 noch von § 11a Abs. 2 ÖPNVG NRW in rechtlicher Weise zwingend vorgegeben. Praktische Erwägungen in Bezug auf die ersichtlich jährlich strukturierte Gewährung der Ausbildungsverkehr-Pauschale des Landes NRW an die Aufgabenträger mit jährlich zu ermittelndem Quotenanteil, Verwendungsnachweisen, Rückerstattung bei Nicht-Verwendung usw. (§ 11a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sätze 4 und 5, Abs. 5 ÖPNVG NRW) sprechen dafür, auch bei der Überkompensationskontrolle eine jährliche Betrachtungsweise zugrunde zu legen.
106Ebenso Tegner/Wachinger, Ausgleichsberechnung und Überkompensationskontrolle nach dem Anhang zur VO 1370/2007 – Eine juristisch-ökonomische Beleuchtung (nicht nur) für den SPNV, IR 2010, 264 (265); auch die EU-Kommission geht von einem jährlichen Prüfrhythmus aus, vgl. Entscheidung vom 24. Februar 2010, a. a. O., Danske Statsbaner, Rz. 234 ff.; Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewährt werden, ABl. EU vom 29. November 2005, C 297/4 ff., Rz. 21.
107Hervorzuheben ist insgesamt, dass der Beklagte als Aufgabenträger die Festsetzung der Höhe des angemessenen Gewinns im Zeitverlauf unter Kontrolle halten muss. Er ist zu regelmäßigen Überprüfungen verpflichtet, ob seine tatsächlichen Annahmen über die Renditen im Bussektor (noch) zutreffend sind. Stehen ihm insbesondere bessere Informationen über die in solchen Verkehren erzielbaren Renditen zur Verfügung – eventuell Marktstudien mit bisher in dieser Qualität nicht vorhandenen empirischen Daten oder neuen bzw. besseren Methoden –, so hat er die Festlegung in der allgemeinen Vorschrift anzupassen. Den Verkehrsunternehmen steht es frei, durch ihnen vorliegende Informationen oder Studien (oder auch die vertrauliche bzw. anonymisierte Mitteilung der von ihnen tatsächlich erzielten Renditen) auf die Entscheidungsbildung des Aufgabenträgers einzuwirken.
1082. Die in Ziff. 1 des Bescheides vom 27. Mai 2014 vorgenommene endgültige Festsetzung entspricht der Höhe nach der Allgemeinen Vorschrift des Beklagten, insbesondere Ziff. 8.2.3 AV.
109Der Beklagte hat auf der Grundlage von Ziff. 6 AV den der Klägerin nach ihrer Quote an den Erträgen im Ausbildungsverkehr im Kreisgebiet zustehenden Anteil gemäß § 11a Abs. 2 Satz 4 und Satz 5 ÖPNVG NRW ermittelt. Der Anteil des Beklagten an der Ausbildungsverkehr-Pauschale für 2011 nach § 11a Abs. 1 ÖPNVG NRW beträgt 1.217.654,70 Euro; 87,5 % davon gemäß § 11a Abs. 2 Satz 1 ÖPNVG NRW sind 1.065.447,86 Euro (vgl. Ziff. 6.2 AV). Von diesem Betrag hat die Klägerin nach ihrer Quote an den Gesamt-Erträgen aller Verkehrsunternehmen im Kreisgebiet im Ausbildungsverkehr (Ertragsermittlung gemäß Ziff. 6.3 und 6.4 AV) einen Anteil von 20,7180 % erhalten (Ermittlung der Quote nach Ziff. 6.5 AV); das ergibt von dem Betrag von 1.065.447,86 Euro den gemäß Ziff. 6.6 AV unter dem Vorbehalt der Überkompensationskontrolle stehenden Anteil von 220.739.49 Euro.
110Die Überprüfung auf eine mögliche Überkompensation im Sinne der VO (EG) Nr. 1370/2007, welche in der Allgemeinen Vorschrift des Beklagten in Ziff. 8 geregelt ist, ist dieser Vorschrift gemäß und unter Zugrundelegung der von der Klägerin übermittelten und durch l. unter dem 22. Juli 2013 testierten endgültigen Zahlen für das Jahr 2011 (vgl. Beiakte 1, Bl. 155 f.) erfolgt. Die Klägerin hat maßgebliche Kosten einschließlich angemessenen Gewinns von 1.696.789 Euro und maßgebliche Einnahmen von 1.561.883 Euro mitgeteilt. Daraus folgt eine Differenz, für die eine Ausgleichsleistung gewährt werden kann, ohne dass eine Überkompensation vorliegt, in Höhe von 134.906 Euro. Hierzu addiert der Beklagte nach den Angaben der Klägerin einen Betrag von 7.481 Euro aus einem öffent-lichen Dienstleistungsauftrag für die von der Klägerin betriebene (gesondert zu betrachtende) Linie S 75. Daraus ergibt sich die errechnete Grenze der Überkompensation, bis zu der die Ausgleichsleistung gewährt werden kann, von 142.387 Euro. Der gemäß Ziff. 6 AV ermittelte Betrag „nach Quote“ von 220.739,49 Euro übersteigt die Grenze der Überkompensation gemäß Ziff. 8 AV und ist deshalb nach Ziff. 8.3 und Ziff. 6.6 AV auf den Betrag von 142.387 Euro abzusenken.
111Bei der Überkompensationskontrolle ist gemäß Ziff. 8.2.3 AV ein Zuschlag für die angemessene Kapitalverzinsung entsprechend einer Umsatzrendite von 3,0 %, welcher nach Ziff. 8.2.3 Abs. 1 Satz 2 AV als Anteil i.H.v. 3,09 % der maßgeb-lichen Kosten ermittelt wird, berücksichtigt worden. Ob das l. -Testat vom 22. Juli 2013 in Bezug auf das Jahr 2011 einen zu hohen „Zuschlag für Wagnis und Gewinn“ berücksichtigt hat, kann dahinstehen, weil dies allenfalls dazu führte, dass der Gesamtbetrag der bewilligten Ausgleichsleistungen für 2011 zu hoch ausgefallen wäre, was die Klägerin nicht beschwert.
112C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
113Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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Referenzen
- § 5 KrO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 132 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- § 11a Abs. 2 ÖPNVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 11a Abs. 2 Satz 4 ÖPNVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 ÖPNVG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- § 11a ÖPVNG 2x (nicht zugeordnet)
- PBefG § 45a Ausgleichspflicht 1x
- VwGO § 167 1x
- § 11 a Abs. 2 Satz 6 ÖPNVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 11a ÖPNVG 2x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 1 ÖPNVG 1x (nicht zugeordnet)