Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 B 1262/15
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde ist unbegründet.
3Die von der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass, die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder zu ändern.
4Mit ihr hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage (VG Düsseldorf 2 K 3280/15), soweit sie sich gegen die Abordnungsverfügung vom 19. August 2015 richtet, anzuordnen. Die im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Lasten der Antragstellerin aus. Der mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehene Bescheid der Bezirksregierung E. , mit dem die Antragstellerin mit sofortiger Wirkung bis zum Ende des Schuljahres 2016/2017 vom Städtischen H. -Gymnasium in E. an das Städtische Gymnasium C. T. in X. abgeordnet und ihr die Funktion einer Studiendirektorin als Fachleiterin zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben übertragen worden sei, erweise sich nicht als offensichtlich rechtswidrig; auch ließen sich keine sonstigen Gründe für seine Außervollzugsetzung feststellen. Vielmehr begegne die Abordnungsverfügung sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Es bestehe auch ein besonderes Interesse an ihrer Vollziehung, weil nach der Wertung des § 54 Abs. 4 BeamtStG für die sofortige Vollziehung einer Abordnungsverfügung ein in der Regel ausschlaggebendes öffentliches Interesse gegeben sei, gegenüber dem das Interesse des betroffenen Beamten nur bei Vorliegen gewichtiger Gründe ausnahmsweise Vorrang haben könne. Solche Gründe habe die Antragstellerin weder dargelegt noch seien sie sonst ersichtlich.
5Diese Wertung des Verwaltungsgerichts wird durch den Beschwerdevortrag nicht durchgreifend in Frage gestellt.
6Entgegen der Auffassung der Antragstellerin unterliegt die Abordnung nicht dem Zustimmungserfordernis des § 24 Abs. 2 Satz 3 LBG NRW. Nach dieser Vorschrift bedarf die Abordnung nach den Sätzen 1 und 2 des § 24 Abs. 2 LBG NRW der Zustimmung des Beamten, wenn sie die Dauer von zwei Jahren übersteigt. Die Abordnung der Antragstellerin überschreitet diesen Zeitrahmen nicht. Der Regelungsinhalt des der Antragstellerin am 22. August 2015 zugestellten Bescheids der Bezirksregierung E. vom 19. August 2015 ist insoweit eindeutig. Darin heißt es: „…hiermit ordne ich Sie gemäß § 24 Abs. 1 LBG ab sofort bis zum Ende des Schuljahres 2016/2017 … ab“. Das Schuljahr 2016/2017 endet am 31. Juli 2017 (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW) und damit vor dem 22. August 2017. Abweichendes folgt auch nicht aus der von der Antragstellerin zitierten Textstelle im ersten Absatz auf Seite 5 der Bescheidbegründung. Darin hat der Antragsgegner lediglich zum Ausdruck gebracht, dass es, wenn alle Beteiligten es für sinnvoll erachten, denkbar sei, die Antragstellerin durch die Übernahme von Stellvertreteraufgaben schon während der Abordnungszeit sukzessive wieder an die Übernahme von Leitungsfunktion heranzuführen, um anschließend ihre ursprüngliche Verwendung wieder zu ermöglichen. Weitergehende Aussagen insbesondere über eine mögliche geringerwertige Verwendung der Antragstellerin auch nach Ablauf der Abordnungszeit sind dem nicht zu entnehmen.
7Ohne Erfolg greift die Antragstellerin auch die Feststellung des Verwaltungsgerichts an, im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung hätten die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW vorgelegen, insbesondere hätten dienstliche Gründe für ihre Abordnung bestanden. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass der Schulfrieden am Städtischen H. -Gymnasium unter der Leitung der Antragstellerin nachhaltig beeinträchtigt gewesen sei, weil nach dem Vortrag der Beteiligten sowie dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge massive und vielfältigen Konflikte zwischen Schulleitung, Lehrerrat, Teilen des Kollegiums, Teilen der Elternschaft und der Schulaufsicht bestanden hätten, die eine vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten unmöglich gemacht hätten.
8Entgegen der Ansicht der Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht diese Einschätzung hinreichend begründet. Es hat sich zunächst die im Beschluss des Senats vom 21. August 2009 – 6 B 803/09 – dargestellten Grundsätze zu eigen gemacht und dargelegt, dass allein der Umstand eines gestörten Vertrauensverhältnisses zwischen den am aktiven Schulleben Beteiligten einen dienstlichen Grund für die Abordnung einer oder mehrerer Konfliktparteien zu begründen vermöge, wenn durch die Störung die konstruktive Arbeit im Schulalltag zumindest wesentlich beeinträchtigt werde. Zur Darlegung dieser Voraussetzung hat das Verwaltungsgericht im Weiteren - im Rahmen seiner Ausführungen zur ordnungsgemäßen Ausübung des Ermessens – zahlreiche, in den Verwaltungsvorgängen dokumentierte Vorfälle angeführt, die klar erkennen lassen, dass es sich nicht um Konfliktsituationen gehandelt hat, die - wie die Antragstellerin meint - sämtlich anlässlich der sachgerechten Wahrnehmung ihrer Schulleiteraufgaben entstanden seien und die Schwelle einer relevanten Beeinträchtigung des Schulbetriebs nicht erreicht hätten.
9Bereits die vom Verwaltungsgericht wiedergegebenen Formulierungen aus Schreiben und Erklärungen der Antragstellerin gegenüber einzelnen Lehrkräften und dem Lehrerrat zeigen, dass die zwischen der Antragstellerin in der schulorganisatorischen Zusammenarbeit mit Lehrern und Mitwirkungsgremien aufgetretenen Spannungen in Häufigkeit und Qualität weit über Auseinandersetzungen hinausgingen, die im Rahmen einer täglichen Zusammenarbeit regelmäßig auftreten können. Die unsachlichen und die Adressaten herabwürdigenden Äußerungen mündeten zum Teil in erfolgreich von einzelnen Lehrern gegen die Antragstellerin erhobenen Dienstaufsichtsbeschwerden. Dass derartige Vorkommnisse die konstruktive Arbeit im Schulalltag wesentlich beeinträchtigen und das Arbeitsklima an der Schule, wenn sie sich wie hier über einen längeren Zeitraume erstrecken, ganz erheblich in Mitleidenschaft ziehen, steht außer Frage. Sie stellten daher bei der angezeigten Gesamtbetrachtung insbesondere keine typischen Begleiterscheinungen eines konsequenten Führungsstils mehr dar, wie von der Antragstellerin verharmlosend behauptet wird. Denn mit einer sachgerechten Wahrnehmung von Aufgaben der Schulleitung nach § 59 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 SchulG NRW zum Erhalt der Funktionsfähigkeit der Schule und Erfüllung des gesetzlichen Erziehungsauftrags (vgl. § 2 SchulG NRW) sind diese Äußerungen auch mit Blick auf das von der Antragstellerin bemühte Weisungsrecht (§ 59 Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 SchulG NRW) nicht zu rechtfertigen. Insoweit übersieht sie, dass es zu den vorrangigen Aufgaben der Schulleitung gehört, in Zusammenarbeit mit dem Kollegium, den Eltern und den Schülerinnen und Schülern sowie mit den Schulaufsichtsbehörden und dem Schulträger, auf gute Arbeitsbedingungen in der Schule hinzuwirken (vgl. § 20 Abs. 3 der Allgemeinen Dienstordnung für Lehrerinnen und Lehrer, Schulleiterinnen und Schulleiter an öffentlichen Schulen – RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung v. 18. Juni 2012 -, ABl. NRW. S.384). Hierzu zählt auch, sich in Ausübung einer Leitungsfunktion unsachlicher Kritik zu enthalten und auf einen weitgehenden Interessenausgleich hinzuwirken, ungeachtet der Frage, ob im Einzelfall eine Anordnung zu Recht erteilt oder eine Vorgesetztenäußerung sachlich gerechtfertigt ist. Hinzu traten – losgelöst von der Frage, wer dafür welche Ursache gesetzt hat und ggfs. verantwortlich war – die vom Verwaltungsgericht näher beschriebenen Auseinandersetzungen mit dem früheren Schulpflegschaftsvor-sitzenden, ferner die Missachtung einer Weisung der Schulaufsichtsbehörde, die mit einer schriftlichen Rüge geahndet wurde. Diesen Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts ist die Antragstellerin in ihrem Beschwerdevortrag in objektiver Hinsicht nicht entgegen getreten; ihr diesbezüglicher Vortrag ist vielmehr pauschal und substanzlos.
10Bereits das Vorliegen innerdienstlicher Spannungen rechtfertigt aber regelmäßig die Abordnung eines an diesem Spannungsverhältnis beteiligten Beamten, um im Interesse der reibungslosen Zusammenarbeit innerhalb des öffentlichen Dienstes den Betriebsfrieden wiederherzustellen, und zwar unabhängig davon, wer an der Entstehung des Spannungsverhältnisses die Schuld trägt.
11Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23. April 2014
12– 6 B 324/14 – und vom 21. August 2009 – 6 B 803/09 -; ebenso: Nds. OVG, Beschluss vom 6. Februar 2009 - 5 ME 434/08 -, sämtlich juris.
13Soweit die Antragstellerin demgegenüber der Ansicht ist, dass „ein dienstlicher Belang in Form der Störung des Schulfriedens nur dann vorliegen kann, wenn für die einzeln zu identifizierenden Konflikte festgestellt werden kann, dass dem Konflikt nicht ein gesetzlich von der Antragstellerin gefordertes Verhalten zugrunde liegt“, verfehlt dies den dargelegten Maßstab. Nicht die Rechtswidrigkeit oder die Feststellung eines Fehlverhaltens im weiteren Sinne sind von Belang, sondern die objektive Beteiligung an der Störung des Betriebsfriedens. Allein darauf kommt es bei der Prüfung der eine Abordnung rechtfertigenden „dienstlichen Gründe“ im Sinne von § 24 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW an, mehr ist nicht erforderlich. Daher verfängt auch der Einwand der Antragstellerin nicht, das Verwaltungsgericht hätte jeden für die Konfliktlagen ursächlichen Beitrag der Antragstellerin auf seine Rechtmäßigkeit prüfen müssen.
14Keinen rechtlichen Bedenken unterliegt auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Antragsgegner habe das ihm obliegende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Liegen dienstliche Gründe für eine Abordnung vor, kann sich die Abordnung einer Konfliktpartei im Einzelfall nur dann als ermessensfehlerhaft darstellen, wenn sie ersichtlich keinerlei Verursachungsbeitrag geleistet hat, sondern als unschuldiges „Opfer“ der anderen Streitbeteiligten anzusehen wäre. Eine solche Konstellation lässt sich zu Gunsten der Antragstellerin auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevortrags nicht feststellen. Insbesondere ist mit ihr nicht die falsche Person abgeordnet worden. Die Antragstellerin war nach dem oben Ausgeführten in ihrer Funktion als Schulleiterin an dem Entstehen und dem Fortbestand der maßgeblichen Spannungen nicht unbeteiligt. Dies hat sie in einem am 20. Februar 2015 mit Vertretern der Bezirksregierung E. geführten Dienstgespräch in Bezug auf insoweit relevante Einzelfälle selbst zugestanden. Daher scheidet die Annahme einer „Opferrolle“ in einem zu ihren Lasten von Mobbing geprägten Umfeld aus.
15Ohne Erfolg bleibt ferner die Rüge der Antragstellerin, die Abordnung erweise sich wegen einer Beeinträchtigung ihres beruflichen Ansehens als unverhältnismäßig. Die Abordnung hat das Ziel, den ordnungsgemäßen Ablauf des Schulbetriebs und den Schulfrieden so bald wie möglich wieder herzustellen. Diesem öffentlichen Interesse durfte der Antragsgegner auch mit Blick auf eine mögliche Schädigung der Reputation der Antragstellerin den Vorrang einräumen. Mildere, gleich geeignete Maßnahmen sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Eignung der Abordnung steht auch nicht deshalb in Frage, weil für die Wiederherstellung des Schulfriedens ggfs. weitere Maßnahmen erforderlich sind. Daher kann dahinstehen, ob es zutrifft – wie von der Antragstellerin geltend gemacht -, dass der Schulbetrieb auch nach ihrem Weggang wegen fortbestehender Konflikte zwischen dem Kollegium und der stellvertretenden Schulleiterin in relevanter Weise beeinträchtigt sei. Die Abordnung der Antragstellerin als an dem Spannungsverhältnis mitbeteiligter Beamtin trägt in jedem Fall zu einer Entschärfung der Situation und damit einer Verbesserung des innerschulischen Dienstbetriebs bei.
16Schließlich stellt die Beschwerde auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW nicht durchgreifend in Frage. Zu der Rechtmäßigkeit der unterwertigen Beschäftigung der Antragstellerin während des Abordnungszeitraums unter Beibehaltung ihres abstrakt-funktionellen Amtes hat bereits das Verwaltungsgericht das Notwendige ausgeführt (vgl. S. 4 ff. des Beschlusses). Diesen tragenden Erwägungen ist die Antragstellerin mit der alleinigen Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag nicht entgegengetreten.
17Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
18Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG, wobei der sich aus diesen Bestimmungen ergebende Wert im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der begehrten Entscheidung zu halbieren ist.
19Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
- BeamtStG § 54 Verwaltungsrechtsweg 1x
- VwGO § 152 1x
- LBG § 24 6x
- § 7 Abs. 1 Satz 1 SchulG 1x (nicht zugeordnet)
- § 59 Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 SchulG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- 5 ME 434/08 1x (nicht zugeordnet)
- 6 B 803/09 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80 1x
- § 2 SchulG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 146 1x
- 2 K 3280/15 1x (nicht zugeordnet)
- § 59 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 SchulG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- 6 B 324/14 1x (nicht zugeordnet)