Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 11 A 3351/18
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
3I. Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
4Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt. Dabei begegnet es keinen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils auf ernstliche Zweifel an seiner Richtigkeit auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht nur dann sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere entscheidungstragende Gründe abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht.
5Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2013 ‑ 1 BvR 3057/11 -, NJW 2013, 3506 (3508 f.) = juris, Rn. 36 und 40.
6Ausgehend hiervon legt der Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils dar. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dem Kläger stehe der mit seinem Hauptantrag verfolgte Anspruch auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung nicht zu, hat der Kläger bereits nicht angegriffen. Er stellt das angefochtene Urteil aber auch nicht in Frage, soweit er geltend macht, die Klage habe mit ihrem Hilfsantrag nicht als unzulässig abgewiesen dürfen. Dabei kann dahinstehen, ob das Verwaltungsgericht die Unzulässigkeit zu Recht mit dem Hinweis auf § 91 Abs. 1 VwGO begründet hat. Denn jedenfalls sind die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zutreffend, die Klage sei insoweit unzulässig und wäre im Übrigen auch unbegründet.
71. Der Hilfsantrag des Klägers, „ihm einen vertriebenenrechtlichen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 Satz 2 zu erteilen“, ist (auch) deshalb unzulässig, weil der Kläger insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis hat. Denn Personen, die ‑ wie der Kläger - als Abkömmling in den Aufnahmebescheid eines Spätaussiedlers einbezogen und danach in das Bundesgebiet übergesiedelt sind, haben grundsätzlich kein Rechtsschutzinteresse an der Erteilung eines nachträglichen Aufnahmebescheids.
8Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Juli 2015 ‑ 1 C 29.14 ‑, BVerwGE 152, 283 (288 ff., Rn. 20 ff.) = juris, Rn. 20 ff., und - 1 C 30.14 -, juris, Rn. 16 ff.
92. Zudem bliebe - wovon das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen ist - auch eine zulässige Klage ohne Erfolg.
10a. Dem mit dem Hilfsantrag verfolgten Begehren des Klägers auf Erteilung eines Aufnahmebescheids stehen die im Zeitpunkt seiner am 20. Dezember 2013 im Wege des Aufnahmeverfahrens erfolgten Einreise bereits bestandskräftigen und durch Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14. August 2002 - 24 K 8603/98 - rechtskräftig bestätigten Ablehnungsbescheide entgegen. Nach dem endgültigen Abschluss des Aussiedlungsvorgangs ist, abgesehen davon, dass der Kläger Wiederaufgreifensgründe nicht geltend gemacht hat, eine Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz auch im Wege des Wiederaufgreifens nicht mehr möglich.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017 ‑ 1 C 21.16 ‑, NVwZ-RR 2018, 204 (206, Rn. 29) = juris, Rn. 29.
12b. Mit Blick darauf kann offenbleiben, ob der Kläger, der im Dezember 2013 in das Bundesgebiet eingereist ist und erst im September 2016 einen Antrag auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung gestellt hat, einen Härtefallantrag i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG überhaupt im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Aussiedlung gestellt hat,
13vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248 (249 f., Rn. 8) = juris, Rn. 8,
14oder ob - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - keine Gründe für eine besondere Härte i. S. d. Vorschrift gegeben sind.
15c. Es bedarf vor diesem Hintergrund auch keiner abschließenden Prüfung, ob der Kläger die „sonstigen Voraussetzungen“ für die Erteilung eines Aufnahmebescheids gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 AufenthG erfüllt. Nach den Feststellungen des angefochtenen Ablehnungsbescheids vom 28. November 2016 und des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2017 - auf die das Verwaltungsgericht in seinem angefochtenen Urteil Bezug genommen hat - ist dies allerdings nicht der Fall. Denn danach ist der kein Kläger deutscher Volkszugehöriger i. S. d. § 6 Abs. 2 BVFG, weil er nicht den gemäß § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG erforderlichen Nachweis geführt habe, dass er zum Zeitpunkt der Begründung des ständigen Aufenthalts im Bundesgebiet zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch habe führen können. Im Rahmen der Geltendmachung des Zulassungsgrunds nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO fehlt es diesbezüglich an einer Darlegung, die die Richtigkeit dieser Feststellungen in Frage stellen könnte.
16II. Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Rechtssache auch nicht die ihr vom Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt.
17Die vom Kläger aufgeworfene Frage,
18innerhalb welchen Zeitrahmens denn nun nach erfolgter Einreise ein Antrag auf Erteilung eines Härtefall-Aufnahmebescheids zulässig ist,
19ließe sich mit Blick auf die oben zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zudem ohne weiteres im Zulassungsverfahren beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte.
20III. Auch der weiter geltend gemachte Gehörsverstoß (§§ 124 Abs. 2 Nr. 5, 138 Nr. 3 VwGO i. V. m. Art. 103 Abs. 1 GG), mit dem der Kläger geltend macht, das Verwaltungsgericht hätte den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag nicht zurückweisen dürfen, den an Gerichtsstelle anwesenden Zeugen C. zu seinen Sprachkenntnissen zum Zeitpunkt seiner Einreise zu hören, greift nicht durch.
21Das Absehen von einer Beweiserhebung kann den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen, wenn die Nichtberücksichtigung eines vom Gericht als erheblich angesehenen Beweisangebotes im Prozessrecht keine Stütze mehr findet.
22Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2002 - 2 BvR 191/02 -, DVBl. 2002, 834 = juris; BVerwG, Beschluss vom 8. März 2006 - 1 B 84.05 -, Buchholz 402.25 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 11, S. 7 = juris.
23Dies war hier jedoch nicht der Fall. Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen hat das Verwaltungsgericht den Beweisantrag zu Recht mit der Begründung abgelehnt, auf die Beweisfrage komme es aus rechtlichen Gründen nicht an.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
25Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
26Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
27Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
- VwGO § 124 5x
- § 27 Abs. 1 Satz 2 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 191/02 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 91 1x
- 1 BvR 3057/11 1x (nicht zugeordnet)
- BVFG § 6 Volkszugehörigkeit 1x
- § 60 Abs. 2 ff. AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- 24 K 8603/98 1x (nicht zugeordnet)