Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 1406/18.A
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
1
G r ü n d e
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist weder wegen des geltend gemachten Zulassungsgrundes eines Verfahrensmangels (dazu I.) noch der Divergenz (dazu II.) oder der grundsätzlichen Bedeutung (dazu III.) zuzulassen.
3I. Die Berufung ist zunächst nicht aufgrund des von dem Kläger gerügten Verfahrensmangels der Versagung rechtlichen Gehörs nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
4Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Beteiligten ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können und mit ihren Ausführungen und Anträgen durch das Gericht gehört werden. Das Gericht ist jedoch nicht verpflichtet, den Ausführungen eines Beteiligten in der Sache zu folgen. Die Gehörsrüge ist daher nicht geeignet, eine – vermeintlich – fehlerhafte Feststellung oder Bewertung des Sachverhalts einschließlich seiner rechtlichen Würdigung zu beanstanden. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann vielmehr nur dann erfolgreich geltend gemacht werden, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist dabei davon auszugehen, dass die Gerichte von ihnen entgegengenommenes Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Dies gilt unabhängig davon, ob sie sich in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich hiermit auseinandersetzen. Aus einem Schweigen der Entscheidungsgründe zu Einzelheiten des Prozessstoffs allein kann deshalb noch nicht der Schluss gezogen werden, das Gericht habe diese nicht beachtet und erwogen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann daher nur dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen der Beteiligten bei seiner Entscheidungsfindung nicht in Erwägung gezogen hat.
5Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25. Juli 2017– 1 A 1436/17.A –, juris, Rn. 3, und vom 16. Dezember 2016 – 1 A 2199/16.A –, juris, Rn. 14.
6Ferner muss der übergangene Vortrag nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich gewesen sein. Dies setzt voraus, dass das Verwaltungsgericht zu einem anderen, für den Rechtsmittelführer günstigeren Ergebnis gekommen wäre, wenn es den übergangenen Vortrag berücksichtigt hätte.
7Vgl. Neumann/Korbmacher, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 138, Rn. 116 f.
8Ausgehend von diesen Grundsätzen kann eine Gehörsverletzung nicht festgestellt werden.
9lass="absatzLinks">1. Dies gilt zunächst für den Vortrag des Klägers, das Verwaltungsgericht habe weiter aufklären müssen, ob die von ihm durch die Vorlage fachärztlicher Atteste nachgewiesene psychische Erkrankung behandlungsbedürftig sei und welche Folgen das Ausbleiben der Behandlung habe. Insoweit rügt er die Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht. Mögliche Verstöße gegen die Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO gehören indes nicht zu den vom Gesetzgeber als besonders schwerwiegend eingestuften Verfahrensfehlern, die in § 138 VwGO aufgeführt sind. Ein Aufklärungsmangel begründet auch grundsätzlich weder einen Gehörsverstoß noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln i. S. d. § 138 VwGO. Im Übrigen wäre es Sache des im Gerichtsverfahren anwaltlich vertretenen Klägers gewesen, in der mündlichen Verhandlung zu einer – aus seiner Sicht erforderlichen – weiteren Sachaufklärung beizutragen, etwa durch weiteren Vortrag oder durch das Stellen unbedingter Beweisanträge.
10Vgl. Senatsbeschluss vom 25. Juli 2017– 1 A 1436/17.A –, juris, Rn. 27.
112. Soweit sich der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen der Sache nach gegen die Bewertung des Verwaltungsgerichts wendet, es sei auch aufgrund der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht erkennbar, dass er an einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung leide, zeigt dies einen Gehörsverstoß ebenfalls nicht auf. Ob das Verwaltungsgericht dem Vortrag des Klägers und den von ihm beigebrachten Unterlagen die richtige Bedeutung zugemessen und die richtigen Folgerungen daraus gezogen hat, ist keine Frage des rechtlichen Gehörs, sondern der Tatsachen- und Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 VwGO.
12Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 1969– 2 BvR 320.69 –, juris, Rn. 9, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 25. Juli 2017 – 1 A1436/17.A –, juris, Rn. 28 ff.
13Etwaige Fehler bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung gehören ebenfalls (grundsätzlich) nicht zu den in § 138 VwGO genannten und in § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG in Bezug genommenen Verfahrensfehlern.
14Vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995– 9 B 710.94 –, juris, Rn. 4 ff
15Ob ausnahmsweise etwas anderes zu gelten hat, wenn die die angegriffene Entscheidung tragenden Ausführungen des Gerichts handgreiflich von objektiver Willkür geprägt sind, kann hier offen bleiben.
16Zu der Frage, ob eine solche Ausnahme anerkannt werden kann, vgl. den Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2016 – 1 A 2199/16. A –, juris, Rn. 33 bis 36, m. w. N. zum Meinungsstand.
17Ein solcher Ausnahmefall lässt sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen.
18Der Kläger trägt in diesem Zusammenhang vor, die ärztlichen Atteste vom 2. Februar 2017 und 17. März 2017 sowie 16. Januar 2018 belegten, dass er selbstverletzende Handlungen vornehme und suizidal sei. Auch die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie S. habe unter dem 14. Dezember 2017 bescheinigt, dass er an einer paranoiden schizophrenen Psychose leide, die eine dauerhafte fachärztliche Behandlung und dauerhafte Medikation erforderlich mache.
19Der Hinweis auf den Inhalt der ärztlichen Bescheinigungen zeigt nicht auf, dass die Würdigung des Verwaltungsgerichts, eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung sei nicht erkennbar, willkürlich, etwa durch Verstoß gegen allgemeine Denkgesetze oder Erfahrungssätze, erfolgte. Das Verwaltungsgerichts durfte vielmehr seine Überzeugung, der Kläger leide nicht an einer schweren und lebensbedrohlichen Erkrankung, die sich im Falle einer Abschiebung nach Marokko bzw. Abbruch der Behandlung wesentlich verschlechtern würde, auf die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aktuellsten ärztlichen Atteste vom 17. Dezember 2017 und insbesondere vom 16. Januar 2018 stützen. Danach sei der Kläger aufgrund einer psychiatrisch anhaltenden, chronisch einzuschätzenden paranoiden schizophrenen Psychose in laufender fachärztlicher Behandlung; dauerhafte Medikation sei erforderlich (Attest vom 17. Dezember 2017). Beim Kläger lägen eine paranoide Schizophrenie, Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) sowie psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide sowie ein Abhängigkeitssyndrom vor; dem Patienten werde zum Entlassungszeitpunkt, zu dem akuter Behandlungsbedarf nicht mehr bestehe, bei Medikationsanpassung eine Cannabiskarenz empfohlen (Attest vom 16. Januar 2018). Diese Atteste enthalten weder Aussagen zu suizidalen Tendenzen noch ergibt sich aus ihnen, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, dass die Erkrankung des Klägers schwer oder lebensbedrohlich ist bzw. dass eine Abschiebung oder ein Behandlungsabbruch zu einer wesentlichen Verschlechterung der Erkrankung führen würde.
20Soweit der Kläger im Zulassungsverfahren mit Schriftsatz vom 5. August 2019 neue Unterlagen über seinen Gesundheitszustand einreicht (Gutachten vom 16. November 2018) können diese, da sie dem Verwaltungsgericht naturgemäß nicht vorgelegen haben, keinen Verfahrensmangel, sondern allenfalls ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils begründen. Diese stellen jedoch keinen in § 78 Abs. 3 AsylG angeführten Zulassungsgrund dar.
213. Eine Gehörsverletzung liegt auch nicht deshalb vor, weil das Verwaltungsgericht in seinem Urteil auf Auskünfte des Vertrauensarztes der Deutschen Botschaft in Rabat vom 14. November 2016 zur Behandelbarkeit von Posttraumatischen Belastungsstörungen und generalisierten Angststörungen sowie der Deutschen Botschaft in Rabat vom 4. April 2012 zur Behandelbarkeit von Schizophrenie abgestellt hat, ohne diese zuvor in das Verfahren eingeführt zu haben.
22Allerdings verlangt das Gebot des rechtlichen Gehörs, dass das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Die Verwertung von Tatsachen und Beweisergebnissen einschließlich Presseberichten sowie Behördenauskünften setzt demnach voraus, dass diese von den Verfahrensbeteiligten oder vom Gericht im Einzelnen bezeichnet zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind und dass sich die Beteiligten hierzu äußern konnten.
23Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18. Juli 2001 – 2 BvR 982/00 –, juris, Rn. 15 bis 17, und vom 6. Juli 1993– 2 BvR 514/93 –, juris, Rn. 12.
24Dementsprechend dürfen Gerichte ihre Entscheidungen nur auf Erkenntnisquellen stützen, die sie zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht haben oder die in anderer Weise – etwa durch Übersendung einer Liste mit den Erkenntnisquellen und eigenen Entscheidungen oder Entscheidungen anderer Gerichte, deren hinreichend offengelegte und zugängliche tatsächliche Erkenntnisse zugrunde gelegt werden sollen – vollständig in das Verfahren eingeführt wurden.
25St. Rspr., vgl. schon BVerwG, Urteile vom 8. Februar 1983 – 9 C 847.82 –, juris, Rn. 8 f., und vom 22. März 1983 – 9 C 860.82 –, juris, Rn. 6 f.
26Das Verwaltungsgericht hat die Auskunft vom 14. November 2016 in das Verfahren eingeführt. Es hat dem Prozessbevollmächtigten des Klägers unter dem 2. Februar 2018 eine Erkenntnisliste Marokko (Stand 2. Februar 2018) übersandt, auf der diese Auskunft aufgeführt ist.
27Die Auskunft vom 4. April 2012 hingegen befindet sich zwar nicht auf der übersandten Erkenntnisliste und wurde auch – soweit ersichtlich – nicht anderweitig in das Verfahren eingeführt. Die Gehörsrüge genügt aber insofern bereits nicht dem Darlegungserfordernis. Wird die Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt, so bedarf es zwar nicht der Darlegung, dass die angefochtene Entscheidung auf dem gerügten Mangel beruht oder beruhen kann; es muss aber substantiiert dargelegt werden, dass der Kläger bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch weitere Tatsachen vorgetragen hätte und dass diese weiteren Ausführungen zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wären.
28St. Rspr., so schon BVerwG, Beschluss vom 2. April 1985 – 3 B 75.82 –, juris, Rn. 4.
29An einer solchen Darlegung fehlt es hier gänzlich. Der Kläger stellt vielmehr die generelle Behandelbarkeit der Schizophrenie in Marokko, auf die allein sich nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts die Auskunft bezieht, nicht in Frage, sondern stellt in seinen weiteren Ausführungen (zu den Zulassungsgründen der Divergenz nach § 78 Abs. 2 Nr. 2 AsylG und der grundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 2 Nr. 1 AsylG) allein darauf ab, ob der Kläger eine Behandlung erlangen könne.
30s="absatzLinks">Ungeachtet dessen hat es sich nicht entscheidungserheblich ausgewirkt, dass die Auskunft nicht eingeführt wurde. Das Verwaltungsgericht hat, wie ausgeführt, bereits das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung verneint. Lediglich ergänzend und selbständig tragend hat es im Weiteren ausgeführt, dass eine Behandlung insbesondere psychischer und psychiatrischer Erkrankungen auch in Marokko möglich sei und in diesem Zusammenhang auf die beiden aufgeführten Auskünfte verwiesen. Kann aber eine Feststellung des erstinstanzlichen Urteils, die möglicherweise unter Verletzung rechtlichen Gehörs getroffen worden ist, ohne Ergebnisänderung hinweggedacht werden, scheidet die Zulassung der Berufung aus. Es ist nicht Sinn des § 138 Nr. 3 VwGO, nur deshalb ein Berufungsverfahren durchzuführen, weil eine der Sache nach nicht erforderliche einzelne Feststellung unter Versagung rechtlichen Gehörs getroffen wurde. Kann insoweit ausgeschlossen werden, dass die Gewährung rechtlichen Gehörs zu einer anderen, für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung geführt hätte, führt die Gehörsrüge nicht zur Zulassung der Berufung.
31Vgl. entsprechend für § 144 Abs. 4 VwGO BVerwG, Urteil vom 16. März 1994 – 11 C 48.92 –, juris, Rn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2019 – 19 A 183/18.A –, juris, Rn. 15; Neumann/Korbmacher, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 138 Rn. 115 ff.
32II. Auch der Zulassungsgrund der Divergenz gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG ist nicht gegeben. Der Kläger behauptet, das angegriffene Urteil weiche von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 13. Dezember 2016 in der Sache Paposhvili / Belgien ab. Für eine Verletzung von Art. 3 EMRK genüge es nach dieser Entscheidung, wenn ernsthafte Gründe für die Annahme bestünden, dass wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Aufnahmeland oder eine mangelnden Zugangs zu einer solchen Behandlung, die tatsächliche Gefahr bestehe, dass sich der Gesundheitszustand des Betreffenden erheblich schnell und irreversibel mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung der Lebenserwartung verschlechtere. Das Verwaltungsgericht habe aber weder überprüft noch festgestellt, ob der Kläger individuellen Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten in Marokko hat.
33Das Vorbringen kann eine Zulassung der Berufung wegen Divergenz nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG nicht begründen. Eine Abweichung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem in der Rechtsprechung der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte aufgestellten eben solchen Rechtssatz abweicht.
34Vgl. Seibert in: Sodan/Ziekow, 5. Auflage, 2018, § 124 Rn. 158.
35Der EGMR ist schon kein in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG aufgeführtes (Divergenz‑)Gericht. Ungeachtet dessen sind die Voraussetzungen einer Divergenz auch nicht hinreichend dargelegt. Das Zulassungsvorbringen benennt keinen abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz, von dem das Verwaltungsgericht abgewichen sein könnte. Es wendet sich vielmehr gegen die Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das Gericht, wonach die Voraussetzungen der Rechtsprechung des EGMR gerade nicht vorliegen (UA S. 11) und damit gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung begründen jedoch, wie ausgeführt, keinen Zulassungsgrund.
36III. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zuzulassen.
37Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Für die Darlegung dieserVoraussetzungen ist neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der Rechts- bzw. Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht. Eine Grundsatzrüge, die sich auf tatsächliche Verhältnisse stützt, erfordert überdies die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
38Dementsprechend ist nicht Aufgabe des Senats, die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Erkenntnismittel ohne näheren Anhalt auf ihre Validität zu überprüfen oder weitere (neue) Erkenntnisse einzuholen, um die für den Kläger günstigen Gesichtspunkte zusammenzutragen.
39Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. August 2019– 1 A 2616/19.A –, juris, Rn. 2 f., m. w. N.
40Gemessen hieran rechtfertigen die von dem Kläger als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Fragen,
41ob der Kläger die von ihm benötigten Medikamente Quetiapin, Olanzapin und Pipampron in Marokko erhalten kann, ob er Zuzahlungen leisten muss und wenn ja, in welcher Höhe; ob es für einen psychotischen, an Schizophrenie erkrankten Mann kostenlosen Zugang zu Behandlung auch im Notfall gibt und ob der Kläger, der aus „L. “ (80 km von Casablanca) stammt, diese Notfallversorgung in seiner Heimatregion erhalten kann,
42nicht die begehrte Zulassung der Berufung. Der Kläger zeigt mit seinem Zulassungsvorbringen nicht auf, dass die aufgeworfene Frage für das Verwaltungsgericht überhaupt entscheidungserheblich gewesen ist. Dies war auch nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung, wie ausgeführt, selbständig tragend darauf gestützt, dass der Kläger bereits nicht an einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung leide. Die Frage der Behandlungsmöglichkeit der Erkrankung ist dann nicht entscheidungserheblich.
43Davon abgesehen hat der Kläger sich auf die pauschalen Aussagen beschränkt, es gebe keine gesicherte Auskunftslage zur Frage der Gesundheitsversorgung psychisch Erkrankter in Marokko. Die Ausführungen des Auswärtigen Amtes in seinem Lagebericht zu Marokko ließen nicht erkennen, unter welchen Voraussetzungen eine kostenlose Behandlung für jedermann zugänglich und wie schnell eine Notfallversorgung für psychisch Erkrankte erreichbar sei. Damit hat er der gerügten Einschätzung des Verwaltungsgerichts, nicht – wie es erforderlich wäre – Quellen oder Erkenntnismittel entgegengesetzt, die seine eigenen Behauptungen stützen oder die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, eine Behandlung in Marokko sei möglich, weil die medizinische Grundversorgung in Marokko auch für mittellose Personen gesichert sei und psychische oder psychiatrische Erkrankungen behandelbar seien, erschüttern könnten.
44Auch lässt das Zulassungsvorbringen nicht erkennen, welche über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende Relevanz den vorstehenden Fragen zukommt. In der Weise, wie die Fragen gefasst sind, sind sie ersichtlich einer allgemeingültigen Klärung nicht fähig. Sie lassen sich nicht in verallgemeinerungsfähiger Form, sondern nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls beantworten.
45Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens ergibt sich aus § 83b AsylG.
46Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
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