Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 E 174/20
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Feststellung der Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs und die Verweisung des Rechtstreits an das Amtsgericht Geldern durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 6.3.2020 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Gründe:
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Verwaltungsrechtsweg zu Recht für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Geldern verwiesen.
3Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO nicht gegeben, weil die Streitigkeit durch Bundesgesetz, nämlich das Justizbeitreibungsgesetz, einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist.
4In Verfahren zur Beitreibung von Ansprüchen wegen Gerichtskosten und Justizverwaltungsabgaben, die auf bundesgesetzlicher Regelung beruhen und von Justizbehörden der Länder gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 6, Abs. 2 JBeitrG nach dem Justizbeitreibungsgesetz einzuziehen sind, hat gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG i. V. m. § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO das Vollstreckungsgericht über Einwendungen zu entscheiden, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen. Vollstreckungsgericht in diesem Sinne ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG i. V. m. § 764 Abs. 1 und 2 ZPO das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat.
5Die Zentrale Zahlstelle Justiz treibt vorliegend als zuständige Vollstreckungsbehörde gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 JBeitrG i. V. m. § 1 der Verordnung über die Bestimmung der Zentralen Zahlstelle Justiz zur Vollstreckungsbehörde gegenüber dem Kläger Gerichtskosten aus Verfahren vor dem Finanzgericht Düsseldorf und dem Verwaltungsgericht Aachen sowie Mahngebühren nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 4 Abs. 1 JVKostG i. V. m. § 5 Abs. 2 JBeitrG und Nr. 1403 der Anlage zu § 4 Abs. 1 JVKostG bei. Es handelt sich damit um eine Beitreibung von Gerichtskosten und Justizverwaltungsabgaben, die sich nach dem Justizbeitreibungsgesetz richtet. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall von demjenigen, der dem vom Kläger zitierten Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15.10.2019 – VII R 6/18 –, BFHE 266, 36, zugrunde liegt.
6Der Kläger erhebt Einwendungen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung bzw. das bei ihr zu beobachtende Verfahren, so dass es sich bei seinem Rechtsbehelf dem Rechtsschutzbegehren nach – ungeachtet der vom Kläger gewählten Bezeichnung als (verwaltungsgerichtliche) Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsklage – um eine Erinnerung im Sinne § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG i. V. m. § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO handelt. Zu den Einwendungen im Sinne dieser Vorschriften zählen auch Rügen von Verfahrensmängeln, die in einem Nichtvorliegen von Vollstreckungsvoraussetzungen bestehen. Diese können die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers oder die eines anderen Vollstreckungsorgans betreffen.
7Vgl. Herget, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 766 Rn. 10.
8Indem der Kläger beanstandet, dass die Zentrale Zahlstelle Justiz gegen § 5 Abs. 2 JBeitrG verstoßen habe, weil sie den Vollstreckungsauftrag erteilt habe, ohne die beabsichtigte Zwangsvollstreckung zuvor angedroht bzw. angekündigt zu haben, macht der Kläger derartige Verfahrensmängel geltend. Er rügt, dass die Vollstreckungsbehörde den Gerichtsvollzieher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 5 JBeitrG nicht nach § 6 Abs. 3 Satz 2 JBeitrG zu Vollstreckungshandlungen habe ermächtigen dürfen. Außerdem läuft sein Vorbringen darauf hinaus, dass der gemäß § 196 Abs. 1 Satz 1 GVGA als Vollziehungsbeamter nach dem Justizbeitreibungsgesetz tätig werdende Gerichtsvollzieher nicht durch einen wirksamen Vollstreckungsauftrag ermächtigt gewesen sei.
9Die Zuständigkeit des Amtsgerichts als Vollstreckungsgericht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG i. V. m. § 766 Abs. 1 Satz 1, § 764 Abs. 2 ZPO ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Zwangsvollstreckung nach Angaben des Klägers bereits abgeschlossen ist und eine Vollstreckungserinnerung nach § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach Beendigung der Zwangsvollstreckung in der Regel nicht mehr statthaft ist.
10Eine verwaltungsgerichtliche Fortsetzungsfeststellungsklage in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO setzt voraus, dass – anders als hier – für das vor Eintritt des erledigenden Ereignisses statthafte Anfechtungs- oder Verpflichtungsbegehren der Verwaltungsrechtsweg eröffnet war. Grundsätzlich beziehen sich Rechtswegzuweisungen auf bestimmte Rechtsmaterien und differenzieren nicht nach Klagetypen.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.6.1981 – I C 93.76 –, BVerwGE 62, 317 = juris, Rn. 20.
12Aus der Bezugnahme auf nur einzelne Verfahrensbestimmungen der Zivilprozessordnung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG lässt sich daher nicht schließen, dass ergänzend vor den Verwaltungsgerichten Einwendungen gegen die Vollstreckung erhoben werden können. Vielmehr werden von der Verweisung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG sämtliche einschlägigen vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe der Zivilprozessordnung erfasst. Soweit öffentlich-rechtliche Streitigkeiten an andere als die Verwaltungsgerichte zugewiesen sind, obliegt es diesen, etwaige Strukturdefizite der eigenen Verfahrensordnung gegebenenfalls rechtsfortbildend auszugleichen und so etwa dem Bedürfnis nach einer Fortsetzungsfeststellungsklage Rechnung zu tragen.
13Vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 40 Rn. 100.
14So ist auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass bei tiefgreifenden Grundrechtsverletzungen ein Rechtsschutzinteresse des Betroffenen anzuerkennen sein kann, die Rechtswidrigkeit einer bereits beendeten Vollstreckungsmaßnahme feststellen zu lassen.
15Vgl. BGH, Beschluss vom 28.3.2019 – I ZB 63/18 –, NJW 2019, 2234 = juris, Rn. 29, m. w. N.
16Das Interesse des Klägers, die entstandenen Zwangsvollstreckungskosten nicht zahlen zu müssen, das er mit seiner begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vollstreckungsauftrags des Beklagten vom 18.12.2019 auch anführt, kann er im Übrigen im Rahmen einer Erinnerung gegen den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG i. V. m. § 766 Abs. 2 ZPO verfolgen.
17Für eine Verfolgung des Rechtsschutzbegehrens im Wege einer Klage vor den Verwaltungsgerichten bleibt nach alledem kein Raum.
18Vgl. auch Hess. VGH, Beschluss vom 6.5.2014 – 2 D 2391/13 –, NVwZ-RR 2015, 87 = juris, Rn. 1 ff.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
20Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG nicht vorliegen.
21Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG unanfechtbar.
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Referenzen
- ZPO § 764 Vollstreckungsgericht 1x
- 2 D 2391/13 1x (nicht zugeordnet)
- GVG § 17a 2x
- § 6 Abs. 3 Satz 2 JBeitrG 1x (nicht zugeordnet)
- § 4 Abs. 1 JVKostG 1x (nicht zugeordnet)
- I ZB 63/18 1x (nicht zugeordnet)
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- VwGO § 173 1x
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