Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 A 2311/20.A
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, zu je 1/4.
Gründe:
1Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die Kläger berufen sich allein auf das Vorliegen des Zulassungsgrundes gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO wegen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG). Dass dieser Zulassungsgrund gegeben wäre, ist mit dem Zulassungsantrag nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
2Die Kläger beanstanden, im Protokoll zur mündlichen Verhandlung finde sich - was zutrifft - ungewöhnlicherweise keine inhaltliche Zusammenfassung ihrer Angaben in ihrer informatorischen Anhörung. Dazu gebe es vielmehr einen gesonderten schriftlichen Vermerk des Einzelrichters, der nach der Verhandlung in Abwesenheit der Prozessbeteiligten gefertigt worden sei. Dementsprechend sei ihnen das Protokoll auch nicht nochmals vorgelesen oder dies jedenfalls angeboten worden. Auch die durch das Gericht formulierten Klageanträge seien ihnen nicht vorgelesen worden und hätten von ihnen folglich nicht als gewollt und richtig genehmigt worden sein können. Dies verstoße gegen § 105 VwGO i. V. m. §§ 160 Abs. 3 Nrn. 2, 4, 162 Abs. 1 ZPO. Damit habe das Gericht ihnen, den Klägern, das rechtliche Gehör versagt, denn sie hätten keine Gelegenheit gehabt, zu dem Stellung zu nehmen, was der Einzelrichter zu ihren Angaben aufgenommen habe. Andernfalls hätten sie gegebenenfalls auf Missverständnisse und Widersprüche hinweisen und Anträge stellen können. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht dann zu einer abweichenden Einschätzung insbesondere zur Frage der Hinwendung zu einer tiefgreifenden unverzichtbaren christlichen Glaubensüberzeugung gekommen wäre. Es könne im Nachhinein nicht mehr festgestellt werden, dass die Angaben der Kläger zu ihrer Konversion den Notizen des Einzelrichters entsprächen, so dass den Feststellungen im angefochtenen Urteil eine verlässliche Grundlage fehle.
3Es kann auf sich beruhen, ob und inwieweit die geschilderte Verfahrensweise des Einzelrichters aus Rechtsgründen haltbar ist. Soweit der Einzelrichter auf die Verlesung der Anträge bzw. das Vorspielen der entsprechenden Aufzeichnung verzichtet hat, verstößt dies allerdings gegen § 105 VwGO i. V. m. § 162 Abs. 1 ZPO. Gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO sind im Protokoll die (Sach-)Anträge festzustellen. Gemäß § 162 Abs. 1 ZPO ist das Protokoll insoweit, als es zu Protokoll erklärte Anträge enthält, den Beteiligten vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. Ist der Inhalt des Protokolls nur vorläufig aufgezeichnet worden, so genügt es nach Satz 2 der Bestimmung, wenn die Aufzeichnungen vorgelesen oder abgespielt werden. Nach
4Satz 3 ist in dem Protokoll zu vermerken, dass dies geschehen und die Genehmigung erteilt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind. Für all dies ist hier dem Protokoll über die mündliche Verhandlung nichts zu entnehmen. Ob der Vortrag des Klägers (bzw. hier der Kläger) im Rahmen einer informatorischen Anhörung in Asylverfahren wegen der besonderen Bedeutung des Vortrags zur Darlegung von individuellen Verfolgungsgründen in entsprechender Anwendung von § 105 VwGO
5i. V. m. § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO zwingend zu protokollieren ist, wird unterschiedlich beurteilt.
6Vgl. dazu etwa OVG Bremen, Beschluss vom 20. Januar 2020 - 1 LA 13/20 -, juris Rn. 5; Sächs. OVG, Beschluss vom 20. September 2018 - 4 A 1110/18.A -, juris Rn. 7 ff.; Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 105 Rn. 54; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 105 Rn. 11 einerseits; BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2009
7- 10 B 50.08 -, Buchholz 310 § 105 VwGO Nr. 53 = juris Rn. 4; Sächs. OVG, Beschlüsse vom 3. Februar 2020 - 3 A 60/20.A -, juris Rn.18 und vom 6. August 2019 - 1 A 658/19.A -, juris Rn. 15 andererseits.
8Das Vorliegen des Zulassungsgrundes gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG ergibt sich allerdings allein aus einem solchen Verfahrensfehler nicht unmittelbar. Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass ein in § 138 VwGO bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, wozu die geltend gemachten Protokollierungsmängel nicht gehören. Die Zulassung der Berufung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG käme daher nur in Betracht, wenn sich aus ihnen gleichzeitig eine Verletzung des Anspruchs der Kläger auf rechtliches Gehör (§ 138 Nr. 3 VwGO) ergäbe. Das ist nicht in der erforderlichen Weise dargelegt.
9Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör erfordert regelmäßig, dass substantiiert vorgetragen wird, zu welchen entscheidungserheblichen Tatsachen oder Beweisergebnissen sich der Kläger nicht hat äußern können oder welches entscheidungserhebliche Vorbringen das Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen haben soll. Außerdem muss dargelegt werden, was der Kläger vorgetragen hätte, wenn ihm ausreichendes Gehör gewährt worden wäre und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre.
10Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 14. November 2016
11- 5 C 10.15 D -, BVerwGE 156, 229 = juris Rn. 65 m.w.N.
12Dass in diesem Sinne entscheidungserhebliches Vorbringen verhindert worden ist, gehört bereits zum Tatbestand einer Verletzung rechtlichen Gehörs. Der Berufungszulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO ist nur dann erfüllt, wenn das prozessordnungswidrige Verhalten des Gerichts für die Verhinderung entscheidungserheblichen Vortrags ursächlich war. Daher muss der Rechtsmittelführer grundsätzlich nicht nur darlegen, dass er sich geäußert hätte, sondern auch, was er geäußert hätte, wenn das Gericht ihm nicht die Gelegenheit dazu genommen hätte. Bezogen auf die hier geltend gemachten Verfahrensmängel wäre es mithin notwendig (und im Wege der Überprüfung des vom Einzelrichter gefertigten Vermerks auch möglich) gewesen auszuführen, inwieweit die Kläger zu dem darin Aufgenommenen Stellung genommen hätten, auf welche Missverständnisse und Widersprüche sie hingewiesen, welche Ergänzungen sie vorgebracht bzw. welche Anträge sie gestellt hätten. Daran fehlt es. Die Kläger tragen nicht vor, dass und inwieweit der Vermerk ihre Angaben falsch oder missverständlich wiedergibt und ihnen Anlass zu Richtigstellungen, ergänzendem Vorbringen oder Antragstellungen gegeben hätte.
13Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO i. V. m. § 83b AsylG.
14Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.
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Referenzen
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- VwGO § 138 3x
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- VwGO § 108 1x
- § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 162 Genehmigung des Protokolls 1x
- 1 LA 13/20 1x (nicht zugeordnet)
- 4 A 1110/18 1x (nicht zugeordnet)
- 3 A 60/20 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 658/19 1x (nicht zugeordnet)