Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 B 642/20
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde ist unbegründet.
3Die mit der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen sind, veranlassen den Senat nicht zu einer Änderung des angegriffenen Beschlusses, mit dem das Verwaltungsgericht es abgelehnt hat festzustellen, dass die Klage 1 K 607/20 der Antragstellerin gegen das Schreiben der Antragsgegnerin vom 4. März 2020 aufschiebende Wirkung hat.
4Das Verwaltungsgericht hat sich für die Ablehnung des Antrags auf die Annahme gestützt, die Klage habe keine aufschiebende Wirkung. Das Schreiben der Antrags-gegnerin vom 4. März 2020 sei nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Es handele sich um eine innerbetriebliche Maßnahme ohne Außenwirkung, die rechtlich wie eine Umsetzung zu behandeln sei. Der Antragstellerin sei die Vorgesetztenfunktion für die Abteilung 11.1 und für das Sachgebiet 11.24 entzogen worden, ihre übrigen Aufgaben, die nach ihren eigenen Angaben noch ca. ein Drittel ihrer Tätigkeit ausmachten, seien unberührt geblieben. Ihrem objektiven Sinngehalt nach handele es sich um eine Maßnahme, die die dienstliche Verrichtung der Antragstellerin betreffe. Die tatsächlichen Auswirkungen der Maßnahme, z. B. der vollständige Entzug von Leitungsfunktionen oder eine Diskrepanz der verbleibenden Aufgaben mit der Geschäftsordnung, seien für ihre Rechtsnatur unerheblich. Lediglich das Tätigkeits-gebiet der Antragstellerin, also das Amt im konkret-funktionellen Sinne, habe sich durch die verringerte Aufgabenverteilung verändert. Eine solche Aufgabenänderung könne rechtlich unter den Begriff der Umsetzung gefasst werden. Zumindest ein Teil-entzug von Aufgaben sei in seinen Auswirkungen wie eine Umsetzung zu behandeln, stelle aber insofern ein „Minus“ dar, als mit letzterer durch die Zuweisung eines anderen Amtes (im konkret-funktionellen Sinn) die auf dem bisherigen Dienstposten wahrgenommenen Aufgaben vollständig mit denen eines neuen Dienstpostens aus-getauscht würden. Der Beamte sei gegen die Entziehung des Amtes im konkret-funktionellen Sinn in erheblich geringerem Maße rechtlich geschützt als gegen die Entziehung des Amtes im statusrechtlichen und im abstrakt-funktionellen Sinne und habe keinen Anspruch auf unveränderte oder ungeschmälerte Ausübung des ihm übertragenen konkreten Dienstpostens. Der Dienstherr könne aus jedem sachlichen Grund den Aufgabenbereich des Beamten verändern, solange diesem ein amtsangemessener Aufgabenbereich verbleibe.
5Diese Erwägungen werden mit dem Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt.
6Die Antragstellerin macht geltend, das Verwaltungsgericht habe sich mit der entscheidenden Frage, wie die Verfügung der Antragsgegnerin auszulegen sei, überhaupt nicht befasst. Für die Auslegung der Verfügung sei § 133 BGB heranzuziehen, der auch auf öffentlich-rechtliche Erklärungen Anwendung finde. Danach sei bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und es komme darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung zu verstehen sei. Maßgeblich sei der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er sich dem Empfänger nach dem Wortlaut der Erklärung und den sonstigen Umständen darstelle, die der Empfänger bei Zugang der Erklärung erkennen könne. Dabei sei zunächst der Wortlaut der Verfügung zu untersuchen gewesen. In der Verfügung heiße es, die Antragstellerin werde „ab sofort bis auf Weiteres von folgenden Aufgaben entbunden“. Bereits der Begriff „Entbindung“ spreche dafür, dass die Antragstellerin die Verfügung als teilweises Verbot der Führung der Dienstgeschäfte (§ 39 BeamtStG) habe verstehen dürfen und müssen. Das Wort „Entbindung“ sei im Duden aufgeführt als Synonym für das Wort „Suspendierung“, welche wiederum einen anderen Ausdruck für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte darstelle. Auch der übrige Wortlaut spreche nicht für eine Organisationsentscheidung, sondern eine Maßnahme infolge eines Fehlverhaltens. In der Begründung der Verfügung werde ausgeführt, dass die Vorschläge und Handlungen der Antragstellerin „unange-messen“ gewesen seien und nicht dem an sie „herangetragenen Handlungsauftrag“ entsprochen hätten. Dies verdeutlichten auch die sonstigen Umstände, insbesondere der Geschehensablauf am 4. März 2020, welcher der Verfügung vorausgegangen sei. In der Besprechung an diesem Tag habe der Kanzlervertreter, Herr LVD U. U1. , behauptet, die Antragstellerin habe gegen eine Weisung verstoßen. Er habe sinngemäß behauptet, die Antragstellerin sei nicht befugt gewesen zu veran-lassen, dass die Fahrer in die Aufgaben der Hausmeister und die Mitarbeiter der Außenbereichspflege in die Aufgaben der Hochschulwache eingewiesen würden. Zudem habe er der Antragstellerin vorgeworfen, sie habe die Fahrt des Rektorats nach C. verhindern wollen. Angesichts des Wortlauts und der sonstigen Um-stände habe der Antragsgegnerin klar sein müssen, dass sich ihr geäußerter Wille für die Antragstellerin als Empfängerin als Sanktion darstelle.
7Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist das Schreiben der Antragsgegnerin vom 4. März 2020 für einen objektiven Empfänger weder aufgrund des Wortlauts noch aufgrund der sonstigen Umstände oder der Kombination aus beidem als Verbot der Führung der Dienstgeschäfte zu verstehen. Die Antragsgegnerin hat darin weder - wie es aber bei einer derart weitreichenden Maßnahme zu erwarten gewesen wäre - die maßgebliche Norm des § 39 BeamtStG noch den Begriff des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte verwandt und auch nicht sinngemäß unter die Voraussetzungen der Vorschrift subsumiert. Allein der Umstand, dass der Duden den Begriff der Entbindung als Synonym für den Begriff der Suspendierung ausweist, rechtfertigt das von der Antragstellerin für richtig gehaltene Verständnis nicht. Auch die von ihr vorgebrachten Umstände, dass der Kanzlervertreter ihr einen Verstoß gegen eine Weisung und die Verhinderung einer Reise des Rektorats vorgeworfen habe, führen zu keinem anderen Ergebnis. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des weiteren Wortlauts des Schreibens, in dem von Vorschlägen und Handlungen die Rede ist, die „unangemessen“ gewesen seien und nicht dem an die Antragstellerin „herangetragenen Handlungsauftrag“ entsprochen hätten. Denn das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte stellt, anders als die Antragstellerin meint, keine Sanktion dar, sondern dient der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr. Auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des von dem Verbot betroffenen Beamten kommt es nicht an.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juli 2015 - 6 A 1454/13 -, juris Rn. 11 m. w. N.; Kohde, in: v. Roetteken/Rothländer, BeamtStG, 19. Update Juni 2020, IV. Zweck des Amtsführungsverbots Rn. 23.
9Die Verknüpfung der getroffenen Maßnahme mit einem vermeintlichen Fehlverhalten der Antragstellerin führt somit nicht, wie sie annimmt, eindeutig zu der von ihr für richtig gehaltenen Auslegung. Vielmehr kann der Dienstherr - selbstverständlich - auch auf ein Fehlverhalten der Beamtin oder des Beamten mit einer organisatorischen Änderung im Hinblick auf das funktionelle Amt im konkreten Sinne reagieren.
10Soweit die Antragstellerin rügt, für eine Umsetzung fehle es an einer sie betreffenden „Hinumsetzung“ und es sei insbesondere keine Umsetzung ihrer Person oder des Herrn U1. auf zwei neu kreierte unbenannte Dienstposten erfolgt, stellt dies die Ausführungen des Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht in Frage. Das Verwaltungs-gericht ist nicht von einer Umsetzung der Antragstellerin ausgegangen, sondern hat lediglich ausgeführt, dass der Teilentzug von Aufgaben in seinen Auswirkungen wie eine Umsetzung zu behandeln sei, aber insofern ein „Minus“ darstelle, als dass im Rahmen einer Umsetzung durch die Zuweisung eines anderen Amtes im konkret-funktionellen Sinn die auf dem bisherigen Dienstposten wahrgenommenen Aufgaben vollständig ausgetauscht würden.
11Auch der Einwand der Antragstellerin, der Versuch des Verwaltungsgerichts, die „Aufgabenänderung“ rechtlich unter den Begriff der Umsetzung zu fassen bzw. in ihren Auswirkungen entsprechend zu behandeln, gehe an den organisatorischen Vorgaben und Hintergründen der Antragsgegnerin vorbei, da diese Fragen auf der Grundlage der bestehenden internen Regelungen der Antragsgegnerin zu beurteilen seien, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Der Verweis auf die Vorgaben der Geschäftsordnung der Zentralen Hochschulverwaltung in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan und dem Organisationsplan führt nicht weiter. Die Frage der Vereinbarkeit der durch die Antragsgegnerin getroffenen Maßnahme mit den internen Regeln der Hochschule und die zutreffende Wiedergabe der Auswirkungen der Maßnahme im Organisationsplan berühren nicht die Einordnung der Maßnahme als Verwaltungsakt oder Organisationsentscheidung, sondern betreffen gegebenenfalls deren Rechtmäßigkeit, welche jedoch im Rahmen des vorliegenden Antrags auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage nicht Prüfungsgegenstand ist.
12Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass die Möglichkeit einer Umgehung der hohen Anforderungen des § 39 BeamtStG drohe, wenn auch die Untersagung, einen nach wie vor vorhandenen Dienstposten voll auszufüllen, nur eine Umsetzung oder „etwas wie eine Umsetzung“ darstelle, rechtfertigt auch dies keine Änderung des angefochtenen Beschlusses. Denn wie auch die abschließend von der Antragstellerin zitierte Entscheidung des 1. Senats des beschließenden Gerichts zur missbräuchlichen Verwendung der Gestaltungsbefugnis des Dienstherrn betrifft dieser Einwand die Rechtmäßigkeit der konkreten Maßnahme und nicht ihre Rechtsnatur.
13Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
14Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66
15Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 152 1x
- VwGO § 146 1x
- 1 K 607/20 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG 4x (nicht zugeordnet)
- BeamtStG § 39 Verbot der Führung der Dienstgeschäfte 3x
- BGB § 133 Auslegung einer Willenserklärung 1x
- 6 A 1454/13 1x (nicht zugeordnet)