Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 B 777/20
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,00 Euro festgesetzt
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G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
3Das Verwaltungsgericht hat es jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller vom 21. Oktober 2019 – 9 K 3222/19 – gegen die der Beigeladenen vom Antragsgegner erteilte Baugenehmigung vom 5. September 2019 zur Errichtung von 2 Mehrfamilienwohnhäusern mit je 8 Wohneinheiten nebst je 8 Tiefgaragenstellplätzen und je 2 oberirdischen Stellplätzen auf dem Grundstück Gemarkung T. , Flur 9, Flurstück 109 (U.-----weg 10 und 12 in T. ) anzuordnen. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellen die Interessenbewertung des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Frage, insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass die angefochtene Baugenehmigung zulasten der Antragsteller offensichtlich rechtswidrig wäre oder die Antragsteller mit auch für die Dauer des Hauptsacheverfahrens unzumutbaren Beeinträchtigungen zu rechnen hätten.
4Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die angefochtene Baugenehmigung verstoße voraussichtlich nicht gegen die Antragsteller schützende Vorschriften des Bauordnungs- oder Bauplanungsrechts. Selbst unter der Annahme, dass der Gebietscharakter der näheren Umgebung einem reinen Wohngebiet entspreche, sei das Vorhaben ihnen gegenüber nicht rücksichtslos. Es halte die landesrechtlichen Abstandsflächen ein, sodass – wie regelmäßig – auch von einer Wahrung des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes auszugehen sei. Für eine erdrückende Wirkung des Vorhabens sei nichts ersichtlich, nachdem zwischen dem genehmigten Baukörper und dem Wohnhaus der Antragsteller 22 m lägen und dazwischen der U.-----weg verlaufe. Eine Rücksichtslosigkeit sei auch nicht wegen Zahl und Lage der Stellplätze anzunehmen. Der durch eine gebietsverträgliche Wohnnutzung ausgelöste Stellplatzbedarf sei wie auch der vorhabenbedingte Mehrverkehr selbst regelmäßig zumutbar. Das gelte hier auch für die 22 Tiefgaragenplätze, auch wenn sich die Tiefgaragenzu- und -ausfahrt der beiden Mehrfamilienhäuser unmittelbar gegenüber dem Wohnhaus des Antragstellers befinde. Die Stellplätze seien straßennah angelegt, der dem Verkehr zugewandte Bereich des Grundstücks der Antragsteller sei durch die Ausrichtung zur Erschließungsstraße vorbelastet. Zudem seien besonders lästige Geräusche, die mit der Stellplatznutzung einhergingen, durch die Lage der Stellplätze in der Tiefgarage abgeschirmt. Angesichts dessen sei mit unzumutbaren Lärmimmissionen auch mit Blick auf die höchstzulässige Neigung der Zu- und Ausfahrtsrampe von 15 % nach § 124 Abs. 1 Satz 1 SBauVO insgesamt nicht zu rechnen. Wie es sich mit den zu erwartenden Lichtimmissionen angesichts der Steigung der Tiefgaragenrampe von 15 % und der gegenüberliegenden Wohn-, Kinder- und Schlafzimmerfenster verhalte, sei zwar vom Amt für Bauen und Wohnen des Antragsgegners als Problem erkannt, aber vom Umweltamt des Antragsgegners mit dem Hinweis, es bestünden aus immissionsschutzrechtlicher Sicht keine Bedenken, nicht vertieft worden. Gleichwohl sei im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens auch angesichts der in § 212a BauGB zum Ausdruck kommenden Beurteilung der Interessenlage zwischen Bauherrn und betroffenem Nachbarn nicht hinreichend ersichtlich, dass die Lichtimmissionen ein Ausmaß erreichten, dass das Vorhaben der Beigeladenen als rücksichtslos erscheinen lasse. Störungen in nennenswerter Häufigkeit seien allenfalls in der dunklen Jahreszeit zwischen 05.00 Uhr und 08.00 Uhr denkbar. Für diesen Zeitraum möge mit maximal 22 Fahrzeugen zu rechnen sein, die die Tiefgarage verließen und eventuell das Grundstück der Antragsteller durch Scheinwerferlicht beeinträchtigten. Die zu erwartenden, relativ häufigen Fahrzeugbewegungen am frühen Abend von 17.00 Uhr bis 19.00 Uhr dürften hingegen überwiegend durch Fahrzeuge verursacht werden, die in die Garage hineinfahren. Während der übrigen Tageszeiten und insbesondere auch zur Nachtzeit seien die Verkehrsfrequenzen so gering, dass sie im Hinblick auf Lichtimmissionen zu vernachlässigen sein dürften. Falls die Antragsteller sich gleichwohl durch das Scheinwerferlicht belästigt fühlten, sei es ihnen zuzumuten, durch Abschirmmaßnahmen (Vorhänge, Gardinen, Jalousetten etc.) Abhilfe zu schaffen.
5Hiergegen wendet die Beschwerde ohne Erfolg ein, die angefochtene Baugenehmigung stelle entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht hinreichend sicher, dass durch das genehmigte Vorhaben im Baugenehmigungsverfahren zu prüfende nachbarschützende Vorschriften nicht verletzt würden. Es trifft zwar zu, dass die Baugenehmigung vom 5. September 2019 im Hinblick auf die von den Antragstellern ins Zentrum ihrer Beschwerde gerückten Lichtimmissionen, die von dem genehmigten Vorhaben, insbesondere von der Nutzung der Tiefgarage für ihr unmittelbar gegenüber der Zufahrt gelegenes Wohnhaus ausgehen können, keine ausdrückliche Regelung enthält, wie es bereits das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat. Die Baugenehmigung geht auf diese Frage nicht ausdrücklich ein, obwohl die Antragsgegnerin diesen Aspekt gesehen und erwogen hat, ohne allerdings ihre Einschätzung, gegen das Vorhaben bestünden insoweit (im Ergebnis) keine Bedenken, (näher) zu begründen. Aus dem Schreiben des Amtes für Bauen und Wohnen des Beklagten vom 8. Mai 2019 („Tiefgarage geplant! Gegenüberliegend Wohnbebauung!“ - Bl. 47 f. der Beiakte 1) und aus dem Hinweis im allgemeinen Prüfraster („Wegen der Ausfahrt Tiefgarage und mögliche Beeinträchtigung durch Licht auf die Nachbargrundstücke, wird der Immissionsschutz (Amt 66.3) beteiligt!“ - Bl. 36 der Beiakte 1) ergibt sich, dass der Antragsgegner im Genehmigungsverfahren eine entsprechende Problemkonstellation gesehen hat. Hierzu existiert dann aber lediglich ein Stempel (Bl. 47), wonach „aus immissionsschutzrechtlicher Sicht“ keine Bedenken bestünden. Ob und in welchem Umfang der von den Antragstellern bereits von Beginn an auch geltend gemachte Rücksichtnahmeverstoß wegen Lichtimmissionen dabei konkret untersucht worden ist, bleibt ebenso offen wie die Annahmen, die zu dessen Ausschluss geführt haben. Auch auf die mit der Beschwerdebegründung auf erste Sicht mathematisch nicht abwegig vertiefte Darstellung der Antragsteller zu tatsächlich realistischer Weise zu erwartenden derartigen Immissionen ist der Antragsgegner nicht weiter eingegangen.
6Angesichts dessen lässt sich zwar nicht ausschließen, dass sich das Vorhaben jedenfalls insoweit als gegenüber den Antragstellern rücksichtslos erweist. Diese allerdings auch keinesfalls offensichtlich im Sinne der Antragsteller zu beantwortende Frage kann indes dem Hauptsacheverfahren überlassen bleiben und ihr etwa durch Anforderung einer detaillierteren Stellungnahme der Immissionsschutzbehörde oder eine Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit – unter Berücksichtigung auch der übrigen von den Antragstellern geltend gemachten Besonderheiten wie der Enge des Tempelweges, die auch ein nur kurzzeitiges Abstellen von Fahrzeugen ausschließen und eine höhere Frequentierung der Tiefgarage denkbar erscheinen lassen dürfte, und den Umstand, dass die Tiefgarage die Stellplätze zweier gerade auch im lokalen Maßstab vergleichsweise großer Mehrfamilienhäuser bündelt und die Ausfahrt direkt gegenüber dem Grundstück und dem Wohnhaus der Antragsteller vorsieht – nachgegangen werden. Denn eine potentielle Rücksichtslosigkeit durch „Lichtimmissionen“ und/oder ihre Regelungsbedürftigkeit in der Baugenehmigung sind jedenfalls nicht offensichtlich.
7Vor diesem Hintergrund teilt der Senat jedenfalls die Interessenbewertung des Verwaltungsgerichts. Dass die Antragsteller durch etwaigen Lichteinfall in ihr Wohnzimmer – nur hierauf bezieht sich ihr Vortrag in der Beschwerdebegründung – auch in einer für die Dauer des Hauptsacheverfahrens unzumutbaren Weise betroffen sein könnten, schließt der Senat aus. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, sind entsprechende Belastungen allenfalls bei der Ausfahrt aus der Tiefgarage denkbar. Dass diese sich jedenfalls im Schwerpunkt in den frühen Morgenstunden abspielen werden, liegt nahe und wird von den Antragstellern auch nicht substantiiert in Zweifel gezogen. In dieser Zeit wird ein Wohnzimmer indes üblicherweise nicht genutzt werden. Soweit zumindest im Herbst, Winter und Frühling auch mit Lichteinfall durch nachmittags oder abends die Tiefgarage verlassende Fahrzeuge zu rechnen ist - etwa zum Einkaufen oder zu Freizeitaktivitäten -, dürfte dies in der Frequenz deutlich untergeordnet sein und nicht zu unzumutbaren Belästigungen führen. Dabei ist einzustellen, dass eine nicht unerhebliche Entfernung zwischen der Tiefgaragenausfahrt und dem Wohnzimmerfenster der Antragsteller besteht und dieses in der dunklen Jahreszeit typischerweise ebenfalls beleuchtet sein dürfte, was die Störwirkung zusätzlichen Lichteinfalls reduzierte. Hinzu kommt, dass gerade Fenster, die zur Straße ausgerichtet sind, üblicherweise etwa durch Vorhänge vor Blicken geschützt zu werden pflegen und auch deshalb nicht mit ungehindertem Lichteinfall von außen gerechnet werden muss. Schließlich dürfte die auf dem Grundstück der Antragsteller offenbar vorhandene Bepflanzung für eine zusätzliche Abschattung sorgen.
8Demgegenüber geben die eher pauschalen und spekulativen Ausführungen auf S. 4 der Beschwerdebegründung zu möglicherweise unzumutbaren Lärmimmissionen aufgrund der Nutzung der Tiefgarage keine Veranlassung, von den die Rechtsprechung des beschließenden Gerichts zutreffend wiedergebenden und anwendenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts abzuweichen. Denn es ist anerkannt, dass die Anlage notwendiger Stellplätze in einem Wohngebiet regelmäßig jedenfalls dann nicht zur Rücksichtslosigkeit des Vorhabens führt, wenn die Stellplätze straßennah angeordnet sind. Dies gilt im Grundsatz auch dann, wenn diese in einer Tiefgarage angeordnet sind.
9Vgl. OVG NRW, Urteile vom 1. März 2017 – 2 A 45/16 -, DVBl. 2017, 1047 = juris Rn. 103 ff. unter Bezugnahme auf Tabelle 33 der Parkplatzlärmstudie (5. Aufl. 2006), und vom 4. September 2008 - 10 A 1678/07 -, BRS 73 Nr. 133 = juris Rn. 46, sowie Beschlüsse vom 21. Juli 2014 - 2 B 301/14.NE -, juris Rn. 93, sowie vom 30. August 2013 - 7 B 252/13 -, juris Rn. 3.
10Dass hier ausnahmsweise allein wegen des Rampengefälles von 15 % und der Ausführung als offene Mittelgarage etwas anderes gelten könnte, liegt jedenfalls nicht auf der Hand. Etwaigen Zweifelsfragen mag ggf. im Hauptsacheverfahren nachgegangen werden.
11Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 159, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, den Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Denn diese hat keinen Sachantrag gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt.
12Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 GKG.
13Der Beschluss ist unanfechtbar 152 Abs. 1 VwGO.
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Referenzen
- § 212a BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- 9 K 3222/19 1x (nicht zugeordnet)
- 10 A 1678/07 1x (nicht zugeordnet)
- § 124 Abs. 1 Satz 1 SBauVO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 159 1x
- 7 B 252/13 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- 2 A 45/16 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 3 1x
- VwGO § 146 1x
- §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 162 1x
- 2 B 301/14 1x (nicht zugeordnet)