Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 A 3178/19
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 2.7.2019 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen zu 2. werden nicht erstattet.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für den Betrieb der Spielhalle der Klägerin in der T. straße 00, 00000 I. . Für diese war ihr unter dem 1.10.2010 eine unbefristete Erlaubnis nach § 33i GewO erteilt worden.
3Die Klägerin beantragte im Jahr 2017 die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für diese Spielhalle, gegebenenfalls unter Abweichung nach § 16 Abs. 3 Satz 3 AG GlüStV NRW vom Mindestabstandsgebot gemäß § 25 Abs. 1 GlüStV i. V. m. § 16 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 AG GlüStV NRW oder hilfsweise unter Befreiung vom Mindestabstandsgebot nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV. Dabei machte sie geltend, die Spielhalle seit dem Jahr 2008 zuverlässig zu betreiben. Sie habe stets alle ordnungs- und steuerrechtlichen Verpflichtungen erfüllt. 2016 habe sie Vergnügungssteuern in Höhe von ca. 500.000,00 Euro pünktlich an die Beklagte überwiesen. Maßnahmen zum Spielerschutz würden von ihr nicht nur umgesetzt, sondern auch gelebt. Sie beschäftige eine Mitarbeiterin, die für das Sozialkonzept verantwortlich sei, arbeite eng mit einem externen Suchtpräventionsbeauftragten zur Fortschreibung des Sozialkonzepts zusammen und schule ihre Mitarbeiter regelmäßig zur Suchtprävention. Soweit sich im näheren Umfeld der Spielhalle Kinder- und Jugendeinrichtungen befänden, sei dies nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 18 Satz 3 AG GlüStV NRW für Bestandsspielhallen unbeachtlich. Die Beklagte sei im Jahr 2008 bei der Erteilung einer baurechtlichen Ausnahmegenehmigung für die Errichtung der Spielhalle offenbar selbst davon ausgegangen, dass diese städtebaulich vertretbar und mit dem Allgemeinwohl vereinbar sei. Die Klägerin habe bei dem Erwerb der Spielhalle mit Blick auf die 15-jährige gesetzliche Abschreibungsfrist im Vertrauen auf einen entsprechend langen Bestand 250.000,00 Euro investiert. Ihr am 27.5.2011 geschlossener Mietvertrag laufe mindestens bis zum 31.5.2021. Eine anderweitige Raumnutzung in der Seitenlage zur Fußgängerzone sei erfahrungsgemäß nicht möglich und im Übrigen wirtschaftlich nicht darstellbar. Die Schließung der Spielhalle führe zum Verlust von fünf Arbeitsplätzen. Erst seit dem Erlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW vom 10.5.2016 wüssten Behörden und Unternehmer, wie sie mit der Mindestabstandsproblematik umgehen sollten. Im Hinblick auf die unklare Rechtslage und die mangelnde Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags in anderen Bereichen habe für sie, die Klägerin, kein Anlass bestanden, in der fünfjährigen Übergangszeit anders zu disponieren.
4Nach den Feststellungen der Beklagten steht die Spielhalle der Klägerin in Konflikt mit zwei Spielhallenstandorten, an denen zunächst jeweils zwei miteinander im Verbund stehende Spielhallen betrieben wurden. Auf der einen Seite war der Beigeladenen zu 1. unter dem 20.3.2009 eine Erlaubnis nach § 33i GewO zum Betrieb zweier Spielhallen in der C. Straße 00, 00000 I. (etwa 326 m Luftlinie, 517 m Fußweg) erteilt worden. Auf der anderen Seite waren der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. unter dem 1.1.2006 Erlaubnisse nach § 33i GewO zum Betrieb zweier Spielhallen in der N. straße 00/L. -L1. -Straße 0, 00000 I. (etwa 177 m Luftlinie, zwischen ca. 285 m und 325 m Fußweg) erteilt worden. Lediglich eine dieser zuletzt genannten Spielhallen sollte nach dem Jahr 2017 weiterbetrieben werden. Die Spielhalle der Klägerin liegt räumlich gesehen zwischen den Spielhallenstandorten der beiden, in einem Luftlinienabstand von etwa 500 m entfernt voneinander liegenden Beigeladenen.
5Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin nach fernmündlicher Anhörung mit Bescheid vom 8.11.2017 ab. Zur Begründung führte sie aus: Die Spielhalle der Klägerin befinde sich wegen der Unterschreitung des Mindestabstands von 350 m Luftlinie zu den Spielhallen der Beigeladenen in einer Konkurrenzsituation. Eine Abweichung vom Mindestabstandsgebot nach § 16 Abs. 3 Satz 3 AG GlüStV NRW komme bei Ausübung des nach dieser Vorschrift der Behörde eingeräumten Ermessens unter Berücksichtigung des Erlasses des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW vom 10.5.2016 nicht in Betracht. Städtebauliche Aspekte spielten vorliegend mangels entsprechender bauplanungsrechtlich ausgewiesener Gebiete in der I1. Innenstadt, für die eine Verdichtung von Spielhallen vorgesehen wäre, keine Rolle. Das Abstandsgebot werde zu den Spielhallen der Beigeladenen nicht lediglich minimal unterschritten. Dies hätte möglicherweise bei einer Unterschreitung von weniger als 10 m Luftlinie anders bewertet werden können. Vorliegend werde der zulässige Mindestabstand von 350 m Luftlinie zur Spielhalle der Beigeladenen zu 1. jedoch um 24 m bzw. zur Spielhalle der Beigeladenen zu 2. um 173 m unterschritten. Es gebe keine topographischen Besonderheiten wie z. B. Bahnlinien oder Flussverläufe, die die fußläufige Erreichbarkeit zwischen den Spielhallen erschwerten. Unerheblich sei, dass der Fußweg zwischen den Spielhallen der Beigeladenen zu 1. und der Spielhalle der Klägerin 517 m betrage. In den allermeisten Fällen falle ein zurückgelegter Fußweg länger aus als der zu Grunde gelegte Luftlinienabstand. In Einklang mit dem Ministerialerlass vom 10.5.2016 sei ebenso unerheblich, dass die Spielhallen von ihren Standorten aus gegenseitig nicht einsehbar seien. Der Fußweg zur Spielhalle der Beigeladenen zu 2. betrage bei zwei denkbaren Varianten zwischen ca. 285 m und 325 m.
6Zur Vorbereitung der nach dem Ministerialerlass vom 10.5.2016 zur Auflösung der Konkurrenzsituation vorzunehmenden „Störerauswahl“ habe das Ordnungsamt der Beklagten in der Zeit vom 1.3.2016 bis 17.8.2017 jeweils vier Kontrollen in den von einer Abstandsproblematik in I. betroffenen Spielhallen durchgeführt. Bei der Spielhalle der Beigeladenen zu 2. seien keine Beanstandungen festgestellt worden. Hingegen hätten die Spielhallen der Beigeladenen zu 1. und der Klägerin nicht die gesetzlich allein zugelassene Bezeichnung „Spielhalle“ getragen. Die „betreiberbezogene Störerauswahl“ falle damit schon nicht zugunsten der Klägerin aus. Selbst wenn man darüber hinwegsähe, sei die objektiv vorgegebene Mittellage der Spielhalle der Klägerin zwischen denjenigen der Beigeladenen ein entscheidendes Kriterium zur Lösung der bestehenden Konkurrenzsituation. Da die Beigeladenen die Vorgaben des Mindestabstandsgebots zueinander einhielten, sei es unter Berücksichtigung der gesetzlichen Zielvorstellungen und der konkreten tatsächlichen Umstände allein sachgerecht, der Klägerin die Erlaubnis zu versagen. Unabhängig von dieser allein für sich schon durchgreifenden Ermessenserwägung spreche auch der zu geringe Abstand der Spielhalle der Klägerin zu einer Einrichtung der städtischen Jugendförderung (28 m Luftlinie), zu einer Jugendeinrichtung der F. Kirche (36 m Luftlinie) und zu einer sozialpädagogischen Einrichtung der Kinder- und Jugendpflege (70 m Luftlinie) gegen eine Erlaubniserteilung an die Klägerin. Die Spielhallen der Beigeladenen seien von diesen Einrichtungen jeweils weiter entfernt. Auch wenn § 18 Satz 3 AG GlüStV NRW die Abstandsregelung nach § 16 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV NRW für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehende Spielhallen wie diejenige der Klägerin, für die eine Erlaubnis nach § 33i GewO erteilt worden sei, „modifiziere“, stelle die Nähe zu solchen Einrichtungen und Schulen ein wesentliches Abgrenzungskriterium dar. Die Spielhalle, die nicht in der Nähe derartiger Einrichtungen stehe und somit kein zusätzlich jugendgefährdendes Potenzial mit sich bringe, sei vom Schutzzweck des § 1 GlüStV anders zu bewerten als diejenige, die durch ihre Nähe zu den genannten Einrichtungen besondere Jugendgefährdungen eröffne. Die Versagung der Erlaubnis gegenüber der Klägerin sei somit allein sachgerecht, um die vorhandene Abstandsproblematik im Dreierverhältnis sowie die aufgezeigte örtliche Nähe zu drei „schützenswerten" Einrichtungen im Sinne der Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags aufzulösen.
7Die von der Klägerin vorgelegten wirtschaftlichen Daten begründeten nicht die Annahme eines Härtefalls im Sinne des § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV. Auf deren Grundlage sei davon auszugehen, dass die Klägerin ihre Investitionen in die streitgegenständliche Spielhalle nicht nur amortisiert, sondern darüber hinaus sogar Gewinne mit ihr erzielt habe. Aus ihren Angaben zur gezahlten Vergnügungssteuer für das Jahr 2016 lasse sich ausgehend davon, dass der Vergnügungssteuersatz nach der Vergnügungssteuersatzung der Beklagten 5 v. H. des Spieleinsatzes betrage, ableiten, dass an dem Standort T. straße 00 Spieleinsätze in Höhe von ca. 3,4 Millionen Euro eingebracht worden seien. Bei einem danach geschätzten Jahresgewinn von etwa 500.000,00 Euro dürften sich insbesondere die Investitionen für den Kauf der Spielhalle von über 250.000,00 Euro längst amortisiert haben. Den Mietvertrag für die Räumlichkeiten der Spielhalle habe sie auf eigenes unternehmerisches Risiko für die Dauer von zehn Jahren ohne Sonderkündigungsrecht zu einem Zeitpunkt geschlossen, in dem ihr als erfahrener Betreiberin von Spielhallen bekannt gewesen sei, dass restriktivere Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags alsbald eingreifen würden. Eine anderweitige Nutzung des Objekts, das sich in der Nähe der stark belebten Fußgängerzone I2. befinde, sei ohne Weiteres möglich. Die Klägerin habe die fünfjährige Übergangsfrist nicht dazu genutzt, sich trotz Kenntnis über die vorhandene Abstandsproblematik auf eine womöglich anstehende Erlaubnisversagung vorzubereiten.
8Die Beklagte wies die Klägerin in dem Ablehnungsbescheid vom 8.11.2017 im Wege der Beteiligung nach § 13 Abs. 2 VwVfG NRW darauf hin, dass sie der Beigeladenen zu 1. mit Bescheid vom 8.11.2017 eine bis zum 30.6.2021 befristete glücksspielrechtliche Erlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 GlüStV i. V. m. § 16 Abs. 2 AG GlüStV NRW für den Betrieb einer Spielhalle in der C. Straße 00 erteilt habe. Für deren am selben Standort im Verbund betriebene weitere Spielhalle habe die Beigeladene zu 1. unter Anwendung von § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV eine nach der Anzahl der Geldspielgeräte zeitlich gestaffelt auslaufende, längstens bis zum 30.6.2021 geltende Härtefallerlaubnis erhalten. Der Beigeladenen zu 2. habe die Beklagte mit Bescheid vom 8.11.2017 eine bis zum 30.6.2021 befristete glücksspielrechtliche Erlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 GlüStV i. V. m. § 16 Abs. 2 AG GlüStV NRW für den Betrieb einer Spielhalle auf der N. straße 00a/L. -L1. -Straße 0 erteilt. Die jeweils erste Seite der den Beigeladenen bekanntgegebenen Erlaubnisbescheide wurde der Klägerin als Anlage zu ihrem Ablehnungsbescheid übermittelt.
9Die Klägerin hat gegen die Ablehnung ihres Antrags Klage erhoben. Im Hinblick darauf hat die Beklagte der Klägerin zugesichert, ihr das Fehlen der glücksspielrechtlichen Erlaubnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, längstens jedoch bis zum Außerkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags mit Ablauf des 30.6.2021, weder unter ordnungs- noch bußgeldrechtlichen Gesichtspunkten entgegenzuhalten.
10Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin unter Wiederholung ihres Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren im Wesentlichen geltend gemacht: Es bestehe derzeit keine Verpflichtung, neben der bestehenden gewerberechtlichen Erlaubnis zusätzlich eine landesrechtliche Erlaubnis für den Betrieb einer Spielhalle einzuholen. Die Regelungen über das Erlaubniserfordernis für Spielhallen und insbesondere die nach der gesetzlichen Regelung in Nordrhein-Westfalen zu beachtende Mindestabstandsregelung seien mit Verfassungs- und Unionsrecht nicht vereinbar. Die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags widersprächen sich zum Teil, in weiten Teilen der Regelung bestehe ein Vollzugsdefizit und im Übrigen sei das Erlaubnisverfahren für Spielhallen intransparent. Weiterhin fehle es an einer ausreichenden verfassungskonformen Gesetzesgrundlage für die Auswahlentscheidung der Beklagten. Auch habe die Beklagte ihre Auswahlkriterien den Beteiligten nicht vorab mitgeteilt. Dem Ablehnungsbescheid lasse sich nicht nachvollziehbar entnehmen, warum der Antrag der Klägerin abgelehnt worden sei. So werde auf in der Nähe befindliche Jugendeinrichtungen abgestellt, obwohl dies bei Bestandspielhallen gar keine Rolle spiele. Im Übrigen befänden sich auch die Standorte der Beigeladenen in der Nähe von Jugendeinrichtungen. Unabhängig davon stehe der Klägerin jedenfalls ein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis unter Befreiung vom Mindestabstandsgebot gemäß § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV zu. Im Hinblick auf die unklare Rechtslage könne ihr nicht vorgeworfen werden, sich in der Übergangsfrist nicht hinreichend um alternative Nutzungsmöglichkeiten für den Spielhallenstandort bemüht zu haben. Sie sei bis zuletzt davon ausgegangen, eine glücksspielrechtliche Erlaubnis für die streitgegenständliche Einzelspielhalle zu erhalten.
11Die Klägerin hat beantragt,
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1. festzustellen, dass ihre Spielhalle im Objekt T. straße 00 in I. über den 30.11.2017 hinaus weiterhin auf Basis der ihr bereits erteilten Erlaubnis nach § 33i GewO betrieben werden darf und es keiner zusätzlichen landesrechtlichen Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV i. V. m. § 16 Abs. 2 AG GlüStV NRW bedarf,
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2. den Bescheid der Beklagten vom 8.11.2017 aufzuheben,
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3. hilfsweise,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8.11.2017 zu verpflichten,
19a) der Klägerin für die Spielhalle im Objekt T. straße 00 in I. die beantragte glücksspielrechtliche Erlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 GlüStV i. V. m. § 16 Abs. 2 AG GlüStV NRW zu erteilen,
20b) oder hilfsweise durch gleichzeitige Befreiung von der Erfüllung einzelner Anforderungen die Erlaubnis nach §§ 24, 29 Abs. 4 GlüStV i. V. m. § 18 AG GlüStV NRW entsprechend ihren Anträgen vom 13.2.2017 i. V. m. dem Schreiben vom 28.3.2017 zu erteilen,
21c) äußerst hilfsweise den Antrag der Klägerin vom 13.2.2017 auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 24 GIüStV i. V. m. § 16 AG GIüStV NRW und den gleichzeitig gestellten Antrag auf Befreiung von der Erfüllung einzelner Anforderungen (Härtefall) nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GIüStV zum Betrieb der Spielhalle T. straße 00 in I. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
22Die Beklagte und die Beigeladene zu 1. haben jeweils beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Die Beklagte hält ihre Ermessensentscheidung für fehlerfrei. Sie hat insbesondere geltend gemacht, die Klägerin habe nicht ansatzweise begründet, warum ihr bei „korrekter Störerauswahl“ die begehrte Erlaubnis zu erteilen gewesen wäre.
25Die Beigeladene zu 2. hat keinen Antrag gestellt.
26Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der zulässige Feststellungsantrag zu 1. sei unbegründet, weil das Erlaubniserfordernis aus § 33i GewO nach Ablauf der Übergangsfristen des § 29 Abs. 4 GlüStV i. V. m. § 18 Satz 2 AG GlüStV NRW in Nordrhein-Westfalen durch die eigenständige Erlaubnisregelung in den §§ 4, 24 GlüStV i. V. m. §§ 4, 16 Abs. 2 AG GlüStV NRW ersetzt worden sei. Gegen den glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalt bestünden keine verfassungs- oder europarechtlichen Bedenken. Der Hauptantrag zu 2. sei bereits unzulässig, weil neben der erhobenen Verpflichtungsklage kein Raum für eine isolierte Anfechtung des Ablehnungsbescheids bestehe. Der hilfsweise gestellte zulässige Verpflichtungsantrag sei unbegründet. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 8.11.2017 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Erteilung der begehrten glücksspielrechtlichen Erlaubnis noch auf Neubescheidung. In der Rechtsprechung sei geklärt, dass das Abstandsgebot des Glücksspielstaatsvertrags verfassungsgemäß und unionsrechtskonform sei. Die Beklagte habe rechtsfehlerfrei davon abgesehen, gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1, 3 AG GlüStV NRW von der Maßgabe zum Mindestabstand abzuweichen. Die von ihr getroffene Auswahlentscheidung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Dieser sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zunächst ein Verteilmechanismus zu Grunde zu legen, der die bestmögliche Ausschöpfung der bei Beachtung der Mindestabstände verbleibenden Standortkapazität in dem relevanten Gebiet ermögliche. Dem habe die Beklagte entsprochen, indem sie die Standorte der Spielhallen der Beigeladenen ausgewählt habe. Es könne offen bleiben, ob das Prinzip der vorrangigen Prüfung der bestmöglichen Ausschöpfung der bei Beachtung der Mindestabstände verbleibenden Standortkapazität eine Durchbrechung erfahre, falls das Ergebnis einer solchen Auswahl offenkundig nicht mit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags vereinbar wäre. Für eine solche Fallkonstellation seien hier keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Klägerin stehe auch kein Anspruch auf Erteilung einer Härtefallerlaubnis und kein Anspruch auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber zu. Sie mache im Wesentlichen nur Umstände geltend, die keinen atypischen Einzelfall beschrieben. Unabhängig davon habe sie ohnehin nicht dargelegt, dass sie die fünfjährige Übergangsfrist zu einer Umstrukturierung oder schonenden Abwicklung ihres Geschäftsbetriebs genutzt habe.
27Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung hält die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens aus dem erstinstanzlichen Verfahren insbesondere ihre verfassungs- und unionsrechtlichen Einwände gegen die Abstandsregelung aufrecht. Sie vertieft diese im Hinblick auf fehlende wissenschaftliche Belege für die Eignung dieser Regelung und die durch die offizielle Duldung von überall verfügbaren Online-Casino-Spielen sinnentleerten Regelungen über die Verringerung der Griffnähe durch Mindestabstände. Unabhängig davon sei nicht ersichtlich, dass eine fehlerfreie Ermessensentscheidung in Bezug auf die Möglichkeit einer Abweichung von der Mindestabstandsregelung erfolgt sei. Jedenfalls lägen unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Hinweise des zuständigen Ministeriums die Voraussetzungen einer unbilligen Härte ersichtlich vor. Die Härte ergebe sich allein schon aus der lagebedingten „Sandwichsituation“ ihrer Spielhalle, in der ein Sonderopfer der Klägerin liege.
28Die Klägerin beantragt,
29das auf die mündliche Verhandlung vom 2.7.2019 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zu ändern und
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1. festzustellen, dass die Spielhalle im Objekt T. straße 00 in I. über den 30.11.2017 hinaus weiterhin auf Basis der ihr bereits erteilten Erlaubnis nach § 33i GewO betrieben werden darf und es keiner zusätzlichen landesrechtlichen Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV i. V. m. § 16 Abs. 2 AG GlüStV NRW bedarf;
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2. hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 8.11.2017 zu verpflichten, der Klägerin für den Betrieb der Spielhalle im Objekt T. straße 00 in I. die beantragte glücksspielrechtliche Erlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 GlüStV i. V. m. § 16 Abs. 2 AG GlüStV NRW, hilfsweise gemäß § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV unter Befreiung vom Mindestabstandsgebot, zu erteilen;
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3. weiter hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 8.11.2017 zu verpflichten, den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für den Betrieb der Spielhalle im Objekt T. straße 00 in I. neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
37die Berufung zurückzuweisen.
38Sie trägt im Wesentlichen vor, in der Rechtsprechung des erkennenden Senats sei geklärt, dass die von der Klägerin gerügten glücksspielrechtlichen Regelungen verfassungs- und unionsrechtskonform seien. Die Beklagte habe in dem Ablehnungsbescheid ausführlich begründet, warum die Voraussetzungen einer Härtefallerlaubnis nicht erfüllt seien. Die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren angekündigte ergänzende Begründung des Härtefallantrags sei im Übrigen bis heute unterblieben.
39Die Beigeladene zu 1. beantragt,
40die Berufung zurückzuweisen.
41Die Beigeladene zu 2. stellt keinen Antrag. Sie hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.
42Neben der vorliegenden Klage hat die Klägerin die zugunsten der Beigeladenen zu 1. für den Betrieb der Spielhalle C. Straße 00 erteilten Erlaubnisse (VG Düsseldorf, 3 K 19147/17) sowie die zugunsten der Beigeladenen zu 2. für den Betrieb der Spielhalle N. straße 00/L. -L1. -Straße 0 erteilte Erlaubnis angefochten (VG Düsseldorf, 3 K 19146/17). Das Verwaltungsgericht hat die Klagen mit auf die mündliche Verhandlung vom 2.7.2019 ergangenen Urteilen abgewiesen. Über die Berufungen der Klägerin hat der Senat mit Urteilen vom heutigen Tage (4 A 3179/19 bzw. 4 A 3177/19) entschieden.
43Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie in den Verfahren 4 A 3177/19 und 4 A 3179/19 (jeweils ein Band) und der jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (insgesamt vier Hefter) Bezug genommen.
44Entscheidungsgründe:
45Der Senat konnte trotz Ausbleiben der Beigeladenen zu 2. in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, weil sie mit der Ladung gemäß der §§ 125 Abs. 1, 102 Abs. 2 VwGO auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war.
46Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist sowohl mit ihrem Feststellungsantrag (dazu I.) als auch mit ihren hilfsweise gestellten Verpflichtungsanträgen auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis bzw. auf Neubescheidung (dazu II.) unbegründet.
47I. Die Klägerin kann nicht die Feststellung verlangen, dass ihre streitgegenständliche Spielhalle über den 30.11.2017 hinaus weiterhin auf Grundlage der ihr nach § 33i GewO erteilten Erlaubnis betrieben werden darf und sie keiner zusätzlichen landesrechtlichen Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV i. V. m. § 16 Abs. 2 AG GlüStV NRW bedarf.
481. Die frühere Erlaubnis nach § 33i GewO ist gegenstandslos, weil § 33i GewO – klargestellt nunmehr in § 21 Abs. 2 AG GlüStV NRW – durch das Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag ersetzt worden ist.
49Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6.5.2020 – 4 B 265/19 –, NVwZ-RR 2021, 155 = juris, Rn. 9 f., und vom 16.3.2020 – 4 B 977/18 –, ZfWG 2020, 247 = juris, Rn. 7 f.; sowie bereits OVG NRW, Urteil vom 16.4.2018 ‒ 4 A 589/17 ‒, NWVBl. 2018, 379 = juris, Rn. 30 ff., bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 2.10.2018 ‒ 8 B 31.18 ‒, ZfWG 2019, 35 = juris, Rn. 7; siehe auch LT-Drs. 17/6611, S. 42.
502. Das an die Stelle der Erlaubnis nach § 33i GewO getretene Erlaubniserfordernis nach den §§ 24 Abs. 1 GlüStV, 16 Abs. 2 AG GlüStV NRW sowie das Mindestabstandsgebot nach § 25 Abs. 1 GlüStV und dessen landesgesetzliche Ausgestaltung in § 16 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 AG GlüStV NRW sind in Nordrhein-Westfalen – auch bezogen auf Bestandsspielhallen – geltendes Recht und mit höherrangigem Recht vereinbar.
51Vgl. bereits OVG NRW, Urteil vom 10.10.2019 – 4 A 1826/19 –, DVBl. 2020, 453 = juris, Rn. 29 ff., m. w. N., und Beschluss vom 8.6.2017 – 4 B 307/17 –, NWVBl. 2017, 431 = juris, Rn. 17 ff.
52a) Die mit der Abstandsregelung einhergehenden Grundrechtseingriffe in die Rechte der Spielhallenbetreiber aus Art. 12 Abs. 1, 14 und 3 Abs. 1 GG sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wie das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2017 mit seiner den Senat insoweit nach § 31 BVerfGG bindenden Entscheidung unter anderem unter Verweis auf den von den Ländern in der Begründung des Glücksspielstaatsvertrags angeführten Evaluierungsbericht sowie weitere fachwissenschaftliche Erkenntnisse festgestellt hat. Sie erfüllen die Anforderungen der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes.
53Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.3.2017 ‒ 1 BvR 1314/12 u. a. ‒, BVerfGE 145, 20 = juris, Rn. 126 ff., 138, m. w. N. zur Gesetzesbegründung und wissenschaftlichen Erkenntnisgrundlage; OVG NRW, Urteil vom 16.10.2017 – 4 A 1607/16 –, ZfWG 2018, 29 = juris, Rn. 43 ff., 51, bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 4.12.2018 – 8 B 1.18 –, juris, Rn. 6; und OVG NRW, Beschluss vom 10.2.2021 – 4 A 969/20 –, juris, Rn. 8 f., m. w N.
54b) Der Senat hat ebenso seit 2017 bereits mehrfach in umfangreicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entschieden, dass das Erlaubniserfordernis und die Abstandsgebote für Spielhallen nach dem Glücksspielstaatsvertrag unionsrechtlich zulässige, insbesondere auch im Lichte der konkreten Anwendungsmodalitäten kohärente, Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs im Glücksspielbereich darstellen.
55Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16.10.2017 – 4 A 1607/16 –, ZfWG 2018, 29 = juris, Rn. 54 ff., sowie Beschlüsse vom 29.6.2020 – 4 B 665/19 –, juris, Rn. 25 ff., vom 6.5.2020 – 4 B 265/19 –, NVwZ-RR 2021, 155 = juris, Rn. 16 ff., vom 2.4.2020 – 4 B 1478/18 –, GewArch 2020, 332 (nur Leitsatz) = juris, Rn. 21 ff., vom 10.3.2020 – 4 B 362/19 –, ZfWG 2021, 119 (nur Leitsatz) = juris, Rn. 10 ff., vom 16.8.2019 – 4 B 659/18 –, ZfWG 2019, 503 = juris, Rn. 9 ff., 17 f., m. w. N., und vom 8.6.2017 – 4 B 307/17 –, NWVBl. 2017, 431 = juris, Rn. 54 ff.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 7.3.2017 ‒ 1 BvR 1314/12 u. a. ‒, BVerfGE 145, 20 = juris, Rn. 124.
56Die mit dem Glücksspielstaatsvertrag in allen Bundesländern im Grundsatz aufeinander abgestimmten Regelungen zur Verringerung der Spielhallendichte, insbesondere das Mindestabstandsgebot, verfolgen das unionsrechtlich legitime Ziel der Spielsuchtbekämpfung und des Spielerschutzes, auch wenn die Länder verschiedene Ausführungsregelungen getroffen haben und den einzelnen Glücksspielbehörden auf kommunaler Ebene Ermessensspielräume verbleiben. Eine Inkohärenz dieser Regelungen in der tatsächlichen Anwendung ergibt sich nicht schon aus der im Detail verschiedenen Umsetzung durch die Bundesländer und Kommunen, weil deren jeweilige Zuständigkeit einschließlich der der lokalen Selbstverwaltung verbleibenden Ermessensspielräume nach Art. 4 Abs. 2 EUV unionsrechtlich zu achten ist.
57Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.6.2020 – 4 B 665/19 –, juris, Rn. 31 f., unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 12.6.2014 – C-156/13 –,ECLI:EU:C:2014:1756, Digibet und Albers, NVwZ 2014, 1001 = juris, Rn. 34.
58Höchstrichterlich ist bereits entschieden, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, die angegriffenen Beschränkungen für Spielhallen seien lediglich „scheinheilig“ zur Suchtbekämpfung eingeführt worden, dienten tatsächlich aber einem anderen Zweck. Zu den angegriffenen Beschränkungen für Spielhallen gibt es auch in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial keine gegenläufigen landesgesetzlichen Regelungen oder eine sie konterkarierende Politik, für die zu prüfen wäre, ob sie die Wirksamkeit der für Spielhallen geltenden Einschränkungen beeinträchtigen könnten.
59Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.2016 ‒ 8 C 6.15 ‒, BVerwGE 157, 126 = juris, Rn. 85; OVG NRW, Beschlüsse vom 16.8.2019 – 4 B 659/18 –, ZfWG 2019, 503 = juris, Rn. 19, und vom 29.6.2020 – 4 B 665/19 –, juris, Rn. 33 ff.
60Aus dem zunächst gescheiterten Versuch, für den Bereich der Sportwetten jenseits der Festlegung materiell-rechtlicher Schutzstandards ein europarechtskonformes Erlaubnisverfahren zu eröffnen, in dem Erlaubnisse auch tatsächlich erlangt werden können, lässt sich – auch mit Blick auf die tatsächlich geringere Spielsuchtrelevanz von Sportwetten – europarechtlich keine Rechtfertigung dafür ableiten, ein spielsuchtbegrenzendes europarechtskonformes Erlaubniserfordernis für den rechtlich hiervon zu unterscheidenden Bereich der Spielhallen außer Anwendung zu lassen,
61vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.8.2019 – 4 B 659/18 –, ZfWG 2019, 503 = juris, Rn. 21 ff., 27 f.,
62zumal inzwischen seit Oktober 2020 eine realistische Möglichkeit bestehen konnte, Sportwettvermittlungserlaubnisse in einem ordnungsgemäßen Verfahren zu erlangen.
63Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 15.12.2020 – 4 B 1095/20 –, juris, Rn. 28 ff., m. w. N.
64Die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags werden auch nicht durch massive Werbung staatlicher Lotterieanbieter für den Abschluss von Wetten und Lotterien konterkariert. Dies gilt nicht zuletzt mit Blick darauf, dass Personen mit mindestens problematischem Glücksspielverhalten ‒ trotz seit Jahren offensiver Werbepraxis ‒ relativ selten unter den Lotteriespielenden vertreten sind, während das Spiel an Geldspielautomaten zu den Glücksspielformen mit den höchsten Risiken zählt.
65Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8.6.2017 – 4 B 307/17 –, NWVBl. 2017, 431 = juris, Rn. 36 ff., 40, m. w. N.; Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, Januar 2020, S. 91, https://www.bzga.de/fileadmin/user_upload/PDF/studien/BZgA-Forschungsbericht_Gluecksspiel-survey_2019.pdf.
66Die Eignung der glücksspielrechtlichen Regelungen für Spielhallen zur Spielsuchtbekämpfung wird ebenfalls nicht dadurch aufgehoben, dass im Bereich des illegalen Angebots von Online-Casinos nach den Ausführungen der Klägerin ein Vollzugsdefizit vorliegen soll. Zunächst könnten dafür – anders als hier – nur normativ angelegte Hindernisse relevant sein, die Ausdruck eines strukturbedingt zu einer defizitären Praxis führenden Regelungsdefizits sind.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.2016 – 8 C 6.15 –, BVerwGE 157, 126 = juris, Rn. 47, m. w. N.; EuGH, Urteil vom 8.9.2010 – C-316/07 u. a. –,ECLI:EU:C:2010:504, Markus Stoß u. a., Slg. 2010, I-8069 = juris, Rn. 83 ff.; vgl. zur Einhaltung des Kohärenzgebots für den Bereich des Verbots von Online-Casinospielen BVerwG, Urteile vom 26.10.2017 – 8 C 18.16 –, BVerwGE 160, 193 = juris, Rn. 38 ff.
68Dies gilt auch weiterhin mit Blick auf die auf dem Umlaufbeschluss der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder vom 8.9.2020 beruhenden gemeinsamen Leitlinien der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder darüber, in welchen Fällen die Vollzugsbehörden gegen unerlaubtes virtuelles Automatenspiel einschreiten sollen und in welchen nicht.
69vgl. Anlage zur LT-Vorlage 17/3960, S. 210 ff.
70Der Vollzug gegen virtuelle unerlaubte Glücksspielangebote soll demnach bis zum 30.6.2021 auf diejenigen Anbieter konzentriert werden, bei denen abzusehen ist, dass sie sich auch der voraussichtlichen zukünftigen Regulierung entziehen wollen.
71Diese das Eingriffsermessen der Vollzugsbehörden steuernde Vorgehensweise der Länder führt nicht zu einem normativ angelegten Vollzugsdefizit, sondern dient ausschließlich einer einheitlichen kapazitätswahrenden Vorgehensweise der Exekutive im Vorgriff auf eine erwartete Neuregulierung, bei der das bisher verbotene virtuelle Automatenspiel an spezifische Voraussetzungen geknüpft werden soll.
72Im Übrigen ist nicht aufgezeigt, dass hierdurch die Regulierung des Rechts der Spielhallen in einer Weise konterkariert würde, die ihre Eignung zur Erreichung der gesetzlichen Ziele aufheben würde.
73Ebenso Hamb. OVG, Beschluss vom 20.10.2020 – 4 Bs 226/18 –, ZfWG 2021, 81 = juris, Rn. 47 f.
74Die Länder gehen zu Recht davon aus, dass das stationäre Automatenspiel in Spielhallen einerseits und das virtuelle Automatenspiel im Internet andererseits trotz ähnlicher Spielmechaniken und Spielregeln eigenständige Spielformen darstellen.
75Vgl. Antrag der Landesregierung zur Zustimmung zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 vom 3.11.2020, LT-Drs. 17/11683, S. 91
76Dafür spricht, dass sich allein schon der jeweilige Zugang zum Spiel, der Ort des Spiels und die Form der Gewinnausschüttung wesentlich voneinander unterscheiden.
77Die Regulierung dieser unterschiedlichen Spielformen erfordert auch nach dem Unionsrecht weder eine Uniformität der Regelungen noch eine Optimierung der Zielverwirklichung. Ungeachtet der Frage, ob das Suchtpotenzial des virtuellen Automatenspiels auch angesichts zuletzt deutlich zurückgegangener Marktanteile trotz seiner hohen Gefährlichkeit an dasjenige des stationären Automatenspiels heranreicht,
78vgl. Jahresreport 2019 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, 26.11.2020, S. 13 ff., https://innen.hessen.de/sites/default/files/media/hmdis/jahresreport_2019.pdf; BZgA, Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, Januar 2020, S. 89 ff., 91, 160 f., https://www.bzga.de/
79fileadmin/user_upload/PDF/studien/BZgA-Forschungsbericht_Gluecksspielsurvey_2019.pdf,
80ist die gesetzgeberische Einschätzung, dass eine Spielpause nach Verlassen einer Spielhalle eine Abkühlphase gewährleisten kann, in der Spieler die Fortsetzung ihres Spiels überdenken können, auch dann noch tragfähig, wenn der Spieler nach dem Verlassen der Spielhalle ohne notwendigen Ortswechsel auf das virtuelle Automatenspiel ausweichen könnte. Belastbare Erkenntnisse für ein solches Ausweichen sind weder substantiiert dargelegt noch angesichts des unterschiedlichen Gepräges der beiden Spielformen ersichtlich. Allein die Möglichkeit eines solchen Ausweichens ändert nichts daran, dass das Mindestabstandsgebot für Spielhallen dazu beiträgt, die Gelegenheit zum Spiel zu verringern, was sich auch im genannten Jahresreport 2019 abbildet.
81Schließlich liegt auch im Verhältnis der Regulierung der Spielhallen und der Spielbanken keine Inkonsequenz in Bezug auf das von dem Gesetzgeber verfolgte Ziel der Bekämpfung der Glücksspielsucht. Denn der Betrieb der Spielbanken und von Spielhallen ist in je eigener Weise an den in § 1 GlüStV benannten Zielen, insbesondere der Bekämpfung der Glücksspielsucht und der Begrenzung und Kanalisierung des Spieltriebs ausgerichtet. Die durch Spielbanken hervorgerufene Suchtgefahr unterscheidet sich wegen der geringeren Verfügbarkeit bzw. des unterschiedlichen Gepräges der Einrichtung deutlich von derjenigen des Spielhallenangebots. Zudem sind für Spielbanken umfangreiche Spielerschutzvorschriften vorgesehen.
82Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, BVerfGE 145, 20 = juris, Rn. 122 ff., 143 ff.; BVerwG, Urteil vom 16.12.2016 – 8 C 6.15 –, BVerwGE 157, 126 = juris, Rn. 52; OVG NRW, Beschluss vom 8.6.2017 – 4 B 307/17 –, NWVBl. 2017, 431 = juris, Rn. 30, 43 f., m. w. N.
83II. Auch die hilfsweise gestellten Verpflichtungsanträge zu 2. und 3. auf Erteilung der danach für den Betrieb der streitgegenständlichen Spielhalle erforderlichen glücksspielrechtlichen Erlaubnis oder jedenfalls Neubescheidung ihres diesbezüglich gestellten Antrags ist unbegründet. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 8.11.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO.
84Die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis auf Grundlage der §§ 24 Abs. 1 GlüStV, 16 Abs. 2 AG GlüStV NRW setzt nach § 25 Abs. 1 GlüStV i. V. m. § 16 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 AG GlüStV NRW grundsätzlich voraus, dass ein Mindestabstand von 350 m Luftlinie zu einer anderen Spielhalle eingehalten wird. Diesen Abstand hält die Spielhalle der Klägerin in der T. straße 00 zu den Spielhallen der Beigeladenen in der C. Straße. 00 bzw. in der N. straße 00/L. -L1. -Straße 0 nicht ein.
85Die Beklagte hat sowohl den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis unter Abweichung vom Mindestabstandsgebot nach § 16 Abs. 3 Satz 3 AG GlüStV NRW (dazu 1.) als auch im Rahmen des in Folge der Nichteinhaltung des Mindestabstandsgebots nach Ablauf der Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV notwendigen Auswahlverfahrens (dazu 2.) ermessensfehlerfrei abgelehnt. Schließlich hat sie die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis zur Vermeidung unbilliger Härten gemäß § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV i. V. m. § 18 AG GlüStV NRW unter Befreiung von der Einhaltung des Mindestabstandsgebots für einen angemessenen Zeitraum zugunsten der Klägerin rechtsfehlerfrei abgelehnt (dazu 3.).
861. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Abweichung vom Mindestabstandsgebot unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standortes und der Lage des Einzelfalls zu.
87a) Im Rahmen der Soll-Vorschrift des § 16 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 AG GlüStV NRW ist eine Unterschreitung des Mindestabstands nur in atypischen Fällen zulässig. Darüber hinaus darf die Erlaubnisbehörde nach § 16 Abs. 3 Satz 3 AG GlüStV NRW unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standortes und der Lage des Einzelfalls eine abweichende Entscheidung treffen.
88Vgl. zur entsprechenden Berliner Regelungstechnik: BVerwG, Urteil vom 16.12.2016 – 8 C 6.15 –, BVerwGE 157, 126 = juris, Rn. 50.
89Insoweit steht der zuständigen Behörde unter Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten zwar ein Ermessen zum Abweichen vom Mindestabstandserfordernis offen. Dem Zweck dieser Ermächtigung (§§ 114 VwGO, 40 VwVfG NRW) entspricht es allerdings, wenn sich die Behörde bei ihren Entscheidungen von der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 16 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 AG GlüStV NRW leiten lässt und grundsätzlich nur in atypischen Fällen, in denen dies nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip erwägenswert ist, überhaupt eine Unterschreitung des Mindestabstands in Betracht zieht.
90Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.2.2020 – 4 B 1253/18 –, NWVBl. 2020, 391 = juris, Rn. 33 ff., m. w. N.
91Dabei bleiben nach § 16 Abs. 3 Satz 4 AG GlüStV NRW bauplanungsrechtliche Anforderungen unberührt. Sofern die betroffene Gemeinde bauplanungsrechtliche Entscheidungen z. B. durch Entwicklungskonzepte getroffen hat, nur in einem bestimmten Gebiet eine Vielzahl von Spielstätten anzusiedeln und gerade dies zur Unterschreitung von Mindestabständen führt, kann die Gemeinde eine Ausnahme nach § 16 Abs. 3 Satz 3 AG GlüStV NRW zulassen.
92Vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales NRW, Erlass vom 10.5.2016 ‒ 113-38.07.13 - 5 ‒, S. 5, https://www.im.nrw/sites/default/files/media/document/file/Spielhallenerlass%202016.pdf.
93b) Diesen Anforderungen wird die Ermessensentscheidung der Beklagten gerecht, auch unter Berücksichtigung der örtlichen Lage der Spielhalle der Klägerin mangels eines besonders gelagerten Einzelfalls nicht vom Mindestabstandserfordernis im Verhältnis zu den Spielhallen der Beigeladenen abzuweichen, auch wenn zwischen den Spielhallen kein Sichtkontakt besteht. Insofern hat sie sich an der gesetzgeberischen Grundentscheidung für das Mindestabstandsgebot orientiert, indem sie zum einen allenfalls eine Unterschreitung des Mindestabstands von weniger als 10 m Luftlinie als minimale und damit hinnehmbare Abweichung bewertet hat. Vorliegend wird der zulässige Mindestabstand von 350 m Luftlinie jedoch um 24 m zur Spielhalle der Beigeladenen zu 1. bzw. um 173 m zur Spielhalle der Beigeladenen zu 2. unterschritten. Zum anderen weicht auch die gegenüber der Luftlinienentfernung längere Fußwegentfernung zwischen den Spielhallen, die hier noch nicht einmal durch Geländehindernisse wie Bahnlinien oder Flussläufe erschwert wird, nicht untypisch von der Luftlinienentfernung in Innenstadtlagen ab.
94Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 10.2.2020 – 4 B 1253/18 –, NWVBl. 2020, 391 = juris, Rn. 36 ff., m. w. N., Ministerium für Inneres und Kommunales NRW, Erlass vom 10.5.2016 ‒ 113-38.07.13 - 5 ‒, S. 5 f., https://www.im.nrw/sites/default/files/media/document/file/Spielhallenerlass%202016.pdf,
95Es ist höchstrichterlich geklärt, dass die fußläufige Erreichbarkeit selbst dann noch nicht atypisch erschwert ist, wenn die tatsächliche Wegstrecke zwischen zwei Spielhallen im Einzelfall mehr als das Doppelte des nach der Luftlinie bemessenen Mindestabstands beträgt.
96Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.6.2018 – 8 B 32.17 –, Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 307 = juris, Rn. 3; OVG NRW, Beschluss vom 10.2.2020 – 4 B 1253/18 –, NWVBl. 2020, 391 = juris, Rn. 27, 40.
97Das ist hier eindeutig nicht der Fall. Der Fußweg zwischen der Spielhalle der Klägerin und der Spielhalle der Beigeladenen zu 1. beträgt 517 m. Der Fußweg zur Spielhalle der Beigeladenen zu 2. liegt mit (höchstens) 325 m sogar unterhalb des einzuhaltenden Luftlinienmindestabstands von 350 m.
98Schließlich boten bauplanungsrechtliche Anforderungen für das Gebiet, in dem die Spielhalle der Klägerin liegt, für die Beklagte zu Recht keinen Anlass, vom Mindestabstandsgebot ausnahmsweise abzuweichen. Es bestehen insofern keine Vorgaben, wonach die Beklagte gerade dort eine Vielzahl von Spielstätten ansiedeln wollte.
992. Die Klägerin hat – ausgehend von dem mangels Einhaltung des Mindestabstands notwendigen Auswahlverfahren unter den konkurrierenden Spielhallenbetreibern – keinen Anspruch auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis oder jedenfalls auf Neubescheidung ihres darauf gerichteten Antrags. Die Beklagte hat diesen Antrag der Klägerin im Rahmen des von ihr durchgeführten Auswahlverfahrens ermessensfehlerfrei abgelehnt.
100a) Begehren nach Ablauf der Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV mehrere Betreiber von Spielhallen, die zueinander das Mindestabstandsgebot nicht einhalten, die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis, bedarf es zur Auflösung der Konkurrenzsituation einer Auswahlentscheidung. Diese von der Behörde zu treffende Auswahlentscheidung ist eine Ermessensentscheidung, die nach Maßgabe des § 114 VwGO der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (nur) daraufhin unterliegt, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 40 VwVfG NRW).
101Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.10.2019 – 4 A 1826/19 –, DVBl. 2020, 453 = juris, Rn. 43.
102In der Rechtsprechung des Senats ist unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass die in die Auswahlentscheidung einzustellenden Kriterien (Auswahlparameter) sich in Nordrhein-Westfalen in hinreichender Weise dem Gesetz entnehmen lassen und durch die die Behörde bindenden Erlasse des Ministeriums für Inneres (und Kommunales) näher konturiert wurden.
103Vgl. OVG NRW, Urteile vom 10.10.2019 – 4 A 1826/19 –, DVBl. 2020, 453 = juris, Rn. 45 f., und vom 28.9.2020 – 4 A 2324/19 –, ZfWG 2021, 66 = juris, Rn. 35 f., sowie Beschluss vom 16.2.2021 – 4 B 698/19 –, juris, Rn. 19, jeweils unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 7.3.2017 ‒ 1 BvR 1314/12 u. a. ‒, BVerfGE 145, 20 = juris, Rn. 179 ff., 182 ff.
104Damit genügt das Auswahlverfahren nach Ablauf der fünfjährigen Übergangsfrist nach dem Glücksspielstaatsvertrag für Bestandsspielhallen in Nordrhein-Westfalen auch dem unionsrechtlichen Transparenzgebot. Es beruht auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien, die die Nachprüfung ermöglichen, ob die Verfahren unparteiisch durchgeführt worden sind. Es gibt ausreichend gesetzlich fundierte und durch Verwaltungsvorschrift näher konkretisierte sowie gerichtlich überprüfbare Maßstäbe, durch die die Gefahr willkürlicher Entscheidungen ausgeschlossen wird.
105Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16.10.2017 – 4 A 1607/16 –, ZfWG 2018, 29 = juris, Rn. 54 ff., sowie Beschlüsse vom 2.4.2020 – 4 B 1478/18 –, GewArch 2020, 332 (nur Leitsatz) = juris, Rn. 21 ff., m. w. N., vom 16.8.2019 – 4 B 659/18 –, ZfWG 2019, 503 = juris, Rn. 37 ff., m. w. N., und vom 8.6.2017 – 4 B 307/17 –, NWVBl. 2017, 431 = juris, Rn. 54 ff., m. w. N.
106Insbesondere kann im Rahmen der Auswahl zunächst auf die Regelung zur Härtefallbefreiung nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV zurückgegriffen werden. Die ohnehin geforderte Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Positionen der Spielhallenbetreiber gebietet auch ohne ausdrückliche gesetzliche Präzisierung, dass die zuständigen Behörden sich eines Verteilmechanismus bedienen, der die bestmögliche Ausschöpfung der bei Beachtung der Mindestabstände verbleibenden Standortkapazität in dem relevanten Gebiet ermöglicht. Das gilt auch, sofern bei der erforderlichen Auswahlentscheidung zusätzlich Erlaubnisanträge neu in den Markt eintretender Bewerber einzubeziehen sind, wobei grundrechtsrelevante Positionen der Betreiber von Bestandsspielhallen zu berücksichtigen bleiben. Dazu zählt etwa die Amortisierbarkeit von Investitionen. Zudem ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung in § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV, dass bereits bei der Auswahlentscheidung die mit der Neuregelung verfolgten Ziele des § 1 GlüStV zu beachten sind und bei Bestandsspielhallen überdies der Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis gemäß § 33i GewO zu berücksichtigen ist. Diese gesetzlichen Vorgaben sind ergänzend durch die über das Internet allgemein zugängliche Ministerialerlasse vom 10.5.2016 und 6.11.2017 näher konturiert worden, die weitere Hinweise zu den heranzuziehenden Kriterien enthalten und der Ausübung des Ermessens durch die hieran gebundenen Behörden zusätzliche Grenzen setzen.
107Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.10.2019 – 4 A 1826/19 –, DVBl. 2020, 453 = juris, Rn. 45 f., m. w. N. und unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 7.3.2017 ‒ 1 BvR 1314/12 u. a. ‒, BVerfGE 145, 20 = juris, Rn. 179 ff., 182 ff.
108Darüber hinaus muss nicht bereits ein von der zuständigen Behörde auf der Grundlage dieser objektiven Auswahlkriterien durch Präzisierung der Modalitäten, nach denen die vorliegenden Anträge zu bewerten sind, zu entwickelnder Verteilmechanismus vorab bekannt gegeben werden. Außerhalb unionsrechtlich harmonisierter Vergabeverfahren reicht die Transparenzpflicht nicht so weit, dass auch die relative Gewichtung der vorab bekannten Kriterien sowie die Präzisierung der Modalitäten, nach denen die vorliegenden Anträge zu bewerten sind, vorab zu bestimmen und allgemein oder den potenziellen Interessenten mitzuteilen sind. Insbesondere ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, dass die Behörden sich erst nach der bereits durch den Glücksspielstaatsvertrag erfolgten Einführung eines Genehmigungserfordernisses für Spielhallen und nach Ablauf der Übergangsfrist eines verfassungsgemäßen Verteilmechanismus zu bedienen haben.
109Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.8.2019 – 4 B 659/18 –, ZfWG 2019, 503 = juris, Rn. 48 ff., unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 18.11.2010 – C-226/09 –, ECLI:EU:C:2010:697, Kommission/Irland, VergabeR 2011, 194 = juris, Rn. 43, 46, und BVerfG, Beschluss vom 7.3.2017 ‒ 1 BvR 1314/12 u. a. –, BVerfGE 145, 20 = juris, Rn. 185.
110Ein Verteilmechanismus, der die bestmögliche Ausschöpfung der bei Beachtung der Mindestabstände verbleibenden Standortkapazität in dem relevanten Gebiet ermöglicht, kann von den Erlaubnisbehörden allerdings nicht losgelöst von der Vereinbarkeit mit den Zielen des § 1 GlüStV angewandt werden; das letztgenannte Kriterium darf mit Blick auf den mit der Begrenzung des Spielhallenangebots verbundenen Grundrechtseingriff in Nordrhein-Westfalen aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben jedenfalls nicht als nachrangig eingestuft werden.
111Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2019 – 4 B 255/18 –, ZfWG 2019, 516 = juris, Rn. 35 ff., 57 ff., 67 f.
112Die in der Auswahlentscheidung auch zu berücksichtigenden Ziele des § 1 GlüStV erfordern in Nordrhein-Westfalen einen Vergleich der konkurrierenden Bewerber daraufhin, wer besser geeignet ist, die Ziele des Staatsvertrags zu erreichen. Solche Unterschiede können sich unter anderem aus Besonderheiten des Umfeldes des jeweiligen Standorts oder aus der Art der zu erwartenden Betriebsführung der einzelnen Betreiber ergeben. Hierbei ist etwa maßgeblich, inwieweit prognostisch von einem rechtstreuen Verhalten des Spielhallenbetreibers auszugehen ist, also von der Einhaltung von Vorschriften, die gerade die Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV sicherstellen sollen.
113Vgl. ausführlich OVG NRW, Urteil vom 10.10.2019 – 4 A 1826/19 –, DVBl. 2020, 453 = juris, Rn. 47 ff., und Beschluss vom 26.9.2019 – 4 B 255/18 –, ZfWG 2019, 516 = juris, Rn. 28 ff.
114b) In Anwendung dieser Grundsätze hat die Beklagte ihre Auswahlentscheidung ermessensfehlerfrei zulasten der Klägerin und zugunsten der Beigeladenen getroffen.
115Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Klägerin gegenüber den Beigeladenen jedenfalls nicht als vorzugswürdig hinsichtlich der Einhaltung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags angesehen hat. Die Beklagte hat die Konkurrenten im Hinblick auf die Einhaltung der Ziele des § 1 GlüStV miteinander verglichen. Diesem Vergleich hat sie das Ergebnis ihrer in der Zeit vom 1.3.2016 bis 17.8.2017 durchgeführten Kontrollen zu Grunde gelegt, wonach die streitgegenständliche Spielhalle der Klägerin ebenso wie die der Beigeladenen zu 1. nicht die allein gesetzlich zugelassene Bezeichnung „Spielhalle“ (vgl. § 16 Abs. 5 AG GlüStV NRW) getragen hat, während sich für die Spielhalle der Beigeladenen zu 2. keine Beanstandungen ergeben haben. Dass ein qualitativer Vergleich zur Auswahl der Spielhalle der Klägerin hätte führen müssen, zeigt die Klägerin selbst nicht auf.
116Da die Beklagte bei ihrer Auswahlentscheidung mögliche Sachkriterien geprüft hatte, ohne dass sich hierbei die Spielhalle der Klägerin als offenkundig vorzugswürdig erwiesen hatte, konnte sie ermessensfehlerfrei auf das Kriterium der bestmöglichen Ausschöpfung der Standortkapazität abstellen. Denn damit hat sie das Kriterium der Vereinbarkeit mit den Zielen des § 1 GlüStV gegenüber dem Kriterium der bestmöglichen Ausschöpfung der Standortkapazität rechtsfehlerfrei jedenfalls nicht als nachrangig angesehen. Bei Anwendung dieses Kriteriums lag es auf der Hand, die Spielhallen der Beigeladenen auszuwählen, die zueinander das Mindestabstandsgebot einhalten.
117Erweist sich die Auswahlentscheidung der Beklagten damit als ermessensfehlerfrei, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Beklagte die Auswahl der Klägerin selbständig tragend auch mit Blick auf die im Vergleich zu den Spielhallen der Beigeladenen größere Nähe ihrer Spielhalle zu drei Einrichtungen, die regelmäßig von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden, ermessensfehlerfrei ablehnen konnte. Unabhängig davon war es rechtlich aber nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei ihrer Auswahlentscheidung die Besonderheiten des Umfeldes des jeweiligen Standorts berücksichtigt hat. Insofern durfte sie vorliegend auch die Nähe zu Einrichtungen berücksichtigen, die regelmäßig von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden.
118Die Regelung des § 18 Satz 3 AG GlüStV NRW steht dem nicht entgegen. Danach gilt zwar die Abstandsregelung nach § 16 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV NRW nicht für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehende Spielhallen, für die – wie hier für die Klägerin – eine Erlaubnis nach § 33i GewO erteilt worden ist. Die Abstandsregelung nach § 16 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV NRW sieht vor, dass die Spielhalle nicht in räumlicher Nähe zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe betrieben werden soll; dabei soll regelmäßig der Mindestabstand von 350 Metern Luftlinie zu Grunde gelegt werden. Damit regelt die Vorschrift eine der Auswahlentscheidung vorgelagerte Erteilungsvoraussetzung, von der nur ausnahmsweise gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 AG GlüStV NRW abgewichen werden darf. Darum geht es hier aber nicht, weil die Beklagte bei drei Bewerbern, die alle Bestandsspielhallen betreiben, die größere Nähe eines Bewerbers zu Einrichtungen, die regelmäßig von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden, als weiteres Auswahlkriterium herangezogen hat, nachdem sie den qualitativen Vergleich im Übrigen bereits vorgenommen hatte. Dabei handelt es sich um ein Kriterium, das ebenfalls den Zielen des § 1 GlüStV Geltung verschaffen soll, nämlich den Jugendschutz zu gewährleisten (§ 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 GlüStV). Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass der Spielsucht bei Minderjährigen auch über den Ausschluss ihres Zutritts (vgl. § 11 AG GlüStV NRW) hinaus in einem möglichst frühen Stadium durch Vermeidung einer Gewöhnung an das Vorhandensein von Spielhallen und eines Anreizes des für sie verbotenen Glücksspiels entgegengewirkt werden soll.
119Vgl. BVerwG, Urteile vom 16.12.2016 – 8 C 6.15 –, BVerwGE 157, 126 = juris, Rn. 60, und – 8 C 4.16 –, Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 303 = juris, Rn. 22.
120Ausgehend davon entspricht die Erwägung der Beklagten dem Zweck der Ermächtigung ihres Auswahlermessens. Sie hat zu Recht und ohne die Regelung des § 18 Satz 3 AG GlüStV NRW zu unterlaufen angenommen, die Spielhalle der Klägerin bringe im Vergleich mit den Spielhallen der Beigeladenen ein zusätzlich jugendgefährdendes Potenzial mit sich, weil sie von den drei Bewerbern die größte Nähe zu drei regelmäßig von Kindern und Jugendlichen aufgesuchten Einrichtungen aufweise.
1213. Die Klägerin kann auch nicht gemäß § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV i. V. m. § 18 AG GlüStV NRW unter Befreiung von der Einhaltung des Mindestabstandsgebots nach § 25 Abs. 1 GlüStV i. V. m. § 16 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 AG GlüStV NRW die Erteilung einer Härtefallerlaubnis beanspruchen.
122Nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV können die für die Erteilung einer Erlaubnis zuständigen Behörden nach Ablauf des in § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV bestimmten Zeitraums eine Befreiung von der Erfüllung einzelner Anforderungen des § 24 Abs. 2 sowie § 25 GlüStV für einen angemessenen Zeitraum zulassen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist; hierbei sind der Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis gemäß § 33 i GewO sowie die Ziele des § 1 GlüStV zu berücksichtigen.
123Der Senat hat in Einklang mit höchstrichterlicher Rechtsprechung zum steuerrechtlichen Härtebegriff bereits wiederholt entschieden, dass die gesetzliche Regelung einer unbilligen Härte nicht dem allgemeinen Ausgleich von Verlustausfällen dienen, sondern ausschließlich dann eingreifen soll, wenn die Anwendung eines verfassungsgemäßen Gesetzes im Einzelfall zu Ergebnissen führt, die dem Belastungsgrund des Gesetzgebers zuwiderlaufen.
124Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 10.2.2021 – 4 A 969/20 –, juris, Rn. 15 f., m. w. N., vom 2.12.2020 – 4 B 1466/20 –, juris, Rn. 6 f., vom 29.6.2020 – 4 B 665/19 –, juris, Rn. 66 ff., m. w. N., vom 3.6.2020 – 4 B 1/20 –, juris, Rn. 23 ff., und vom 6.5.2020 – 4 B 265/19 –, NVwZ-RR 2021, 155 = juris, Rn. 45 ff.; siehe auch die Begründung zu § 29 GlüStV, abgedruckt etwa in Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 32, sowie in Nds. LT-Drs. 16/4795, S. 94.
125Mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der unbilligen Härte sollen (nur) atypische, vom Gesetzgeber nicht ausreichend berücksichtigte, besonders gelagerte Fallkonstellationen, in denen die Anwendung der gesetzlichen Vorgaben zu einer nicht intendierten Härte führen würden, einer die widerstreitenden Interessen abwägenden Einzelfallentscheidung zugeführt werden können. Härten, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat und die dem Gesetzeszweck entsprechen, können keinen Härtefall begründen, weil sonst die vom Gesetzgeber beabsichtigte Folge ‒ hier eine Verringerung von Anzahl und Dichte der Spielhallen ‒ in der Regel nicht eintreten würde. Deshalb sind an die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzung der „unbilligen Härte“ hohe Anforderungen zu stellen. Diese sind regelmäßig nicht bereits dann erfüllt, wenn mit der Schließung von Spielhallen wirtschaftliche Einbußen und sonstige Belastungen verbunden sind. Insbesondere können die Spielhallenbetreiber nicht die verlustfreie Abwicklung ihrer zu schließenden Spielhallen verlangen. Der Gesetzgeber wollte mit der fünfjährigen Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV die regelmäßig eintretenden wirtschaftlichen Nachteile bei den Betreibern von Spielhallen erfassen und diesen innerhalb der großzügig bemessenen Übergangsfrist einen schonenden Übergang zu den strengeren Regelungen des Staatsvertrags und die Entwicklung alternativer Geschäftsmodelle ermöglichen. Die Annahme einer unbilligen Härte muss daher auf wenige Ausnahmen in besonders atypischen Einzelfällen beschränkt bleiben.
126Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6.5.2020 – 4 B 265/19 –, NVwZ-RR 2021, 155 = juris, Rn. 45 ff., und vom 16.3.2020 ‒ 4 B 977/18 ‒, ZfWG 2020, 247 = juris, Rn. 18 f., jeweils m. w. N.
127Ein danach für die Annahme einer unbilligen Härte erforderlicher atypischer Einzelfall, in dem besondere unvermeidbare Belastungen gegeben sind, denen andere Betriebe von Bestandsspielhallen, die nach Ablauf der fünfjährigen Übergangsfrist geschlossen werden müssen, grundsätzlich nicht ausgesetzt sind, ist vorliegend weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
128Insbesondere bedeutet die lagebedingte „Sandwichsituation“ der Spielhalle der Klägerin kein „Sonderopfer“ und keinen atypischen Einzelfall. Durfte die Beklagte – wie ausgeführt – im Rahmen des verfassungs- und unionsrechtskonformen Auswahlverfahrens ermessensgerecht auf die Lage der Spielhalle abstellen, ist ihre Schließung gerade deren typische Folge und stellt für sich genommen kein „Sonderopfer“ der Klägerin zugunsten der Allgemeinheit dar. Es entspricht dem Gesetzeszweck, auch solche Spielhallen zu schließen, die bei zulässiger Anwendung des Kriteriums der bestmöglichen Ausschöpfung der bei Beachtung der Mindestabstände verbleibenden Standortkapazität allein aufgrund ihrer für sie nachteiligen Lage das Nachsehen bei der Auswahlentscheidung haben.
129Auch die weiteren Einwände der Klägerin sind nicht geeignet, eine unbillige Härte zu begründen. Die Klägerin konnte bereits bei Abschluss ihres Mietvertrags für das Ladenlokal ihrer Spielhalle am 27.5.2011, der eine Mietdauer vom 1.6.2011 bis zunächst zum 31.5.2021 vorsieht, nicht mehr davon ausgehen, dass die Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit von Spielhallen unverändert fortbestehen werde. Schutzwürdiges Vertrauen bestand zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, weil sich die Länder bereits im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz am 6.4.2011, veröffentlicht in den Parlamentsdatenbanken ab Mitte April 2011, darauf geeinigt hatten, einen Entwurf für einen Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag zur Anhörung und zur Notifizierung bei der Europäischen Kommission freizugeben. Dieser enthielt einen besonderen Erlaubnisvorbehalt für Spielhallen, Regelungen über ein Abstandsgebot zu anderen Spielhallen und ein Verbundverbot sowie entsprechende Übergangsregelungen.
130Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.3.2017 ‒ 1 BvR 1314/12 u. a. ‒, BVerfGE 145, 20 = juris, Rn. 122 ff., 196 ff., 203 ff.; OVG NRW, Beschlüsse vom 8.5.2020 – 4 B 627/19 –, juris, Rn. 35 ff., und vom 14.6.2019 – 4 B 1488/18 –, ZfWG 2019, 383 = juris, Rn. 40 ff., m. w. N.
131Der Klägerin war zuzumuten, sich für geeignete Vertragsgestaltungen einzusetzen, die ihr nach Möglichkeit sowohl die Option zum Weiterbetrieb als auch die alsbaldige Beendigung der Spielhallennutzung offen gehalten hätten. Entsprechende Bemühungen hat sie nicht erkennen lassen. Vielmehr ergibt sich aus den von der Klägerin zum Beleg eines Härtefalls angeführten Gesichtspunkten, dass sie in der Annahme, sie werde nach Ablauf der Übergangsfrist eine Erlaubnis für ihre Spielhalle erhalten, keine Vorkehrungen getroffen hat, um eine etwa notwendig werdende Schließung möglichst wirtschaftlich tragfähig vorzubereiten. Im Gegenteil meint sie sogar, ihr sei es angesichts der von ihr behaupteten Unklarheiten über die Auslegung des Mindestabstandsgebots nicht zumutbar gewesen, bereits im Vorfeld Maßnahmen für eine gegebenenfalls erforderliche Umnutzung zu ergreifen. Die Klägerin hat weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen, dass ihre Vermieterin einer Aufhebung des Mietvertrags vom 27.5.2011 oder Nutzungsänderung nicht zustimmen würde. Dass die Klägerin vergeblich entsprechende Anfragen an die Vermieterin gestellt haben könnte, ist schon nicht vorgetragen. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass die Vermieterin im Falle der Erlaubnisversagung eine anderweitige, Mieteinnahmen sichernde Nutzung der Räume untersagen würde. Warum das in der I1. Innenstadt gelegene Ladenlokal aus Sicht der Klägerin nicht auch anderweitig wirtschaftlich sinnvoll nutzbar sein soll, hat sie ebenfalls nicht nachvollziehbar begründet. Allein der Umstand, dass die Umnutzung mit Kosten verbunden ist und eine etwaige neue Nutzung der Räumlichkeiten möglicherweise geringere Gewinne als ein Spielhallenbetrieb einbringt, begründet als typische Folge der Schließung keine unbillige Härte.
132Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7.8.2020 – 4 B 172/20 –, juris, Rn. 28 ff., 35.
133Dass mit der rechtmäßigen Verweigerung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis der Fortbestand der Spielhalle entfällt mit der Folge fehlender Einnahmen, der Kündigung von Mitarbeitern und durch die Betriebsschließung entstehender Kosten, sind gleichfalls zumindest langfristig gerade typische Folgen, die mit der Schließung einer Spielhalle auf der Grundlage von nach Ablauf der Übergangsfrist zu treffenden Auswahlentscheidungen einhergehen.
134Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 10.3.2020 – 4 B 362/19 –, ZfWG 2021, 119 (nur Leitsatz) = juris, Rn. 46, und vom 14.6.2019 – 4 B 1488/18 –, ZfWG 2019, 383 = juris, Rn. 39.
135Ebenso wenig konnte die Klägerin darauf vertrauen, sie werde ihre Spielhalle für die Dauer einer 15-jährigen Abschreibungsfrist betreiben können. Auch insofern hätte sie vorsorglich Möglichkeiten nutzen können, ihre hohen Investitionskosten in kürzerer Zeit zu amortisieren als ursprünglich im Wege der Abschreibung geplant.
136Vgl. hierzu etwa OVG NRW, Beschluss vom 2.12.2020 – 4 B 1466/20 –, juris, Rn. 14.
137Unabhängig davon ist aber auch nicht nachvollziehbar, dass sich die von der Klägerin geltend gemachten, vor dem gemäß § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV gesetzlich festgelegten Stichtag des 28.10.2011 im September 2010 getätigten Investitionen in Höhe von 250.000,00 Euro für den Kauf ihrer Spielhalle bislang noch nicht amortisiert haben sollen. Insoweit folgt der Senat gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 117 Abs. 5 VwGO der Begründung des Bescheids der Beklagten vom 8.11.2017 (Seite 6, letzter Absatz, bis Seite 8, vorletzter Absatz). Aus der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorgelegten Auflistung ihrer Umsätze und Kosten im Jahr 2018 folgt nichts anderes. Im Gegenteil wird darin für die streitgegenständliche Spielhalle (einschließlich Bistro) nach Abzug der Abschreibungen in Höhe von 7.208,00 Euro ein Gewinn vor Ertragssteuern in Höhe von 132.566,00 Euro ausgewiesen; der Gewinn vor Ertragssteuern allein für die Spielhalle ohne das Bistro liege nach Angaben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei etwa 90.000,00 Euro. Auch auf Grundlage dieser Zahlen erschließt sich nicht, weshalb eine Vollamortisation für die streitgegenständliche Spielhalle der Klägerin noch nicht möglich gewesen sein soll.
138Soweit die Klägerin bis zu einer Auswahlentscheidung der Beklagten nicht verlässlich absehen konnte, ob sie den Betrieb ihrer (Einzel-)Spielhalle letztlich werde fortsetzen können oder aufgeben müssen, hat die Beklagte dem hinreichend Rechnung getragen. Sie hat der Klägerin Gelegenheit gegeben, die Auswahlentscheidung vor der tatsächlichen Schließung gerichtlich überprüfen zu lassen, indem sie ihr zugesichert hat, ihr das Fehlen der glücksspielrechtlichen Erlaubnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, längstens jedoch bis zum Außerkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags mit Ablauf des 30.6.2021, weder unter ordnungs- noch bußgeldrechtlichen Gesichtspunkten entgegenzuhalten.
139Der Gesetzgeber hat in § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV zur Vermeidung einer unbilligen Härte eine Befreiung von den Abstandsgeboten für einen angemessenen Zeitraum zwar auch geschaffen, um die nach einer negativen Auswahlentscheidung ggf. noch vorzunehmenden Abwicklungsmaßnahmen zu ermöglichen.
140Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4.12.2019 – 4 B 1037/18 –, NWVBl. 2020, 338 = juris, Rn. 29 ff., m. w. N., und vom 18.7.2018 – 4 B 179/18 –, NWVBl. 2018, 529 = juris, Rn. 38 f., m. w. N.
141Im konkreten Fall liegen die Voraussetzungen einer unbilligen Härte aber nicht im diesem Sinne vor, dass jenseits der von der Beklagten ausgesprochenen Duldung und einer im Rahmen einer etwa erforderlich werdenden Schließungsverfügung noch gesondert einzuräumenden kurzen Abwicklungsfrist die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis unter Befreiung vom Mindestabstandsgebot erforderlich ist.
142Die Klägerin musste sich schon während des Klageverfahrens ernsthaft darauf einstellen, dass die angegriffene Entscheidung letztlich Bestand haben werde. Aus ihrem gesamten Vorbringen ergeben sich keine Gesichtspunkte, die auf der Grundlage der oben im Einzelnen angeführten ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung berechtigterweise hätten erwarten lassen können, dass ihre Rügen letztlich erfolgreich sein könnten. Die Klägerin hat ihre vor allem verfassungs- und unionsrechtlichen Einwände gegen das Erlaubniserfordernis, das Mindestabstandsgebot, die Transparenz des Auswahlverfahrens und den Härtefallbegriff ohne Auseinandersetzung mit dieser breit publizierten Rechtsprechung aufrechterhalten, die diese und vergleichbare grundlegende Einwände nach intensiver rechtlicher Prüfung sämtlich schon vor geraumer Zeit als nicht durchgreifend erachtet hat. Hier kommt hinzu, dass die Klägerin aktuell einer weiteren Abwicklungsfrist auch deshalb nicht bedarf, weil sie ihre Spielhalle ohnehin nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Coronaschutzverordnung NRW (zunächst GV. NRW. 2020 S. 1044b, aktuell GV. NRW. 2021 S. 216) in der jeweils geltenden Fassung bereits seit dem 2.11.2020 geschlossen halten musste.
143Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. aufzuerlegen. Diese hat in beiden Instanzen jeweils einen eigenen Antrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Gegenteiliges gilt für die Beigeladene zu 2., die keinen Antrag gestellt und sich deshalb keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
144Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
145Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind. Zwar sind die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags nach § 33 GlüStV revisibel. Es ist aber bereits durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7.3.2017 ‒ 1 BvR 1314/12 u. a. ‒ geklärt, dass nach Ablauf der Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV ein Auswahlverfahren stattfinden und an welchen Kriterien sich die Auswahlentscheidung grundsätzlich ausrichten muss.
146Soweit die Gewichtung und der Inhalt der Auswahlkriterien nicht bereits durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geklärt wurden, beruhen alle weiteren Vorgaben auf nicht revisiblen landesrechtlichen Regelungen. Insoweit erhalten die Auswahlkriterien ihren in Nordrhein-Westfalen maßgeblichen Inhalt erst durch die Konturierung im Landesrecht, die außer durch das Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag durch die die Behörden bindenden spielhallenrechtlichen Erlasse erfolgt ist.
147Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.10.2019 – 4 A 1826/19 –, DVBl. 2020, 453 = juris, Rn. 88 f., m. w. N.
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