Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 B 86/21
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird ebenfalls auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
1Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Denn sie ist jedenfalls unbegründet.
2Die in der Beschwerdebegründung angeführten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen in der Sache zu keiner Änderung der angefochtenen Entscheidung.
3Das Verwaltungsgericht hat den mit der Beschwerde sinngemäß weiterverfolgten Antrag der Antragstellerin,
4die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 10. September 2020 (16 K 5392/20 – VG Düsseldorf) gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 8. Juli 2020 anzuordnen,
5im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, es bestehe kein Anlass, vom Regelvorrang des Vollzugsinteresses gemäß § 212a Abs. 1 BauGB abzuweichen. Die angefochtene Baugenehmigung für den Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 23 Wohneinheiten sei nicht zulasten der Antragstellerin offensichtlich rechtswidrig. Die Baugenehmigung sei mit Blick auf die Anzahl der Stellplätze nicht zu unbestimmt. Ausweislich der Baubeschreibung und des Grundrisses zum Kellergeschoss sei die Errichtung von 42 innerhalb der Tiefgarage liegenden und zwei im Freien gelegenen, insgesamt also von 44 Stellplätzen geplant. Die Antragstellerin könne sich hinsichtlich der gewerblich genutzten Stellplätze nicht auf einen Gebietserhaltungsanspruch stützen. Dabei könne dahinstehen, ob der vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 802 (V) wirksam sei. Sei dieser wirksam, stünden die Errichtung und die Nutzung der Stellplätze allerdings nicht im Widerspruch zu den Festsetzungen, sondern im Einklang mit diesen. Hinzu komme, dass das Grundstück der Antragstellerin im Anwendungsbereich eines anderen Bebauungsplans (Nr. 249) und damit in einem anderen Baugebiet liege. Auch im Falle der Unwirksamkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans läge das Grundstück der Antragstellerin in einem anderen Baugebiet als das Vorhabengrundstück. Bezüglich des Grundstücks der Antragstellerin sei durch den Bebauungsplan Nr. 249 ein allgemeines Wohngebiet ausgewiesen. Für das Vorhabengrundstück sei demgegenüber ein reines Wohngebiet festgesetzt. Hinsichtlich der Tiefgarage samt Zufahrt liege voraussichtlich auch kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme aus § 30 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO vor. Weiterhin könne sich die Antragstellerin auch mit Blick auf die Dimensionierung bzw. die Baumasse der genehmigten Wohngebäude sowie hinsichtlich der etwaigen Überschreitung der Grundflächenzahl und einer daraus vorgeblich folgenden Verschlechterung des Mikroklimas nicht mit Erfolg auf einen Gebietserhaltungsanspruch oder eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots berufen. Dabei bedürfe es keiner Entscheidung, ob das Vorhaben des Beigeladenen die nach dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 802 (V) oder die ursprünglich nach dem Bebauungsplan Nr. 249 für das Vorhabengrundstück geltende Grundflächenzahl überschreite und dadurch objektiv rechtswidrig sei. Den Festsetzungen, die sich in jedem Fall auf ein Baugebiet bezögen, in welchem das Grundstück der Antragstellerin nicht belegen sei, fehle es überdies an einem nachbarschützenden Charakter. Das Vorhaben verstoße auch nicht unter dem Gesichtspunkt "erdrückende Wirkung" zulasten der Antragstellerin gegen das Rücksichtnahmegebot. Ferner sei nicht erkennbar, dass ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Brandschutzes vorliege. Das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiege auch nicht aus anderen Gründen. Im Vordergrund stehe nach allem letztlich ihr Interesse an der Freihaltung des Blockinnenbereichs. Dieses Interesse sei indessen rechtlich nicht geschützt und vermöge daher den Regelvorrang des Vollzugsinteresses gemäß § 212a Abs. 1 BauGB nicht zu durchbrechen.
6Dieser im Einzelnen detailliert und im Übrigen an Hand der vorliegenden Genehmigungsakte und von frei zugänglichem Karten- und Satellitenmaterial nachvollziehbar begründeten Bewertung hat die Beschwerde nichts Erhebliches entgegengesetzt, das die beantragte Abänderung des angegriffenen Beschlusses und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Nachbarklage gegen die streitige Baugenehmigung begründete.
7In weiten Teilen erschöpft sich das Vorbringen letztlich in der Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens, zu dem bereits das Verwaltungsgericht erschöpfend und überzeugend ausgeführt hat, dass und aus welchen Gründen die Antragstellerin daraus Nachbarrechte nicht herleiten kann, und verfehlt so schon das Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO.
81. So hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die die Bautätigkeit betreffenden Einwendungen der Antragstellerin, wie sie sie etwa auf S. 2 und S. 8 im Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 1. Februar 2021 aufgreift, nicht die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung in nachbarrechtlicher Hinsicht in Frage stellen, weil schon ein Bezug zum Genehmigungsgegenstand nicht ersichtlich ist. (Nachbarrechtsrelevanter) Inhalt der Genehmigung selbst ist nicht die Frage der Bauausführung und der dabei zum Einsatz kommenden Geräte, einschließlich der Frage, ob zur Errichtung eine Inanspruchnahme des Luftraumes oberhalb des Grundstücks des Nachbarn erforderlich wird. Zumal vorbehaltlich entgegenstehender privater Rechte Dritter erteilt, lässt die Genehmigung eigentumsrechtliche Abwehransprüche aus § 1004 BGB in Bezug auf die Bauausführung unberührt.
9Vgl. zur Frage eines Abwehranspruchs bei Inanspruchnahme des Luftraumes eine Nachbargrundstücks durch einen Baukran etwa OLG Düsseldorf, Urteil vom 26. Februar 2007 - I-9 W 105/06 -, juris Rn. 11, und OLG Zweibrücken, Beschluss vom 24. Juni 1997 - 1 W 51/97 -, juris.
10Auch die Pflicht aus § 11 Abs. 1 BauO NRW, Baustellen so einzurichten, dass Gefahren oder vermeidbare Belästigungen nicht entstehen, steht gesondert; dies gilt zugleich für die der Baugenehmigung unter II. "Besondere Bedingungen, Auflagen und Hinweise" beigefügten Anforderungen an die Bauausführung, wie den Hinweis unter Ziffer 24, dass die Errichtung des Bauvorhabens den Erhalt des Baumbestandes auf den angrenzenden Nachbargrundstücken zu berücksichtigen habe; hier sei ggf. bei Bäumen im Grenzbereich mit minimalem Arbeitsraum oder Spundung für Schachtungen zu arbeiten. Ob der Bauherr das Gebot aus § 11 Abs. 1 BauO NRW beachtet, ist keine Frage der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung, sondern wäre in einem gesonderten Verfahren zu prüfen.
11Vgl. zum Baustellenlärm: OVG NRW, Beschluss vom 8. Mai 2012 - 2 B 503/12 -, S. 5 f. des amtlichen Abdrucks; Hess. VGH, Beschluss vom 31. Mai 2011 ‑ 9 B 1111/11 -, juris Rn. 3 ff.; OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 8 B 11243/09 -, BRS 74 Nr. 194 = juris Rn. 10 ff.
122. Ohne Erfolg verfolgt die Antragstellerin mit der Beschwerde ihr Vorbringen zu einem Gebietsgewährleistungsanspruch hinsichtlich der gewerblich genutzten Stellplätze in der Tiefgarage weiter. Ein hier allein in Betracht kommender baugebietsübergreifender Gebietsgewährleistungsanspruch, der schon grundsätzlich nur in besonderen – hier nicht einmal im Ansatz erkennbaren – Ausnahmefällen anzuerkennen ist, resultiert daraus offensichtlich nicht. 18 Stellplätze der insgesamt 42 in der Tiefgarage vorgesehenen Stellplätze sind mit Blick auf - schon zuvor bestehende - bestehende Baulasten zur Fremdvermietung der Wohn- und Geschäftshäuser an der L. Straße Nr. 546 und 574 vorgesehen, wie sich auch aus der Stellplatzberechnung ergibt, die der grüngestempelten und damit zur Baugenehmigung gehörenden Baubeschreibung beigefügt ist. Hierzu hat das Verwaltungsgericht gerade für den von der Beschwerde vorgestellten Fall, dass insoweit auch für das Vorhabengrundstück auf die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 249 abzustellen wäre, unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des beschließenden Gerichts -
13OVG NRW, Beschluss vom 16. Dezember 2014 - 2 A 2092/14 -, juris Rn. 10 f.; OVG NRW, Beschluss vom 27. März 2017 - 7 B 223/17 -, juris Rn. 5 f. -
14ausgeführt, dass ein baugebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor gebietsfremden Nutzungen in einem lediglich angrenzenden Plangebiet mangels eines wechselseitigen Austauschverhältnisses zwischen den Grundstückseigentümern unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen durch einen Gebietsgewährleistungsanspruch in der Regel nicht besteht. Der Nachbarschutz eines außerhalb der Grenzen des Plangebiets belegenen Grundstücks bestimmt sich bundesrechtlich prinzipiell (nur) nach dem in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme.
15Vgl. BVerwG, Beschlüsse 10. Januar 2013 - 4 B 48.12 -, juris Rn. 5 und vom 18. Dezember 2007- 4 B 55.07 -, BRS 71 Nr. 68 = juris Rn. 6; OVG NRW, Urteil vom 21. Dezember 2010 - 2 A 1419/09 -, BauR 2011, 1635 = juris Rn. 91, Beschluss vom 28. November 2002 - 10 B 1618/02 -, BRS 66 Nr. 168 = juris Rn. 5.
16Weshalb hier ausnahmsweise etwas anderes gelten sollte, zeigt die Beschwerde nicht auf. Insbesondere ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, das, was bei den hier in Rede stehenden Festsetzungen ohnehin praktisch ausgeschlossen sein dürfte, die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung für das Vorhabengrundstück als reines Wohngebiet hier nach dem Willen des Plangebers auch Grundeigentümern des benachbarten allgemeinen Wohngebietes Drittschutz vermitteln sollten.
17Vgl. zur Anerkennung eines ausnahmsweisen gegebenen gebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruch bei Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung, (nur) wenn dies nach dem Willen des Plangebers auch Grundeigentümern außerhalb des Plangebiets Drittschutz vermitteln sollen: BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 2013 – 4 B 48/12 –, juris Rn. 5.
18Der Hinweis auf den Beschluss des 7. Senates vom 23. Februar 2003 - 7 B 2374/02 (juris) - verfängt nicht, weil dieser den speziellen Sachverhalt eines Abwehranspruchs eines in einem festgesetzten Industriegebiet ansässigen Betriebs gegen die Genehmigung einer Wohnnutzung in einem benachbarten Gewerbegebiet betrifft, dessen Vergleichbarkeit mit vorliegender Fallgestaltung weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist. Soweit die Beschwerde dieser Entscheidung im Wege der Auslegung den Rechtssatz entnehmen wollte, bei benachbarten allgemeinen und reinem Wohngebiet sei "mindestens die Regelung Wohnen von allen Beteiligten einzufordern und zu respektieren", folgt der Senat dem nicht.
19Vgl. zur fehlenden Verallgemeinerungsfähigkeit auch: OVG NRW, Beschluss vom 31. Oktober 2014 - 7 A 1835/13 -, juris Rn. 10.
20Unbeschadet dessen steht hier allenfalls eine dem Wohnen untergeordnete gewerbliche Nutzung in Rede, die bereits vor Erteilung der Baugenehmigung unter Geltung des Bebauungsplans Nr. 249 ausgeübt wurde.
213. Der Beschwerde setzt auch der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass hinsichtlich der Tiefgarage samt Zufahrt voraussichtlich kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zu Lasten der Antragstellerin vorliege, nichts Erhebliches entgegen.
22Ohne Erfolg macht die Beschwerde insoweit geltend, dass Schallemissionsprognoseberechnungen im Hinblick auf die gewerbliche Nutzung zu Abfahrten, Rangierfahrten oder entsprechend begrenzende Regelungen nicht in den Verfahrensunterlagen und auch nicht in der angegriffenen Genehmigung enthalten seien; Gleiches gelte für eine Geruchsprognose und Schadstoffeinträge für die angrenzenden Grundstücke wie das der Beschwerdeführerin. Es fehlt schon an tragfähigen Anhaltspunkten dafür, dass eine solche Begutachtung hier zur Sicherstellung, dass die mit der genehmigten Nutzung der Tiefgarage verbundene Schadstoff-, Geruchs- oder Lärmentwicklung die Grenze des Zumutbaren einhalten, erforderlich (gewesen) wäre. Vielmehr spricht hier nichts für ein kritisches Immissionsgeschehen, das in den gegebenen Grundstücksverhältnissen nicht mehr hinzunehmen wäre oder jedenfalls einer weiteren gutachterlichen Abklärung oder sonst weitergehende Regelungen erfordert hätte.
23Was den Umfang der Belastungen angeht, hat das Verwaltungsgericht zutreffend herausgestellt, dass die besonders kritische Zufahrt auf der grundstücksabgewandten Seite von der X.----straße aus stattfindet, die Entfernung zur gemeinsamen Grenze mit dem Grundstück der Antragstellerin ca. 30 m beträgt und das Hauptgebäude auf diesem Grundstück sogar mehr als 70 Meter entfernt liegt. Zudem hat es darauf hingewiesen, dass sich zwischen der Rampe und dem Grundstück der Antragstellerin eines der genehmigten Wohnhäuser befinden wird, das eine gewisse schallmäßige Barriere bilden dürfte. Das wird von der Beschwerde ebenso wenig aufgegriffen wie der weitere Umstand, dass mit Blick auf ihre Lage auch von den zwei oberirdisch angelegten Stellplätzen eine relevante Auswirkung auf das Grundstück der Antragstellerin nicht zu erwarten steht.
24Das von der Beschwerde in den Mittelpunkt gestellte Störpotential der Fahrzeugbewegungen innerhalb der Tiefgarage führt auf keine andere Bewertung. Insoweit ist einzustellen, dass dieses durch die unterirdische Lage und den umschließenden Baukörper selbst weitestgehend abgeschirmt wird. Es spricht auch nichts Greifbares dafür, dass die Emissionen, die durch die zur Entlüftung der Anlage vorgesehenen Lüftungsöffnungen (vgl. Ziffer II.12. der Baugenehmigung sowie 2.9.3 des zur Baugenehmigung gehörenden Brandschutzkonzeptes von Dipl.-Ing. Q. D. vom 10. Juli 2020) nach außen dringen können, sich auf das Grundstück der Antragstellerin in einem nachbarschaftsrelevanten Umfang auswirken werden. Nach dem Grundrissplan Kellergeschoss und der Grundrisszeichnung des Brandschutzkonzeptes ist keine der darin eingezeichneten Lüftungsöffnungen direkt zum Grundstück der Antragstellerin ausgerichtet. Die dem Grundstück nächstgelegene, an der südöstlichen Tiefgaragenwand verortete Lüftungsöffnung befindet sich zudem in einer Entfernung zum Hauptgebäude auf dem Grundstück der Antragstellerin von mehr als 25 m. Das relativiert die Auswirkungen der ohnehin durch die Lüftungsöffnung nur sehr eingeschränkt nach außen dringenden störenden Einzelschallereignisse. Das mit der Entfernung der Lärmquellen das Potential der Beeinträchtigung abnimmt, liegt auf der Hand und ist ohne weiteres nachvollziehbar.
25Vgl. auch die (Planungs-)Empfehlungen der Parkplatzlärmstudie des Bayerischen Landesamtes für Umwelt, 6. überarbeitete Auflage, August 2007, die in Tab. 37 (Mindestabstände zwischen dem kritischen Immissionsort und dem nächstgelegenen Stellplatz zur Nachtzeit) selbst in Bezug auf überirdische PKW-Parkplätze (ohne Einkaufsmarkt) für Mischgebiete, in denen grundsätzlich auch gewohnt werden kann - vornehmlich mit Blick auf nach der TA-Lärm kritische Spitzenschallpegel - eine Abstandsempfehlung von (nur) 15 m ausweist, und für allgemeine Wohngebiete von (nur) 28 m.
26In diesem Zusammenhang überzeugen auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass im Rahmen der Bewertung der Zumutbarkeit der Auswirkungen der Tiefgarage die Vorbelastung des Grundstücks der Antragstellerin eingestellt werden kann, die sich daraus ergibt, dass vormals 20 Fahrzeuge - davon ebenfalls mindestens 18 für die Wohn- und Geschäftshäuser an der L. Straße Nr. 546 und 574 - in überwiegend größerer Nähe zum Grundstück der Antragstellerin überirdisch eingestellt worden sind. Dass die aus der Tiefgarage über Lüftungsöffnungen austretenden Emissionen in ihren Auswirkungen über das mit dieser Nutzung eröffnete Störpotential in unzumutbarer Weise hinausgehen könnten, liegt dabei selbst für den Fall fern, dass die Genehmigung die Nutzungszeiten für die mittels Baulast gesicherten Stellplätze in der Tiefgarage zeitlich und in Bezug auf die Art der Fahrzeuge nicht weiter begrenzen würde, d. h. die Pflichten aus dem Durchführungsvertrag Ziffer 7.6 nicht weiter absicherte. Unbeschadet dessen wäre es der Antragstellerin andernfalls jedenfalls zumutbar, eine Klärung im Hauptsacheverfahren abzuwarten, und gerechtfertigt, sie im vorliegenden Eilverfahren auf die Möglichkeit späterer ergänzender Nutzungsregelungen für die Tiefgarage zur Sicherung rechtmäßiger Zustände zu verweisen. Dies gilt umso mehr, als – soweit ersichtlich – auch bisher die Nutzung(s-
27zeit) der oberirdischen Stellplätze nicht beschränkend geregelt war/ist.
284. Die Ausführungen der Beschwerde dazu, dass die angegriffene Baugenehmigung die Vorgaben des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 805 (V) zum Maß der baulichen Nutzung nicht einhalte, bleiben in weiten Teilen unverständlich. Insbesondere erschließt sich nicht, warum die Aussagekraft der Angaben im amtlichen Lageplan der öffentlich bestellten Vermessungsingenieure des Büros S. und N. und die Berechnung zum Maß der baulichen Nutzung, namentlich die Angaben zur Fläche des Baugrundstücks (Fläche des Flurstücks abzüglich Teilfläche zur X1. -T. -Straße und abzüglich Verkehrsfläche = 2.612 m²) und zur anzurechnenden Grundfläche (bestehend aus Grundfläche Wohnhaus 1 und Wohnhaus 2 = 976,78 m²) nachhaltig und in entscheidungsrelevanter Weise dadurch in Frage gestellt sein sollten, dass der Plan zu den "Außenanlage – städtebaulicher Bepflanzungsplan" ohne weitere Erläuterung eine Grundstücksfläche von 2.590 m² und eine Gebäudefläche von 972 m² benennt. Auch fehlt es an einer hinreichenden Darlegung des Bezugs der behaupteten Abweichungen zu den Nachbarrechten der Antragstellerin. Entsprechendes gilt für die Ausführungen zu den Berechnungen der Wohnflächen für die Erdgeschosswohnungen, bei denen die Antragstellerin im Übrigen außer Acht lässt, dass die Wohnflächenberechnungen eine anteilige Fläche für die Terrassen enthält, wohingegen die in der Flächenberechnung zum Lageplan des Büros S. und N. mit 976,79 m² angegebene Grundfläche keine Terrassenbereiche erfasst; die Grundfläche mit Balkonflächen (45 m² bzw. 66,10 m²) und Einhausung TG-Zufahrt (42,37 m²) wird in jener Berechnung mit 1.130 m² ausgerechnet.
29Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend herausgestellt hat, haben Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung unbeschadet dessen ohnehin nur in begrenzten Fällen nachbarschützende Wirkung, wenn die Gemeinde als Planungsträger der entsprechenden Festsetzung drittschützende Wirkung hat beilegen wollen. Einen solchen Willen hat das Verwaltungsgericht weder für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 805 (V) noch in Bezug auf den Bebauungsplan Nr. 249 festzustellen vermocht. Dem ist auch die Beschwerde nicht entgegengetreten. Sie macht allein einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot geltend. Dem Schluss aus den mit der Beschwerde dargestellten Flächenverhältnissen auf eine "rücksichtslose Überdimensionierung" bzw. aus der größeren Höhe und Kompaktheit des genehmigten Vorhabens im Verhältnis zu "bisherigen" Gebäuden auf eine erdrückende Wirkung, fehlt es indes an einer tragfähigen Grundlage, wie das Verwaltungsgericht bereits hinlänglich ausgeführt hat. Insbesondere ist eine erdrückende Wirkung nur anzunehmen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich "die Luft nimmt", wenn für die Nachbarn das Gefühl des "Eingemauertseins" entsteht, oder wenn die Größe des "erdrückenden Gebäudes" aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls derartig übermächtig ist, dass das "erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem herrschenden Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird. Eine solche Wirkung hat das Verwaltungsgericht mit überzeugender Begründung verneint. Bei dem auf dem Grundstück der Antragstellerin aufstehenden Hauptgebäude handele es sich um ein solches mit nicht zu vernachlässigender Baumasse. Die genehmigten Wohngebäude würden das Hauptgebäude auf dem Grundstück der Antragstellerin allenfalls in Gestalt des zusätzlich zu den zwei Vollgeschossen geplanten Staffelgeschoss überragen. Da eine gemeinsame Grenze mit dem Vorhabengrundstück überhaupt nur im hinteren Bereich des Grundstücks der Antragstellerin bestehe, verbleibe ihr eine jedenfalls von dem streitgegenständlichen Vorhaben unversperrte Blickachse nach Süden, Westen und Norden. Die versetze Lage des Vorhabengrundstücks und des Grundstücks der Antragstellerin führe zugleich zu einer erheblichen Entfernung zwischen den Hauptgebäude. Mit einem gegen das Verbot der Rücksichtnahme verstoßenden relevanten Entzug von Lichtluft und Aussicht sei dementsprechend nicht zu rechnen. Auch werde die nach alledem ohnehin nicht anzunehmende Dominanz der genehmigten Gebäude durch die Innenstadtlage relativiert. Das Vorhaben dürfte nur als eine große Anlage inmitten eines ohnehin dicht und umfänglich bebauten Gebietes wirken. Dem hat die Beschwerde nichts an Substanz entgegengesetzt.
30Zugleich liegt es auf der Hand, dass schon die vom Verwaltungsgericht herausgestellte Entfernung zwischen den Hauptgebäuden, die von der Antragstellerin befürchtete "volle Einsichtsmöglichkeit in sämtliche Räumlichkeiten" entscheidend relativiert; Entsprechendes gilt für die versetzte Lage. Im Übrigen ist die Einsichtnahme in ein fremdes Grundstück für innerstädtische Grundstücke geradezu typisch und regelmäßig hinzunehmen.
31Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Dezember 2020 - 10 A 361/20 -, juris Rn. 29 ff., und vom 16. November 2020 - 2 B 1537/20 -, juris Rn. 20, m. w. N.
32Es erscheint auch nicht wahrscheinlich, dass mit den sich eröffnenden Möglichkeiten, von Freiflächen (Terrassen/Balkonen) auf das Grundstück der Antragstellerin Einsicht nehmen zu können, hier ausnahmsweise weitergehende Unzuträglichkeiten verbunden sein könnten, welche das Maß des Zumutbaren überstiegen.
335. Schließlich zeigt die Beschwerde auch keinen Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Brandschutzes auf. Insbesondere verdeutlicht sie nicht, inwieweit aus dem Umstand, dass bei der Berücksichtigung der Gebäudemasse aus ihrer Sicht Nebengebäude nicht einbezogen worden sein sollen, relevante Brandgefahren zu ihren Lasten resultieren sollten. Es bleibt auch weiterhin unklar, weshalb das fortgeschriebene Brandschutzkonzept den Brandschutz nicht ohne Inanspruchnahme der Nachbargrundstücke gewährleisten sollte. Den brandschutztechnischen Bedenken, die der Fachbereich Feuerwehr und Zivilschutz der Antragsgegnerin im August 2018 geäußert hat und auf die sich die Beschwerde wohl auf S. 8 des Beschwerdebegründungsschriftsatzes vom 1. Februar 2021 bezieht, ist augenscheinlich im Verlaufe der weiteren Genehmigungsverfahren Rechnung getragen bzw. sind diese ausgeräumt worden. Davon zeugen nicht zuletzt auch die Stellungnahmen desselben Fachbereichs vom 25. März und 11. Mai 2020.
34Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser einen Sachantrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.
35Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
36Dieser Beschluss ist unanfechtbar(§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Sätze 1 und 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
37ROVG Dr. Merschmeier ist wegen Urlaubs gehindert, seine Unterschrift beizufügen
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