Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 B 296/21
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 9.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass zur Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses, mit dem das Verwaltungsgericht es abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin (VG Düsseldorf 2 K 6101/20) gegen die Entlassungsverfügung des Antragsgegners vom 25. September 2020 wiederherzustellen.
3Das Verwaltungsgericht hat angenommen, Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wegen Nichtbewährung in der Probezeit im gehobenen Polizeivollzugsdienst sei § 21 Nr. 1, § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG in Verbindung mit § 5 Abs. 7 Satz 2 LVOPol NRW. Formelle Mängel des angegriffenen Bescheides seien weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht bestünden keine Bedenken gegen seine Rechtmäßigkeit. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG könnten Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt hätten. Mangelnde Bewährung liege bereits dann vor, wenn begründete Zweifel daran bestünden, dass der Beamte den Anforderungen genügen werde, die an die (charakterliche) Eignung, Befähigung und fachliche Leistung eines Beamten seiner Laufbahn gestellt würden. Die Zweifel könnten sich sowohl im dienstlichen als auch im außerdienstlichen Verhalten zeigen. Sie müssten allerdings auf tatsächlichen Feststellungen und Erkenntnissen basieren und dürften sich nicht im Bereich bloßer Mutmaßungen bewegen. Die Frage, ob sich der Beamte auf Probe in diesem Sinne für das konkret angestrebte Amt bewährt habe, unterliege nur eingeschränkter gerichtlicher Überprüfung. Die Entscheidung hierüber erfordere eine Bewertung des Dienstherrn, der letztlich nur selbst entscheiden könne, welche Anforderungen auch an den Charakter eines Beamten das konkret angestrebte Amt stelle. Danach begegne die Annahme des Antragsgegners, die Antragstellerin habe sich in der Probezeit nicht bewährt, bei summarischer Prüfung keinen rechtlichen Bedenken. Der Antragsgegner sei dabei nicht von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Er stütze die Feststellung der Nichtbewährung auf den Vorwurf, die Antragstellerin habe am 6. Mai 2019 sowie drei bis vier Wochen zuvor jeweils in dem Warenhaus der Q. & D. KG in E. Ladendiebstähle begangen. Dabei sei unstreitig, dass die Antragstellerin am 6. Mai 2019 in dem genannten Bekleidungsgeschäft ein Damenstrickoberteil im Wert von 22,99 Euro sowie einen Gürtel im Wert von 49,99 Euro entwendet habe, wobei sie eine so genannte Kombizange bei sich getragen habe. Ob sie diese als Tatwerkzeug bei sich geführt oder gar zum Entfernen der Etiketten verwendet habe, könne dahinstehen, da der Antragsgegner die streitgegenständliche Entlassungsverfügung nicht maßgeblich auf diesen Umstand gestützt habe.
4Der Einwand der Antragstellerin, es handele sich bei dem Diebstahl vom 6. Mai 2019 entgegen dem Vorwurf des Antragsgegners um ein einmaliges Ereignis, verfange nicht. Es stehe nach Aktenlage zur Überzeugung der Kammer nach summarischer Prüfung fest, dass die Antragstellerin bereits zuvor einen Ladendiebstahl in dem Warenhaus der Q. & D. KG in E. begangen hat. Der Antragsgegner habe insoweit in der streitgegenständlichen Entlassungsverfügung angeführt, dass sie dort bereits drei bis vier Wochen vor ihrer Tat vom 6. Mai 2019 Damenunterwäsche im Wert von 29,99 Euro, ein Damen-T-Shirt der Marke Only im Wert von 29,99 Euro und eine Herrenjacke der Marke Carhart (richtig wohl: Carhartt) im Wert von 139,99 Euro entwendet habe. Diesem Vorwurf lägen hinreichend belastbare Beweise zugrunde. Er werde gestützt durch den Inhalt der beigezogenen Strafakte der Staatsanwaltschaft E. 51 Js 1362/19. Nach den dortigen - insoweit unstreitigen - Feststellungen habe die Antragstellerin bei der Tat vom 6. Mai 2019 die oben genannte Herrenjacke der Marke Carhart (Carhartt) getragen, welche sie dem Ladendetektiv ausgehändigt habe. Nach dem weiteren - insoweit bestrittenen - Vortrag des Ladendetektivs habe die Antragstellerin ihm gegenüber eingeräumt, die Jacke sowie zwei weitere Damenoberbekleidungsgegenstände vor einem längeren Zeitraum ebenfalls entwendet zu haben. Ein Abgleich der Jacke mit den Bestandsdaten habe ergeben, dass diese im Warenbestand fehle. Sie habe zudem erklärt, die zwei weiteren Kleidungsstücke am folgenden Werktag auszuhändigen. Mit ergänzendem Strafantrag vom 9. Mai 2019 habe die Q. & D. KG sodann mitgeteilt, dass die Antragstellerin - wie angekündigt - die beiden Kleidungsstücke, namentlich Damenunterwäsche der Marke Calvin Klein und ein Damen-T-Shirt der Marke Only, jeweils im Wert von 29,99 Euro, am Folgetag ausgehändigt habe. Eine Überprüfung durch die jeweiligen Abteilungsleiter habe ergeben, dass ebendiese Kleidungsstücke im Warenbestand gefehlt hätten. In Anbetracht dieser dezidierten und belegbaren Ausführungen sei es, so das Verwaltungsgericht, nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die nicht näher substantiierte oder gar glaubhaft gemachte Angabe der Antragstellerin, sie habe die besagte Jacke gemeinsam mit einer Bekannten in einem anderen Geschäft in L. gekauft, als Schutzbehauptung bewertet habe. Hierzu füge sich, dass sich die Antragstellerin zu dem weiteren Diebstahlsvorwurf hinsichtlich der Damenunterwäsche der Marke Calvin Klein und des Damen-T-Shirts der Marke Only gar nicht erst eingelassen oder gar bestritten habe, diese am Folgetag in das Ladenlokal zurückgebracht zu haben. Indes erscheine es fernliegend, dass von Seiten der Q. & D. KG wahrheitswidrig behauptet worden sein sollte, dass die Antragstellerin am 7. Mai 2019 dort erneut vorstellig gewesen sei und diese Kleidungsstücke abgegeben habe. Die Behauptung der Antragstellerin, der Ladendetektiv habe das unbedingte Bestreben gehabt, eine ganze Reihe von Ladendiebstählen aufzudecken, wirke demgegenüber aus der Luft gegriffen. Schließlich sei auch die Schlussfolgerung, dass die im Warenbestand der Q. & D. KG fehlenden und im Besitz der Antragstellerin gewesenen Kleidungsstücke von ihr gestohlen worden seien, angesichts einer fehlenden Erklärung der Antragstellerin, wie diese sonst in ihren Besitz gelangt sein sollten, einzig folgerichtig.
5Mit der Rüge, der Antragsgegner habe die Entlassungsverfügung vom 25. September 2020 zudem auf den unzutreffenden Vorwurf eines weiteren Ladendiebstahls zum Nachteil des Unternehmens I. &N. gestützt, zeige die Antragstellerin ebenfalls keinen rechtserheblichen Sachverhaltsfehler auf. Diesen Vorwurf habe der Antragsgegner offenkundig nicht zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Insoweit habe dieser im gerichtlichen Verfahren ausgeführt, dass die Abfassung der Verfügung vertretungsweise erfolgt und der Kollege mit dem Vorgang nicht näher vertraut gewesen sei. Die eigentliche Entscheidung sei jedoch - da die Antragstellerin im Anhörungsverfahren nachgewiesen habe, die beiden Kleidungsstücke käuflich erworben zu haben - ohne Einbeziehung dieses Vorwurfs getroffen worden. Dieses Vorbringen werde gestützt durch das im Verwaltungsvorgang dokumentierte Entlassungsverfahren. Während der Vorwurf des Diebstahls zum Nachteil des Unternehmens I. &N. noch in der Anhörungsschrift vom 22. Juni 2020 explizit aufgeführt gewesen sei, habe der Antragsgegner - nachdem die Antragstellerin die jeweiligen Kaufbelege vorgelegt habe - davon ersichtlich Abstand genommen, indem er in den jeweiligen Vorlagen für die Gleichstellungsbeauftragte und den Personalrat ausschließlich auf die Ladendiebstähle zum Nachteil des Warenhauses der Q. & D. KG abgehoben habe.
6Es sei ferner rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner aufgrund dieser Sachlage zu der Bewertung gelangt sei, die Antragstellerin habe sich wegen charakterlicher Eignungsmängel nicht bewährt. Den insoweit an eine Polizeivollzugsbeamtin zu stellenden Anforderungen werde die Antragstellerin nicht gerecht, da sie mit der Begehung der Ladendiebstähle ein unüberlegtes und unzuverlässiges Verhalten gezeigt habe. Anhaltspunkte für ein einmaliges persönlichkeitsfremdes Fehlverhalten seien angesichts der mehrfachen Begehung nicht ersichtlich. Insbesondere rechtfertige auch der Vortrag der Antragstellerin, sie habe sich aufgrund der Trennung von ihrem ehemaligen Lebenspartner in einer Ausnahmesituation befunden, keine andere Bewertung. Gleiches gelte, soweit sie sich auf die Trennung ihrer Eltern in ihrer Kindheit berufe. Zu den elementaren und im Interesse der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes unabdingbaren Verhaltensgeboten gehöre die Pflicht des Beamten, das Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes so auszurichten, dass es der Achtung und dem Vertrauen gerecht werde, die der Beruf erfordere. Hierzu gehöre insbesondere die Pflicht, sich gesetzestreu zu verhalten. Das Verhalten der Antragstellerin zeuge davon, dass sie diese grundlegenden beamtenrechtlichen Pflichten nicht verinnerlicht zu haben scheine, und sei geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für ihr Amt oder für das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Die Einschätzung des Antragsgegners, die Antragstellerin habe sich als charakterlich ungeeignet für den Polizeivollzugsdienst erwiesen, da sie keine Gewähr dafür biete, ihre Grund- und Verhaltenspflichten als Beamtin im Allgemeinen und als Polizeivollzugsbeamtin im Speziellen nachzukommen, sei in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Zu diesen Pflichten gehöre u.a., dass sich Beamte mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen hätten (§ 34 Satz 1 BeamtStG). Ferner müsse ihr Verhalten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordere (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Dem sei die Antragstellerin mit ihrem aufgezeigten Verhalten nicht gerecht geworden. Die wiederholte Begehung von Ladendiebstählen rechtfertige die Prognose des Antragsgegners, sie werde den Anforderungen der von ihr als Beamtin im gehobenen Polizeivollzugsdienst wahrzunehmenden Ämter nicht gerecht werden. Dies gelte auch, soweit sich die Antragstellerin darauf berufe, dass sie zum Zeitpunkt der Tat in einem emotionalen Ausnahmezustand gewesen sei, weil sich im November 2018 ihr damaliger Lebenspartner von ihr getrennt habe. Der Antragsgegner überspanne die Anforderungen an die charakterliche Eignung nicht, wenn er auch in der Situation einer Trennung von einem Lebenspartner, sei diese auch emotional belastend, von seinen Polizeivollzugsbeamten die nötige Charakterfestigkeit und Besonnenheit gegenüber der Begehung von Straftaten erwarte.
7Lägen nach alledem die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG vor, sei die Antragstellerin zu entlassen gewesen. Der Umstand, dass seit der Begehung der letzten Tat bis zum Erlass der Entlassungsverfügung über ein Jahr verstrichen sei, ändere daran ebenso wenig, wie der Vortrag, sie habe ihren Dienst stets tadellos verrichtet. Ein Ermessen sei dem Dienstherrn nicht eröffnet gewesen. Vielmehr sei er verpflichtet, eine Beamtin auf Probe zu entlassen, wenn er zu der Überzeugung gelange, dass die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorlägen.
8Das hiergegen gerichtete Beschwerdevorbringen greift nicht durch.
9Die Antragstellerin stellt erfolglos in Abrede, dass sie mehrfach Ladendiebstähle begangen hat. Nach den oben wiedergegebenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts, denen die Beschwerde nichts von Substanz entgegensetzt, ist der Vortrag bereits sachlich unzutreffend, der Vorwurf von weiteren Diebstählen gründe ausschließlich auf Angaben bzw. Vermutungen des damals tätigen Ladendetektivs. Die Beschwerde bleibt jede Erklärung dafür schuldig, warum die Antragstellerin selbst angegeben hat, bereits vor dem 6. Mai 2019 weitere Bekleidungsgegenstände entwendet zu haben, und vor allem, warum sie diese darüber hinaus am 7. Mai 2019 dem Unternehmen Q. & D. KG zurückgebracht hat, wenn sie diese Diebstähle nicht tatsächlich begangen hat. Hinzu tritt, dass ein Abgleich mit den Bestandsdaten ergeben hat, dass eben diese Gegenstände im Warenbestand des Unternehmens fehlten.
10Unrichtig ist nach dem Vorstehenden ferner der Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe ungeprüft die Unterstellung des Antragsgegners übernommen, dass die Antragstellerin sowohl vorher als auch nachher weitere Taten begangen habe. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht - wie dargestellt - diese Annahmen eingehend überprüft und gewürdigt. Dazu, warum die näher begründete Annahme des Verwaltungsgerichts unzutreffend sein soll, es sei unschädlich, dass in der Entlassungsverfügung Diebstahlsvorwürfe erwähnt sind, die sich - wovon auch der Antragsgegner ausgeht - als tatsächlich unbegründet erwiesen haben, legt die Beschwerde nichts dar und verfehlt damit die Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO.
11Ferner greift die Beschwerde die Bewertung des Antragsgegners, aufgrund der Vorkommnisse erweise sich die Antragstellerin als charakterlich ungeeignet für den Polizeivollzugsdienst, vergeblich mit dem Vorbringen an, es habe sich bei dem Verhalten der Antragstellerin um eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat gehandelt. Auch hierzu belässt es die Beschwerde bei der entsprechenden Behauptung und genügt damit bereits nicht den Darlegungsanforderungen. Abgesehen davon erscheint die entsprechende Behauptung bei - wie hier - Begehung mehrerer Ladendiebstähle von vornherein fernliegend.
12Schließlich wird mit der Beschwerde erfolglos geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe die besondere Belastungssituation der Antragstellerin, die diese dargestellt habe, nicht berücksichtigt. Auch insoweit bleiben schon eine nähere Darlegung und insbesondere die gebotene Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen oben wiedergegebenen - und überzeugenden - Ausführungen des Verwaltungsgerichts aus.
13Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Sätze 2 und 3 GKG.
14Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 152 1x
- VwGO § 146 2x
- BeamtStG § 23 Entlassung durch Verwaltungsakt 3x
- 2 K 6101/20 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- BeamtStG § 34 Wahrnehmung der Aufgaben, Verhalten 2x
- 51 Js 1362/19 1x (nicht zugeordnet)