Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 13 D 170/20.EK
Tenor
Dem Kläger wird zur Wahrnehmung seiner Rechte für das erstinstanzliche Verfahren ein Rechtsanwalt beigeordnet.
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G r ü n d e :
2Der sinngemäße Antrag des Klägers,
3ihm einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte vor dem Oberverwaltungsgericht beizuordnen,
4hat Erfolg.
5Gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 78b Abs. 1 ZPO hat das Prozessgericht – insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist – einem Beteiligten auf seinen Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, wenn er einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.
6Eine Vertretung des Klägers durch einen Rechtsanwalt ist im vorliegenden Klageverfahren auf Entschädigung wegen unangemessener Verfahrensdauer geboten. Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten nach § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dass er mittellos sei und damit einen (vorrangigen) Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellen wollte, macht der Kläger nicht geltend.
7Auch hat der Kläger einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht gefunden. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn der Beteiligte ihm zumutbare Anstrengungen zur Beauftragung eines Rechtsanwalts ergriffen hat, die nicht etwa wegen der Nichtzahlung eines Gebührenvorschusses oder wegen einer unzulässigen Vorbedingung des Beteiligten, sondern aus von ihm nicht zu verantwortenden Gründen erfolglos geblieben sind. Seine diesbezüglichen Bemühungen hat er innerhalb der Einlegungsfrist substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen.
8Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. März 2017 - 2 B 4.17 -, juris, Rn. 9, und vom 28. Juli 1999 ‑ 9 B 333/99 ‑, juris, Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 30. April 2020 - 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 60; Althammer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 78b ZPO, Rn. 4.
9Dem hat der Kläger Genüge getan. Er hat Ausdrucke einer Vielzahl von E-Mails vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass er zahlreiche Rechtsanwälte in verschiedenen deutschen Städten angeschrieben und entweder keine Antwort oder Absagen erhalten hat. Allein in Münster erklärten sich mindestens sieben Rechtsanwälte nicht bereit, die Vertretung des Klägers für das vorliegende Verfahren zu übernehmen.
10Schließlich erscheint die Rechtsverfolgung des Klägers nicht mutwillig oder aussichtslos. Letzteres ist dann anzunehmen, wenn ein der Partei günstigeres Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung nicht erreicht werden kann. Jedoch ist hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. v. § 114 Satz 1 ZPO nicht erforderlich, das Fehlen offenbarer Aussichtslosigkeit genügt.
11Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. März 2017 - 2 B 4.17 -, juris, Rn. 11; BGH, Beschluss vom 29. September 2011 ‑ V ZA 14/11 ‑, juris, Rn. 4; Althammer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 78b ZPO, Rn. 5.
12Diesen Anforderungen genügt das Rechtsschutzbegehren des Klägers auf Entschädigung wegen unangemessener Verfahrensdauer. Der Kläger hat nach den Vorgaben des § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG, welcher gemäß § 173 Satz 2 VwGO ebenso wie die weiteren Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes im Verwaltungsprozess entsprechend anzuwenden ist, bei dem Verwaltungsgericht Köln am 26. Februar 2020 die Dauer des Verfahrens gerügt. Die vorliegende Entschädigungsklage hat er am 7. September 2020 und damit nach Ablauf von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben, § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG. Auch hat er seinen Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts rechtzeitig,
13vgl. Althammer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 78b ZPO, Rn. 6,
14d. h. innerhalb der auch aktuell noch nicht abgelaufenen sechsmonatigen Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG gestellt. Eine Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung in der Sache drängt sich schließlich angesichts der knapp zweijährigen Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens jedenfalls nicht ohne Weiteres auf. Ob die unabhängig von schematischen zeitlichen Vorgaben, insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls vorliegend ergibt, dass die Verfahrensdauer unangemessen war und hieraus eine Entschädigungspflicht folgt, wird im Klageverfahren zu klären sein.
15Die Auswahl des konkret beizuordnenden Rechtsanwalts bleibt dem Vorsitzenden des Senats vorbehalten, § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 78c Abs. 1 ZPO.
16Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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Referenzen
- 9 B 333/99 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 78c Auswahl des Rechtsanwalts 1x
- 13 B 539/20 1x (nicht zugeordnet)
- GVG § 198 1x
- ZPO § 114 Voraussetzungen 1x
- V ZA 14/11 1x (nicht zugeordnet)