Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 A 3485/19
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf die Wertstufe bis 50.000 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die Klägerin stützt ihn auf den Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, der nicht gegeben ist.
3Das Antragsvorbringen weckt keine ernstlichen Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
4Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden und, sofern dies der Fall ist, das Urteil im Ergebnis nicht aus anderen Gründen offensichtlich richtig ist.
5Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 2020 - 2
6BvR 2426/17 -, NVwZ 2021, 325 ff. = juris Rn. 34 m. w. N.
7Innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ist in substantiierter Weise darzulegen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Entscheidungsergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. Dazu muss sich der Rechtsmittelführer mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts in einer Weise auseinander setzen, die es dem Rechtsmittelgericht ermöglicht, zu beurteilen, ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen.
8Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht.
91. Die Klägerin macht – ohne hierfür schlüssige Argumente anzuführen – geltend, entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts sei sie zum Zeitpunkt der Zurruhesetzungsverfügung nicht dauernd dienstunfähig gewesen.
10Das Gericht ist von einer „vermuteten“ Dienstunfähigkeit nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG ausgegangen. Es hat hierzu festgestellt, die Klägerin habe krankheitsbedingt seit dem 28. Februar 2017 – und damit innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate – keinen Dienst mehr gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i. V. m. § 33 Abs. 1 Satz 3 LBG NRW verrichtet und es habe ausgehend von dem amtsärztlichen Gutachten keine Aussicht auf Wiederherstellung der Dienstfähigkeit innerhalb von sechs Monaten bestanden.
11Gegen diese Annahme ist zunächst mit Blick auf den von der Klägerin geltend gemachten Umstand, der sie behandelnde Arzt Dr. med. T. habe ihr nur bis zum 9. Februar 2018 eine nach § 62 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW i. V. m. Art. 1 Ziffer 1.2 der Verwaltungsvorschrift zu § 62 LBG NRW erforderliche (privat-) ärztliche Arbeits- bzw. Dienstunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt, nichts einzuwenden. Denn der behandelnde Arzt hat in der Bescheinigung vom 8. Januar 2018 gerade keine Aussage zur Dienstunfähigkeit im Sinne des § 26 Abs. 1 BeamtStG getroffen.
12Ebenso verfängt der Einwand der Klägerin nicht, die Amtsärztin habe in ihrem Gutachten vom 14. Dezember 2017 die dauernde Dienstunfähigkeit im Widerspruch zu allen Einschätzungen der behandelnden Ärzte festgestellt, die – wie die Amtsärztin selbst – festgestellt hätten, es liege keine einzelne Erkrankung vor, die der dauernden Dienstverrichtung durch die Klägerin entgegenstünde. Das Verwaltungsgericht hat diesen „Widerspruch“ in seinem Urteil aufgegriffen und dazu nachvollziehbar ausgeführt, die Dienstunfähigkeit könne sich aus dem Zusammenspiel einzelner Erkrankungen ergeben, welche jeweils für sich betrachtet keine Dienstunfähigkeit begründeten. Die fachärztlichen Stellungnahmen des Herrn Dr. med. H. und des Herrn Dr. med. T1. vom 23. November 2017 seien lediglich in Bezug auf das jeweilige Fachgebiet abgegeben worden. Sie enthielten – ebenso wie die privat eingeholten fachärztlichen Atteste und Berichte – keine Schlussfolgerungen im Hinblick auf anderen Fachgebieten zugehörige Erkrankungen sowie das Zusammenspiel sämtlicher psychiatrischer und somatischer Erkrankungen. Mit dieser Annahme setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander.
13Mit dem Zulassungsvorbringen wird weiterhin nicht in substantiierter Weise aufgezeigt, inwiefern die von der Amtsärztin in der mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2019 getroffene Feststellung zur Schmerzstörung der Klägerin durchgreifende Zweifel bezüglich der Annahme des Verwaltungsgerichts zur „vermuteten“ Dienstunfähigkeit der Klägerin begründet. Es trifft zwar zu, dass die Amtsärztin auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung abweichend von der bisherigen Einschätzung im schriftlichen amtsärztlichen Gutachten angegeben hat, sie relativiere ihre in Bezug auf die Schmerzstörung im Gutachten vom 14. Dezember 2017 enthaltene Bewertung und gehe nunmehr davon aus, bei isolierter Berücksichtigung der Schmerzstörung zum Zeitpunkt der Begutachtung sei „sicherlich nicht“ von der Wiedererlangung der vollen Dienstfähigkeit binnen sechs Monaten auszugehen gewesen. Indes ergeben sich allein hieraus keine unauflösbaren Widersprüche des amtsärztlichen Gutachtens, die dazu führten, dass es für die Entscheidungsfindung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend war.
14Vgl. zu den Anforderungen an ein amtsärztliches Gutachten im Rahmen eines Verfahrens zur Feststellung der Dienstunfähigkeit BVerwG, Beschluss vom 14. April 2011 - 2 B 80.10 -, juris Rn. 7; OVG NRW, Urteil vom 4. November 2015 - 6 A 1364/14 -, juris Rn 47.
15Denn zum einen wirken sich die unterschiedlichen Angaben nicht auf das von der Amtsärztin gefundene Ergebnis aus. Zum anderen hat sie für die veränderte Einschätzung in Bezug auf die in der mündlichen Verhandlung (erstmals) in den Fokus gestellte Schmerzstörung zum Begutachtungszeitpunkt eine nachvollziehbare Begründung abgegeben, der das Verwaltungsgericht gefolgt ist und mit der sich das Zulassungsvorbringen im Weiteren auch nicht auseinandersetzt. Dass sie nicht – ungefragt – näher erläutert hat, wie es zu dieser abweichenden Auffassung gekommen ist, führt zu keiner anderen Bewertung.
16Sonstige Gesichtspunkte, aufgrund derer die von der Amtsärztin vorgenommene veränderte Einschätzung zur Fehlerhaftigkeit der Annahme der „vermuteten“ Dienstunfähigkeit durch das Verwaltungsgericht führen würde, sind dem Zulassungsvorbringen nicht zu entnehmen.
172. Ohne Erfolg bleibt auch die weitere mit dem Zulassungsantrag erhobene Rüge, das Verwaltungsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass zum Zeitpunkt der Zurruhesetzungsverfügung das amtsärztliche Gutachten bereits fünf Monate alt gewesen sei und sich in diesem Zeitraum eine weitere Verbesserung und Stabilisierung des Gesundheitszustandes der Klägerin ergeben habe. Für die Tatsache der Verbesserung ihres Gesundheitszustandes in dem Zeitraum zwischen Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens am 14. Dezember 2017 und Bescheiderlass am 2. Mai 2018 verweist die Klägerin auf bereits in der ersten Instanz eingereichte fachärztliche Atteste und medizinische Befundberichte. Den Stellungnahmen des Dipl.-Psych. H1. vom 20. August 2018, des Dr. med. N. vom 27. August 2018, des Prof. Dr. I. vom 23. August 2018 und vom 21. November 2017, der Dres. med. O. und C. vom 30. August 2018 und vom 21. November 2017, des Dr. med. Schikowski vom 5. September 2018 und des Dr. med. T. vom 6. September 2018 lässt sich indes die geltend gemachte Verbesserung nicht entnehmen.
18Die vorbezeichneten fachärztlichen Stellungnahmen bzw. (ärztlichen) Berichte lassen schon keine Verbesserung des Gesundheitszustandes konkret bezogen auf den relevanten Zeitraum zwischen dem 14. Dezember 2017 und dem 2. Mai 2018 erkennen und / oder beziehen sich – worauf auch das Verwaltungsgerichts zutreffend hingewiesen hat – zumindest hinsichtlich der abschließenden Feststellung zur Dienst(un)fähigkeit lediglich auf die jeweiligen Fachgebiete und enthalten keine Bewertung des gesundheitlichen Zustandes der Klägerin in der Gesamtschau unter Einbeziehung aller Diagnosen und des bisherigen Krankheitsverlaufs, die für die Beklagte bzw. das Verwaltungsgericht hier letztlich entscheidungserheblich war.
193. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ergeben sich schließlich nicht in Bezug auf die von dem Dienstherrn und dem Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneinte Suchpflicht gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG, in der hier einschlägigen bis zum 6. Dezember 2018 geltenden Fassung.
20Danach soll von der Versetzung in den Ruhestand abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Das ist gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG der Fall, wenn dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Die Verpflichtung zur Suche nach einer anderweitigen Verwendung des dienstunfähigen Beamten entfällt hingegen dann, wenn ihr Zweck von vornherein nicht erreicht werden kann. Das kann dann der Fall sein, wenn der Beamte auf absehbare Zeit oder auf Dauer keinerlei Dienst leisten kann, mithin generell dienstunfähig ist. Eine solche generelle Dienstunfähigkeit ist anzunehmen, wenn die Erkrankung des Beamten von solcher Art oder Schwere ist, dass dieser für sämtliche Dienstposten im gesamten Bereich des Dienstherrn der betreffenden oder einer anderen Laufbahn, in die der Beamte wechseln könnte, ersichtlich gesundheitlich ungeeignet ist oder wenn bei dem Beamten keinerlei Restleistungsvermögen mehr festzustellen ist.
21Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. April 2020 - 2 B 5.19 -, NVwZ-RR 2020, 933 = juris Rn. 43, und vom 16. November 2017 - 2 A 5.16 -, Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr 12 = juris Rn. 34.
22Ausgehend hiervon hat das Verwaltungsgericht unter Heranziehung des amtsärztlichen Gutachtens vom 14. Dezember 2017 festgestellt, zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt habe eine generelle Dienstunfähigkeit bestanden, weil nach Aussage der Amtsärztin kein Restleistungsvermögen mehr bestanden habe.
23Die hiergegen von der Klägerin erhobenen Einwände, das Gutachten sei selbst nicht widerspruchsfrei, zum Zeitpunkt des Erlasses des Zurruhesetzungsbescheides bereits fünf Monate alt gewesen und sie habe seitdem eine deutliche Verbesserung und Stabilisierung ihres Gesundheitszustandes erzielen können, greifen jedoch aus den zuvor genannten Gründen nicht durch.
24II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 GKG.
25Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zu-lassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 124 2x
- 6 A 1364/14 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 152 1x
- VwGO § 124a 1x
- BeamtStG § 26 Dienstunfähigkeit 3x
- LBG § 33 1x
- LBG § 62 2x