Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 158/20
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 6.720,- Euro festgesetzt.
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G r ü n d e:
2Der auf den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag hat keinen Erfolg.
3Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulas-sen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Dabei bedeutet „darlegen“ i. S. v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil fallbezogen zu erläutern, weshalb die Voraussetzungen des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrundes im Streitfall vorliegen sollen. Das Oberverwaltungsgericht soll allein aufgrund der Zulassungsbegründung die Zulassungsfrage beurteilen können, also keine weiteren aufwändigen Ermittlungen anstellen müssen.
4Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Oktober 2013– 1 A 106/12 –, juris, Rn. 2 m. w. N.
5Hiervon ausgehend rechtfertigt das fristgerechte Zulassungsvorbringen des Klägers die begehrte Zulassung der Berufung nicht.
6Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner klageabweisenden Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe bereits dem Grunde nach keinen Anspruch auf Bewilligung der Trennungsentschädigung in Form einer Wegstreckenentschädigung nach § 6 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 der Verordnung über die Gewährung von Trennungsentschädigung (Trennungsentschädigungsverordnung – TEVO NRW). Dem Anspruch stehe schon § 2 Abs. 1 Satz 1 TEVO NRW entgegen, weil der Kläger unabhängig von der Frage eines Wohnungsmangels jedenfalls nicht uneingeschränkt umzugswillig gewesen sei, wie er mit seiner Argumentation im Widerspruchs- und Klageverfahren zum Ausdruck gebracht habe. Einer der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 TEVO NRW geregelten Ausnahmetatbestände greife offenkundig nicht ein. Auf die Rechtmäßigkeit der Zusage einer – hier tatsächlich erteilten – Umzugskostenvergütung komme es im Zuge der Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 TEVO NRW grundsätzlich nicht an. Auch habe der Kläger nicht ausnahmsweise einen Anspruch auf Trennungsentschädigung, weil ihm ein Umzug nach Treu und Glauben nicht (mehr) zugemutet werden könne. Vorliegend sei im Zeitpunkt der Zusage der Umzugskostenvergütung prognostisch nicht mit einer baldigen Versetzung an einen anderen Dienstort zu rechnen gewesen. Gegenteiliges habe sich auch nicht aus dem Schreiben des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen (LAFP NRW) vom 10. Oktober 2016 ergeben. Eine Abkürzung des darin anvisierten Versetzungszeitraums sei damals weder absehbar noch seien besondere Gründe dienstlicher, fiskalischer oder persönlicher Art ersichtlich gewesen, wegen derer der Umzug nicht habe durchgeführt werden können. Insbesondere habe der Beklagte berechnet, dass ein Umzug günstiger als die Wegstreckenentschädigung sei. Im Hinblick auf die familiären Verhältnisse habe der Kläger nicht aufgezeigt, dass in der Person einzelner oder aller Familienmitglieder rechtlich erhebliche besondere Umstände im Sinne der § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 TEVO vorgelegen hätten.
7Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
8Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind begründet, wenn zu-mindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
9Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. August 2018– 1 A 249/16 –, juris, Rn. 2, vom 9. Juli 2018 – 1 A 2592/17 –, juris, Rn. 2, vom 5. Januar 2017 – 1 A 2257/15 –, juris, Rn. 9 f., und vom 29. Januar 2016– 1 A 1862/14 –, juris, Rn. 3 f., jeweils m. w. N.
10Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht unrichtig ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden An-nahmen des Verwaltungsgerichts auseinander setzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernstlichen Zweifeln begegnen. Er muss insbesondere die konkreten Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art benennen, die er mit seiner Rüge angreifen will. Diesen Darlegungsanforderungen wird nicht genügt, wenn sich sein Vorbringen in einer Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags erschöpft, ohne im Einzelnen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung einzugehen.
11Vgl. Seibert, in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a, Rn. 206 m. w. N.
12Soweit das Zulassungsvorbringen des Klägers den Anforderungen an die Darlegung genügt, greift es in der Sache nicht durch. Die vorstehenden Maßgaben zugrunde gelegt, rechtfertigt es nicht die Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils.
13Dies gilt insbesondere für den Einwand des Klägers, es habe nach der Bestätigung des LAFP NRW vom 10. Oktober 2016 festgestanden, dass er in seiner Erstfunktion im höheren Dienst maximal drei Jahre verbleibe und danach eine Versetzung in eine andere Behörde geplant sei.
14Der Kläger setzt sich in diesem Zusammenhang bereits nicht mit der Begründung des Verwaltungsgerichts auseinander, dass er nicht uneingeschränkt umzugswillig gewesen sei und es daher an einer für den Anspruch auf Trennungsentschädigung notwendigen Tatbestandsvoraussetzung fehle, ohne dass es auf die Rechtmäßigkeit der tatsächlich erteilten Umzugskostenvergütung ankomme. Das Verwaltungsgericht hat im Weiteren bereits zutreffend aufgezeigt, dass dem Kläger unter diesen Voraussetzungen ein Anspruch auf Trennungsentschädigung nur ausnahmsweise aus Treu und Glauben zustehen kann.
15Grundsätzlich gebieten weder die Fürsorgepflicht des Dienstherrn noch die Grundsätze von Treu und Glauben, Trennungsentschädigung auch dann zu gewähren, wenn sich der Beamte unabhängig davon, ob Wohnungsmangel besteht oder nicht, aus triftigen Gründen anderer Art endgültig entschließt, nicht an den neuen Dienstort umzuziehen. Als Grundlage für die Gewährung von Trennungsentschädigung genügt also nicht eine durch andere Umstände als Wohnungsmangel bewirkte Zwangslage, selbst wenn diese Umstände dem Beamten nicht vorwerfbar sind und seinen Entschluss, nicht umzuziehen, verständlich erscheinen lassen. Andere triftige oder sogar zwingende Gründe, gegen die Durchführung des Umzugs mögen zwar dem Dienstherrn – im Hinblick auf seine Fürsorgepflicht – Anlass zu der Prüfung geben, ob er die Versetzung rückgängig zu machen oder eine Weiterversetzung anzuordnen hat; sie können aber nicht die Forderung nach Gewährung oder Weitergewährung der Trennungsentschädigung begründen.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Oktober 1968 – II C 82.67 –, Wolters-Kluwer, Rn. 17; siehe auch unter Bezugnahme hierauf BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 1989 – 6 B 54.88 –, juris, Rn. 5.
17Es kann allerdings besondere Fälle geben, in denen der Dienstherr trotz des endgültigen Entschlusses des Beamten, nicht an den neuen Dienstort umzuziehen, durch Versagung der Trennungsentschädigung rechtsmissbräuchlich handeln würde. Zu denken ist beispielsweise an den Fall, dass der Dienstherr dem Beamten bei der Versetzung eröffnete, die Versetzung erfolge in der Absicht alsbaldiger Rückversetzung, so dass sich ein Umzug erübrige, und dass der versetzte Beamte hierdurch davon abgehalten wurde, seine Versetzung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs anzufechten, einen Umzug aber entsprechend der ihm abgegebenen Erklärung des Dienstherrn nicht beabsichtigt.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Oktober 1968 – II C 82.67 –, Wolters-Kluwer, Rn. 19; siehe auch unter Bezugnahme hierauf BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 1989 – 6 B 54.88 –, juris, Rn. 5.
19Unter solchen Voraussetzungen kann im Einzelfall ausnahmsweise doch anzunehmen sein, dass der Dienstherr durch die Versagung von Trennungsentschädigung gegen Treu und Glauben verstößt und damit rechtsmissbräuchlich handelt. Doch erlaubt die die streitbefangene Sachlage – gemessen an den vorgenannten Maßstäben – keine solche Annahme.
20Soweit der Kläger zur Begründung vorbringt, dass die Umzugskostenvergütung in seinem Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoße, weil seine Versetzung innerhalb von drei Jahren vorgesehen gewesen und dieser Zeitraum unter Berücksichtigung von Ziff. 3.1.3 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesumzugskostengesetz als "baldig" anzusehen sei, ist dies nicht zutreffend.
21Das von dem Zulassungsvorbringen in Bezug genommene Schreiben des LAFP NRW vom 10. Oktober 2016 enthält bereits keine hinreichend belastbare Festlegung einer maximal dreijährigen Verwendung beim Polizeipräsidium Essen, wie der Kläger meint. Der Wortlaut des Schreibens, dem folgend "nach der derzeitigen Personalplanung Ihr Verbleib [Anm.: des Klägers] in der Erstfunktion im höheren Dienst drei Jahre beträgt" ist dahin auszulegen, dass der Einsatz ausgehend von dem damaligen Betrachtungszeitpunkt auf mindestens drei Jahre angelegt war. Dass die angegebene Dauer der Verwendung nicht als Maximalfrist, sondern als minimale Standzeit zu verstehen ist, bestätigt der zweite und zugleich letzte Satz des Schreibens, dass "erst danach […] eine Versetzung in eine weitere Behörde geplant" sei. Sinn und Zweck dieser Erklärung sollte es ersichtlich sein, dem Kläger eine hinreichende Sicherheit zu geben, nicht innerhalb kurzer Zeit eine weitere Versetzung an einen anderen Dienstort befürchten zu müssen. In diesem Zusammenhang hat auch der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die Versetzung gemäß § 25 Abs. 1 LBG NRW die auf Dauer angelegte Übertragung eines anderen Amtes bei einer anderen Dienststelle bei demselben oder einem anderen Dienstherrn ist. Fehlt es – wie hier – an konkreten Anhaltspunkten für eine baldige (erneute) Versetzung, kann eine Ausnahme nach den vorstehend zitierten Grundsätzen aus Treu und Glauben nicht angenommen werden.
22Auch soweit das weitere Zulassungsvorbringen unter Bezugnahme auf den Wortlaut in Ziff. 3.1.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift annimmt, dass bereits ein gewisser Prognosespielraum ausreichend sei und es keiner definitiven Zusage bedürfe, rechtfertigt dies keine Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung. Diese Ausführungen ziehen die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zum konkreten Einzelfall nicht in Zweifel. Legt man auch das Schreiben des LAFP NRW vom 10. Oktober 2016 mit den vorstehend zitierten Aussagen zugrunde, ist vorliegend jedenfalls nicht "von vornherein mit einer weiteren Versetzung innerhalb von drei Jahren zu rechnen". Die Aussage "erst danach" macht deutlich, dass dem Kläger ausgehend von den damaligen Planungen prognostisch diese Mindeststandzeit in der Erstfunktion beim Polizeipräsidium Essen in Aussicht gestellt wurde.
23Schließlich legt der Kläger eine Ausnahme im vorgenannten Sinne auch nicht mit seinen weiteren Einwänden dar, wonach die erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgestellte Vergleichsberechnung die Berücksichtigung des Umstands vermissen lasse, dass er verheiratet sei und drei Kinder habe, und dass der Berechnung im Übrigen ein falscher fiktiver Zeitraum für den Erhalt der Trennungsentschädigung zugrunde liege. Bereits das Verwaltungsgericht hat ausgehend von dem erstinstanzlichen Vortrag des Klägers festgestellt, dass das klägerische Vorbringen keine rechtlich erheblichen besonderen Umstände im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 6 TEVO aufgezeigt habe, die einem Umzug entgegenstehen würden. Das Zulassungsvorbringen zieht diese Erwägungen jedenfalls nicht durchgreifend in Zweifel.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
25Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 3 GKG.
26Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach den §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unan-fechtbar. Das angefochtene Urteil ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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- §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124 4x
- VwGO § 124a 3x
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