Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 A 2266/20
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf die Wertstufe bis 25.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
1Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg; Zulassungsgründe im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO sind nicht dargelegt oder nicht gegeben.
2I. Das Antragsvorbringen weckt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Hinsichtlich dieses Zulassungsgrundes bedarf es einer auf schlüssige Gegenargumente gestützten Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Dabei ist innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO in substantiierter Weise darzulegen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Entscheidungsergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn das Gericht schon auf Grund des Antragsvorbringens in die Lage versetzt wird zu beurteilen, ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen. Diesen Anforderungen genügt die Antragsschrift nicht.
3Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, es könne nicht angenommen werden, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt gewesen sei, der - wie § 114 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW erfordert - einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten (wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird) vorgesehen habe. Die genannten Voraussetzungen seien nach den Angaben des Klägers selbst, denen des Zeugen B. T. und den vom beklagten Land vorgelegten Unterlagen nicht erfüllt gewesen.
4Dass nach dem Vortrag des Klägers der Einsatztrupp "S. " beinahe rund um die Uhr (23 Stunden bzw. 22,5 Stunden) Dienst versehen habe und danach eine Situation bestanden habe, die der durch § 114 Abs. 2 LBG NRW erfassten sehr nahe gekommen sei, führe - auch bei Wahrunterstellung des diesbezüglichen Vortrags - nicht zu einer Anerkennung des streitgegenständlichen Zeitraums im Sinne des Klagebegehrens.
5Bei dem - im Streitfall nicht erfüllten Merkmal - der Ununterbrochenheit des Dienstes handele es sich nicht lediglich um einen definitorischen Nebenaspekt, der mittels einer erweiternden Auslegung überwunden werden könnte. Der klare und eindeutige Wortlaut des § 114 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW lasse eine erweiternde Auslegung nicht zu. Dies folge auch aus dem Ausnahmecharakter der Norm. Sie verringere für eine speziell definierte Gruppe von Polizeibeamten die Altersgrenze von 62 Jahren aus § 114 Abs. 1 LBG NRW, welche wiederum als Ausnahme zu § 31 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW die Regelaltersgrenze von 67 Jahren für Landesbeamten herabsetze.
6Auch eine analoge Anwendung des § 114 Abs. 2 LBG NRW komme mangels Regelungslücke nicht in Betracht. Es möge sein, dass der Kläger während des dienstlichen Einsatzes in dem Einsatztrupp sowohl physisch als auch psychisch vergleichbaren Belastungen wie die Kollegen des durchlaufenden Wach- und Wechseldienstes ausgesetzt gewesen sei. Die sich im Hinblick darauf ergebende Regelungslücke stelle sich jedoch unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterie nicht als planwidrig dar. Mit der Regelung des § 114 Abs. 2 LBG NRW wolle der Gesetzgeber den mit der Verrichtung des Wach- und Wechseldienstes verbundenen besonderen Belastungen Rechnung tragen. Dabei habe der Gesetzgeber, wie das Verwaltungsgericht durch Nachweise aus dem Gesetzgebungsverfahren belegt hat, die Ausnahme für die Herabsetzung der Altersgrenze bewusst auf die Gruppe der Beamten beschränkt, die Dienst im Wechselschichtdienst versehen. Darin liege kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs lasse sich ein vernünftiger Grund für die gesetzliche Unterscheidung finden, nämlich die besondere Belastung, die aus dem Wechselschichtdienst resultiere. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass dem Kläger aufgrund einer Lücke von einer Stunde bzw. anderthalb Stunden der gesamte streitgegenständliche Zeitraum nicht als Dienstzeit im Wechselschichtdienst anerkannt werden könne. Jede gesetzliche Regelung der Altersgrenzen müsse generalisieren und enthalte folglich auch unvermeidbare Härten. Daraus sich ergebende Unebenheiten, Friktionen und Mängel müssten in Kauf genommen werden, solange sich für die Gesamtregelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund - hier die besondere Belastung durch den Wechselschichtdienst - anführen lasse.
7Diese insgesamt überzeugenden Erwägungen, die in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats stehen,
8vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 29. Januar 2014 ‑ 6 A 2207/12 -, und vom 2. März 2020 - 6 A 3132/18 -, jeweils juris,
9stellt der Zulassungsantrag mit seiner Argumentation, der - eindeutige - Wortlaut der Norm müsse im Streitfall zur Vermeidung schwerwiegender Wertungswidersprüche bzw. offenbarer Ungerechtigkeiten ausnahmsweise außer Acht gelassen werden, nicht durchgreifend in Frage. Von besonderem Gewicht ist dabei, dass der Gesetzgeber mit dem Tatbestandsmerkmal "ununterbrochen" bewusst eine besondere Voraussetzung für die vom Kläger begehrte Rechtsfolge normiert hat. Diese vermeidet in ihrer Klarheit Abgrenzungsprobleme und damit verbundene Anwendungsschwierigkeiten, die sich unvermeidlich auf der Grundlage der Ansicht des Klägers ergäben, auch eine Dienstverrichtung mit vergleichbaren Belastungen sei wie eine solche im ununterbrochenen Wechselschichtdienst zu behandeln. Eine planwidrige Regelungslücke ist angesichts des eindeutigen Wortlauts der Bestimmung des § 114 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW ebenfalls nicht anzunehmen. Aufgrund welcher Zusammenhänge es - so der Zulassungsantrag - für das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke sprechen soll, dass eine § 114 Abs. 2 LBG NRW entsprechende Regelung während des streitgegenständlichen Zeitraums nicht existiert habe, ist nicht nachvollziehbar.
10Im Hinblick auf das Monitum, es sei kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung des Klägers gegeben, setzt sich der Zulassungsantrag in keiner Weise mit den abweichenden - und im Übrigen zutreffenden - Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinander.
11Inwieweit die unter II.1.a. der Zulassungsbegründung noch behauptete sachliche Unrichtigkeit des angegriffenen Urteils zur Fehlerhaftigkeit des Entscheidungsergebnisses führen soll, ist nicht dargelegt. Eine weitere Auseinandersetzung mit der Beanstandung erübrigt sich daher.
12II. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen ebenfalls nicht vor. Dies ist zu verneinen, wenn - wie hier - im Hinblick auf die insoweit vorgetragenen Gründe ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung verneint worden sind. Daneben wäre insoweit auch die Darlegung unzureichend; mit dem Zulassungsantrag wird nicht einmal zwischen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten unterschieden.
13Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 6 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 GKG. Die mit der Klage begehrte Anerkennung von Dienstzeiten im Wechselschichtdienst hätte gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW unmittelbar zur Folge, dass der Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in den Ruhestand verschoben wird. Die Bedeutung des Verfahrens für den Kläger (§ 52 Abs. 1 GKG) entspricht daher dem eines Verfahrens um den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand.
14Vgl. auch OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Mai 2013 - 6 A 2929/12 -, juris Rn. 12, und vom 2. März 2020 ‑ 6 A 3132/18 -, juris Rn. 24.
15Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Referenzen
- 6 A 2207/12 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124 2x
- 6 A 2929/12 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 152 1x
- 6 A 3132/18 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 124a 2x
- § 114 Abs. 2 Satz 1 LBG 1x (nicht zugeordnet)
- § 114 Abs. 2 Satz 2 LBG 2x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- LBG § 31 1x
- § 114 Abs. 2 LBG 4x (nicht zugeordnet)
- § 114 Abs. 2 Satz 2 LBG 1x (nicht zugeordnet)