Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 A 3315/20
Tenor
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
1Der Antrag ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die begehrte Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung des Zulassungsantrages liegen nicht vor. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin ohne Verschulden gehindert gewesen sein könnte, den fristgerecht gestellten Zulassungsantrag fristgerecht zu begründen bzw. begründen zu lassen. Ein Verschulden liegt dann vor, wenn der Betroffene diejenigen Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die nach den gesamten Umständen des konkreten Falles im zuzumuten war.
2Vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 6. Juni 1995 – 6 C 13.93, juris Rn. 5, und vom 28. April 1967 – IV C 100.66 - , NJW 1967, 2026 = juris Rn. 10.
3Einen solchen Fall hat sie mit ihrem mit einer eidesstattlichen Versicherung flankierten Vortrag, ihre schwere Corona-Infektion habe sie außer Stande gesetzt, einen Bevollmächtigten mit der weiteren Wahrnehmung ihrer Interessen zu betrauen, nachdem die Prozessbevollmächtigten zu 1. am 30. November 2020 nur mit der fristgerechten Stellung des Zulassungsantrags beauftragt worden seien, in Anbetracht der Umstände nicht glaubhaft gemacht.
4Denn dies erklärt jedenfalls nicht, dass die Prozessbevollmächtigten zu 1. in ihrem Zulassungsantrag und uneingeschränkt eine Vertretung der Klägerin angezeigt und neben dem Zulassungsantrag angekündigt haben, die Zulassungsgründe würden gesondert innerhalb der Frist dargelegt. Davon, dass sie hierzu nicht bevollmächtigt sein könnten, ist keine Rede. Eine von der Klägerin erklärte Beschränkung im Innenverhältnis lässt sich deshalb nicht feststellen, zumal die Prozessbevollmächtigten zu 1. mit dem Zulassungsantrag eine „kommentierte“ Version der erstinstanzlichen Entscheidung vorgelegt haben. Das maßgebliche Außenverhältnis ist angesichts dessen schon gar nicht betroffen. Unabhängig davon wäre eine solche Beschränkung der Bevollmächtigung, wie sie die Klägerin geltend macht, im dem Vertretungszwang unterliegenden Berufungszulassungsverfahren nach § 173 VwGO, § 83 Abs. 2, Abs. 1 ZPO im Außenverhältnis von vornherein unzulässig und unbeachtlich.
5Vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO – Kommentar, 27. Aufl. 2021, § 67 Rn. 48; Hoppe, in: Eyermann, VwGO – Kommentar, 15. Aufl. 2018, § 67 Rn. 25; Althammer, in: Zöller, ZPO – Kommentar, 32. Aufl. 2018, § 83 Rn. 1 ff.
6Unbeschadet dessen ergibt der jetzige Vortrag der Klägerin aber auch keinen Sinn. Ein Grund dafür, warum sie trotz bereits seit mindestens drei Tagen – nach dem von ihr vorgelegten ärztlichen Attest schon seit sechs Tagen – bestehender Corona-Erkrankung und angeordneter Quarantäne die vertretungsbereiten Rechtsanwälte entgegen dem üblichen Vorgehen nur beschränkt hätte beauftragen sollen, ist nicht zu erkennen, zumal sie angesichts der zum damaligen Zeitpunkt allgemein bekannten Erkenntnisse über den Verlauf einer Corona-Infektion mit weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen rechnen musste. Die Suche nach fachkundigeren Rechtsanwälten wäre ihr unbenommen geblieben. Eine solche wäre angesichts der laufenden Frist aber zumindest unmittelbar im Anschluss erforderlich gewesen, wäre hier aber unterblieben, obwohl sich der Gesundheitszustand der Klägerin nach eigenen Angaben erst „ein paar Tage später“ – präzisiert wird das weder durch sie noch durch das ärztliche Attest – massiv verschlechtert haben soll.
7Unabhängig davon fehlt es auch an jeglicher Konkretisierung, wie lange diese Symptome angehalten haben könnten. Die eidesstattliche Erklärung der Klägerin deutet dies nicht einmal an. Dem vorgelegten ärztlichen Attest, das erst am 27. Januar 2021 ausgestellt wurde, lässt sich allein entnehmen, dass die „Erholungsphase“ bis Anfang Januar 2021 angedauert haben soll und die Klägerin bis dahin arbeits- und verhandlungsunfähig gewesen sei. Dass und bis wann sie keinen Anwalt hätte beauftragen können, ergibt sich daraus weder direkt noch indirekt, zumal Herr Dr. M. nur von „typischen“, nicht aber von schweren Symptomen berichtet. Auch im Übrigen widerspricht die ärztliche Bescheinigung dem eigenen Vortrag der Klägerin, etwa indem sie den Erkrankungsbeginn auf den 24. November 2021 datiert, während die Klägerin den 27. November 2021 angibt.
8Unabhängig davon erscheint dem Senat diese Bescheinigung ohnehin zur Glaubhaftmachung ungeeignet. Ihr lässt sich nicht einmal ansatzweise entnehmen, auf welchen Befunden sie beruht und wie Herr Dr. M1. mindestens drei Wochen später eine Arbeits- und Verhandlungsunfähigkeit rekonstruieren konnte. Zumindest ein persönlicher Kontakt mit der Klägerin war jedenfalls bis zum 29. Januar 2021 nicht möglich. Der Absonderungsbescheid vom 27. November 2020 galt weiterhin, nachdem die Klägerin jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt keinen Aufhebungsbescheid erhalten hatte, der ausdrücklich für das Ende der Quarantäne Voraussetzung gewesen wäre.
9Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 3 VwGO.
10Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.
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