Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 B 1401/21
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10.8.2021 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 6.500,00 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den sinngemäßen Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage (3 K 4779/21 VG Düsseldorf) gegen die Gewerbeuntersagungsverfügung des Oberbürgermeisters der Antragsgegnerin vom 10.6.2021 hinsichtlich der Gewerbeuntersagung wiederherzustellen sowie hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung anzuordnen,
4im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die gemäß § 35 Abs. 7a GewO gegen den Antragsteller ausgesprochene Gewerbeuntersagung erweise sich im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Abwägung als rechtmäßig. Der Antragsteller sei als Geschäftsführer der B. I. GmbH, die zum maßgeblichen Zeitpunkt Steuerrückstände von rund 116.000,00 Euro beim Finanzamt S. gehabt habe, gewerberechtlich unzuverlässig. Dem ermessensfehlerfreien Einschreiten der Antragsgegnerin stehe nicht entgegen, dass über das Vermögen der B. I. GmbH am 6.4.2021 das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. An der Vollziehung des angegriffenen Bescheides bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse.
5Diese Würdigung wird durch das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht erschüttert.
6Es ist nichts Durchgreifendes dafür vorgetragen, dass der Antragsteller entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts als zuverlässig zu beurteilen sein könnte. Dies ergibt sich weder aus der nach Ansicht des Antragstellers fehlerhaften Kürzung des Vorsteuerabzugs aus dem Jahr 2018, gegen die er Einspruch eingelegt habe, noch aus dem Fehlen eines angeforderten Prüfberichts des Finanzamts. Hierdurch wird die vom Verwaltungsgericht geteilte Einschätzung der Antragsgegnerin nicht erschüttert, der Antragsteller selbst sei wegen seiner nachhaltigen Verletzung der steuerlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten als Geschäftsführer der GmbH sowie Fortsetzung der gewerblichen Tätigkeit trotz ihrer wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit gewerbeübergreifend unzuverlässig.
7Dass es sich bei den genannten Steuerschulden nicht um eigene Verbindlichkeiten des Antragstellers handelt, ist unerheblich. Die in § 35 Abs. 7a Satz 1 GewO eröffnete Möglichkeit der Gewerbeuntersagung gegenüber Vertretungsberechtigten oder mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragten Personen zielt darauf, einer etwaigen künftigen Tätigkeit als selbständige Gewerbetreibende durch solche Personen entgegenzuwirken, die bisher in einem Gewerbebetrieb leitend tätig waren und sich dabei als unzuverlässig erwiesen hatten.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.8.2017 – 4 A 2232/15 –, NVwZ-RR 2017, 1017 = juris, Rn. 5 f., m. w. N.
9Dementsprechend kommt es insoweit allein darauf an, dass der Antragsteller als Geschäftsführer und mithin gesetzlicher Vertreter der GmbH (§ 35 GmbHG) deren steuerliche Pflichten zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen hat, dass die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet werden (§ 34 AO), er diese Pflicht aber mit der Folge verletzt hat, dass bei der Gesellschaft erhebliche Steuerrückstände aufgelaufen sind.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.8.2017 – 4 A 2232/15 –, NVwZ-RR 2017, 1017 = juris, Rn. 7.
11Die materielle Rechtmäßigkeit der gegen die GmbH festgesetzten Steuerforderungen ‒ auch soweit diese Forderungen nur auf Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen beruhen ‒ ist für die Beurteilung, ob dem Antragsteller die gewerberechtliche Zuverlässigkeit fehlt, unerheblich. Die Berechtigung der Steuerforderungen hatten weder die Antragsgegnerin im Verwaltungsverfahren der Gewerbeuntersagung noch das Verwaltungsgericht zu prüfen. Maßgeblich ist allein, in welcher Höhe die vom Antragsteller vertretene GmbH Steuern nicht gezahlt hat, die sie bereits deshalb von Rechts wegen hätte zahlen müssen, weil die ergangenen Steuerbescheide vollziehbar waren. Ausgehend davon, dass Steuerbescheide grundsätzlich vollziehbar sind, sofern die Vollziehung nicht ausnahmsweise ausgesetzt worden ist (§§ 220, 361 AO sowie § 69 FGO), besteht keine Veranlassung, die Höhe der vollstreckbaren Forderungen anzuzweifeln.
12Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.3.1997 ‒ 1 B 72.97 ‒, juris, Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 14.4.2021 – 4 B 399/21 –, juris, Rn. 10 ff., m. w. N.
13Insoweit wäre es Sache des Antragstellers gewesen konkret vorzutragen, dass und gegebenenfalls in welchem Umfang die Vollziehung der festgesetzten Steuerforderungen in einem finanzgerichtlichen Verfahren ausgesetzt worden sein könnte.
14Auch der Einwand, die Steuerrückstände resultierten aus Formfehlern seines damaligen Steuerberaters, weil der Vorsteuerabzug ausschließlich wegen der fehlenden Angabe der jeweilige Baustelle auf den Rechnungen nicht anerkannt worden sei, bleibt ohne Erfolg.
15Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit setzt kein subjektiv vorwerfbares Verhalten voraus, sondern knüpft lediglich an objektive Tatsachen an, die hinsichtlich der zukünftigen Tätigkeit des Gewerbetreibenden in einem Gewerbe, das der bisherigen unselbständigen Tätigkeit entspricht, eine ungünstige Prognose rechtfertigen.
16Ständige Rechtsprechung vgl. u. a. BVerwG, Urteil vom 19.12.1995 ‒ 1 C 3.93 ‒, BVerwGE 100, 187 = juris, Rn. 31.
17Der Verweis des Antragstellers, es seien sämtliche Arten weiterer Steuern komplett und pünktlich bedient worden, führt im Rahmen der Abwägung ebenfalls zu keiner günstigeren Einschätzung. Es ändert nichts daran, dass der Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH deren steuerliche Zahlungs- und Erklärungspflichten nachhaltig verletzt und ihre gewerbliche Tätigkeit trotz ihrer wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit fortgesetzt hat.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
19Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 39 Abs. 1, 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt, dass die Untersagung nach § 35 Abs. 7a GewO entsprechend dem wirtschaftlichen Interessen an der Fortführung dieser Tätigkeit, mindestens aber mit 8.000,00 Euro, die erweiterte Gewerbeuntersagung zusätzlich mit 5.000,00 Euro zu veranschlagen sind. Die Gesamtsumme ist im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig mit der Hälfte des für das Hauptsacheverfahren maßgeblichen Werts anzusetzen.
20Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1.10.2004 ‒ 4 B 1637/04 ‒, GewArch 2005, 77 = juris, Rn. 6 f., 11 f.
21Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
- §§ 220, 361 AO 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 39 Abs. 1, 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG 4x (nicht zugeordnet)
- §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- GmbHG § 35 Vertretung der Gesellschaft 1x
- FGO § 69 1x
- GewO § 35 Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit 2x
- VwGO § 80 1x
- VwGO § 146 1x
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 152 1x
- 3 K 4779/21 1x (nicht zugeordnet)
- 4 A 2232/15 2x (nicht zugeordnet)
- 4 B 399/21 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 1637/04 1x (nicht zugeordnet)