Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 B 1009/21
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2., die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auf für das Beschwerdeverfahren auf bis zu 500,- Euro festgesetzt.
Gründe:
1Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu einer Änderung des angefochtenen Beschlusses.
2Dabei geht der Senat zugunsten der Antragstellerin davon aus, dass mit der Beschwerde der vom Verwaltungsgericht sinngemäß ausgelegte erstinstanzliche Antrag,
31. die aufschiebende Wirkung der Klage (VG Gelsenkirchen 14 K 1541/21) gegen die Festsetzungsbescheide des Antragsgegners vom 2. Juni 2020 und 1. September 2020 anzuordnen und
42. die Antragsgegnerin zu 2. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Zwangsvollstreckung aus den Festsetzungsbescheiden des Antragsgegners zu 1. vom 2. Juni 2020 und 1. September 2020 einzustellen,
5weiterverfolgt werden soll. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, die beiden genannten Festsetzungsbescheide des Antragsgegners zu 1. seien mangels durchgeführten Widerspruchsverfahrens bestandskräftig geworden. Sie seien der Antragstellerin durch Übermittlung an ihren Prozessbevollmächtigten wirksam bekanntgegeben geworden. Die Bescheide seien ausweislich der elektronischen Postauslieferungsvermerke am 4. Juni 2020 bzw. 7. September 2020 an die Anschrift des Prozessbevollmächtigen adressiert abgesandt worden und würden damit nach § 41 Abs. 2 VwVfG NRW als am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gelten. Der Zugang der Bescheide werde durch das Vorbringen der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogen. Der Einwand der Antragstellerin in dem an die Antragsgegnerin zu 2. gerichteten Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 29. Dezember 2020, weder ihr noch ihrem Bevollmächtigten liege ein rechtskräftiger Titel der GEZ bzw. des Beitragsservice vor, aus dem vollstreckt werden könne, bzw. die Bescheide seien trotz Hinweises weder ihr in Großbritannien noch ihrem Bevollmächtigten zugestellt worden, lasse sich nicht dahingehend auslegen, sie bzw. er habe gar keine Bescheide erhalten. Vielmehr rüge die Antragstellerin damit das Fehlen einer förmlichen Zustellung, der es hier jedoch nicht bedürfe. Für diese Auslegung ihres Vorbringens spreche auch, dass sie auf den Vortrag des Antragsgegners zu 1. in der Antragserwiderung vom 29. April 2021, die Bescheide seien zugegangen und damit wirksam bekanntgegeben, Gegenteiliges nicht vorgetragen habe.
6Dem setzt die Beschwerde letztlich nichts entgegen, was - bei der hier allein möglichen summarischen Prüfung - Anlass zu einer anderen Beurteilung böte. Sie wiederholt – in Kenntnis der Argumentation des Verwaltungsgerichts – ihren Vortrag, die Bescheide seien weder der Antragstellerin noch ihrem Verfahrensbevollmächtigten "zugestellt" worden. Sodann führt der Prozessbevollmächtigte aus, ihm seien die Bescheide "nicht zugegangen" bzw. "nicht eingegangen, da diese offensichtlich nicht abgesandt wurden". Es werde bestritten, dass diese Bescheide überhaupt zur Post gegeben worden seien, da "die Differenz zwischen Erstellung der Bescheide und angebliche Aufgabe zur Post vier bzw. sieben Tage gedauert haben soll." Zu dem damit jedenfalls im Kern wiederholten erstinstanzlichen Vortrag hat bereits das Verwaltungsgericht das Erforderliche gesagt, ohne dass die – bereits erstinstanzliche von ihrem Prozessbevollmächtigten vertretene - Antragstellerin dem nunmehr substantiiert entgegengetreten wäre. Mit Blick auf das pauschale Bestreiten der Aufgabe der beiden Rundfunkbeitragsbescheide zur Post merkt der Senat an, dass die in den Akten vermerkte Aufgabe zur Post ein hier entscheidendes Indiz dafür darstellt, dass diese auch tatsächlich zur Post gegeben wurden. Diese Indizwirkung der in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Historiensätze hinsichtlich des Postauslieferungsdatums beruht dabei darauf, dass diese (regelmäßig) erst nach Abschluss des Versandvorgangs unter Nennung des Postauslieferungsdatums, der Sendungsnummer und der Entgeltabrechnungsnummer generiert und dem betreffenden Beitragskonto beigefügt werden.
7Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Februar 2021 ‑ 2 A 513/20 -, juris Rn. 9 f. m. w. N.
8Dementsprechend deutet auch der Umstand, dass zwischen Bescheiderstellung und Abgang mehrere Tage liegen, nicht auf eine fehlende Authentizität hin. Im Gegenteil lässt gerade die unterschiedliche zeitliche Differenz dies als mindestens fernliegend erscheinen, zumal der angebliche Fehler in zwei getrennten Vorgängen passiert sein müsste.
9Die Beweiskraft des Absendevermerks lässt sich nicht nachhaltig mit der bloßen Behauptung entkräften, die Postsendungen nicht erhalten zu haben. Nach den hier vorliegenden Gesamtumständen erscheint es zugleich lebensfremd, dass die beiden genannten Bescheide, die nachweislich an die gültige Anschrift des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin adressiert waren, die dieser selbst im Verwaltungsverfahren wie im Klageverfahrens als aktuell gültige ladungsfähige Anschrift benannt hat, dort tatsächlich nicht angekommen sein sollten, obschon für keinen dieser Bescheide ein Postrücklauf erfolgt ist. Es handelt sich um eine ungewöhnliche Häufung angeblich abhanden gekommener Briefsendungen, die auf einen anderen Lebenssachverhalt als den behaupteten hindeuten und - wie hier - zusammen mit dem Beleg der Übergabe des Schriftstückes in den Postlauf sowie der Auswertung der Einlassungen der Antragstellerin die richterliche Überzeugung vom Zugang der Schriftstücke begründen können.
10Vgl. dazu: OVG NRW, Beschlüsse vom 1. September 2021 – 2 A 163/21 -, juris Rn. 8 ff., vom 22. Februar 2021 – 2 A 513/20 -, juris Rn. 11 und vom 31. Oktober 2011 - 8 E 387/11 -, juris Rn. 18; vgl. unter Anknüpfung an die Grundsätze des Anscheinsbeweises auch BGH, Beschluss vom 27. April 2017 ‑ I ZB 91/16 -, juris Rn. 24.
11Dass die Postauslieferung bei dem Kläger derart unzuverlässig ist, dass auch mit einem gehäuften Verlust von Briefen gerechnet werden könnte, schließt der Senat nicht zuletzt deshalb aus, weil gerade in einem Rechtsanwaltsbüro gehäufte Nichtzugänge von Post in jedem Fall hätten auffallen müssen, wäre dadurch doch die berufliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, die nicht zuletzt von der Einhaltung von Fristen abhängt, nachhaltig beeinträchtigt.
12Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. September 2021 – 2 A 163/21 -, juris Rn. 12.
13Hiervon berichtet die Beschwerde indes nichts.
14Ohne dass es noch darauf ankommt, fällt auch auf, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin ausgehend von seinem Vortrag ausgerechnet die beiden der Vollstreckung zugrundeliegenden Bescheide vom 2. Juni 2020 und 1. September 2020 nicht bekommen haben will, während ihn praktisch alle andere Schreiben des Antragsgegners zu 1. erreicht haben sollen.
15Vgl. dazu erneut OVG NRW, Beschlüsse vom 1. September 2021 – 2 A 163/21 -, juris Rn. 5, 12.
16Insoweit ähnelt der Vortrag im Übrigen auffällig dem im Verfahren VG Gelsenkirchen 14 K 805/16, in dem die – durch denselben Prozessbevollmächtigten vertretene – Antragstellerin seinerzeit ebenfalls geltend gemacht hatte, ihr seien die der Vollstreckung zugrundeliegenden Rundfunkbeitragsbescheide nicht zugegangen und – für den Fall eines Misserfolgs ihrer Klage – ebenfalls angekündigt hatte, ihren "Nebenwohnsitz" in Deutschland abzumelden.
17Was aus der offenbar unveröffentlichten Entscheidung des Landgerichts München vom 24. Februar 2021 – 6 T 459/21 – für den vorliegenden rundfunkbeitragsrechtlichen Sachverhalt konkret folgen soll, legt die Beschwerdebegründung nicht dar.
18Unabhängig davon hätte die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags zu 1. auch deshalb keinen Erfolg, weil die genannten Bescheide bei summarischer Prüfung rechtmäßig sind bzw. jedenfalls ernstlichen Zweifeln nicht unterliegen (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Die Antragstellerin ist nach wie vor unter der Anschrift B. -T. -Straße in S. gemeldet und damit gemäß § 2 Abs. 1 und 2 RBStV als Inhaberin einer Wohnung rundfunkbeitragspflichtig. An dieser melderechtlichen Anmeldung muss die Antragstellerin sich – auch wenn sie aufgrund eines Wohnsitzes in Großbritannien materiell unrichtig sein sollte – im vorliegenden Verfahren festhalten lassen.
19Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 29. Juni 2021 ‑ 2 A 2781/19 -, juris Rn. 50 ff.
20Insoweit kommt es für das Innehaben einer Wohnung auch nicht darauf an, ob die Antragstellerin fast durchgängig ortsabwesend – weil in Großbritannien in I. lebend – ist und sich nur gelegentlich – wie offenbar anlässlich der Unterzeichnung der Prozessvollmachten im Verfahren VG Gelsenkirchen 14 K 805/16 am 17. Februar 2016 oder im vorliegenden Verfahren am 12. April 2021 – in Deutschland in (der Nähe) ihrer Wohnung aufhält.
21Vgl. z. B. VG Aachen, Urteil vom 21. Februar 2018 ‑ 8 K 1664/17 -, juris Rn. 39 ff. m. w. N. [den gegen dieses Urteil gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Senat mit Beschluss vom 21. März 2019 – 2 A 1206/18 – abgelehnt]
22Ohne dass es noch darauf ankommt, steht ihr Vortrag in dem auch für die Antragstellerin durch ihren Mann (Diplom-Finanzwirt H. N. , der offenbar in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin als "Sachbearbeiter" in dieser Angelegenheit in Erscheinung tritt) verfassten und an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 14. März 2019, sie wohnten seit November 2008 in Großbritannien, in nicht unerheblichem Widerspruch zu ihrem Vortrag im Verfahren VG Gelsenkirchen 14 K 805/16, sie wohne unter der Anschrift T1. , CZ- D. , in Tschechien und müsse deshalb keine Rundfunkgebühren zahlen.
23Die Ausführungen der Beschwerdebegründung zum Beschluss des Senats vom 20. September 2016 – 2 A 1005/15 -, juris (dort Rn. 61 ff.) zu den Voraussetzungen einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht auf der Grundlage des § 4 Abs. 6 RBStV geben im vorliegenden Zusammenhang keinen Anlass zu einer anderen Bewertung, und zwar schon deshalb nicht, weil der Antrag der Antragstellerin vom 2. Juni 2020 auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht mit Bescheid des Antragsgegners vom 26. November 2020 abgelehnt worden ist. Dass hiergegen Klage erhoben worden wäre, trägt die Beschwerdebegründung nicht vor. Unabhängig davon ließe ein etwaiger Befreiungsanspruch die Beitragsfestsetzungsbescheide in ihrem Bestand unberührt. Unerheblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung ist nämlich, ob einem Kläger nach der letzten Verwaltungsentscheidung über die Festsetzung ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht zuerkannt wird.
24Vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 6 C 10.18 -, juris Rn. 13.
25Lediglich vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass eine Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk bzw. dessen Programmgestaltung von vornherein nicht geeignet ist, einen Härtefall nach § 4 Abs. 6 RBStV zu begründen.
26Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Februar 2021 - 2 A 3107/20 -, juris Rn. 19 ff. m. w. N.
27Der Antrag zu 2. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO gegen die Antragsgegnerin zu 2., die Zwangsvollstreckung einzustellen, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Die Beschwerdebegründung enthält keine Aspekte, die nicht bereits behandelt worden wären, und es ist weder vorgetragen noch sonst konkret ersichtlich, dass bzw. warum die Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf S. 4 und 5 des angefochtenen Beschlusses fehlerhaft sein und die Vollstreckung unzulässig sein sollte. Hiermit beschäftigt sich die Beschwerde vielmehr nicht weiter.
28Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
29Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 52 Abs. 3, 53 Abs. 2 GKG.
30Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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