Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 A 1924/20
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Köln vom 15.6.2020 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Instanzen auf jeweils 13.000,00 Euro festgesetzt.
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Gründe:
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
3Das Zulassungsvorbringen weckt nicht die ausschließlich geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung (§ 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
4Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die Gewerbeuntersagung gegenüber dem Kläger als Geschäftsführer der den Gewerbebetrieb führenden Q. GmbH T. beruhe auf § 35 Abs. 7a GewO in Verbindung mit § 35 Abs. 1 GewO. Die Beklagte habe das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die Q. GmbH T. sei wegen der Verletzung ihrer öffentlich-rechtlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten als gewerberechtlich unzuverlässig anzusehen (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GewO). Darauf, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluss des behördlichen Untersagungsverfahrens weiterentwickelt hätten, komme es nicht an, weil maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO derjenige des Erlasses der Untersagungsverfügung sei. Wegen der Verletzung der öffentlich-rechtlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten der Q. GmbH T. sei auch der Kläger als unzuverlässig anzusehen. Da das Entstehen der Verbindlichkeiten auf das Verhalten bzw. Wirtschaften des Klägers als Geschäftsführer beim Betrieb des Gewerbes zurückzuführen sei, sei die in diesem Zusammenhang stehende Unzuverlässigkeit auch ihm selbst anzulasten. Hinzu trete die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers, die durch drei Eintragungen im Schuldnerverzeichnis belegt werde.
5Diese Einschätzung wird durch die Einwände des Klägers nicht erschüttert.
6Ohne Erfolg macht er geltend, die Q. GmbH T. habe mittlerweile ihre Steuerschulden bis auf 899,87 Euro, die gestundet seien, reduziert, wie die Bescheinigung des Finanzamts T1. vom 26.6.2020 zeige. Coronabedingt hätten die Informationen nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden können. Allein die Erklärung des Finanzamts müsse zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung führen.
7Dass es sich bei den genannten Steuerschulden nicht um eigene Verbindlichkeiten des Antragstellers handelt, ist unerheblich. Die in § 35 Abs. 7a Satz 1 GewO eröffnete Möglichkeit der Gewerbeuntersagung gegenüber Vertretungsberechtigten oder mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragten Personen zielt darauf, einer etwaigen künftigen Tätigkeit als selbständige Gewerbetreibende durch solche Personen entgegenzuwirken, die bisher in einem Gewerbebetrieb leitend tätig waren und sich dabei als unzuverlässig erwiesen hatten.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.8.2017 – 4 A 2232/15 –, NVwZ-RR 2017, 1017 = juris, Rn. 5 f., m. w. N.
9Dementsprechend kommt es insoweit allein darauf an, dass der Antragsteller als Geschäftsführer und mithin gesetzlicher Vertreter der GmbH (§ 35 GmbHG) deren steuerliche Pflichten zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen hat, dass die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet werden (§ 34 AO), er diese Pflicht aber mit der Folge verletzt hat, dass bei der Gesellschaft erhebliche Steuerrückstände aufgelaufen sind.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.8.2017 – 4 A 2232/15 –, NVwZ-RR 2017, 1017 = juris, Rn. 7.
11Das Verwaltungsgericht ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass sich in Verfahren über Anfechtungsklagen gegen eine Gewerbeuntersagung die Frage, ob ein Gewerbetreibender unzuverlässig ist, nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses der Untersagungsverfügung beurteilt. Nicht entscheidend ist, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluss des behördlichen Untersagungsverfahrens weiterentwickelt haben. Seit Inkrafttreten der Neufassung des § 35 Abs. 6 GewO am 1.5.1974 besteht eine deutliche Trennung zwischen dem Untersagungsverfahren einerseits und dem Wiedergestattungsverfahren andererseits. Ist ein Gewerbe wirksam untersagt worden, hat die Behörde nicht mehr zu prüfen, ob die Untersagungsgründe die ergangene Gewerbeuntersagung weiterhin tragen. Haben sich die tatsächlichen Umstände geändert, muss die Initiative zur Wiederzulassung nach § 35 Abs. 6 GewO vom Gewerbetreibenden ausgehen.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 15.4.2015 – 8 C 6.14 –, BVerwGE 152, 39 = juris, Rn. 15; OVG NRW, Beschlüsse vom 2.7.2018 ‒ 4 A 987/17 ‒, ZInsO 2018, 2142 = juris, Rn. 22 ff., und vom 23.6.2017 – 4 A 1660/16 –, juris, Rn. 7 f., m. w. N.
13Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Klägers zu Recht auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erlasses der Untersagungsverfügung abgestellt. Es hat seiner Prognose die zu diesem Zeitpunkt bekannten Verletzungen von Zahlungs- und Erklärungspflichten der Gesellschaft gegenüber dem Finanzamt, für die der Kläger verantwortlich war, zugrunde gelegt. Dass das Verwaltungsgericht bezogen auf den maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt, der Bekanntgabe der angefochtenen Ordnungsverfügung im Oktober 2019, von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen oder die Prognose aus anderen Gründen unzutreffend sein könnte, legt der Kläger nicht dar.
14Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
15Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 39 Abs. 1, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG und richtet sich mangels anderweitiger Anhaltspunkte für die Untersagung gemäß § 35 Abs. 7a GewO an dem Mindestwert von 8.000,00 Euro zuzüglich des für die erweiterte Gewerbeuntersagung zu veranschlagenden Interesses in Höhe von 5.000,00 Euro aus.
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1.10.2004 ‒ 4 B 1637/04 ‒, GewArch 2005, 77 = juris, Rn. 6 f., 11.
17Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
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Referenzen
- VwGO § 84 1x
- 4 A 1660/16 1x (nicht zugeordnet)
- 4 A 987/17 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 1637/04 1x (nicht zugeordnet)
- GmbHG § 35 Vertretung der Gesellschaft 1x
- GewO § 35 Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit 3x
- 4 A 2232/15 2x (nicht zugeordnet)