Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 A 380/20
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 15.1.2020 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 4.352,40 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
31. Das Zulassungsvorbringen des Klägers begründet keine ernstlichen Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden.
4Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 –, NVwZ 2021, 325 = juris, Rn. 34, m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 – 7 AV 4.03 –, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33 = juris, Rn. 9.
5Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,
6den Bescheid des Beklagten vom 22.3.2018 aufzuheben,
7abgewiesen. Sie sei bereits unzulässig, nachdem der Kläger während des gerichtlichen Verfahrens am 7.8.2019 wieder Pflichtmitglied des Beklagten geworden sei. Selbst wenn die Klage als zulässig angesehen werden könne, bleibe sie erfolglos. Sie sei unbegründet, weil der angegriffene Bescheid rechtmäßig sei.
8Die Ergebnisrichtigkeit dieser Einschätzungen wird durch das Zulassungsvorbringen nicht schlüssig in Frage gestellt.
9Der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe angebliche Beitragsrückstände seinem Urteil zugrunde gelegt, geht ins Leere.
10Wird eine Klage ‒ so wie hier ‒ zugleich als unzulässig und als unbegründet abgewiesen, erwachsen die Ausführungen des Gerichts zur Begründetheit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung wegen der Verschiedenheit der Rechtskraftwirkung einer Abweisung durch Prozessurteil und wegen Unbegründetheit der Klage nicht in Rechtskraft. Die verfahrensfehlerhaft beigegebene Sachbeurteilung gilt als „nicht geschrieben“.
11Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17.7.2019 – 3 BN 2.18 –, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 217 = juris, Rn. 23, und vom 14.12.2018 – 6 B 133.18 –, NVwZ 2019, 649 = juris, Rn. 22, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 7.7.2021 – 4 A 1695/19 –, juris, Rn. 19 f., m. w. N.
12Der weitere Einwand des Klägers, der Einzelrichter sei nicht zur Beurteilung und Entscheidung zuständig gewesen, es fehle insofern an einem wirksamen Beschluss im Sinne der §§ 5 f. VwGO, jedenfalls sei ihm dieser nicht bekannt gegeben worden und das erstinstanzliche Urteil treffe nicht einmal ansatzweise Feststellungen dazu, führt ebenfalls nicht auf die Annahme ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Kläger stellt mit diesem Einwand weder einen tragenden Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts in Frage.
132. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.
14Auch insoweit bleibt der bereits angeführte Einwand des Klägers, der Einzelrichter sei nicht zur Beurteilung und Entscheidung zuständig gewesen, ohne Erfolg.
15Gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit den §§ 512, 557 Abs. 2 ZPO sind unanfechtbare Entscheidungen, die dem angefochtenen Urteil vorausgegangen sind, einer Beurteilung des Berufungsgerichts entzogen. Der Beschluss über die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter ist in verwaltungsgerichtlichen Verfahren unanfechtbar (vgl. § 6 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Das hat grundsätzlich zur Folge, dass das Rechtsmittelgericht an diese Entscheidung gebunden ist und entsprechende Verfahrensrügen einer inhaltlichen Überprüfung entzogen sind. Ein solchen Beschlüssen anhaftender Rechtsfehler ist nur beachtlich, wenn er zugleich eine Verletzung der prozessualen Gewährleistungen der Verfassung darstellt, insbesondere einen Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter oder den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Hierbei verstößt nicht jede irrtümliche Überschreitung der Kompetenzen und nicht jede fehlerhafte Anwendung des Prozessrechts zugleich gegen das Verfassungsgebot des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit ist vielmehr erst dann überschritten, wenn die fehlerhafte Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts willkürlich, manipulativ oder offensichtlich unhaltbar ist. In diesem Sinne willkürlich ist eine Entscheidung des Gerichts nur, wenn sie sich bei der Auslegung und Anwendung einer Zuständigkeitsnorm so weit von dem sie beherrschenden Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist.
16Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6.11.2020 – 4 A 3613/19 –, juris, Rn. 17 f., und vom 14.5.2018 – 4 A 251/16.A –, juris, Rn. 40 ff., m. w. N.
17Gemessen daran liegt hier ein beachtlicher Rechtsfehler nicht vor. Dass die nach vorheriger Anhörung des Klägers getroffene Entscheidung, den Rechtsstreit auf den Einzelrichter zu übertragen, eine Verletzung der prozessualen Gewährleistungen der Verfassung darstellen könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
18Entgegen der pauschalen Behauptung des Klägers ist ihm der entsprechende Beschluss ausweislich der Gerichtsakte zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 8.11.2019 per Zustellungsurkunde am 13.11.2019 bekannt gegeben worden.
19Vgl. zum Wirksamwerden einer Einzelrichterübertragung: OVG NRW, Beschluss vom 2.11.2017 – 4 B 891/17 –, GewArch 2018, 117 = juris, Rn. 22 f.
20Selbst wenn der Kläger den Beschluss über die Einzelrichterübertragung entgegen der entsprechenden richterlichen Verfügung nicht zusammen mit der Terminsladung erhalten hätte, läge in diesem zu Gunsten des Klägers unterstellten, nach Aktenlage möglichen Versäumnis kein Verfassungsverstoß. Dies ist insbesondere nicht schon dann der Fall, wenn ein aktenkundig intern vor der Sachentscheidung gefasster Übertragungsbeschluss lediglich deshalb nicht rechtzeitig wirksam geworden ist, weil er irrtümlich den Beteiligten verspätet bekannt gegeben worden ist.
21Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.10.2001 – 8 B 104.01 –, NVwZ-RR 2002, 150 = juris, Rn. 8.
22Anzeichen für objektive Willkür und oder Manipulationsabsicht sind nicht ersichtlich.
23Ein Verfahrensmangel liegt auch nicht deshalb vor, weil die schriftsätzlich angekündigten weiteren Klageanträge des Klägers ausweislich des Protokolls in der mündlichen Verhandlung abgetrennt und zunächst unter dem Aktenzeichen 1 K 282/20 (VG Köln) fortgesetzt wurden.
24Beschlüsse über die Verbindung und Trennung von Verfahren sind gemäß § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar, mit der Folge, dass sie nicht der Nachprüfung des Berufungsgerichts unterliegen (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 512, 557 Abs. 2 ZPO). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Berufungszulassungsantrag Mängel rügt, die als Folge der beanstandeten Trennung weiterwirkend dem angefochtenen Urteil selbst anhaften.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.3.2016 – 11 A 1292/14 –, NWVBl. 2016, 419 = juris, Rn. 32 ff., m. w. N.
26Ein solcher Umstand wird mit der Zulassungsbegründung aber weder geltend gemacht noch ist er sonst ersichtlich, zumal eine Entscheidung über die weiteren Klageanträge infolge der Trennung gerade nicht ergangen ist. Insbesondere macht der Kläger mit seiner Rüge, eine Entscheidung zu den weiteren Klageanträge hätte abgewartet werden müssen, weder eine Einheitlichkeit des Streitgegenstandes noch eine Vorgreiflichkeit substantiiert geltend, die einer Entscheidungsreife hinsichtlich des nicht abgetrennten (der Sache nach erledigten) Verfahrensteils hätte entgegenstehen können. Inwieweit die Trennung des Verfahrens sich als verfahrensfehlerhaft erweisen könnte, weil das abgetrennte Verfahren an die nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige Kammer des Verwaltungsgerichts abgegeben wurde, legt der Kläger nicht dar.
27Der sinngemäße Einwand des Klägers, das Urteil sei verfahrensfehlerhaft ergangen, weil die am 21.1.2021 erfolgte Zustellung desselben fehlerhaft und damit unwirksam erfolgt sei, führt zu keiner anderen Beurteilung.
28Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 15.1.2020 ist dem Kläger per Zustellungsurkunde am 21.1.2020 bekannt gegeben worden. Einen substantiierten Beweisantrag für die Unrichtigkeit dieser Zustellungsurkunde, die als öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 98 VwGO den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen erbringt, hat der Kläger nicht gestellt.
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
30Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
31Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
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