Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 12 B 1277/21
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens.
1
Gründe:
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen, die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt hat.
4Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz dahingehend ausgelegt, dass der Antragsteller die Feststellung begehrt, dass er den Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 IfSG über eine medizinische Kontraindikation erbracht habe und vorläufig in der städtischen Kindertageseinrichtung J. zu betreuen sei, und diesen abgelehnt. Es könne dahinstehen, ob ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sei (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO), da jedenfalls das Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht mit dem für die - hier begehrte - faktische Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Maß wahrscheinlich sei. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens sei vielmehr offen. Der Antragsteller habe den nach § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG bei Betreuung in einer Kindertageseinrichtung (Gemeinschaftseinrichtung i. S. d. § 33 Nr. 1 Var. 1 IfSG) erforderlichen Nachweis über ausreichenden Impfschutz oder eine Immunität gegen Masern - dieser könne auch durch ein ärztliches Zeugnis über eine medizinischen Kontraindikation hinsichtlich der Impfung geführt werden (§ 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 IfSG) - nicht erbracht, der der Leitung der Einrichtung nach § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 bis 3 IfSG vorzulegen sei. Eine Person, die ab Vollendung des ersten Lebensjahres keinen entsprechenden Nachweis vorlege, dürfe in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG nicht betreut werden (§§ 30 Abs. 9 Satz 6, 73 Abs. 1a Nr. 7b IfSG). Der Antragsteller sei zwar mit der Vorlage der ärztlichen Bescheinigung vom 17. Juli 2020, wonach bei ihm die Masernimpfung kontraindiziert sei, der Pflicht aus § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 IfSG formal nachgekommen. Der Nachweis könne gleichwohl nicht als erbracht gelten, da der Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses durch gewichtige Anhaltspunkte erschüttert sei. Das Attest genüge zwar zunächst den gesetzlichen Anforderungen, da es ausführe, dass der Antragsteller an Allergien gegen bestimmte Inhaltsstoffe des Impfstoffes leide und deswegen mit herkömmlichen Impfstoffen nicht geimpft werden könne, und diese Einschätzung auch begründet werde. Angaben - etwa zu Befunden oder Diagnosen - seien hingegen nicht erforderlich, was aus Wortlaut und Systematik des § 20 IfSG folge, da es insbesondere an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage für den mit solchen Angaben verbundenen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) fehle. Der Gesetzgeber gestehe vielmehr dem Arzt die grundlegende Expertise hinsichtlich der Impfung zu, der zudem berufsrechtlich verpflichtet sei, seine fachliche Einschätzung gemäß dem Stand der Wissenschaft zu treffen, und bei Ausstellung eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses mit der Strafandrohung des § 278 StGB konfrontiert sei. Zweifel an dem danach dem Nachweis vom 17. Juli 2020 zunächst beizumessenden hohen Beweiswert ergäben sich jedoch daraus, dass im Attest vom 21. Mai 2021 anamnestisch vom Bericht der Eltern, beim Antragsteller bestünden Allergien gegen verschiedene Impfungen, die Rede sei. Demnach sei davon auszugehen, dass das Attest auf abklärungsbedürftigen Angaben beruhte, was jedoch nicht deutlich werde, wenn es heiße, es bestehe eine Allergie gegen bestimmte Inhaltsstoffe. Es werde weder dargelegt, worauf die Einschätzung der Eltern beruhe, noch ob und inwiefern der Verdacht auf eine Überempfindlichkeit gegen die Masernimpfung weiter abgeklärt worden sei. Die Zweifel würden auch nicht durch das Attest vom 16. Juni 2021 entkräftet, das keine explizite Aussage über das Vorliegen einer medizinischen Kontraindikation enthalte.
5Die gegen diese weiter begründeten Feststellungen erhobenen Einwände führen nicht zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
6Das Beschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, dass der Antragsteller - entgegen den erstinstanzlichen Annahmen - mit der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung des Dr. med. S. aus F. vom 17. Juli 2020 eine medizinische Kontraindikation nach § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 IfSG hinreichend nachgewiesen hat, und er damit zum Besuch der Kindertagesstätte, einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nr. 1 IfSG, berechtigt ist (vgl. § 20 Abs. 8 IfSG). Auch die weiteren, im Verlauf des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eingereichten ärztlichen Bescheinigungen begründen einen solchen Nachweis nicht.
7In diesem Zusammenhang spricht bereits Vieles dafür, dass das vom Antragsteller vorgelegte Attest vom 17. Juli 2020 als Nachweis schon deswegen nicht (mehr) herangezogen kann, weil der ausstellende Arzt Dr. med. S. ausweislich seiner Mail an Herrn P. , Sachgebietsleiter Infektionsschutz beim Gesundheitsamt des Kreises I. , ausdrücklich die "Bescheinigung zurückgezogen" hat. Weiter erklärt Dr. med. S. darin, dass er Gleiches auch der Familie des Antragstellers mitgeteilt habe. Soweit der Antragsteller dagegen einwendet, dass Herr P. in rechtswidriger Weise unerträglichen Druck auf den behandelnden Arzt Dr. med. S. ausgeübt habe, weil er, um das Zurückziehen des Attestes zu erreichen, mit Strafanzeige oder Kammeranzeige gedroht habe, dürfte dies - selbst eine rechtswidrige Einflussnahme unterstellt - aller Voraussicht nach nicht dazu führen, dass durch die "zurückgezogene" Bescheinigung gleichwohl weiterhin ein Nachweis geführt werden könnte. Ungeachtet dessen sieht der Senat im derzeitigen Verfahrensstand keinen Anhalt für die vom Antragsteller behauptete rechtswidrige Beeinflussung. Es erscheint vielmehr nachvollziehbar, wenn Herr P. angesichts der von ihm formulierten Bedenken gegen die Aussagekraft des "Toxo Sensor Tests" des Labors Novogenia im Hinblick auf eine Impfunverträglichkeit ("Test kann keine Aussage zu Impfreaktionen treffen" lt. E-Mails des Labors O. ) und das gleichwohl durch Dr. med. S. unter dem 25. Februar 2021 (gemeint wohl 21. Mai 2021) unter Verweis auf die Ergebnisse des Labors O. attestierte Bestehen eines "gewissen Impfrisikos", es sich "vorbehält", die Ärztekammer über das Ausstellen von Attesten "ohne evidenzbasierte Grundlagen" zu informieren. Im Übrigen dürfte das Kreisgesundheitsamt wegen des vom Gesetzgeber als notwendig eingestuften Impfschutzes der Kinder gehalten sein, auf fehlerhafte Atteste, die zu ungerechtfertigten Befreiungen von der Impflicht und damit zu einer Gefährdung anderer führen könnten hinzuweisen und ggfs. die zur Aufsicht berufene Ärztekammer einzuschalten. Dies bedarf hier indessen keiner weiteren Vertiefung, weil auch unter Berücksichtigung des "zurückgezogenen" Attestes vom 17. Juli 2020 eine Kontraindikation nicht mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit hinreichend nachgewiesen ist.
8Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass mit einem vorgelegten Attest nur dann ein hinreichender Nachweis i. S. d. § 22 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 IfSG geführt ist, wenn es plausibel ist bzw. sein Beweiswert nicht erschüttert ist. Dabei ist nicht zu beanstanden, soweit das Verwaltungsgericht verlangt hat, dass das ärztliche Zeugnis nach § 22 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 IfSG eine auf ihre Plausibilität nachprüfbare inhaltliche Aussage über die Kontraindikation treffen, aber keine Aussagen zu Befunden oder Diagnosen enthalten muss.
9Vgl. dazu auch Bay. VGH, Beschluss vom 7. Juli 2021 - 25 CS 21.1651 -, juris Rn. 14 f. , m. w. N.; OVG Sachsen, Beschluss vom 5. Mai 2021 - 3 B 411/20 -, juris Rn. 20 f.
10Diese Grundsätze stellt der Antragsteller allerdings auch nicht in Frage, sondern wendet insoweit lediglich pauschal ein, dass sich aus den ärztlichen Bescheinigungen eindeutig und klar ergebe, dass er nicht geimpft werden dürfe und die entsprechenden Befunde evident seien; der behandelnde Arzt Dr. med. S. kenne ihn seit vielen Jahren und habe ihn persönlich untersucht und nicht lediglich eine "Ferndiagnose" getroffen.
11Mit diesen nicht näher substantiierten Behauptungen werden die Zweifel am Beweiswert der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht ausgeräumt. Insbesondere ist nach wie vor nicht ersichtlich und wird vom Antragsteller auch nicht vorgetragen, dass die mit dem Attest vom 17. Juli 2020 bescheinigte Allergie "gegen die Bestandteile der Masernimpfung … insbesondere die Inhaltsstoffe Gentamicin, Saccerose, Natrium phosphat, Natrium Chlorat und Hanks BSS Lösung" nicht lediglich auf den Angaben der Eltern beruht - in seiner nachfolgenden Bescheinigung vom 21. Mai 2021 bezieht sich Dr. med. S. hinsichtlich bestehender Allergien gegen "verschiedene Impfungen" ausdrücklich lediglich auf die Angaben der Eltern -, sondern dieser Feststellung eine medizinisch anerkannte Testung bzw. Diagnostik zugrunde liegt. Dass eine entsprechende Allergietestung bislang tatsächlich nicht erfolgt ist, bestätigt letztlich auch der im Beschwerdeverfahren vom Antragsteller vorgelegte Bericht der Klinik für Dermatologie am Universitätsklinikum E. (PD Dr. med. S. N. ) vom 20. September 2021, wonach hinsichtlich des weiteren Vorgehens eine "Indikationsstellung und allergologische Abklärung durch Allergologie der Kinderklinik" empfohlen wird. Auch wird darin gerade nicht festgestellt, dass eine entsprechende Allergie vorliegt. Lediglich Sensibilisierungen gegen Birken- und Haselpollen liegen nach den dortigen Angaben "laut eines auswärtigen Pricktestbefundes" vor.
12Auch die weiteren Atteste geben insoweit nichts her. In der ärztlichen Bescheinigung vom 12. November 2020 ist es angesichts eines positiven Bluttests auf Mumps lediglich bis zum 11. Dezember 2020 "aus ärztlicher Sicht nicht ratsam eine MMR-Imp-fung durchführen zu lassen". Die weitere Bescheinigung des Dr. med. S. vom 21. Mai 2021 stützt sich - wie bereits dargestellt - in Bezug auf eine Allergie gegen Impfungen nur auf den anamnestischen Bericht der Eltern des Antragstellers. Soweit darin der Schluss gezogen wird, dass eine Impfempfehlung für eine MMR-Impfung ärztlicherseits nicht gegeben werden könne, wird damit nicht die nach § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 IfSG nachzuweisende Kontraindikation bescheinigt. Nach den vorangestellten Ausführungen zu den Ergebnissen der Tests des O. -Labors liegt beim Antragsteller im Übrigen lediglich eine deutlich verminderte Entgiftungsfähigkeit vor, die dazu führe, dass u. a. Teile der Lösungsmittel, die in der MMR-Impfung vorkämen nur schlecht abgebaut werden könnten. Konkrete Anhaltspunkte für eine Kontraindikation, insbesondere eine Allergie gegen den Impfstoff, lassen sich dem nicht entnehmen. Dasselbe gilt für die entsprechende ärztliche Bescheinigung vom 26. Juli 2021. Dass der behandelnde Arzt Dr. med. S. , wie der Antragsteller vorträgt, über ein "Gesamtbild" des Patienten verfügt, reicht zum Nachweis einer Kontraindikation nicht aus.
13Nach der Bescheinigung des Dr. med. B. I1. aus I2. vom 16. Juni 2021 besteht ebenfalls (lediglich) eine Allergie gegen Birken- und Haselpollen und deswegen ein "erhöhtes Risiko für eine allergische Impfreaktion".
14Anders als die Beschwerde offenbar meint, genügt es zum Nachweis einer Kontraindikation auch nicht, dass nach den Feststellungen des Dr. med. S. eine "gewisse Unverträglichkeit" gegen eine MMR-Impfung möglich ist sowie ein "gewisses Impfrisiko" gegen eine MMR-Impfung besteht und deswegen (auch) die Uniklinik E. eine weitere Abklärung empfohlen hat. Allein der Umstand, dass sich dabei möglicherweise eine Kontraindikation ergeben wird, reicht auch im einstweiligen Anordnungsverfahren für die Bejahung des Anordnungsanspruchs nicht aus. Insbesondere geht der Antragsteller von einem fehlerhaften Verständnis des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens aus, wenn er meint, ein "endgültiger" Nachweis über eine Kontraindikation müsse erst im Hauptsacheverfahren vorliegen. Vor diesem Hintergrund ist es auch irrelevant, dass eine weitere Abklärung möglicher Allergien gegen den Impfstoff nun aufgrund eines anstehenden chirurgischen Eingriffs offenbar erst im Januar 2022 wird erfolgen können.
15Entsprechendes gilt im Hinblick auf die von der Beschwerde angeführten allergischen Reaktionen (mit Einlieferung ins Krankenhaus) in der Vergangenheit. Dem lässt sich nichts hinreichend Konkretes für eine Kontraindikation in Bezug auf die hier maßgebliche MMR-Impfung entnehmen. Auch der von der Beschwerde angeführte Aufsatz von K. C. zur ärztlichen Aufklärungspflicht bei Impfungen und zu generellen Impfrisiken gibt nichts Konkretes für eine Kontraindikation gerade hinsichtlich des Antragstellers her.
16Ohne Erfolg wendet der Antragsteller ein, die vorgelegten Atteste erfüllten die Anforderungen, weil das Auftreten von Allergien nicht vorab geklärt werden könne, da die vollständigen Inhaltsstoffe der MMR-Impfung nicht bekannt seien. Unabhängig davon, ob die Hersteller tatsächlich die Inhaltsstoffe nicht oder nicht samt konkreter Mengenangaben benennen, ist im derzeitigen Verfahrensstand jedenfalls nicht ersichtlich, dass dies einer Abklärung des Allergierisikos entgegenstehen würde. Vielmehr lässt sich auch aus dem vom Antragsteller vorgelegten Bericht der Uniklinik E. vom 20. September 2021 entnehmen, dass eine weitere Abklärung "z. B. durch Pricktestung mit MMR-Impfstoff und fraktioneller Impfung/Provokationstestung" offensichtlich ohne Weiteres in Betracht kommt.
17Worauf der Antragsteller mit dem Einwand, das Verwaltungsgericht vermenge Fragen der Speiseaufnahme mit Einimpfungen von Impfstoffen in die Blutbahn abzielen will, ist nicht nachvollziehbar, zumal das Verwaltungsgericht aus dem Schreiben der Eltern an die Kindertageseinrichtung, der Antragsteller könne alle Speisen zu sich nehmen, nichts für ihn Nachteiliges herleitet.
18Unter welchem Gesichtspunkt ein Anordnungsanspruch daraus folgen soll, dass die Mumps- und Röteln-Impfstoffe "menschliche Zellen von abgetriebenen Menschen" enthalten, legt der Antragsteller nicht näher dar. Soweit er dazu darauf verweist, ein Impfzwang komme jedenfalls für katholische Kinder nicht in Frage, wird nicht geltend gemacht oder näher dargelegt, dass gerade für ihn oder seine Eltern nach Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Glaubensgrundätze einer Impfung entgegenstehen.
19Es ist auch nicht anzunehmen, dass die Regelungen in § 20 Abs. 9 IfSG derart offensichtlich verfassungswidrig sind, dass ihre Nichtanwendung im Eilverfahren in Betracht käme.
20Vgl. auch Bay. VGH, Beschluss vom 7. Juli 2021 - 25 CS 21.1651 -, juris Rn. 10, m. w. N.; OVG Nds., Beschluss vom 9. Oktober 2020 - 10 ME 207/20 -, juris Rn 7 ff.; auch das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 11. Mai 2020 - 1 BvR 469/20 -, juris Rn. 13 ff., im Rahmen der Folgenabwägung das Interesse der antragstellenden Eltern, ihre Kinder ohne Masernschutzimpfung in einer Gemeinschaftseinrichtung betreuen zu lassen bzw. der antragstellenden Kinder, selbst dort betreut zu werden, gegenüber dem Interesse an der Abwehr infektionsbedingter Risiken für Leib und Leben einer Vielzahl von Personen zurücktreten lassen.
21Der möglicherweise auf eine Verfassungswidrigkeit abzielende Einwand, der Fehler liege im Gesetz selbst, weil nur ein Kombinationsimpfstoff (Masern, Mumps, Röteln) zur Verfügung stehe und es trotz Impfung zu Impfdurchbrüchen kommen könne, wogegen eine überstandene Masernerkrankung lebenslangen zuverlässigen Schutz biete, lässt jedenfalls keine offensichtliche Verfassungswidrigkeit erkennen.
22Soweit der Antragsteller auf den ihm zustehenden Rechtsanspruch auf Betreuung in einer Kindertageseinrichtung (vgl. § 24 Abs. 2 und 3 SGB VIII) und insbesondere auf auch im öffentlichen Recht über § 62 VwVfG NRW geltende Grundsätze des Vertragsrechts bzw. des BGB-Schuldrechts ("pacta sunt servanda") verweist, übersieht er, dass die entsprechenden Ansprüche durch die jedenfalls nicht offensichtlich verfassungswidrigen Regelungen des § 20 Abs. 8 und 9 IfSG im Hinblick auf den Infektionsschutz mit dem Erfordernis der Vorlage von Impf- oder Kontraindikationsnachweisen Einschränkungen erfahren haben.
23Anders als der Antragsteller möglicherweise meint, setzt eine zulässige Einschränkung des Zugangs auch keine Impfpflicht voraus. Vielmehr stellt es gegenüber einer mit einem zwingenden Eingriff in die körperliche Unversehrtheit verbundenen Impfpflicht das mildere Mittel dar, wenn (lediglich) die Inanspruchnahme einer Kindertageseinrichtung an entsprechende Nachweise geknüpft wird.
24Fehlt es nach Vorstehendem bereits an der - die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden - hohen Wahrscheinlichkeit des Bestehens eines Anordnungsanspruchs, bedarf es keiner (allgemeinen) Folgenabwägung mehr. Auf das wiederholte Vorbringen des Antragstellers zu den nicht wieder rückgängig zu machenden Nachteilen, die ihm dadurch entstehen, dass er keine Kindertageseinrichtung besuchen kann, kommt es danach nicht an.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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