Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 B 1356/21
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 30.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde ist unbegründet. Aus der Antragsbegründung, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag hätte stattgeben müssen,
3dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, die Stelle des Direktors der X mit dem Beigeladenen zu besetzen, bevor nicht über die Bewerbung des Antragstellers unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist.
4Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die Auswahlentscheidung des Antragsgegners begegne weder in formeller noch in materieller Hinsicht Bedenken. Weder die vom Antragsteller erhobenen Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der aus Anlass seiner Bewerbung um die streitgegenständliche Stelle gefertigten dienstlichen Beurteilung vom 15. März 2021 (Beurteilungszeitraum 13. März 2018 bis 12. März 2021) noch seine Einwände gegen die zusätzlich herangezogene Erkenntnisquelle in Gestalt eines Auswahlgesprächs mit den Bewerbern am 18. März 2021 seien berechtigt. Diese Annahmen stellt die Beschwerde nicht durchgreifend in Frage.
51. Ohne Erfolg verweist die Beschwerde "im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Beurteilung auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2021 ‑ 2 C 2.21 -". Wie der Pressemitteilung zu entnehmen sei, habe das Bundesverwaltungsgericht darin ausgeführt, die grundlegenden Vorgaben für die Erstellung der Beurteilungen müssten in Rechtsnormen geregelt werden. Der Gesetzgeber habe das System - Regelbeurteilung oder Anlassbeurteilung - sowie die Bildung eines Gesamturteils vorzugeben. Weitere Einzelheiten könnten Rechtsverordnungen überlassen werden bleiben. Dem würden die Regelungen in Nordrhein-Westfalen "nicht ansatzweise" gerecht.
6Damit ist ein Rechtsfehler der der Auswahlentscheidung zugrunde gelegten dienstlichen Beurteilungen der Konkurrenten nicht dargelegt. Die Beschwerde setzt sich weder mit dem Umstand auseinander, dass das Bundesverwaltungsgericht in der angesprochenen Entscheidung auch ausgeführt hat, die vorhandenen Rechtsnormen und die auf sie gestützten Verwaltungsvorschriften könnten für einen Übergangszeitraum weiterhin angewendet werden, um einen der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferneren Zustand zu vermeiden,
7BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2021 - 2 C 2.21 -, juris Rn. 40; s. auch Sächs. OVG, Beschluss vom 13. Oktober 2021 - 2 B 286/21 -, juris Rn. 17,
8noch mit dem Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 17. September 2020 - 2 C 2.20 -, BVerwGE 169, 254 = juris Rn. 16, bereits ausgesprochen hat, die derzeitige Gesetzes- und Verordnungslage in Nordrhein-Westfalen (§ 92 Abs. 1 LBG NRW, § 8 LVO NRW) genüge den vorbenannten Anforderungen.
9Vgl. auch von der Weiden, jurisPR-BVerwG 22/2021 Anm. 5 C. I.
102. Gleichfalls vergeblich macht die Beschwerde geltend, es bestehe beim Antragsteller eine Beurteilungslücke, was rechtswidrig sei. Insoweit werden bereits die Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO verfehlt. Der Beschwerde ist nicht einmal zu entnehmen, inwieweit eine Beurteilungslücke vorliegen soll; auch darüber hinaus bleibt jede Darlegung aus. Entgegen der nicht näher erläuterten Auffassung der Beschwerde ist das Vorliegen einer Beurteilungslücke, also eines nicht von dienstlichen Beurteilungen erfassten Zeitraums, aber keineswegs unter allen Umständen rechtswidrig.
11Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Oktober 2017 ‑ 6 B 1112/17 -, juris Rn. 23.
12Dazu, warum dies im Streitfall anzunehmen sein soll, verhält die Beschwerde sich nicht. Insoweit sieht auch der Senat hier keinen Anlass zu weitergehenden Ausführungen.
133. Die Beschwerde macht darüber hinaus nicht ersichtlich, dass die dem Antragsteller erteilte dienstliche Beurteilung vom 15. März 2021 mangels Durchführung des nach Ziff. 10.1 BRL
14- gemeint offensichtlich: Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Lehrerinnen und Leiterinnen sowie der Leiterinnen und Leiter an öffentlichen Schulen und Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung des für Schule zuständig zuständigen Ministeriums, Runderlass vom 19. Juli 2017, ABl. NRW 09/17 S. 35 -, im Folgenden: BRL -
15erforderlichen Beurteilungsgesprächs rechtswidrig ist. Nach dieser Bestimmung ist vor der Abfassung der Beurteilung sowie Abfassung eines Leistungsberichts mit der oder dem zu Beurteilenden ein Gespräch zu führen. In diesem Beurteilungsgespräch soll das Leistungs-, Befähigungs- und Eignungsbild, das die Beurteilerin bzw. der Beurteiler innerhalb des Beurteilungszeitraum gewonnen hat, mit der Einschätzung der oder des zu Beurteilenden verglichen werden, ohne eine verbindliche Bewertung im Sinne der Nr. 7.3 zu treffen. Die oder der zu Beurteilende soll in dem Beurteilungsgespräch die Möglichkeit erhalten, die Sachverhalte darzulegen, die ihr oder ihm für die Beurteilung wichtig erscheinen.
16Dass ein solches Gespräch geführt worden ist, ist allerdings in der Beurteilung vermerkt und auch im Übrigen unstreitig. Die Beschwerde stellt lediglich in Abrede, dass das Gespräch den normierten Voraussetzungen genügt. Zur Begründung dieser Ansicht beschränkt sie sich im Wesentlichen auf die Behauptung, ein Abgleich der Einschätzungen des Beurteilers und des zu Beurteilenden zum Leistungs-, Befähigungs- und Eignungsbild habe nicht stattgefunden. Auch hier bleibt jede nähere Erläuterung und Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts aus, das sich wiederum für seine Auffassung auf die eingehende Darstellung des Antragsgegners im Schriftsatz vom 7. Juni 2021 (einschließlich der Anlage 1, in der rund drei Seiten die Schilderung des Beurteilungsgesprächs umfassen) gestützt hat. Es kann im Übrigen auf der Grundlage der letztgenannten Darstellung nicht ernsthaft zweifelhaft sein, dass ein den Anforderungen
17- vgl. hierzu OVG NRW, etwa Urteil vom 27. Januar 2021 - 6 A 2176/19 -, juris Rn. 11; Beschluss vom 12. Juni 2014 - 1 B 271/14 -, IÖD 2014, 203 = juris Rn. 8 m. w. N. -
18genügendes Beurteilungsgespräch geführt worden ist.
194. Ohne Erfolg bleibt ferner das Monitum, auch Ziff. 10.2.2 BRL sei nicht eingehalten worden. Danach ist der oder dem zu Beurteilenden auf Wunsch Gelegenheit zu geben, die (bekanntgegebene) Beurteilung zu besprechen. In diesem Gespräch legt die Beurteilerin oder der Beurteiler dar, welche Erwägungen den Einzelbewertungen zugrunde liegen und wie das Gesamturteil aus den Einzelbewertungen hergeleitet worden ist (Satz 2). Neben Weiterem verhält sich die Beschwerde nicht dazu, inwieweit aus dem Unterbleiben eines solchen Gesprächs die Rechtswidrigkeit der dienstlichen Beurteilung folgen soll. Allgemein wird angenommen, dass eine dienstliche Beurteilung nicht schon deshalb fehlerhaft ist, weil eine Erörterung (Besprechung) der eröffneten Beurteilung mit dem beurteilten Beamten unterblieben ist.
20Vgl. etwa OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. August 2020 - 2 A 10197/19.OVG -, PersV 2021, 18 = juris Rn. 40; OVG NRW, Beschluss vom 16. Oktober 2014 - 1 B 856/14 -, ZBR 2015, 53 = juris Rn. 8 ff.; Sächs. OVG, Beschluss vom 16. August 2012 - 2 A 169/10 -, juris Rn. 6; Bodanowitz in: Schnellenbach/Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, 70. Aktualisierung 4/2021, (5) Weitere Verfahrensfehler Rn. 470, jeweils m. w. N.
215. Fehl geht ebenso der Vorwurf, das Beurteilungsverfahren sei wegen der Teilnahme des Herrn E. rechtswidrig, weil dieser damit an der Beurteilung seines zukünftigen Vorgesetzten mitgewirkt habe, weshalb eine Befangenheit im Sinne der Ziff. 4.10 BRL vorliege. Nach dieser Bestimmung dürfen Beurteilerinnen und Beurteiler nicht befangen sein. Hierzu hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, unabhängig von dem Fehlen jeglicher Anhaltspunkte für eine Interessenkollision stehe ihrer Annahme entgegen, dass Herr E. wenige Wochen nach Durchführung des schulfachlichen Gesprächs des Antragstellers (nämlich zum 1. Mai 2021) in den Ruhestand getreten sei. In Ansehung des absehbaren Eintritts in den Ruhestand sei eine Konfliktsituation nicht zu besorgen gewesen.
226. Die Beschwerde weckt ferner keine Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts, bei der Erstellung der dienstlichen Beurteilung sei der Beurteilungsbeitrag des LRSD W. I. berücksichtigt worden. Wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, folgt dies bereits aus der Erwähnung des Beitragsverfassers als Mitwirkender am Beurteilungsverfahren in der dienstlichen Beurteilung selbst und spricht dafür darüber hinaus die weitgehende Übereinstimmung von Beurteilungsbeitrag und Beurteilung. Dem setzt die Beschwerde nichts Substantielles entgegen.
23Die Beschwerde lässt auch die Rechtswidrigkeit des Beurteilungsbeitrags nicht hervortreten. Dass vor der Beurteilung eines Amts in der Schulaufsicht ein Beurteilungsbeitrag der zuständigen Schulaufsichtsbeamtin oder des zuständigen Schulaufsichtsbeamten einzuholen ist, ergibt sich aus Ziff. 9.9, zweiter Spiegelstrich BRL. Dieser von den Beurteilungsrichtlinien vorgesehene Beurteilungsbeitrag dient offensichtlich nicht dem Zweck, dem Beurteiler Erkenntnisse über das Leistungsbild in Zeiträumen vermitteln, die der Beurteiler nicht aus eigener Anschauung bewerten kann, sondern soll ihm - gegebenenfalls zusätzliche - Erkenntnisse in Bezug auf Arbeitszusammenhänge vermitteln, die der Beurteiler nicht zwingend aus eigener Anschauung kennt.
24Mit der Beschwerde wird diesbezüglich geltend gemacht, der schulfachliche Dezernent LRSD W. I. habe "den Beurteilungsbeitrag lediglich auf der Grundlage eines Leistungsberichtsformulars erstellt, die dieser jedoch nicht beurteilen kann, da hierzu keinerlei Erkenntnisquellen wie beispielsweise einen eingesehenen Unterricht oder ähnliches herangezogen worden sind". Dieser Satz ist schon unverständlich; worauf sich der Nebensatz bezieht, ist nicht erkennbar. Weiter trägt der Antragsteller mit der Beschwerde vor, das Erfordernis, dass Beurteilungsbeiträge bei der Ausübung des Beurteilungsspielraums zur Kenntnis genommen und bedacht werden müssten und dass sie ebenso wie die eigene Beobachtung des Beurteilers unverzichtbare Grundlage der Beurteilung seien, werde ad absurdum geführt, wenn man genügen lasse, dass der Ersteller des Beurteilungsbeitrag nicht eine Erkenntnisquelle habe, die auf tatsächlichen Beobachtungen beruhe. Dass der LRSD W. I. über keinerlei eigene Eindrücke vom Leistungsbild des Antragstellers verfügt hat, wird allerdings nur behauptet. Angesichts der entgegenstehenden Angabe im Beurteilungsbeitrag selbst und jeder weiteren Darlegung der Beschwerde hierzu kann nicht zugrunde gelegt werden, dass die Behauptung zutrifft. In dem Beitrag ist nämlich unter "Grundlagen" angegeben: "Langzeitbeobachtung/Arbeitskontakte in der Zeit vom 13.03.2018 bis 11.03.2021" und hierzu darüber hinaus angekreuzt: "Gespräch/e mit der Lehrerin oder dem Lehrer"; "Beobachtungen bei Dienstbesprechungen und Konferenzen" sowie "Beteiligung ehemaliger Vorgesetzter (BR N. )".
25Es kann offenbleiben, ob es Bedenken unterliegt, dass in dem Beurteilungsbeitrag auch die unterrichtliche Tätigkeit des Antragstellers bewertet ist, obwohl LRSD W. I. diese im vom Beitrag erfassten Zeitraum nicht selbst beobachtet hat. Der Antragsteller könnte daraus eine Rechtsverletzung nicht ableiten. Denn das Einzelmerkmal "Unterricht oder Ausbildung" ist im Beurteilungsbeitrag - und dem folgend in der dienstlichen Beurteilung - mit der Bestnote von 5 Punkten bewertet.
267. Die Rechtswidrigkeit der dem Antragsteller erteilten dienstlichen Beurteilung vom 15. März 2021 belegt die Beschwerde schließlich nicht mit dem Hinweis, in drei Einzelmerkmalen sei dem Antragsteller lediglich die zweitbeste Note zuteil geworden, obwohl er in den vorangegangenen Beurteilungen stets die Bestbeurteilung erhalten habe und "keinerlei Begründungen gegeben oder bekannte Erkenntnisquellen genutzt worden wären". Auch diesbezüglich bleibt jede weitere Darlegung aus, sodass nicht nachvollziehbar ist, was mit dem Vorwurf gemeint sein soll, es seien keine bekannten Erkenntnisquellen genutzt worden. Im Übrigen ist regelmäßig weder die Begründung von Einzelmerkmalen in dienstlichen Beurteilungen, die - wie hier - allein anhand von Zahlen- bzw. Buchstabenwerten erstellt werden, rechtlich zwingend,
27vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Oktober 2019 ‑ 6 B 1087/19 -, juris Rn. 23 f. m. w. N.,
28noch ist eine Begründung für den Umstand erforderlich, dass bestimmte Einzelmerkmale um eine Notenstufe schlechter bewertet werden als in vorausgegangenen Beurteilungen.
29Ob die Bewertung des Einzelmerkmals "Organisation und Verwaltung" aus Rechtsgründen zu beanstanden bzw. die diesbezügliche Abweichung vom Beurteilungsbeitrag hinreichend begründet ist, kann dahinstehen. Denn allein die Anhebung der Bewertung dieses Merkmals (und gegebenenfalls in der Folge sogar des Gesamturteils) von 4 auf die Bestbewertung von 5 Punkten würde nicht daran vorbei führen, dass dem Beigeladenen beim Vergleich der dienstlichen Beurteilungen jedenfalls auf der Ebene der Einzelmerkmale ein Vorsprung zukommt. Denn letzterer hat in sämtlichen Einzelmerkmalen die Bestbewertung von 5 Punkten erhalten, während dem Antragsteller in (jetzt) fünf bzw. (dann unterstellt) vier Einzelmerkmalen die etwas schwächere Bewertung mit 4 Punkten erteilt worden ist. Die Auswahl des Antragstellers bei Vermeidung eines etwaigen in der Bewertung des Einzelmerkmals "Organisation und Verwaltung" liegenden Fehlers erscheint daher ausgeschlossen. Verletzt eine Auswahlentscheidung den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers, ist der auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtete Eilantrag nur dann erfolgreich, wenn dessen Aussichten, bei einer erneuten, den aufgezeigten Rechtsfehler vermeidenden Auswahlentscheidung ausgewählt zu werden, zumindest offen sind.
30Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 22. Juli 2019 ‑ 6 B 708/19 -, juris Rn. 18 m. w. N.
318. Ebenfalls ohne Relevanz ist die Rüge, hinsichtlich des durchgeführten schulfachlichen Gesprächs liege ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vor. Denn die Beschwerde setzt sich nicht hinreichend damit auseinander und lässt daher auch nicht die Rechtsfehlerhaftigkeit der Erwägung des Verwaltungsgerichts erkennen, in Anbetracht des klaren Beurteilungsvorsprungs des Beigeladenen könnten sich etwaige Defizite im weiteren Auswahlverfahren nicht dergestalt auswirken, dass die ernstliche Möglichkeit einer dem Antragsteller günstigeren Entscheidung über seine Bewerbung auf die streitige Stelle bestünde.
32Abgesehen davon ist der Beschwerde aber auch nicht zu entnehmen, inwieweit der Antragsteller durch die Dauer des schulfachlichen Gesprächs benachteiligt worden sein soll. Insoweit fehlt - neben Weiterem - schon jede Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts dazu, dass das Gespräch schon nach dem Vortrag des Antragstellers aufgrund von Verzögerungen durch Maßnahmen, die der andauernden COVID-19-Pandemie Rechnung getragen hätten (Lüftungspausen, Kommunikationserschwernisse), länger gedauert habe als vorgesehen.
339. Aus dem bereits unter 8. genannten Grund bleibt auch die Beanstandung ohne Belang, die Besetzung der Auswahlkommission sei rechtswidrig gewesen. Unabhängig davon ist ein Verstoß gegen § 9 Abs. 2 LGG NRW nicht dargetan. Nach dieser Vorschrift sollen Auswahlkommissionen zur Hälfte mit Frauen besetzt werden. Ist dies aus zwingenden Gründen nicht möglich, sind die Gründe aktenkundig zu machen (Satz 2).
34Im Streitfall - in dem im Übrigen sämtliche Bewerber männlich waren - war die am 28. März 2021 zusammengetretene Auswahlkommission folgendermaßen besetzt: Ministerialdirigent Dr. T. (Leiter Abteilung 2), Ministerialdirigent H. (Leiter Abteilung 1), Ministerialdirigentin C. -C1. (Leiterin Abteilung 3), Ministerialdirigent C2. (Leiter Abteilung 4), Regierungsbeschäftigter G. (Leiter Abteilung 5), Ministerialrätin Dr. L. (Gleichstellungsbeauftragte) sowie Ministerialrätin T1. (Leiterin Referat 215). Da mithin vier Männer und nur drei Frauen vertreten waren, war eine geschlechterparitätische Besetzung der Kommission nicht gegeben. Die Beschwerde zieht indessen nicht durchgreifend die Feststellung des Verwaltungsgerichts in Zweifel, es liege ein zwingender Grund im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 2 LGG NRW vor.
35Ob zwingende Gründe für das Abweichen im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 2 LGG NRW vorliegen, unterliegt - wenn diese auch von organisatorischen Vorfestlegungen des Dienstherrn abhängig sein mögen - voller gerichtlicher Nachprüfung. Der Gesetzesbegründung ist hierzu zu entnehmen, dass "funktionsbedingte Besetzungen von Auswahlkommissionen" von der Paritätsvorgabe ausgenommen sein sollen.
36LT-Drs. 12/3959, S. 54.
37Zwingende Gründe im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 2 LGG NRW liegen vor, wenn eine nichtparitätische Besetzung der Auswahlkommission aus Sachgründen unabweisbar ist. Dies ist der Fall, wenn eine paritätische Besetzung weder durch Hinzuziehung einer weiteren Frau zu erreichen ist, von der anzunehmen ist, dass sie aufgrund ihrer Fach- bzw. Personalkompetenz und Einordnung in die behördliche Struktur in qualifizierter Weise zur Beurteilung der Eignung der Kandidaten beitragen kann,
38ähnlich BT-Drs. 14/5679 S. 21 und 18/3784 S. 85 zu § 7 Abs. 3 BGleiG, wonach allerdings triftige Gründe für das Abweichen von der Paritätsvorgabe erforderlich sind; danach versteht es sich von selbst, dass eine Mitwirkung in einer Auswahlkommission die entsprechende Personalkompetenz voraussetzt, bzw. können triftige Gründe für das Abweichen gegeben sein, wenn die Qualifikation hinsichtlich der anstehenden Personalauswahl fehlt,
39noch sinnvollerweise durch eine Verkleinerung der Kommission hergestellt werden kann.
40Vgl. LAG Hamm (Westfalen), Urteil vom 19. September 2019 - 11 SaGa 47/19 -, juris Rn. 34 m. w. N.
41Regelmäßig werden zwingende Gründe allerdings nicht bereits damit zu begründen sein, dass die Leitungsfunktionen derjenigen Bereiche, die in einer Kommission vertreten sein sollten, mit Männern besetzt sind.
42v. Roetteken in: v. Roetteken, Bundesgleichstellungsgesetz, 27. AL 10/2021, 7. Abweichen aus triftigen Gründen (Abs. 3 S. 2), Rn. 180, zu § 7 Abs. 3 BGleiG.
43Denn ließe man dies ausreichen, käme die Vorgabe des § 9 Abs. 2 Satz 1 LGG NRW gerade in Bereichen, in denen die - wie weithin noch festzustellen - Männer in Leitungspositionen überrepräsentiert sind, nicht zur Anwendung. Dies würde der Zielsetzung der Vorschrift nicht gerecht, mit der die Durchsetzung der Gleichberechtigung sowie die Chancengleichheit von Frauen und Männern durch bindende Verfahrensvorgaben strukturell verbessert werden soll.
44Im Streitfall stellt die Beschwerde jedoch nicht durchgreifend infrage, dass das Verwaltungsgericht zu Recht das Vorliegen zwingender Gründe im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 2 LGG NRW bejaht hat. Denn hier stand die Entscheidung über die Besetzung einer Leitungsposition einer besonderen Einrichtung des Schulministeriums in Rede, deren herausgehobene Qualität es angezeigt erscheinen ließ, dass die Abteilungsleitungen aller fünf Abteilungen des Schulministeriums (ergänzt durch die Referatsleiterin des zuständigen Referats und die Gleichstellungsbeauftragte) in der Auswahlkommission vertreten waren, so dass Geschlechterparität weder durch die Hinzuziehung weiterer weiblicher Beschäftigter etwa im Wege der Vertretung noch durch Verkleinerung der Kommission herzustellen war. In dem Vermerk vom 25. Februar 2021 ist hierzu ausgeführt, an dem Auswahlgespräch sollten wegen der direkten fachlichen Bezüge der Leitung X alle Abteilungsleitungen des Ministeriums, die Gleichstellungsbeauftragte sowie die Referatsleiterin 215 teilnehmen. Eine Parität sei aufgrund der funktionsbezogenen Besetzung der Auswahlkommission nicht möglich. Eine Vertretung der männlichen Abteilungsleiter sei im Hinblick auf die Sicherung der Abfrage aller fachlichen und persönlichen Aspekte in den Arbeitszusammenhängen der X und des Ministeriums nicht möglich. Diese Erwägungen sind nachvollziehbar. Bei der X handelt es sich um die zentrale Einrichtung für pädagogische Dienstleistungen insbesondere zur Unterstützung der Schulen in Nordrhein-Westfalen bei der Wahrnehmung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrages. Sie berät und unterstützt auch das Ministerium für Schule und Bildung. Wesentliche Leistungen der X sind unter anderem die Entwicklung von Lehrplanentwürfen für alle Schulformen und Schulstufen, die Entwicklung von Aufgaben für die zentralen Prüfungen, die Erstellung von Handreichungen und Materialien für die Unterrichts- und Schulentwicklung, die Durchführung und Begleitung von Evaluationen und Modellvorhaben, zentrale und landesweit angelegte Maßnahmen der Professionalisierung des pädagogischen Leitungs- und Fortbildungspersonals, Beobachtung und Analyse schulfachlicher Entwicklungen in Wissenschaft und Forschung, sowie übergreifende Qualitätssicherung und Weiterentwicklung im Bereich der Weiterbildung. Die X nimmt ihre Aufgaben in enger Kooperation mit den Schulaufsichtsbehörden wahr und arbeitet mit den Weiterbildungsträgern und anderen Einrichtungen und Stellen aus Lehrerbildung, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zusammen.
45Vgl. Runderlass des Ministeriums für Schule und Bildung vom 17. Mai 2018 - 122-1.07.03-17 -, insb. Ziff. 2 und 4.
46Diese besondere Qualität der Einrichtung und der dort zu besetzenden Leitungsposition nimmt die Beschwerde mit dem Vortrag, selbstverständlich hätten auch andere Mitglieder außer den fünf Abteilungsleitungen an dem Auswahlgespräch teilnehmen können, nicht in den Blick. Die Behauptung, auf der Grundlage der Auffassung des Verwaltungsgerichts könnte eine Auswahlkommission niemals paritätisch besetzt werden, entbehrt insoweit der Grundlage. Dazu, wer für die Besetzung der Auswahlkommission in Betracht gekommen wäre, verhält sich die Beschwerde schon nicht.
47Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 GKG.
48Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
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