Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 B 1217/21
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 7.500,- Euro festgesetzt.
Gründe:
1Die zulässige Beschwerde der Beigeladenen hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Aussetzungsantrag des Antragstellers zu Unrecht stattgegeben, wie die Beigeladene hinreichend dargelegt hat (dazu 1.). Die deshalb vom Senat vorzunehmende Interessenbewertung fällt zulasten des Antragstellers aus (dazu 2.).
21. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die der Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 20. April 2021 zur Errichtung und zum Betrieb eines Umspannwerks erweise sich schon deshalb voraussichtlich als zulasten des Antragstellers rechtswidrig, weil die hierfür erforderliche landschaftsrechtliche Befreiung vom Antragsgegner nicht erteilt worden sei, ist jedenfalls nicht mehr tragfähig, nachdem der Antragsgegner der Beigeladenen diese Befreiung am 4. November 2021 nachträglich erteilt hat. Diese Änderung zugunsten der Genehmigungsinhaberin ist nach allgemeinen Grundsätzen materiell im vorliegenden Verfahren berücksichtigungsfähig und auch prozessual zu berücksichtigen. Denn die Beigeladene hat bereits mit der Beschwerdebegründung nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO fristgerecht auf die bevorstehende Befreiungserteilung und ihre Bedeutung für das vorliegende Verfahren abgestellt.
3Vgl. in diesem Zusammenhang auch OVG NRW, Beschluss vom 15. Januar 2018 – 2 A 2747/15 –, BauR 2018, 976 = juris Rn. 4 ff., m. w. N.
4Vor diesem Hintergrund mag dahinstehen, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts, es komme nicht darauf an, ob – wie bereits erstinstanzlich detailliert dargelegt worden war - die erforderliche Befreiung in näherer Zukunft erteilt werden werde bzw. ob die Befreiungsvoraussetzungen vorlägen, weil maßgeblich die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bestehende Sach- und Rechtslage sei, jedenfalls im vorliegenden Kontext möglicherweise zu kurz gegriffen hat. Denn maßgeblich für die Beurteilung, ob entgegen der gesetzlichen Wertung des § 212a BauGB die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist, sind in erster Linie die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren. Dies bringt es mit sich, dass in die Interessenabwägung zumindest einzustellen ist, ob vorhandene Mängel etwa einer Genehmigung voraussichtlich noch während der Dauer des gerichtlichen Verfahrens geheilt werden können. Dies ist etwa für formale Mängel, eine fehlende Begründung oder unzureichende Ermessenserwägungen in der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts seit langem anerkannt.
5Vgl. nur OVG NRW, Beschlüsse vom 6. August 2021 - 2 B 973/21 -, juris Rn. 6 ff., m. w. N., und vom 5. September 2008 - 8 B 834/08 -, juris Rn. 17 ff.
6Vor diesem Hintergrund liegt jedenfalls die Annahme nicht fern, dass in die prognostische Abschätzung der Erfolgsaussichten einer Drittanfechtungsklage auch einzustellen ist, ob nach überschlägiger Prüfung die Befreiungsvoraussetzungen nach § 67 BNatSchG vorliegen und deshalb die bereits beantragte Befreiung voraussichtlich erteilt werden wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die zuständige Untere Landschaftsbehörde eine entsprechende Ermessensentscheidung bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen konkret in Aussicht stellt, wie es hier bereits zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung der Fall gewesen ist. Jedenfalls für das vorliegende Beschwerdeverfahren war eine solche Prognose angezeigt, weil seitens der Beigeladenen schon mit der Beschwerdebegründung im Einzelnen belastbare Anhaltspunkte dafür vorgetragen worden waren, dass im Ergebnis das Verfahren nach § 75 LNatSchG in ihrem Sinne ausgehen werde. Dass sich dies – wie ausgeführt – tatsächlich bestätigt hat, ist damit für das vorliegende Verfahren nicht einmal ausschlaggebend gewesen. Mit anderen Worten hängt und hing die Entscheidung nicht vom Zeitpunkt der Befreiungsentscheidung ab.
7Schon aus diesem Grund kommt es auch auf den Umstand, dass der Antragsteller inzwischen (auch) gegen die landschaftsrechtliche Befreiung Widerspruch eingelegt hat, für die zu treffende Entscheidung über die Beschwerde nicht entscheidend an. Dies führt insbesondere nicht dazu, dass diese gewissermaßen automatisch für die prognostische Entscheidung und die Interessenbewertung des Gerichts in Wegfall gekommen sein könnte, wie der Antragsteller offenbar annimmt. Im Übrigen ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass dieser Widerspruch offensichtlich erfolgreich sein wird. Hiergegen dürfte nicht zuletzt sprechen, dass in Anbetracht der die Landschaft im unmittelbaren Nahbereich des Vorhabens schon beherrschenden Bauten der Hochspannungsfreileitung der Einfluss gerade des Vorhabens auf das Landschaftsbild zu vernachlässigen ist. Im Übrigen nimmt das Vorhaben mit etwa 2.500 m² nur einen Bruchteil des insgesamt 10.360.000 m² großen Landschaftsschutzgebietes ein (etwa 0,02 %). Angesichts seiner Höhe von nur ca. 3,50 m im Maximum ist auch eine weiträumige Sichtbarkeit mit einer entsprechenden potentiell negativen Wirkung konkret auszuschließen. Umgekehrt kommt den öffentlichen Interessen an der effizienten Nutzung erneuerbarer Energien zweifellos eine ganz erhebliche Bedeutung zu.
82. Die damit vom Senat eigenständig vorzunehmende Interessenabwägung,
9vgl. dazu etwa OVG NRW, Beschluss vom 29. Juni 2021 – 2 B 499/21 -, juris Rn. 16 ff.
10fällt auf der Grundlage der dem Senat vorliegenden Erkenntnisse, die im Kern auf dem (fristgerechten) Vortrag der Beteiligten beruht und der in der gegebenen prozessualen Situation umfassend zu berücksichtigen war, zulasten des Antragstellers aus. Es lässt sich auch unter Würdigung seiner Einwände gegen die angegriffene Baugenehmigung vom 20. April 2021 nicht feststellen, dass sie aufgrund der Verletzung umweltbezogener Bestimmungen offensichtlich rechtswidrig wäre (dazu unter a). Ausgehend hiervon fällt die erforderliche allgemeine Interessenabwägung zugunsten des Antragsgegners und der Beigeladenen aus (dazu unter b).
11a) Nach summarischer Prüfung spricht nach Auffassung des Senats jedenfalls Überwiegendes dafür, dass der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Umspannwerkes Belange des § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB im Ergebnis nicht entgegenstehen. Dies ist jedenfalls nicht in einer die Interessenbewertung vorsteuernden Weise offensichtlich.
12aa) Der von dem Antragsteller geltend gemachte Verstoß gegen das Beeinträchtigungsverbot des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2009/147/EG (Vogelschutzrichtlinie) und damit gegen Belange des Naturschutzes i. S. v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB liegt voraussichtlich nicht vor. Es kann jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren nicht davon ausgegangen werden, dass das Vorhabengrundstück in einem faktischen Vogelschutzgebiet liegt, weil es integraler Bestandteil des zur Nachmeldung vorgesehenen Vogelschutzgebietes „E. - und I. “ wäre.
13Zwar gilt das Beeinträchtigungsverbot des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie auch für faktische, noch nicht ausgewiesene Vogelschutzgebiete.
14Vgl. EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2007 - C‑418/04 -, juris Rn. 84, m. w. N.
15Der Vorhabenstandort befindet sich aber nicht in einem faktischen Vogelschutzgebiet i. S. v. Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie, namentlich nicht im Europäischen Vogelschutzgebiet „E. - und I. mit Wäldern bei C. und N. “, dessen Meldung an die EU-Kommission derzeit vorbereitet wird.
16Nach den von der Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für ein faktisches Vogelschutzgebiet im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie entwickelten Maßstäben sind dies solche Gebiete, die nach den Kriterien der Vogelschutzrichtlinie förmlich unter Vogelschutz hätten gestellt werden müssen, aber nicht als Vogelschutzgebiet ausgewiesen worden sind. Sie unterliegen dem vorläufigen Schutzregime des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie, wonach die Mitgliedstaaten die geeigneten Maßnahmen treffen, um die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume sowie die Belästigung der Vögel, sofern sich diese auf die Zielsetzungen dieses Artikels erheblich auswirken, in den in den Absätzen 1 und 2 genannten Schutzgebieten zu vermeiden. Dieses Schutzregime ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass bis zu einem Regimewechsel nach Art. 7 der Richtlinie 92/43/EWG das Spektrum der Gründe, die eine Einschränkung des Vogelschutzes zugunsten eines Infrastrukturvorhabens rechtfertigen können, sehr eingeschränkt ist. Nur überragende Gemeinwohlbelange wie etwa der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen oder der Schutz der öffentlichen Sicherheit sind geeignet, das Beeinträchtigungs- und Störungsverbot des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie zu überwinden.
17Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 der Vogelschutzrichtlinie erklären die Mitgliedstaaten insbesondere die für die Erhaltung der im Anhang I aufgeführten Vogelarten zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu Schutzgebieten, wobei die Erfordernisse des Schutzes dieser Arten in dem geografischen Meeres- und Landgebiet, in dem diese Richtlinie Anwendung findet, zu berücksichtigen sind. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie ergänzt diese Bestimmung dahin, dass die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der Schutzerfordernisse in dem geografischen Meeres- und Landgebiet, in dem diese Richtlinie Anwendung findet, die entsprechenden Maßnahmen für die nicht in Anhang I aufgeführten, regelmäßig auftretenden Zugvogelarten hinsichtlich ihrer Vermehrungs-, Mauser- und Überwinterungsgebiete sowie der Rastplätze in ihren Wanderungsgebieten treffen.
18Aus diesen Regelungen folgt jedoch nicht, dass sämtliche Landschaftsräume unter Schutz gestellt werden müssen, in denen die in Art. 4 der Vogelschutzrichtlinie genannten Vogelarten vorkommen. Vielmehr haben die Mitgliedstaaten die Gebiete auszuwählen, die im Verhältnis zu anderen Landschaftsteilen am besten die Gewähr für die Verwirklichung der Richtlinienziele bieten. Schutzmaßnahmen sind danach zu ergreifen, soweit sie erforderlich sind, um das Überleben und die Vermehrung der in Anhang I aufgeführten Vogelarten und der in Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutzrichtlinie angesprochenen Zugvogelarten sicherzustellen. Die Auswahlentscheidung hat sich ausschließlich an diesen ornithologischen Erhaltungszielen zu orientieren. Eine Abwägung mit anderen Belangen findet nicht statt. Unter Schutz zu stellen sind die Landschaftsräume, die sich nach ihrer Anzahl und Fläche am ehesten zur Arterhaltung eignen. Welche Gebiete hierzu zählen, legt das Unionsrecht nicht im Einzelnen fest. Jeder Mitgliedstaat muss das Seine zum Schutz der Lebensräume beitragen, die sich auf seinem Hoheitsgebiet befinden. Entscheidend ist allein die ornithologische Wertigkeit, die nach quantitativen und nach qualitativen Kriterien zu bestimmen ist. Zu den Bewertungskriterien gehören neben Seltenheit, Empfindlichkeit und Gefährdung einer Vogelart unter anderem die Populationsdichte und Artendiversität eines Gebietes, sein Entwicklungspotenzial und seine Netzverknüpfung sowie die Entwicklungsperspektiven der bedrohten Art. Je bedrohter, seltener oder empfindlicher die Arten sind, desto größere Bedeutung ist dem Gebiet beizumessen, das die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente aufweist. Nur Lebensräume und Habitate, die unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe für sich betrachtet in signifikanter Weise zur Arterhaltung beitragen, gehören zum Kreis der im Sinne des Art. 4 der Vogelschutzrichtlinie geeignetsten Gebiete.
19Dabei ist das Verzeichnis der „Important Bird Areas“ (IBA) ein qualifiziertes Erkenntnismittel für die Gebietsauswahl und ein gewichtiges Indiz bei der nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 der Vogelschutzrichtlinie gebotenen Eignungsbeurteilung, das als Orientierungshilfe dient.
20Die Identifizierung der für die Erhaltung der Vogelarten nach ornithologischen Kriterien „zahlen- und flächenmäßig“ geeignetsten Gebiete wird gerichtlich nur eingeschränkt überprüft, weil Art. 4 Abs. 1 Satz 4 der Vogelschutzrichtlinie den Mitgliedstaaten insoweit einen fachlichen Beurteilungsspielraum eröffnet. Ob eine Ausweisung als Vogelschutzgebiet aus sachfremden Erwägungen unterblieben ist, ist dagegen gerichtlich voll überprüfbar.
21Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa EuGH, Urteile vom 26. April 2018 - C‑97/17 -, juris Rn. 60 ff., vom 13. Dezember 2007 - C‑418/04 -, juris Rn. 36 ff., und vom 2. August 1993 - C‑355/90 -, juris Rn. 26; BVerwG, Urteile vom 6. April 2017 ‑ 4 A 16.16 -, juris Rn. 19, vom 11. August 2016 ‑ 7 A 1.15 -, juris Rn. 88 f., und vom 21. Juni 2006 - 9 A 28.05 -, juris Rn. 20 f., Beschlüsse vom 13. März 2008 - 9 VR 9.07 -, juris Rn. 14 f., und vom 24. Februar 2004 - 4 B 101.03 -, juris Rn. 13 f., jeweils m. w. N.
22Werden Regionen mit gleichwertigen Eigenschaften für die Erhaltung der Vogelarten nur teilweise als Vogelschutzgebiet ausgewiesen, muss die Gebietsabgrenzung unter Berücksichtigung der natürlichen Grenzen des betroffenen Ökosystems erfolgen und darf nicht das Ergebnis einer isolierten Prüfung des ornithologischen Wertes jeder einzelnen der in Rede stehenden Flächen sein.
23Vgl. EuGH, Urteile vom 26. April 2018 - C‑97/17 -, juris Rn. 62 (IBA-Gebiet im Gebirge), vom 14. Januar 2016 - C‑141/14 -, juris Rn. 30 (IBA-Gebiet in einer Küstenregion), und vom 13. Dezember 2007 - C-418/04 -, juris Rn. 142 (Wattgebiet).
24Innerhalb der natürlichen Grenzen des betroffenen Ökosystems kann relevant sein, inwieweit die für die Gebietsausweisung ausschlaggebenden Vogelarten die Flächen in durchschnittlichem oder darüber hinausgehendem Umfang nutzen.
25Vgl. EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2007 ‑ C‑418/04 -, juris Rn. 137, 145 (Wattgebiet).
26An die Behauptung, es gebe ein faktisches Vogelschutzgebiet bzw. die Abgrenzung eines noch auszuweisenden Vogelschutzgebiets sei aus ornithologischer Sicht nicht vertretbar, sind angesichts des fortgeschrittenen Standes des Melde- und Gebietsausweisungsverfahrens besondere und gesteigerte Anforderungen zu stellen.
27Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. März 2008 ‑ 9 VR 9.07 -, juris Rn. 16; Nds. OVG, Beschluss vom 10. März 2010 - 12 ME 176/09 -, juris Rn. 20.
28Nach diesen Maßgaben liegt der Vorhabenstandort nicht in einem faktischen Vogelschutzgebiet im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie. Es spricht zwar viel dafür, dass der im Verfahren zur Meldung des Europäischen Vogelschutzgebietes „E. - und I. mit Wäldern bei C. und N1. “ vom LANUV NRW vorgelegte naturschutzfachliche Vorschlag für die Gebietskulisse ein solches faktisches Vogelschutzgebiet ausweist.
29Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 1. März 2021 – 8 A 1183/18 -, BauR 2021, 1105 = juris Rn. 284 ff.
30Die Feldflur I1. und insbesondere der Vorhabenstandort sind hiervon jedoch nicht umfasst. Dass die vom LANUV NRW insoweit vorgenommene Gebietsabgrenzung im Grundsatz nicht zu beanstanden ist, hat bereits der 8. Senat des beschließenden Gerichts im vorgenannten Urteil vom 1. März 2021 – 8 A 1183/18 - im Einzelnen überzeugend dargelegt. Auch wenn diese Ausführungen nicht unmittelbar das hier in Rede stehende Gebiet betreffen, sondern einen anderen, gleichfalls entgegen dem Vorschlag des Vereins für Natur- und Vogelschutz im HSK e. V. (VNV) nicht einbezogenen Bereich, können diese Feststellungen auf das vorliegende Verfahren zumindest insoweit übertragen werden, als jedenfalls eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Gebietsabgrenzung (auch) hier nicht zugrundegelegt werden kann. Dies gilt umso weniger, als die Gebietsansprüche insbesondere des Mornellregenpfeifers, aber auch der anderen vom Antragsteller angeführten Vogelarten geradezu das Gegenteil dessen sind, was für die wertbestimmenden Arten des (zukünftigen, derzeit allenfalls faktischen) Vogelschutzgebietes essentiell ist. Die Lebensräume der für die Ausweisung dieses Vogelschutzgebietes maßgeblichen (wertbestimmenden) Vogelarten Grauspecht, Neuntöter und Raubwürger sind zwar sehr unterschiedlich - der Grauspecht ist ein Waldbewohner in Laub- und Mischwäldern, dagegen sind Raubwürger und Neuntöter in extensiv genutzten halboffenen (beim Neuntöter zusätzlich: gebüschreichen) Kulturlandschaften zu finden -, decken sich aber in keinem Fall mit denjenigen des Mornellregenpfeifers, der gerade nach dem Vortrag des Antragstellers auf offene Kulturlandschaften ohne jegliche (horizontale) Strukturen angewiesen ist.
31Vgl. auch Saarl. OVG, Urteil vom 4. Februar 2020 – 2 C 273/18 -, AUR 2020, 423 = juris Rn. 36.
32Dies gilt entsprechend für die (brütende) Feldlerche und die übrigen Watvögel, die im Gebiet als Zugvögel vorkommen. Ein gleicher Befund ergibt sich für die Landschaft selbst aus der Beschreibung des zur Meldung vorgesehenen Gebietes, das durch „Ausgedehnte Wälder mit großen Kernen aus struktureichen Laubmischwäldern, naturnahen Fließgewässern, Grünländern, Kalkmagerrasen und Hecken-Komplexen“, die Lebensräume für zahlreiche Brutvogelarten der EU-Vogelschutz-Richtlinie seien, charakterisiert wird. Hiervon findet sich in der Feldflur I1. indes gerade nichts wieder. Vor diesem Hintergrund bestand für die Einbeziehung des hier in Rede stehenden Gebietes jedenfalls keine offensichtliche Veranlassung.
33Demgegenüber führen ein etwaiges Vorkommen des Rotmilans und seine Raumnutzung in der Feldflur I1. schon deshalb nicht zur Annahme eines faktischen Vogelschutzgebietes, weil er nicht zu den drei Vogelarten gehört, die für die Meldung des Vogelschutzgebietes nach den vom LANUV angelegten und fachlich anerkannten Kriterien,
34vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 1. März 2021 – 8 A 1183/18 -, BauR 2021, 1305 = juris Rn. 312,
35ausschlaggebend waren. Nach diesen Kriterien gilt ausdrücklich, dass es in dem Gebiet auf einen Verbreitungsschwerpunkt der jeweiligen Art in Nordrhein-Westfalen ankommt und für annähernd gleichmäßig in bestimmten Regionen vorkommende Arten – wie den Rotmilan - keine Schutzgebiete gemeldet werden.
36Vgl. Brocksieper und Woike, LÖBF-Mitteilungen 2/99, S. 9 f.; zu Einzelheiten OVG NRW, Urteil vom 1. März 2021 – 8 A 1183/18 -, BauR 2021, 1305 = juris Rn. 312 ff.
37Dass dies schon bei summarischer Prüfung offensichtlich fehlerhaft wäre, ist nicht zu begründen.
38bb) Bei summarischer Prüfung liegt vor diesem Hintergrund auch kein (offensichtlicher) Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG in Bezug auf den insoweit im Zentrum stehenden Mornellregenpfeifer vor. Dabei kann letztlich offen bleiben, ob ein solcher Verstoß schon deshalb ausscheidet, weil diese Art im Plangebiet zumindest in den letzten beiden Jahren auch nach dem Vortrag des Antragstellers im Bereich des Vorhabens nicht festgestellt wurde, und ob die Annahmen des Antragstellers zum Meideverhalten gegenüber Anlagen wie die hier in Rede stehende zutreffen. Denn selbst unter diesen (kumulativen) Prämissen erscheint eine relevante, dem Vorhaben zuzurechnende Störung in den tatsächlichen Gegebenheiten zumindest nicht naheliegend. Aufgrund dessen mag auch offen bleiben, ob eine erhebliche Störung im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbsatz BNatSchG anzunehmen wäre, obwohl es eine lokale Population des Mornellregenpfeifers, der – wenn überhaupt – sich nur wenige Tage im Jahr im Bereich des Vorhabens aufhält, nicht gibt und die Art bzw. Gesamtpopulation als solche jedenfalls nicht messbar dadurch beeinträchtigt wird, dass eine ohnehin allenfalls mäßig frequentierte Raststelle wegfiele. Das erscheint umso unwahrscheinlicher, als zumindest in dem angesichts der von dem Mornellregenpfeifer im Herbst- und Frühjahrszug zurückgelegten Flugstrecken von bis zu 10.000 km nicht weit entfernten Vogelschutzgebiet „I2.---wegbörde “ - oder auch im Bereich nördlich von Warburg und südlich von C1. , in denen der Energieatlas NRW eine ausgedehntes Schwerpunktvorkommen des Mornellregenpfeifers verzeichnet - Ausweichplätze vorhanden sind. Dabei ist nicht zuletzt zu berücksichtigen, dass diese Flächen jeweils um ein Vielfaches größer sind als das hier in Rede stehende Gebiet, soweit der Energieatlas es ebenfalls als Schwerpunktvorkommen des Mornellregenpfeifers markiert.
39In diesem Zusammenhang ist aber zumindest anzumerken, dass verifizierbare Nachweise einer Rast des Mornellregelpfeifers in der Umgebung des Vorhabens in den letzten Jahren kaum feststellbar sind. Die auch vom LANUV und auf ornitho.de registrierten Meldungen betreffen offenbar nur Einzelexemplare oder kleinere Gruppen. Soweit seitens des Antragstellers auf eine Sichtung von 18 Regenpfeifern am 16. August 2019 abgestellt wird, zeigt sich, dass es sich hier um einen allenfalls indirekten Rastnachweis, geschlossen aus der niedrigen Flughöhe handelt. Der weitere, und ausweislich der überreichten Fotos einer Sichtung von drei Regenpfeiffern vom 5. September 2019 objektiv gut nachvollziehbare Hinweis, diese Vögel würden leicht übersehen, reicht für sich genommen ebenso wenig aus wie die generalisierende Einschätzung der ornithologischen Fachwelt, dass die Art wegen ihres Zugverhaltens und aufgrund ihrer äußeren Merkmale wohl häufig übersehen werde. Denn es ist eben genauso wahrscheinlich, dass sie deswegen nicht registriert wurden, weil sie nicht da waren. Auch die Übernahme eines Schwerpunktvorkommens im Energieatlas NRW im Bereich der Feldflur I1. , bei dem es sich ausweislich der Legende allerdings auch nur um eine relative Bezugsgröße handelt, die an einer „überdurchschnittlich häufigen“, also nicht abstrakt häufigen oder gar regelmäßigen Sichtung in NRW anknüpft und die Gesamtzahl durchziehender Exemplare landesweit – bei geschätzt zwischen 40.000 und 100.000 europäischen Zugexemplaren, von denen mindestens 1.000 auch in Deutschland rasten - auf unter 100 schätzt, steht auf dem Stand vom 6. Januar 2019. Selbst der vom Antragsteller wiederholt zitierte Diplom-Biologe Q. hebt aber das „sehr dynamische“ Zug- und Rastgeschehen im I1. in Bezug auf den Mornellregenpfeifer hervor. In der Einzeldarstellung des LANUV zum Mornellregenpfeifer ist im Übrigen ausdrücklich davon die Rede, er komme in NRW neben dem Vogelschutzgebiet „I2.---wegbörde “ auch in der L. Bucht vor – vom Vorhabengebiet ist an dieser Stelle gerade nicht die Rede. Dass es sich bei der Feldflur I1. um einen traditionellen Rastplatz des Mornellregenpfeifers handelt, wie der Antragsteller wiederholt hervorhebt, erscheint damit empirisch wenig abgesichert, zumal der Antragsteller seine Einschätzung auch nicht weiter begründet.
40Dies kann indes dahingestellt bleiben, weil sich eine vorhabenbedingte, zusätzliche Störung, die Grundvoraussetzung für einen Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ist, durch die hier allein in Rede stehende bauliche Anlage voraussichtlich nicht, jedenfalls nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit wird feststellen lassen. Denn selbst wenn die Annahme des Antragstellers zutreffen sollte, es müsse aufgrund einer Kulissenwirkung mit Meidungsabständen von 500 m gerechnet werden, würde von der Anlage selbst bei isolierter Betrachtung allenfalls ein verhältnismäßig geringer Anteil der ca. 2,44 ha großen Feldflur „I1. “ in Anspruch genommen. Die mehr als 1 m über der Erdoberfläche aufragenden baulichen Anlagen haben ausweislich der genehmigten Bauvorlagen eine Länge von ca. 22,5 m bei einer Breite von 3,50 bzw. 4,2 m (Stationsgebäude) bzw. von ca. 3 x 2,5 m (Kompaktstation), die gesamte Anlage, zu der weitere, nicht flächig-massive Teile gehören, nimmt eine Fläche von gut 1.200 m² ein. Hinzu kommt, dass der vom Antragsteller ohne weitere konkrete Begründung angenommene Meideabstand nach den von ihm selbst vorgelegten Unterlagen ohnehin nur in „Ausnahmefällen“ anzusetzen sein soll, im Regelfall wird hingegen ein Abstand von 300 m für ausreichend erachtet, wobei es sich auch insoweit offenbar um Hypothesen, nicht aber um empirische Befunde handelt. Warum hier indes ein Ausnahmefall in Erwägung zu ziehen sein könnte, erläutert der Antragsteller bereits nicht. Hinzu kommt, dass nach seinem Vortrag nur der nördlich des Vorhabens gelegene, landwirtschaftlich genutzte Teil der Feldflur gemieden werden wird. In diesem Zusammenhang ist zudem festzustellen, dass sich bis auf einen Fall eines Einzelexemplars alle von dem Antragsteller angeführten Sichtungen des Mornellregenpfeifers jeweils auf Bereiche beziehen, die deutlich weiter als 500 m von dem Vorhabenstandort entfernt sind, so dass eine Störwirkung schon aus diesem Grund nicht eintreten könnte. Im Übrigen liegen diese Sichtungen teilweise deutlich näher an der nächstgelegenen Windenergieanlage als an dem geplanten Umspannwerk.
41Letztlich nichts anderes ergibt sich unter Zugrundelegung der vom 8. Senat des beschließenden Gerichts in seinem Beschluss vom 6. August 2019 – 8 B 409/18 -, NWVBl. 2019, 515, angenommenen potentiellen Rastfläche von 150 ha, wobei sich deren Herleitung aus den Gründen der Entscheidung selbst indes nicht erschließt. Selbst dann machte die gemiedene Fläche mit einer Länge von etwa 30 m allenfalls 1 % der potentiellen Rastfläche aus, bei einem nach derzeitigem Erkenntnisstand allenfalls veranlassten Störraum von 300 m lediglich gut 0,5 %. Der potentielle Verlust von Rastplätzen ist in jedem Fall in seinen Dimensionen nicht mit demjenigen, den der 8. Senat für den Fall der Errichtung und Inbetriebnahme des Windparks mit seinen 11 Windenergieanlage zugrunde gelegt hat, zu vergleichen. Gleichwohl hat auch der 8. Senat die Möglichkeit, durch Anlage geeigneter alternativer Raststätten einen Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG zu vermeiden, nicht etwa allgemein oder aufgrund des konkreten unterstellten Flächenverlustes zumindest im vorliegenden Kontext generell ausgeschlossen, sondern diese Lösung nur wegen der fehlenden Eignung der vorgesehenen Alternativen nicht akzeptiert. Angesichts dessen liegt hier nahe, dass jedenfalls mit dem Angebot der Beigeladenen in ihrem Schriftsatz vom 24. August 2021, durch einen Verzicht auf Maisaufbau in bestimmten Bereichen (Ersatz-)Rastplätze dauerhaft zu sichern, ein – unterstellter – Konflikt hinreichend bewältigt werden kann.
42Vgl. in diesem Zusammenhang auch Saarl. OVG, Urteil vom 4. Februar 2020 – 2 C 273/18 -, AUR 2020, 423 = juris Rn. 36.
43Dass dies bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht – etwa durch eine ergänzende Nebenbestimmung zur Baugenehmigung – förmlich und rechtzeitig vor Beginn des nächsten Herbstzuges gesichert werden könnte und wird, ist angesichts der erklärten Bereitschaft der Beigeladenen, die über solche Flächen in der Feldflur verfügt, nicht zu vermuten. Zugleich liegt auf der Hand, dass gerade der Maisanbau zum Verlust der vom Mornellregenpfeifer bevorzugten gegrubberten Ackerflächen führt, weil Mais im Gegensatz zu anderen Getreidesorten zum Zeitpunkt des Durchzuges zwischen Mitte August und Mitte September noch nicht abgeerntet ist und zudem deutlich höher steht und mit seiner Wuchshöhe von etwa 2,50 m selbst die von dem Antragsteller bekämpften Kulissenstrukturen auszubilden geeignet ist.
44Vgl. zur primären Verantwortlichkeit der Intensivlandwirtschaft für den Rückgang des europäischen Vogelvorkommens gerade für die Arten des Offenlandes jüngst SZ vom 24. November 2021, S. 13, unter Rückgriff auf soeben veröffentlichte Ergebnisse einer Langzeituntersuchung eines internationalen Wissenschaftlerteams; konkret für den Mornellregenpfeifer auch Saarl. OVG, Urteil vom 4. Februar 2020 – 2 C 273/18 -, AUR 2020, 423 = juris Rn. 36.
45Zur Überzeugung des Senats ist eine isolierte Betrachtung der genehmigten Anlage hier indes nicht angezeigt. Denn sie soll nicht in unberührter Landschaft, sondern in unmittelbarer Nähe zu einem Hochspannungsmast und zu einer markanten Hochspannungsfreileitung mit drei Leiterseilebenen errichtet werden, die ihrerseits nach den vom Antragsteller vorgelegten Untersuchungen als vertikale Struktur mit Kulissenwirkung das angenommene Meideverhalten auslöst. Darauf hat der Antragsteller auf S. 5 der Antragsbegründung ursprünglich allgemein beispielhaft auch selbst hingewiesen. Dort werden Energiefreileitungen als Beispiel einer strukturbedingten visuellen Störwirkung (Kulissenwirkung) angeführt, zu denen u. a. der Mornellregenpfeifer während der Rastphasen deutliche Abstände einhalte. Für den Kiebitz wird sogar von einem „ausgeprägten Meideverhalten“ im Hinblick auf Hochspannungsfreileitungen berichtet. Diese Wirkung ergibt sich nicht zuletzt auch aus den von ihm vorgelegten Untersuchungen, wobei insbesondere die Datenblätter des Bundesamtes für Naturschutz darauf hinweisen, dass (nur) für solche Anlagen – und Windenergieanlagen sowie hohen Gehölzbestände – belastbare Untersuchungen vorliegen, während ein vergleichbarer, empirisch abgesicherter Befund insbesondere für Gebäude nicht existiere. Sonstige bauliche Strukturen seien hinsichtlich ihrer Störwirkung weniger gut dokumentiert, wobei im Anschluss lediglich ein Beispiel zur Auswirkung von Brückenbauwerken folgt. Warum ausgerechnet dieser am ehesten belegte Effekt dann im konkreten Fall des Mornellregenpfeifers nunmehr ohne Belang sein soll, lässt sich dann aber nicht begründen. Allein ein vereinzelter Hinweis auf mögliche Unsicherheiten bezüglich des Verhaltens von Watvögeln im Umfeld von Freileitungen reicht insoweit jedenfalls nicht aus, zumal – wie gesagt – jedenfalls das Meideverhalten bezüglich relativ niedrigen Gebäuden nicht als gesichert gelten kann. Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich der Verfasser nämlicher Quelle an anderer Stelle seines Vortrags dafür ausgesprochen hat, dass nur kurzfristig und vor allem in geringer Zahl durchziehende oder rastende Arten, zu denen selbst nach den Erkenntnissen des Antragstellers der Mornellregenpfeifer gehört, bei der Untersuchung störender Auswirkungen horizontaler Kulissen vernachlässigt werden können, zumal sie wegen der stärkeren Dynamik und von Ausweichlebensräumen besser gegen strukturbedingte visuelle Störungen gewappnet seien.
46Dies gilt letztlich auch im Hinblick auf den Hochspannungsmast selbst. Die Annahme, er habe als reine Vertikalanlage keine vergleichbare Kulissenwirkung, ist schon mit Blick auf die erkennbar auch flächige Ausgestaltung des hier in Rede stehenden Gittermastes so kaum verständlich, zumal bezüglich der Anlage des Beigeladenen die „Kulissenwirkung“ nicht zuletzt auch mit den „hohen Masten“ begründet wird. Ebenso werden die teilweise schon errichteten, aber noch nicht betriebenen Windenergieanlagen des von der Antragsgegnerin genehmigten Windparks I1. als Strukturen genannt, die der Mornellregenpfeifer meide und damit eine – aus Sicht des Antragstellers rechtswidrige - Vorschädigung begründet. Das muss dann aber zumindest im Ansatz auch für die vorhandenen Hochspannungsmasten gelten. Im Verhältnis zu diesen markanten Strukturen fällt ein zusätzlicher Beitrag der Anlage zu einem unterstellten Meideverhalten hingegen allenfalls in untergeordnetem Umfang ins Gewicht. Nichts anderes folgt aus den Betriebsgeräuschen der Anlage, zumal sich in der umfangreich übersandten Fachliteratur kein Hinweis darauf findet, dass der Mornellregenpfeifer empfindlich auf akustische Dauerereignisse reagieren könnte.
47Vgl. auch VG Minden, Urteil vom18. Februar 2021 – 11 K 243/18 -, juris Rn. 163 ff.
48Angesichts dieses Befundes zu § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG liegt zugleich eine vom Antragsteller ebenfalls angenommene Verletzung von § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG jedenfalls fern. Von einer tatbestandlichen Zerstörung von Ruhestätten kann danach nicht plausibel gesprochen werden.
49Anhaltspunkte dafür, dass andere im Gebiet rastende Zugvögel von der Anlage in stärkerem Maße in Mitleidenschaft gezogen werden könnten und in diesen Fällen eine Verletzung des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ernsthaft in Betracht kommen könnte, sind dem Vortrag des Antragstellers nicht zu entnehmen. Auch dieser geht offenbar davon aus, dass sich die Auswirkungen auf andere Limikolen (Watvögel) wie etwa Kiebitz und Goldregenpfeifer aufgrund des vergleichbaren Verhaltens nicht von denen auf den Mornellregenpfeifer unterscheiden. Für die gleichfalls auch insoweit erwähnte Feldlerche kommt hinzu, dass sie als Brutvogel ein weniger ausgeprägtes Meideverhalten an den Tag legt.
50Demgegenüber scheiden baubedingte Beeinträchtigungen während der Brutphase noch ungeachtet des Umstandes, dass solche Arbeiten nach der erteilten Baugenehmigung nicht zulässig sind, schon deshalb aus, weil diese bei Vollziehbarkeit der Baugenehmigung realistischer Weise vor Beginn der Brutzeit abgeschlossen sein werden.
51Schließlich ergeben sich Anhaltspunkte für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Baugenehmigung auch nicht aus dem vom Antragsteller geltend gemachten Ermittlungsdefizit hinsichtlich der artenschutzrechtlichen Implikationen des Vorhabens. Dabei mag offenbleiben, ob es solche Defizite angesichts des Umstandes, dass für die Feldflur I1. im Zusammenhang mit der geplanten und von dem Antragsgegner genehmigten Windpark I1. ein aktueller artenschutzrechtlicher Fachbeitrag erstellt wurde und sowohl der Antragsgegnerin als auch der Unteren Landschafts- und Naturschutzbehörde bekannt war, überhaupt gegeben hat. Zudem existieren weitere einschlägige Untersuchungen im Zusammenhang mit dem benachbarten Windpark Wohlbedacht. Der Antragsteller macht in der Sache letztlich auch eher geltend, der Antragsgegner habe aus diesen Erkenntnissen nicht die erforderlichen Schlussfolgerungen gezogen. Diese materiellen Einwände greifen aber – wie ausgeführt – jedenfalls nicht offensichtlich durch.
52Dies mag indes dahingestellt bleiben, weil etwaige Ermittlungsdefizite im Laufe des vorliegenden Verfahrens behoben worden wären und demnach jedenfalls nicht mehr mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zum Erfolg des Hauptsacheverfahrens führen könnten. In diesem (Eil-) Verfahren sind von allen Seiten jedenfalls alle für die (gebundene) baurechtliche Genehmigungserteilung potentiell relevanten Fragen im Zusammenhang mit § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB mindestens in der gebotenen Tiefe aufgearbeitet worden.
532. Selbst wenn gleichwohl die Erfolgsaussichten für das Hauptsacheverfahren als offen anzusehen wären, fiele die vom Senat vorzunehmende Interessenabwägung nicht zuletzt vor dem Hintergrund des § 212a BauGB,
54zur Bedeutung der gesetzgeberischen Entscheidung für eine kraft Gesetzes entfallende aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln Dritter im Zusammenhang mit der Windenergienutzung vgl. auch OVG NRW, Beschlüsse vom 12. März 2021 – 7 B 8/21 -, BauR 2021, 957 = juris Rn. 52 ff., und vom 2. Juli 2021 – 8 B 875/21 -, UPR 2021, 396 = juris Rn. 47 ff.,
55zugunsten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen aus. Selbst wenn die Annahmen des Antragstellers zutreffen sollten, sind nicht wieder rückgängig zu machende Eingriffe in Natur und Landschaft durch die auf eigenes Risiko der Beigeladenen erfolgende Ausnutzung der Baugenehmigung vor deren Rechts- und Bestandskraft nicht zu befürchten. Allenfalls käme in Betracht, dass die baulich genutzte Fläche und ein zusätzlicher Meideraum für die Dauer des Hauptsacheverfahrens vorübergehend entfielen. Anhaltspunkte dafür, dass der Mornellregenpfeifer oder eine andere dort rastende Vogelart in dieser Zeit auf dieses Gebiet angewiesen sein könnten, bestehen indes nicht, nachdem – wie gesagt – die Sichtungen der letzten Jahre in größerem Abstand von diesem Gebiet erfolgt sind. Sollte sich im Hauptsacheverfahren indes die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung herausstellen, müsste die Beigeladene das Umspannwerk zurückbauen und die Fläche stünde wie zuvor als Ackerland ohne weitere Einbußen wieder zur Verfügung.
56Vgl. in diesem Zusammenhang auch Saarl. OVG, Urteil vom 4. Februar 2020 – 2 C 273/18 -, AUR 2020, 423 = juris Rn. 36.
57Umgekehrt hat die Beigeladene plausibel gemacht, bereits vor Inbetriebnahme des Windparks I1. , die derzeit weder im „Ob“ noch im „Wann“ absehbar ist, auf das Umspannwerk angewiesen zu sein, weil nach dem Repowering auch Strom aus den benachbarten rechtskräftig genehmigten Windparks hierüber in das Stromnetz eingespeist werden müsse. Damit streitet zumindest auch das öffentliche Interesse an einer effektiven Nutzung regenerativer Energien für die sofortige Vollziehbarkeit der angegriffenen Baugenehmigung. Anhaltspunkte dafür, dass die in diesem Zusammenhang vorgelegten, eindeutigen Schreiben des örtlichen Netzbetreibers, namentlich das Schreiben der X. AG vom 16. Februar 2021, dort v. a. S. 2, die Tatsachen unrichtig wiedergäben, sind nicht ersichtlich und werden auch vom Antragsteller letztlich nicht aufgezeigt. Sein Hinweis auf den Namen der Betreibergesellschaft und die Antragsangaben der Beigeladenen sind jedenfalls nicht in einer Weise eindeutig, dass eine weitergehende Nutzung der Anlage ausgeschlossen werden müsste.
58Demgegenüber läuft die Befürchtung, mit dem Umspannwerk würden Fakten hinsichtlich der dann anzunehmenden Entwertung des Natur- und Landschaftsraums I1. geschaffen, gleich aus mehreren Gründen ins Leere. Zum einen änderte die Errichtung nichts daran, dass die ihr zugrunde liegende Genehmigung noch nicht bestandskräftig ist und die Anlage deshalb im immissionsschutzrechtlichen Verfahren allenfalls „unter Vorbehalt“ zu berücksichtigen ist. Zum anderen liegt die Annahme, elf deutlich mehr als 200 m hohe Windenergieanlagen könnten wegen der Existenz einer ca. 4 m hohen und 30 m langen baulichen Anlage leichter – oder sogar nur deswegen - rechtmäßig genehmigt werden, zumindest fern.
59Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Antragsteller auch die in beiden Instanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese jeweils Sachanträge gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.
60Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 GKG i. V. m. mit dem Streitwertkatalog der Bausenate des OVG NRW vom 23. Januar 2019 (BauR 2019, 610 f.). Nach dessen Nr. 8a ist für die Drittanfechtung einer Baugenehmigung ein Streitwert zwischen 7.500 und 20.000 Euro angemessen. In Anbetracht der objektivierten Bedeutung, die der Antragsteller dem vorliegenden Verfahren zumisst, und der wirtschaftlichen Bedeutung der Anlage erscheint in der Hauptsache ein Streitwert von 15.000 Euro angemessen, den der Senat hier wegen der Vorläufigkeit des Verfahrens nur zur Hälfte in Ansatz gebracht hat.
61Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.
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Referenzen
- 12 ME 176/09 1x (nicht zugeordnet)
- § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB 2x (nicht zugeordnet)
- 11 K 243/18 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 A 2747/15 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 3 1x
- VwGO § 146 1x
- 2 B 499/21 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 162 1x
- § 212a BauGB 2x (nicht zugeordnet)
- 8 B 875/21 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 152 1x
- 2 B 973/21 1x (nicht zugeordnet)
- 7 B 8/21 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 GKG 4x (nicht zugeordnet)
- § 44 Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbsatz BNatSchG 1x (nicht zugeordnet)
- § 75 LNatSchG 1x (nicht zugeordnet)
- 8 B 409/18 1x (nicht zugeordnet)
- 8 A 1183/18 4x (nicht zugeordnet)
- 8 B 834/08 1x (nicht zugeordnet)
- § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 5x (nicht zugeordnet)
- § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 2 C 273/18 4x