Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 A 1229/21
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Beigeladene trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 15.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe:
1Der auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 5 VwGO gestützte Antrag des Beigeladenen auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
21. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich aus dem insoweit maßgeblichen (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Zulassungsvorbringen nicht.
3Zur Darlegung des Zulassungsgrunds der ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bedarf es einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Dabei ist in substantiierter Weise an der Gedankenführung des Verwaltungsgerichts orientiert aufzuzeigen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. In der Sache liegen ernstliche Zweifel vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
4Derartige Zweifel weckt das Antragsvorbringen nicht.
5Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit dem Antrag,
6die dem Beigeladenen von der Beklagten erteilte Baugenehmigung vom 25. Juli 2018 zur „Errichtung einer Gaststätte mit Anbauten und 2 Biergärten und Nutzungsänderung einer Tanzgaststätte in einen Festsaal“ auf dem Grundstück Gemarkung W. , Flur 4, Flurstück 438 (I.---------straße 93, W. ) in der Gestalt der Änderungsgenehmigungen vom 26. Juni 2019 und 26. Februar 2020 sowie 4. November 2020 und des Nachtrags zu dieser Änderungsgenehmigung vom 8. März 2021 aufzuheben,
7im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, die Baugenehmigung sei rechtswidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten. Zwar gehe die Beklagte zu Recht davon aus, dass die Grundstücke der Kläger im Außenbereich lägen und nur einen dementsprechenden Immissionsschutzstandard verlangen könnten. Zudem habe sie zahlreiche Auflagen in die Baugenehmigung aufgenommen, um eine Unterschreitung dieser Grenzwerte für die Grundstücke der Kläger zu erreichen. Dadurch werde die Wahrung des Rücksichtnahmegebots in Hinsicht des Lärmschutzes jedoch nicht sichergestellt. Die Baugenehmigung sei im Hinblick auf die Nachbarklage „maßgeschneidert“, was schon durch die Vielzahl der im Verlauf des Verfahrens erlassenen Änderungsgenehmigungen dokumentiert werde. Es spreche alles dafür, dass die Baugenehmigung durch die Nebenbestimmungen im Hinblick auf den Störgrad des Bauvorhabens des Beigeladenen nur formal habe passend gemacht werden sollen. Individuelle immissionsrelevante Nebenbestimmungen führten jedoch nur dann zu einer hinreichenden Bestimmtheit in nachbarrechtlicher Hinsicht bzw. tatsächlichen bauplanerischen Konfliktbewältigung, wenn sie auf effektive Umsetzung angelegt seien, so dass bei realistischer Betrachtungsweise mit ihrer Beachtung gerechnet werden könne. Das sei hier jedoch bei mehreren Immissionsschutzauflagen nicht der Fall. Die Auflage Nr. 1 in Bezug auf ein Verweilen von Veranstaltungsgästen im Freien sei ungeeignet, wirksamen Lärmschutz zu gewährleisten, weil das Verhalten der Gäste kaum beeinflussbar sei. Nach dieser Auflage dürften sich jeweils max. 10 Nichtraucher gleichzeitig vor dem Eingang des Hotels und auf einer weiteren Aufenthaltsfläche vor dem Eingang der Gaststätte aufhalten und ab 22:00 Uhr nur noch im Innenhof (allgemeiner Raucherbereich). Der eine Bereich „Vertreten der Beine von 9.00 - 22.00“ decke sich dabei mit dem Bereich des Biergartens. Dies bedeute zum einen, dass sich die Gäste von Veranstaltungen „zum Vertreten der Beine“ auf der nur 71 m2 großen Fläche des Biergartens zwischen den Tischen und Besuchern des Biergartens aufhalten müssten, wobei die Gästezahl des Biergartens mangels einer ausdrücklichen Regelung unklar sei. Eine ausdrückliche Beschränkung der Gästezahl finde sich weder in der Betriebsbeschreibung noch in den Auflagen. Zudem sei es unrealistisch, dass sich die Gäste der Veranstaltung zum „Vertreten der Beine“ auf den Bereich des Biergartens beschränkten. Lebensnah erscheine es vielmehr, dass sie zu diesem Zweck in Richtung der Parkplätze auswichen. Zudem sei gerade in den Sommermonaten davon auszugehen, dass es viele Veranstaltungsgäste – namentlich bei Hochzeiten – nach Draußen ziehe, zumal der Festsaal keine Fenster habe. Die Beschränkung auf 20 von 600 Gästen erscheine deshalb wirklichkeitsfern. Das gelte erst recht für die Nachtzeit. Ein Verweis der Gäste auf den Raucherbereich im Innenhof des Hotels sei keine realistische Alternative. Dieser Innenhof lade augenscheinlich weder zum Verweilen ein noch ersetze er einen „Gang an die frische Luft“, den viele Gäste im Rahmen längere Veranstaltungen bräuchten. Es sei zugleich nicht zu erwarten, dass die Regelungen durchgesetzt werden könnten. Ihre Einhaltung solle nach Auflage Nr. 15 durch „Ordnungskräfte des Betreibers“ und einen Veranstaltungsleiter gewährleistet werden. Diese könnten die Veranstaltungsgäste auf die Beschränkungen allenfalls hinweisen, sie in ausgelassener Feierstimmung aber nicht tatsächlich an einem Aufenthalt im Freien hindern. Das gelte umso mehr, als unklar sei, von wem und in welcher Weise die Ordner zu stellen seien. Offen bleibe namentlich, wer „Betreiber“ im Sinne der Auflage sei - der Beigeladene als Eigentümer, die I1. GmbH als Betreiberin des „S. Q. “ oder der jeweilige Mieter der Veranstaltungshalle. Der Begriff des „Betreibers“ werde in der Baugenehmigung und in den Auflagen ausschließlich in diesem Zusammenhang verwandt, aber nicht präzisiert. Die Versicherung des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, das Personal werde gestellt, sei durch die Baugenehmigung in keiner Weise abgesichert. Vielmehr könne der Festsaal danach ohne weitere Leistungen im Wege der Miete an Dritte überlassen werden. Zugleich sei unklar, wer als „Ordnungskraft“ in Betracht komme. Rekrutiert werden könnten diese vielmehr auch aus der Familie und Verwandtschaft oder dem Freundeskreis des Mieters der Halle, wie dem Brautpaar, was die Vollzugsdefizite noch erheblich vertiefe. Gleiches gelte in Bezug auf den zu benennenden „Veranstaltungsleiter“. Diesem werde eine „Garantenrolle“ zugewiesen, nachdem seine Aufgaben die Koordination und Kontrolle der „organisatorischen Abläufe“ und der Einhaltung der Personenzahl auf den Aufenthaltsflächen ebenso umfassten wie die „primäre und sekundäre Parkplatzbelegung, die Beachtung der Zone für den Bring- und Holdienst, die Einhaltung der jeweiligen maximal zulässigen Besucherzahl und der Regelungen zu den Ausgangstüren in der Südfassade, die Vorgaben zur Begrüßung der Braut, der Einhaltung des Schallinnenpegels durch einen Schallpegelregler und die Einhaltung der Nutzerzahl und des Standortes des Raucherbereiches. Hier zeigten sich die in Bezug auf die Ordnungskräfte aufgezeigten Unklarheiten und die sich aus diesen ergebenden Vollzugsdefizite in einem noch größeren Maße. Es sei schon nicht klar, von wem – etwa dem jeweiligen Mieter, dem Beigeladenen oder der I1. GmbH - und wem gegenüber – etwa gegenüber der Bauaufsicht, der I1. GmbH oder dem Beigeladenen - „für die Veranstaltungstage“ ein Veranstaltungsleiter zu benennen sei oder ob Veranstaltungsleiter auch der Mieter sein könne. Dies wirke sich um so stärker aus, als es in der Schallimmissionsprognose heiße, „die Lenkung des Betriebes sowie der Parkplatzbefüllung und des Taxiverkehrs während der gesamten Veranstaltungen bedingt nach unserer Ansicht zwingend nicht nur die Anwesenheit einer ausreichenden Anzahl von Ordnungskräften, sondern auch die Anwesenheit eines Veranstaltungsleiters bzw.-verantwortlichen, der über die Nutzungsdauer für die Umsetzung der Maßnahmen sorgt. Der Veranstaltungsleiter muss den Ordnungskräften gegenüber weisungsberechtigt sein und umfassende Kenntnis über die notwendigen Maßnahmen besitzen.“ Die handgreiflichen Vollzugsdefizite erstreckten sich auf die weiteren Immissionsschutzauflagen, die einer Kontrolle und/oder Durchsetzung durch die Ordnungskräfte und den Veranstaltungsleiter bedürften, wie die Regelung der Parkplatzbelegung, die Beachtung der Zone für den Bring- und Holdienst oder die Einhaltung der jeweiligen maximal zulässigen Besucherzahl. Die Tatsache, „als wahr unterstellt“, dass der Beigeladene nach eigenen Angaben bei den bisher durchgeführten Veranstaltungen auch durch Messungen nachgewiesen habe, dass sämtliche Vorgaben eingehalten würden, führe zu keiner abweichenden Bewertung. Es habe sich dabei nur um eine Hochzeits- und zwei Partyveranstaltungen gehandelt. Eine solch geringe Zahl von Veranstaltungen sei nicht repräsentativ. Zudem hätten die Veranstaltungen im Februar stattgefunden, also zu einer Jahreszeit, zu der sich die aufgezeigten Probleme auf Grund der Witterung nur in einem geringen Maße zeigten. Ebenso wenig auf eine effektive Umsetzung angelegt seien die Vorgaben in der Auflage 2 zur „Begrüßung der Braut“. Im Anschluss an Ziffer 4.5 der Schallimmissionsprognose vom 6. Oktober 2020 heiße es dort: „Unbeachtet der deutschen Gesetzgebung, wonach es ein grundsätzliches Verbot für die Erzeugung unnötigen Lärms gibt, wird hier der Worst Case betrachtet. Durch organisatorische Maßnahmen ist sicherzustellen, dass bei Hochzeitsfeiern, die sog. „Begrüßung der Braut" ausgenommen die unmittelbar nachstehend beschriebenen Verhaltensweisen, die ebenfalls nur tagsüber in der Zeit von 16.00 - 22.00 Uhr zulässig sind nur innerhalb des Festsaals durchgeführt wird. Ausnahmsweise ist im geringen Umfang (maximal 50 Personen) die Begrüßung der Braut vor der Nordwestfassade des Festsaales möglich. Der Einsatz von Musikinstrumenten oder anderen schallerzeugenden Gegenständen ist nicht zulässig. Ein Autokorso, mit dem die Braut zur Halle chauffiert wird, darf aus maximal 8 PKW bestehen. Der Autokorso darf nur über die Zufahrt an der Nordwestfassade des Festseals und den Parkplatz West angefahren werden. Durch Klauseln im Mietvertrag für Hochzeiten sind unter Androhung der Einbehaltung der Kaution die vorgenannten Auflagen aufzunehmen.“ Es sei schon unklar, wann im Sinne der Auflage eine „Ausnahme“ vorliege, so dass „im geringen Umfang (maximal 50 Personen)“ die Begrüßung der Braut vor der Nordwestfassade des Festsaales möglich sei. Die Einhaltung der Vorgaben solle im Übrigen wiederum durch den Veranstaltungsleiter sichergestellt werden, ohne dass klar sei, ob dieser hierzu in der Lage sei. Weiter sei offen, wie und durch wen die Hochzeitsgäste bei realistischer Betrachtungsweise darin gehindert werden sollten, zu mehr als 50 Personen die Braut im Freien zu empfangen oder mit mehr als 8 Pkw einen Autokorso zu bilden. Gerade in Bezug auf die Begrenzung der Teilnehmer an einem Autokorso müssten die Gäste schon im Vorfeld auf die Begrenzung hingewiesen und zu deren Beachtung verpflichtet werden. Das erscheine mehr als unrealistisch. Die Durchsetzung der Auflagen als Klauseln im Mietvertrag für Hochzeiten unter Androhung der Einbehaltung der Kaution sei untauglich, zumal unklar sei, ob und in welcher Höhe eine Kaution gezahlt bzw. gefordert werde. Mangels hinreichender Bestimmtheit könne auch nicht mit der Beachtung der Regelung in der Auflage Nr. 11, wonach „[g]rundsätzlich innerhalb eines Kalendertages nur eine Veranstaltung zulässig [ist]“ gerechnet werden. Unbeschadet dessen, dass die Erörterung dieser Regelung im Rahmen der mündlichen Verhandlung offenbart habe, dass der Beigeladene davon ausgehe, an zwei aufeinander folgenden Tagen Veranstaltungen anbieten zu können, auch wenn die erste Veranstaltung erst nach 24.00 Uhr ende, während die Beklagte meine, dass dies durch die Verwendung des Begriffs „Kalendertags“ ausgeschlossen sei, sei unklar, wann eine Ausnahme von dem Grundsatz zulässig sei. Nach dem Wortlaut der Regelung müssten Ausnahmen zulässig sein, weil es ansonsten des Zusatzes „grundsätzlich“ nicht bedurft hätte. Wann und in welcher Anzahl solche Ausnahmen erfolgen dürften, bleibe indes erneut offen. Ob und inwieweit die Lärmschutzauflagen an weiteren, von den Kläger aufgezeigten Defiziten litten, könne vor diesem Hintergrund dahinstehen.
8Diesen Erwägungen setzt das Zulassungsvorbringen nichts Erhebliches entgegen, das im oben genannten Sinne zu ernstlichen Zweifeln an der (Ergebnis-)Richtigkeit der Entscheidung führen könnte.
9Dies gilt letztlich bereits deshalb, weil die Annahme des Beigeladenen, das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass seine Feststellung, es handele sich um eine maßgeschneiderte Baugenehmigung, als solche nicht zu deren Rechtswidrigkeit führe, nicht überzeugen kann. Denn in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine solche maßgeschneiderte Genehmigung, die durch ihre Nebenbestimmungen im Hinblick auf den Störgrad des Vorhabens „passend gemacht“ werden soll,
10vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. August 2007 – 10 B 401/07 -, juris Rn. 19,
11definitionsgemäß die Einhaltung der Vorgaben und damit eine Sicherung der Nachbarrechte nicht gewährleistet, weil die Regelungen in ihrer Komplexität praktisch nicht zu kontrollieren sind. Damit erfüllt die Genehmigung aber eine wesentliche Anforderung der Bestimmtheit aus nachbarlicher Perspektive nicht, ohne dass es noch entscheidend darauf ankäme, ob sie als solche auf Einhaltung angelegt ist.
12Vgl. nur Beck-OK, BauO NRW 2018, 9. Edition, § 74 Rn. 86 m. w. N.
13Dementsprechend ist mit der Qualifikation der Baugenehmigung als maßgeschneidert regelmäßig zugleich die Feststellung ihrer nachbarrechtsrelevanten Rechtswidrigkeit verbunden. Diese Einschätzung des Verwaltungsgerichts kann angesichts der allein zum Immissionsschutz verfügten Nebenbestimmungen in einem Umfang von inzwischen mehr als 8 Seiten, wobei es sich bereits um die 4. Variante solcher Auflagen handelt, auch kaum als ernstlich zweifelhaft erscheinen; selbst der Beigeladene tritt dem jedenfalls nicht mit substantiiertem Vortrag entgegen.
14Dies kann aber im vorliegenden Verfahren letztlich offenbleiben. Denn das Zulassungsvorbringen weckt unabhängig davon keine ernstlichen Zweifel an der Qualifizierung der Auflagen Nr. 1, 2, 11 und 15 zur 3. Änderung der ursprünglich am 15. Juli 2018 erteilten Baugenehmigung vom 4. November 2020 als nicht hinreichend bestimmt und/oder als nicht auf eine effektive Umsetzung angelegt, sodass bei realistischer Betrachtungsweise nicht mit ihrer Umsetzung gerechnet werden kann.
15Dies gilt zunächst hinsichtlich der Auflage 1. Insoweit geht der Zulassungsantrag bereits nicht auf die nach Aktenlage zutreffende (vgl. Lageplan BA 11) Feststellung des Verwaltungsgerichts ein, dass sich eine der beiden den nichtrauchenden Gästen zugewiesenen Flächen in dem unabhängig von der Festhalle betriebenen Biergarten befindet und es deshalb wenig realistisch erscheint, dass diese von den Gästen der Festhalle genutzt werde bzw. werden könne, um sich „die Füße zu vertreten“. Dass dies kein realistisches Szenario ist, liegt indes auf der Hand.
16Damit ist aber zugleich vorprogrammiert, dass die Gäste - ausweislich der Auflage Nr. 1 (dort die letzten beiden Spiegelstriche) sind [lediglich] „jeweils 10 gleichzeitig anwesende[n] Personen“ vorgesehen - sich aus diesem Bereich entfernen werden – und sei es auch nur, um dem Servicepersonal nicht im Weg zu stehen. Mit welchen Mitteln und aufgrund welcher Befugnisse sie die für die jeweiligen Eingangsbereiche vorgesehenen zwei Ordner hieran hindern sollten oder sie den 11. oder 21. Gast in der Festhalle „einsperren“ können sollten, erschließt sich im weiteren nicht, zumal die Gäste auch einen „Spaziergang“ zu ihrem Auto unternehmen könnten, um von dort etwas zu holen.
17Diese Feststellungen zur praktischen Nichtumsetzbarkeit gelten mindestens gleichermaßen für die Zeit nach 22:00 Uhr. Dass nichtrauchende Gäste den kleinen – ausweislich der genehmigten Pläne im Kellergeschoss gelegenen - Innenhof, der in erster Linie von Rauchern genutzt wird bzw. werden soll, als adäquaten Ersatz für das gerade bei größeren Veranstaltungen im Sommer zweifellos vorhandene Bedürfnis nach frischer Luft akzeptieren könnten, erscheint mindestens fernliegend, wie bereits das Verwaltungsgericht lebensnah ausgeführt hat. In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass der Innenhof nach dem zuletzt genehmigten Lageplan über einen unmittelbaren Zugang zum Außenbereich verfügt, für den keine Ordner vorgesehen sind. Zugleich ist nicht zu erkennen, dass es den Ordnern überhaupt gelingen könnte, die Gäste in der Halle nach 22.00 Uhr dauerhaft ortsfest zu halten oder wie es ihnen gelingen könnte, ein vorübergehendes von einem dauerhaften Verlassen der diversen Räumlichkeiten zu unterscheiden. Hinzu kommt, dass die Abfahrtsmöglichkeiten nach der – für Hochzeitsfeiern bzw. Partyveranstaltungen jeweils „mit bis maximal 600 Gästen“ geltenden - Nebenbestimmung 11a) und b) wohl auf max. 25 % der auf den Parkplätzen zulässigerweise parkenden Fahrzeuge beschränkt sein soll und deshalb nicht wenige an sich aufbruchbereite Gäste sich noch längere Zeit notgedrungen im Freien aufhalten werden, weil sie auf den Anbruch der nächsten Nachtstunde warten müssen.
18Der gegen diese Bewertung gerichtete Vorwurf des Beigeladenen, das Verwaltungsgericht habe seine subjektiven Empfindungen zur fehlenden Praxistauglichkeit der Auflage über die langjährigen Erfahrungen des Schallschutzgutachters gestellt, geht angesichts dessen in mehrfacher Hinsicht fehl. Zum einen hat das Verwaltungsgericht nicht auf „Empfindungen“, sondern auf lebensnahe tatsächliche Umstände abgestellt und zum anderen ist den vorliegenden gutachterlichen Stellungnahmen nichts dazu zu entnehmen, wie wahrscheinlich die Einhaltung der aus immissionsschutzrechtlicher Sicht offenbar zwingenden Beschränkungen ist. Dies dürfte auch jenseits der Gutachtenaufträge und der gutachterlichen Kompetenzen liegen. Zudem ist weder ersichtlich noch dargelegt, dass der Gutachter über langjährige Erfahrungen mit der Einhaltung einer Nebenbestimmung wie der hier in Rede stehenden verfügen könnte. Vielmehr dürfte es sich insoweit um einen singulären Fall handeln.
19Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Baugenehmigung die Zahl der Gäste des Biergartens nicht reglementiere oder beschränke. Dies führt indes angesichts der Betriebszeiten des Biergartens bis 22:00 Uhr und des Umstandes, dass dessen Gäste nach dem Parkplatzkonzept für die Festhalle jedenfalls bei deren Auslastung die aus Sicht des Nachbarschutzes besonders kritisch zu wertenden westlichen Parkplätze nutzen müssen – die östlichen sind durch Gäste der Festhalle belegt oder für sie reserviert –, bereits für sich genommen zur nachbarrelevanten Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung. Denn die Gäste, die sich bis 22:00 Uhr zulässig im Biergarten aufhalten, werden zur Nachtzeit vom Vorhabengelände abfahren. Dies ist in keiner der vorliegenden Begutachtungen berücksichtigt, jedoch selbst dann relevant, wenn man lediglich die im Gutachten angenommene Gästezahl von 20 im Biergarten zugrunde legte und den für die Festhalle angesetzten Besetzungsschlüssel von 3,5 Personen pro Fahrzeug auch auf die Biergartenbesucher übertrüge. Selbst dann wäre noch von 6 Fahrzeugen zusätzlich auszugehen, die zu den für die Festhalle genutzten westlichen Parkplätze hinzutreten und bei einer Schließung des mit mindestens 20 Besuchern einzukalkulierenden Biergartens um 22:00 Uhr in einer Stunde hinzugerechnet werden müssten. Soweit ersichtlich legt das Gutachten sich aber nicht fest, welches die lauteste Nachtstunde sein wird.
20Lediglich ergänzend sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass auf der Grundlage der nunmehr geltenden Genehmigungslage nicht verständlich ist, warum auf dem westlich gelegenen Parkplatz weiterhin 80 Stellplätze genehmigt sind, obwohl nach den verfügten Auflagen offenbar max. 26 Stellplätze hier genutzt werden sollen. Auch dies zeigt, dass die Genehmigung offensichtlich nicht darauf angelegt ist, dass die beschränkenden Auflagen effektiv eingehalten werden.
21Ebenso wenig ernstlich zweifelhaft ist auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvortrags des Beigeladenen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Auflage Nr. 15 sei nicht hinreichend bestimmt und nicht geeignet, eine effektive Durchsetzung der zum Nachbarschutz erforderlichen Auflagen zu garantieren. Insoweit hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen darauf abgestellt, es sei schon unklar, wer die Ordner benennen müsse bzw. dürfe – dies insbesondere in Fällen, in denen die Halle nur ohne weitere Leistungen seitens des Beigeladenen bzw. der I1. GmbH von Dritten angemietet werde, was die erteilte Genehmigung zulasse – und wer als ein solcher Ordner infrage komme. Letzteres stellt auch der Beigeladene nicht in Abrede. Seine Überlegungen, dies sei unerheblich, weil nichts dafür spreche, dass etwa Freunde oder Familienangehörige des Brautpaares nicht für eine effektive Durchsetzung der Auflagen sorgen würden, liegen aber letztlich neben der Sache. Insbesondere der Vorhalt, dies werde vom Verwaltungsgericht lediglich ohne Erfahrungswerte oder Tatsachen unterstellt, ist mindestens weit hergeholt. Abgesehen davon, dass eine solche Nähebeziehung – auch zu den Gästen – die (effektive) Nutzung exekutiver Befugnisse ersichtlich und nach aller Lebenserfahrung weniger wahrscheinlich macht, lassen sich auch in der Rechtsordnung zahllose Beispiele dazu finden, dass bestimmte Nähebeziehungen schon abstrakt eine unabhängige Funktion ausschließen – so etwa § 31 GO NRW oder § 20 VwVfG.
22Bereits aus diesem Grund ist der vom Beigeladenen gezogene Vergleich zu Großveranstaltungen mit professionellen Ordnungskräften, die der Veranstalter zu stellen hat, nicht weiterführend. Eine solche – mit ggf. nicht unerheblichem (logistischen bzw.) finanziellen Aufwand verbundene - Professionalität stellt die Nebenbestimmung Nr. 15 gerade nicht sicher, was aber angesichts der Komplexität der Auflagen unabdingbar wäre. Insoweit bleibt im Übrigen auch nach dem Vortrag des Beigeladenen letztlich offen, wer der Verantwortliche für die Stellung der vorgesehenen mindestens zehn Ordner ist. Seine Argumentation, dies sei immer zunächst der Eigentümer, weil diesem die Baugenehmigung erteilt werde, trifft schon im Ansatz nicht zu. Genehmigungsinhaber und Eigentümer müssen nicht identisch sein und sind dies gerade bei gewerblichen Vorhaben auch häufig nicht.
23Vgl. allgemein Beck-OK, BauO NRW 2018, 9. Edition, § 74 Rn. 21 f., m. w. N.; zu praktischen Beispielen etwa OVG NRW, Urteile vom 15. November 2021 – 2 D 140/20.NE – und – 2 D 153/20.NE -, beide juris.
24Zudem legt der – wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – nur an dieser Stelle und ohne weitere Präzisierung verwandte Begriff des „Betreibers“ einen Rückgriff auf den Eigentümer ebenso wenig nahe wie auf den Genehmigungsinhaber. In beiden Fällen hätte dann dieser Begriff Verwendung finden können bzw. müssen. Nimmt man die ebenfalls zutreffende und unwidersprochen gebliebene Feststellung des Verwaltungsgerichts hinzu, die Baugenehmigung lasse eine reine Mietüberlassung der Halle zu, sodass weder der Beigeladene noch die I1. GmbH etwas mit der nachfolgenden Nutzung zu tun haben und sie deshalb sprachlich auch nicht als deren „Betreiber“ zu erfassen sind, ist damit auch die Person des Verpflichteten für diese zentrale Sicherungsmaßnahme offenkundig unklar.
25In noch stärkerem Maße gilt dies für die Frage des Veranstaltungsleiters. Mit der vom Verwaltungsgericht eingehend erörterten Frage, wer diesen zu benennen habe und wem gegenüber, beschäftigt sich die Begründung des Zulassungsantrages nicht. Dabei handelt es sich aber zweifellos um eine zentrale Frage der Durchsetzbarkeit und Kontrollierbarkeit – gibt es hierfür keine klare Verantwortung, kann etwa die Aufsichtsbehörde auch niemanden hierfür heranziehen. Hinzu kommt, dass an die Person selbst entgegen der gutachterlichen Annahme, diese müsse „den Ordnungskräften gegenüber weisungsberechtigt sein und umfassende Kenntnis über die notwendigen Maßnahmen besitzen“, keinerlei Anforderungen gestellt werden, obwohl ihr für eine Fülle detaillierter Anforderungen die Verantwortung zugeordnet wird (vgl. Auflage Nr. 15 c). Gleiches gilt hinsichtlich ihrer Befugnisse gegenüber den Ordnungskräften. Solche liegen auch nicht auf der Hand, nachdem die Baugenehmigung schon nicht festlegt, dass Ordner und Leiter von derselben Seite bestellt werden. Dass etwa auch die Braut die Veranstaltungsleiterin sein kann, ist damit nicht ausgeschlossen, wohl aber, dass sie ihre Aufgaben im Rahmen der Hochzeitsfeier erfüllen kann. Hier wird also nur auf dem Papier eine Verantwortung begründet – und zugleich vom Genehmigungsinhaber (weg-)genommen –, ohne dass damit eine Einhaltung der umfangreichen Nebenbestimmungen auch nur im Ansatz sichergestellt wäre.
26Für die Frage der hinreichenden Bestimmtheit und Vollziehbarkeit der Baugenehmigung ist es hingegen schon im Ansatz unerheblich, ob es bei den zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung allein thematisierten drei Großveranstaltungen im Februar 2020 tatsächlich zu Verstößen gegen die erteilte Genehmigung - in ihren zu den jeweiligen Zeitpunkten geltenden verschiedenen Fassungen - gekommen ist. Abgesehen davon, dass insbesondere die Auflagen zum Immissionsschutz im November 2020 umfassend überarbeitet wurden und insofern keinem Praxistest im Februar 2020 unterzogen werden konnten, lässt sich jedoch schon aus der geringen Zahl der Veranstaltungen und der Winterzeit kein repräsentatives Bild ableiten. Dies gilt erst recht für die mit dem Zulassungsantrag weiter aufgeführten Veranstaltungen, die max. 200 Gäste hatten und damit nicht einmal 1/3 der vollen Auslastung des Betriebes erreichten. Dass es durchaus der Lebenserfahrung entspricht, dass bei Premierenveranstaltungen, die wie hier einen gewissen Testcharakter haben, Ordnungsvorgaben – zumal im Bewusstsein erfolgender Kontrollen und Kontrollmessungen – disziplinierter beachtet werden als bei Veranstaltungen im späteren Regelbetrieb, musste in diesem Zusammenhang nicht einmal entscheidungserheblich eingestellt werden.
27Ebenfalls nicht durchgreifend zweifelhaft stellen sich nach dem Zulassungsvorbringen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den – wiederum – (zu) detaillierten Vorgaben für die „Begrüßung der Braut“ (Auflage Nr. 2) dar. Zu den vom Verwaltungsgericht zutreffend gesehenen Problemen kommt noch hinzu, dass die Genehmigung die sehr ins Detail gehenden Annahmen des Gutachtens nicht einmal vollständig umsetzt. So fehlen in der Genehmigung insbesondere Vorgaben zum Betätigen der Hupe und zu deren Intervallen im Rahmen des Autokorsos – die Nebenbestimmung 17 geht in einem Klammerzusatz lediglich davon aus, Hupkonzerte seien auch tagsüber unzulässig -, die indes ohnehin nicht praktikabel und/oder umsetzbar wären. Es ist schlicht nicht zu kontrollieren, ob 50 oder 60 % der Teilnehmer die Hupe bzw. alle sie nur in der Hälfte der Zeit betätigen. Ebenso ist dieser Programmpunkt nach der Genehmigung nicht in seiner zeitlichen Ausdehnung beschränkt, insbesondere finden sich die vom Gutachten vorgegebenen fünf Minuten für den gesamten Vorgang von der Anfahrt bis zum Betreten der Festhalle in den Auflagen zur Baugenehmigung nicht wieder. Dass diese Vorgaben kaum realistisch sein dürften – allein das Richten des Brautkleides und die Ausstattung der Braut nach dem Aussteigen erfordern regelmäßig beträchtliche Zeit und eine Stoppuhr findet ebenso regelmäßig keine Verwendung – ist deshalb nicht weiter zu betrachten.
28Demgegenüber sind die Auflage Nr. 2 und ihre gutachterliche Vorbereitung zumindest deshalb defizitär, weil nicht ersichtlich ist, dass der Verbleib der übrigen Insassen der am Autokorso beteiligten Fahrzeuge – bei dem angenommenen Besetzungsgrad von 3,5 immerhin 28 Personen – betrachtet worden wäre. In der Zahl der zur Begrüßung der Braut maximal angesetzten 50 Personen sind sie jedenfalls nicht erkennbar enthalten, im Gegenteil dürfte dies im Kontext des gutachterlich betrachteten Szenarios gerade nicht der Fall sein: „Die Fahrzeuge fahren vor die Nordwestfassade des Festsaals. Dort stehen einige Schaulistige, die die Braut durch Rufen willkommen heißen, es wird von bis zu 50 Personen ausgegangen. Der Vorgang dauert ca. 5 Minuten bei einem Schallleistungspegel von LWA = 80 dB(A) pro Person. Der Gesamt-Schalleistungspegel beträgt somit LWA = 97 dB(A). Danach geht es im Festsaal mit der eigentlichen Begrüßung weiter …“ (Gutachten vom 6. Oktober 2020 S. 21).
29Jenseits dessen werden die vom Verwaltungsgericht detailliert begründeten Bedenken an der Um- und Durchsetzbarkeit der Vorgaben durch den Zulassungsvortrag aber ohnehin nicht ausgeräumt. Namentlich ist der Verweis auf Regelungen im Mietvertrag mit der Androhung der Einbehaltung einer Kaution ersichtlich unzureichend, um für eine effektive Durchsetzung zu sorgen. Das gilt schon deshalb, weil weder die erforderliche Mindesthöhe der Kaution vorgegeben – der Anforderung würde etwa eine Kaution von einem Euro entsprechen, die aber ersichtlich keine Druckwirkung erzeugte – noch eine Verpflichtung des Beigeladenen oder des Vermieters statuiert wird, diese Androhung gegebenenfalls auch umzusetzen. Im Übrigen stellt sich die Frage, wie die Beklagte dies gegebenenfalls kontrollieren könnte. Nachvollziehbare Gründe, warum diese Regelung gleichwohl praxisgerecht sein könnte, nennt der Beigeladene im Weiteren nicht. Soweit er abschließend darauf hinweist, dass das Thema Autokorso und die Begrüßung der Braut in dem „ursprünglichen Konzept des Bauantrages sowie der ursprünglichen Fassung des Schallprognosegutachtens nicht stattgefunden habe“ und es ihm letztlich von den Klägern aufgedrängt worden sei, ist dies schlicht falsch. Bereits das 1. Gutachten vom 28. Juni 2018, das der ursprünglichen Genehmigung vom 25. Juli 2018 zugrunde lag, enthält hierzu auf Seite 12 ausführliche Erörterungen, die denen des Gutachtens vom 6. Oktober 2020 insoweit praktisch wörtlich entsprechen. Von einer gewissermaßen unmotivierten Problematisierung durch das Gericht kann insoweit ebenfalls nicht ansatzweise gesprochen werden. Dieses hat vielmehr lediglich das vom Schallgutachter entworfene Szenario und damit den Inhalt der Baugenehmigung überprüft.
30Im Hinblick auf das Verständnis der Auflage Nr. 11, wonach „grundsätzlich“ innerhalb eines Kalendertages nur eine Veranstaltung zulässig ist, geht der Zulassungsantrag zunächst auf das ersichtlich unterschiedliche Verständnis des Beigeladenen und der Beklagten überhaupt nicht ein oder erläutert, warum der Beigeladene diese „klare und eindeutige Regelung“ (so die Begründung des Zulassungsantrags S. 14) anders versteht oder zumindest zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht verstanden hat, als dies auch der Zulassungsvortrag offenbar für richtig hält. Bemerkenswert ist indes, dass der Beigeladene bzw. seine Prozessbevollmächtigten nunmehr im Widerspruch zu dieser Positionierung im Klageverfahren mit einem von ihnen im zugehörigen Eilverfahren 2 B 1926/21 vorgelegten Schreiben an die Beklagte vom 16. Dezember 2021 eine noch einmal andere Auffassung vertreten, nach der „Kalendertag“ hier als Synonym für „Nachtzeitraum“ zu verstehen sein soll. Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Beklagte selbst im Genehmigungsverfahren zur 3. Änderung festgehalten hat, dass mit der Vorgabe sichergestellt sei, dass nur an etwa 100 Tagen im Jahr Veranstaltungen bis 4:00 Uhr morgens zulässig seien (Vermerk vom 7. August 2020, BA 10 S. 321). Angesichts der Betriebszeitenregelungen bedingt dies aber die Annahme, dass freitags und samstags jeweils entsprechende Veranstaltungen denkbar sind. Ausgehend hiervon kann indes nicht ausgeschlossen werden, dass das Wort „grundsätzlich“ auf solche praktisch wöchentlichen Ausnahmemöglichkeiten zielt oder sie jedenfalls gerade nicht ausschließt. Unter welchen Umständen Ausnahmen gewährt werden, ist in der Genehmigung selbst auch nicht geregelt. Aus welchem Grund dies nicht erforderlich sein sollte, wie der Beigeladene meint, erschließt sich vor diesem Hintergrund auch aus der Begründung des Zulassungsantrages nicht.
31Lediglich ergänzend weist der Senat im Hinblick auf die fehlende Bestimmtheit der Nebenbestimmungen noch darauf hin, dass sich Regelungsgehalt und Bedeutung der Auflage Nr. 4 nicht erschließen. Dort heißt es in Satz 2: „Sollte es trotzdem zu berechtigten Nachbarbeschwerden über Lärmimmissionen kommen, ist die Einhaltung der unter Nr. 3 – Immissionsrichtwerte außerhalb von Gebäuden – festgelegten Immissionsrichtwerte an den maßgeblichen Immissionsorten durch Gutachten nachzuweisen“. Es erschließt sich weder, wann Nachbarbeschwerden „berechtigt“ sein sollen, noch aus welchem Grund in diesem Fall ein Gutachten zum Nachweis der Einhaltung der Bestimmungen der Baugenehmigung sinnvoll sein könnte. Denn es liegen und lagen der Beklagten bereits vier Immissionsschutzgutachten vor, die nach ihrer Überzeugung nachweisen, dass die Immissionsgrenzwerte eines Mischgebietes eingehalten werden. Sonst hätte sie die Genehmigung auch nicht erteilen dürfen. In diesem Sinne konstatiert S. 1 der Auflage auch: „Die vorliegende Schallimmissionsprognose von Herrn –Dipl.-Ing. P. N. vom 06.10.2020 weist die Einhaltung der Immissionsrichtwerte an den Immissionsorten nach.“ Deshalb stellt sich zumindest die Frage, wann aus Sicht der Beklagten der neuerliche Nachweis aufgrund einer einzelnen anderen Begutachtung als geführt angesehen oder die Nachbarbeschwerden als berechtigt anerkannt würden.
32Inwieweit das Verwaltungsgericht schließlich den Charakter der Genehmigung als Verbesserungsgenehmigung hätte berücksichtigen müssen, wie der Beigeladene unter III. anführt, erschließt sich dann schon im Grundsatz nicht. Es ist bereits weder dargelegt noch ersichtlich, dass sein Vorhaben von der für eine Diskothek erteilten Baugenehmigung vom 11. August 1999 gedeckt wäre. Im Gegenteil liegt hier offensichtlich ein aliud vor, sodass sich die Frage einer Verbesserung schon im Ansatz nicht stellt. Unbeschadet dessen rechtfertigte aber auch dies keinen Abschlag hinsichtlich der Bestimmtheit und Vollziehbarkeit der Auflagen, zumal allein diese eine Verbesserung begründen könnten. Im Übrigen übersieht der Beigeladene, dass sich das Maß der Rücksichtnahme jedenfalls im Hinblick auf Lärmimmissionen abschließend nach der TA Lärm bestimmt, die eine Überschreitung der hier angesetzten Immissionswerte eines Mischgebietes auch in Gemengelagen – anders als etwa die GIRL, auf die allein sich die vom Beigeladenen herangezogenen baurechtlichen Entscheidungen beziehen – regelmäßig nicht zulässt. Die Regelungen der TA Lärm sind nach gefestigter Rechtsprechung zumindest insoweit abschließend und verbindlich, als diese bestimmten Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmte Immissionsrichtwerte zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt.
33Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 4 C 8.11 -, juris Rn. 18.
342. Vor diesem Hintergrund weist die Rechtssache auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf. Die Begründung des Zulassungsantrages enthält insoweit über die vorstehend behandelten Aspekte hinaus keine weitergehenden Ausführungen.
353. Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruht auch nicht auf einem der Beurteilung des Senats unterliegenden Verfahrensfehler (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), weil das Verwaltungsgericht das rechtliche Gehör des Beigeladenen verletzt und/oder § 108 VwGO nicht beachtet hätte.
36Der Beigeladene beruft sich (auch) in diesem Zusammenhang im Wesentlichen darauf, das Verwaltungsgericht habe sich ausschließlich auf eigene Erfahrungen verlassen, zu denen er sich nicht habe äußern können, oder Auflagen ohne weitere Begründung für nicht umsetzbar gehalten. Dass letzteres nicht zutrifft, ergibt sich bereits aus der Begründung des Zulassungsantrages selbst. Denn diese lässt allein hervortreten, dass den Beigeladenen die jeweils gegebene und von ihm wiedergegebene Begründung nicht überzeugt. Das ist aber nicht mit deren Fehlen gleichzusetzen.
37Im Übrigen verkennt der Beigeladene, dass die Wertung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der (fehlenden) Bestimmtheit der Auflagen – insbesondere hinsichtlich der Auflage Nr. 15 – schlicht auf juristischer Subsumtion beruht und nicht auf eigenen Erkenntnissen tatsächlicher Art oder Erfahrungen. Soweit das Verwaltungsgericht auf die allgemeine Lebenserfahrung zurückgegriffen hat, liegt auch darin kein Verfahrensverstoß; vielmehr bewegt es sich damit erkennbar im Rahmen der dem Gericht zukommenden Sachverhaltswürdigung. Im Übrigen gehört es zum Wesen der allgemeinen Lebenserfahrung, dass diese als bekannt vorausgesetzt werden kann. Letztlich hält auch der Beigeladene dem lediglich eine abweichende Erfahrung entgegen, die sich indes von der allgemeinen Lebenserfahrung jedenfalls weiter entfernt, als es die Erörterung des Verwaltungsgerichts getan hat. Dies gilt – wie ausgeführt – insbesondere für die an dieser Stelle angesprochenen Fragen des Fernhaltens von Gästen etwa vom Parkplatz oder der Eignung von Familienmitgliedern als zuverlässige Ordnungskräfte. Mit „persönlichen Vorurteilen“ haben diese Wertungen jedenfalls nichts zu tun.
38Schließlich kann auch keine Rede davon sein, dass sich das Verwaltungsgericht auf Aspekte gestützt hätte, die nicht in ausreichendem Umfang als entscheidungserheblich zu erkennen gewesen wären. Vielmehr waren die Fragen der Bestimmtheit und der Umsetzbarkeit der Baugenehmigung zentraler Gegenstand des Verfahrens, was sich nicht zuletzt in den drei dem Beigeladenen von der Beklagten erteilten Änderungsgenehmigungen nebst eines zusätzlichen Nachtrages manifestiert hatte. Eine Verpflichtung, seine Wertungen dieser Reparaturversuche den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung in allen Einzelheiten mitzuteilen, bestand für das Gericht im Übrigen nicht, wobei indes davon auszugehen ist, dass die maßgeblichen Punkte in der immerhin fast zweieinhalb Stunden dauernden mündlichen Verhandlung am 11. März 2021, an der die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen nicht teilgenommen haben, zur Sprache gekommen sind. Sicher scheint sich der Beigeladene seines Vorhalts indes ohnehin nicht zu sein, da er annimmt, das Verwaltungsgericht habe seine Entscheidung „wohl“ ausschließlich auf eigene Erfahrungssätze gestützt, ohne die Beteiligten darüber zu informieren.
39Soweit sich der Beigeladene in diesem Zusammenhang auch auf den gerichtlichen Orts- und Erörterungstermin bezieht, genügt der Hinweis, dass dieser bereits im Juni 2020 stattgefunden hat, die fraglichen Nebenbestimmungen aber erst im November 2020 im Rahmen der 3. Änderung zum Genehmigungsinhalt geworden sind - dies offenbar gerade in Reaktion auf die Erörterungen im gerichtlichen Ortstermin. Inwieweit das Gericht bei dieser Gelegenheit zu den noch nicht verfügten Nebenbestimmungen hätte Stellung nehmen können oder gar müssen, erschließt sich nicht.
40Schließlich enthält aber auch der Zulassungsvortrag – wie ausgeführt – keine weiteren sachdienlichen Angaben, die eine andere rechtliche Wertung der Baugenehmigung ernsthaft in Betracht kommen ließen. Insbesondere wird mit ihm auch nach schriftlicher Offenlegung der Bewertungsmaßstäbe des Verwaltungsgerichts nicht die Möglichkeit genutzt, angebliche „offensichtliche Missverständnisse des Gerichts zum Ablauf der geplanten Veranstaltungen durch entsprechenden Vortrag aufzuklären und weitere sachdienliche Tatsachen vorzutragen und zu belegen“. Damit lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer hier einmal unterstellten Verletzung rechtlichen Gehörs beruhen könnte.
41Vgl. zu den entsprechenden Darlegungsanforderungen nur Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO-Kommentar, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 219; Happ, in: Eyermann, VwGO-Kommentar, 15. Aufl. 2018, § 124a Rn. 74, jeweils m. w. N.
42Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
43Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung.
44Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das angegriffene Urteil rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
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Referenzen
- VwGO § 124 5x
- VwGO § 152 1x
- VwVfG § 20 Ausgeschlossene Personen 1x
- VwGO § 154 1x
- 2 B 1926/21 1x (nicht zugeordnet)
- 2 D 153/20 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124a 2x
- VwGO § 108 1x
- 10 B 401/07 1x (nicht zugeordnet)
- 2 D 140/20 1x (nicht zugeordnet)
- § 31 GO 1x (nicht zugeordnet)