Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 A 2940/21
Tenor
Der Antrag wird verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
1Der Antrag ist unzulässig, weil er entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung begründet worden ist. Das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. Oktober 2021 ist den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 14. Oktober 2021 wirksam zugestellt worden. Die zweimonatige Begründungsfrist für den Zulassungsantrag ist damit am 14. Dezember 2021 abgelaufen. Die Zulassungsbegründungsschrift ist aber erst am 20. Dezember 2021 und damit verspätet beim OVG NRW eingegangen. Der am letzten Tag der Frist wohl um 15.37 Uhr beim hierfür unzuständigen Verwaltungsgericht Düsseldorf eingegangene Begründungsschriftsatz mit dem Datum 18. Oktober 2021 wahrt die Frist nach dem klaren Wortlaut des § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO nicht.
2Die Voraussetzungen für die begehrte Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung des Zulassungsantrages liegen nicht vor. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Kläger ohne Verschulden gehindert gewesen sein könnten, den fristgerecht gestellten Zulassungsantrag fristgerecht zu begründen bzw. begründen zu lassen. Ein Verschulden liegt dann vor, wenn der Betroffene diejenigen Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die nach den gesamten Umständen des konkreten Falles ihm zuzumuten war.
3Vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 6. Juni 1995 – 6 C 13.93, juris Rn. 5, und vom 28. April 1967 – IV C 100.66 - , NJW 1967, 2026 = juris Rn. 10.
4Das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten müssen sich die Kläger dabei wie eigenes zurechnen lassen, § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 51 Abs. 2, 85 ZPO.
5Zu Einzelheiten Kahl/Bews, JurA 2018, 339, 341 ff.; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit umfassend BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 – 2 BvL 26/81 -, BVerfGE 60, 253, 267 ff.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2000 – 2 BvR 1989/97 -, DVBl. 2000, 1279 = juris Rn. 9 ff.
6Jedenfalls ein solches Verschulden liegt hier schon nach dem eigenen Vortrag in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages vor. Denn danach hat der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte der Kläger zumindest eine Zulassungsbegründungsschrift signiert, die zweifelsfrei an das Verwaltungsgericht Düsseldorf adressiert war und anschließend auch dahin versandt worden ist. Dass er diese vor der Unterschrift nicht (mehr) gelesen hat, wie seiner Darstellung in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags wohl zu entnehmen ist, entlastet ihn dabei ersichtlich nicht. Vielmehr gehört es zu den elementaren Sorgfaltspflichten nicht nur eines Anwalts, nur solche Schriftstücke zu signieren, die man zuvor inhaltlich zur Kenntnis genommen hat. Selbst wenn man seiner weiteren Darstellung folgen wollte, er habe in einer Einzelanweisung einen Versand an das OVG NRW angeordnet, hat er damit in zurechenbarer Weise die fehlerhafte Versendung an das unzuständige Gericht zurechenbar verursacht, weil sich die richtige Adressierung gerade nicht aus dem von ihm unterschriebenen bzw. signierten Schriftsatz ergab. Dieses ist vielmehr so, wie es signiert wurde, versandt worden, wofür der verantwortliche Rechtsanwalt die Verantwortung mit seiner Unterschrift übernommen hatte. Der Versuch, diese an das Büropersonal zu delegieren, ist daher schon im Ansatz nicht zulässig. Anders als der sachbearbeitende Rechtsanwalt vorbringt, beruht der Übermittlungsfehler nicht im Kern darauf, „dass die eingesetzte Mitarbeiterin weisungswidrig den Adressaten des Ursprungsschriftsatzes nicht geändert bzw. die entsprechende Anweisung dazu nicht ausgeführt hat“, sondern dass er den Begründungsschriftsatz ungelesen signiert hat. Nur aus diesem Grund konnte dann im Folgenden auch bei der Ausgangskontrolle durch Bürokräfte nicht auffallen, dass der Schriftsatz an das unzuständige Gericht gesandt worden war, entsprach der Zustellungsnachweis doch dem Briefkopf.
7Unbeschadet dessen erscheint diese Darstellung allerdings in der Sache auch so fernliegend, dass ihr nicht zu folgen wäre. Es erscheint im Fall einer ausdrücklichen Einzelanweisung wenig glaubhaft, dass sich die Büroangestellte hierüber hinweggesetzt haben sollte, weil ihr hinsichtlich der Adressierung an das OVG NRW Zweifel gekommen sein sollten, und dem Rechtsanwalt ein weisungswidrig erstelltes Schriftstück kommentarlos bzw. entsprechend ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 29. Dezember 2021 mit der Versicherung, den Schriftsatz weisungsgemäß erstellt zu haben, „unterschiebt“, zumal jedenfalls zu unterstellen ist, dass sie damit rechnen musste, dass er dieses – anwaltlicher Sorgfalt entsprechend - nicht ungelesen signieren würde und ihm die von seiner – unterstellten – Einzelweisung abweichende Adressierung hätte auffallen müssen. Die „Angst“ vor einem erneuten Vorhalt hätte erst Recht ein solches Verhalten ausgeschlossen. Hierauf kam es indes – wie ausgeführt – nicht an.
8Das so den Klägern zuzurechnende Fristversäumnis kann auch nicht deshalb in einer wertenden Betrachtung unberücksichtigt bleiben, weil der Begründungsschriftsatz vom Verwaltungsgericht nicht innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO an das zuständige OVG NRW weitergeleitet worden ist. Dies wäre allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn hiermit im normalen Geschäftsgang hätte gerechnet werden können.
9Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 1995 – 1 BvR 166/93 -, BVerfGE 93, 99 = juris Rn. 43 ff., 46 f.
10Das scheidet hier aber schon deshalb aus, weil der – im Übrigen auch nicht als eilbedürftig gekennzeichnete - Schriftsatz erst am letzten Tag der Frist um 15.37 Uhr beim Verwaltungsgericht eingegangen ist und dort auch - schon wegen der von dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt verantworteten offiziellen Adressierung - nicht unmittelbar als Irrläufer zu erkennen war. Üblichem Geschäftsgang entsprach es jedenfalls, dass der Schriftsatz dem zuständigen Richter frühestens am Folgetag - und damit nach Ablauf der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO - vorgelegt wurde. Hierbei ist zudem zu berücksichtigen, dass es dem Prozessbevollmächtigten zwar unbenommen bleibt, Fristen bis zum letzten Tag auszuschöpfen, er dann aber besondere Sorgfalt hinsichtlich des rechtzeitigen Zugangs an das zuständige Gericht an den Tag legen muss, weil Dritte etwaige Fehler dann nicht mehr korrigieren können.
11Vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 1995 – 1 BvR 166/93 -, BVerfGE 93, 99 = juris Rn. 48.
12Auch diese Verantwortung trägt indes derjenige, der die Frist ausschöpft, nicht aber der Dritte – hier das unzuständige Verwaltungsgericht.
13Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, dass der Zulassungsantrag auch in der Sache voraussichtlich erfolglos geblieben wäre. Denn Anhaltspunkte dafür, dass das Vorhabengrundstück entgegen der sich anhand des vorliegenden und des frei zugänglichen Karten- und Bildmaterials schon aufdrängenden Wertung des Verwaltungsgerichts im Innenbereich liegen sollte, zeigt der verfristete Begründungsschriftsatz ebenso wenig auf wie Anhaltspunkte dafür, dass es in den konkreten Gegebenheiten nach § 35 Abs. 2 BauGB genehmigungsfähig sein könnte. Die ohne verbindliche Bauleitplanung – diese wird hier jedenfalls nicht durch einen „Rahmenplan“ ersetzt – erfolgende Ausdehnung einer Wohnbebauung in den Außenbereich ist bereits für sich genommen ein grundsätzlich zu missbilligender Vorgang der Zersiedlung, weil ansonsten stets der Außenbereich „um einen Bauplatz“ an der Grenze zum bestehenden Innenbereich verkleinert würde. Unbeschadet dessen liegt hier jedenfalls eine Vorbildwirkung für mindestens zwei Baugrundstücke vor. Die umfangreichen Ausführungen in der Begründung des Zulassungsantrags belegen selbst, dass entsprechende Entwicklungen realistischerweise zu befürchten sind – dass sie sicher eintreten würden, ist nicht erforderlich. Die nicht weiter begründete Unterstellung, es würde mit einer Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrages „sehenden Auges Unrecht gesprochen“, erweist sich auch vor diesem Hintergrund als haltlos, wobei die Fristen der VwGO im Übrigen ohnehin zum geltenden Recht gehören. Inwieweit es im vorliegenden Verfahren relevant sein sollte, dass die Kläger die bauplanungsrechtliche Frage erneut stellen könnten, erschließt sich dann schon im Ansatz nicht.
14Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.
15Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG und folgt – auch in der Begründung – der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung.
16Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO. Mit der Verwerfung des Zulassungsantrags ist das angefochtene Urteil rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
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Referenzen
- 2 BvL 26/81 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 152 1x
- VwGO § 124a 5x
- VwGO § 159 1x
- §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 51 Prozessfähigkeit; gesetzliche Vertretung; Prozessführung 1x
- 1 BvR 166/93 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- ZPO § 85 Wirkung der Prozessvollmacht 1x
- § 35 Abs. 2 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 1989/97 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 173 1x