Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 A 615/22
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
1Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Er ist jedenfalls unbegründet. Aus dem gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 maßgeblichen Zulassungsvorbringen ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO)noch besondere (tatsächliche oder) rechtliche.Schwierigkeiten (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
21. Zur Darlegung des Zulassungsgrunds der ernstlichen Zweifel bedarf es einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Dabei ist in substantiierter Weise an der Gedankenführung des Verwaltungsgerichts orientiert aufzuzeigen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. In der Sache liegen ernstliche Zweifel vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
3Derartige Zweifel weckt das Antragsvorbringen nicht.
4Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,
5die Baugenehmigung der Beklagten vom 1. Dezember 2020 (Az. 00293-20-40) aufzuheben,
6im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seinen im zugehörigen Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 10. März 2012 – 9 L 103/21 – und dessen Bestätigung vom 21. Juni 2021 – 2 B 501/21 - durch den beschließenden Senat mit der Begründung abgewiesen, die angefochtene Baugenehmigung sei nicht nachbarrechtswidrig. Das Vorhaben verletze weder den Anspruch der Klägerin auf Wahrung des Gebietscharakters noch sei es zu ihren Lasten rücksichtslos. Die in den genannten Beschlüssen angestellten Erwägungen seien im Ortstermin inhaltlich bestätigt worden. Die mit hohen Büschen an ihren Grenzen eingewachsenen Grundstücke der Klägerin und der Beigeladenen seien optisch nahezu vollständig voneinander abgeschirmt und der Hühner-Unterstand sei von nahezu allen Positionen im Garten der Klägerin nicht oder kaum wahrnehmbar. Aufgrund des großzügigen Formats der Grundstücke sei der Abstand des Hühner-Unterstandes zur Terrasse der Klägerin erheblich. Angesichts des Zuschnitts und der Bepflanzung der Grundstücke sei auszuschließen, dass selbst bei einem Freilauf der bis zu 10 Hühner im Garten der Beigeladenen auf der Terrasse der Klägerin unzumutbare Beeinträchtigungen hervorgerufen würden. Der Vortrag der Klägerin zur Frage der fachgerechten Beseitigung des Hühnerkots sei für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung schon nicht erheblich. Unabhängig davon habe sich im Ortstermin herausgestellt, dass der Kot - den Erfordernissen der Hygiene entsprechend - in einem verschlossenen Eimer aufbewahrt werde. Der Vortrag der Klägerin zu einem Rattenbefall ihres Grundstücks sei auch weiterhin nicht in einer eine Nachbarrechtswidrigkeit der Baugenehmigung begründenden Weise substantiiert worden. Ein genuiner und exklusiver Zusammenhang zwischen einem Rattenbefall auf einem Grundstück mit einer praktizierten Hühnerhaltung sei nicht belastbar dargelegt. Vielmehr entspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass es in menschlichen Siedlungen generell, insbesondere aber in der Nähe von naturnahen Flächen und Gewässern, grundsätzlich zu einem Auftreten von Ratten kommen könne, dem dann mit den Mitteln der Schädlingsbekämpfung zu begegnen sei.
7Diesen ohne weiteres nachvollziehbaren Ausführungen setzt die Zulassungsbegründung nichts entgegen, das ernstliche Zweifel auch nur ansatzweise hervorrufen könnte.
8Was sich zugunsten der Klägerin aus dem von der Zulassungsbegründung ohne weitere Erläuterung in den Raum gestellten Senatsbeschluss vom 14. August 2017 (2 B 1388/16) ergeben soll, in dem es um die (verneinte) Nachbarrechtswidrigkeit einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Zweifamilienwohnhauses mit zwei Stellplätzen ging, erschließt sich nicht.
9Der Vortrag der Zulassungsbegründung, "der Umstand der Einfriedung der Grundstücke" rechtfertige nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Hühnerstand sei im Garten der Klägerin nicht oder kaum wahrnehmbar, bleibt ohne jegliche Substantiierung und genügt daher schon nicht dem Darlegungserfordernis.
10Warum es aus Sicht der Klägerin nicht auf den Abstand des Vorhabens zu ihrer Terrasse ankommen soll, sondern auf die – nicht weiter spezifizierte "unmittelbare Beeinträchtigung des baurechtlich genehmigten Schwimmbeckens … in unmittelbarer Nähe zum Grundstücksverlauf" wird nicht ansatzweise erläutert.
11Ebenfalls ohne Erfolg macht die Zulassungsbegründung geltend, es bestehe ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Ratten und der "praktizierten Hühnerhaltung"; wo ein in solcher "in belastbarer Art und Weise dargestellt" worden sein soll, erschließt sich nicht. Dass der Rattenbefall erst mit der Einrichtung der Hühnerzucht begonnen haben soll, ist eine unsubstantiierte Behauptung, zumal Herr I. L. sich in der Vergangenheit schon mehrfach über die aus seiner Sicht zunehmende "Verwahrlosung" im Bereich des I1.-----wegs – auch auf dem Grundstück der Beigeladenen - beschwert hatte. Zudem folgt aus einer – hier einmal unterstellten – zeitlichen Koinzidenz noch keine Kausalität.
122. Die Sache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtliche Schwierigkeiten i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Zu dem von der Zulassungsbegründung insoweit angeführten Gebot der Rücksichtnahme gibt es – auch soweit es Hühnerhaltung betrifft - eine gefestigte Rechtsprechung. Das gilt auch für den "Gesichtspunkt des Bestandsschutzes", ohne dass die Zulassungsbegründung verdeutlicht, dass bzw. warum dieser hier überhaupt eine Rolle spielen könnte.
133. Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich auch nicht, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat.
14Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im betreffenden Be-rufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens er-hebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den kon-kreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Wei-terentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungs-bedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Be-deutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
15Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen nicht einmal im Ansatz gerecht. Es wird schon keine Frage ausformuliert, geschweige denn inhaltlich eine über die Beantwortung des konkreten Falls hinausgehende Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen. Unabhängig davon ist die allenfalls in den Raum gestellte Nachbarrechtswidrigkeit einer baulichen Anlage bzw. ihrer Nutzung eine Frage des Einzelfalls, die sich einer verallgemeinerungsfähigen Klärung entzieht.
16Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs, 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen; denn diese hat hier nicht nur einen Sachantrag gestellt, sondern diesen auch – unter Auseinandersetzung mit der Zulassungsbegründung - im Einzelnen begründet.
17Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung sowie den diesbezüglichen Annahmen in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.
18Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrages wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Referenzen
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 124 5x
- 2 B 1388/16 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 3 1x
- VwGO § 152 1x
- VwGO § 124a 1x
- VwGO § 162 1x
- §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- 9 L 103/21 1x (nicht zugeordnet)
- 2 B 501/21 1x (nicht zugeordnet)