Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 7 B 508/22
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000.- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Gründe für eine Änderung der angefochtenen Entscheidung, mit der es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der Klage 23 K 981/22 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 6.10.2021 anzuordnen, haben die Antragsteller nicht dargetan. Der Senat ist dabei nach § 146 Abs. 4 VwGO grundsätzlich auf die Prüfung des innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist erfolgten Vorbringens beschränkt.
4Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag keinen Erfolg habe, da die angefochtene Baugenehmigung vom 6.10.2021 nach der allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage - trotz ihrer wegen einer fehlenden Zuordnung der Stellplätze zum Vorhaben objektiven Rechtswidrigkeit - nicht nachbarrechtsverletzend sei.
5Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller steht diesen kein Gebietsprägungserhaltungsanspruch zu. Dazu machen sie geltend, das Vorhaben passe nicht in die Baugebietsstruktur und konterkariere den prägenden Charakter des Baugebiets als Einfamilienhaussiedlung mit großzügigen Gärten und großen Grundstücken. Es kann dahinstehen, ob es einen solchen, in seinem Schutzgehalt über den allgemeinen Gebietsgewährleistungsanspruch hinausgehenden Anspruch gibt.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.4.2020 - 7 B 286/20 -, BRS 88 Nr. 107 = BauR 2020, 1276, m. w. N.
7Die Antragsteller haben hier schon die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs, der in Literatur und Rechtsprechung vereinzelt angenommen wird, wenn ein Vorhaben, das nach Maßgabe der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung an sich allgemein zulässig ist, im Einzelfall wegen Gebietsunverträglichkeit unzulässig ist, nicht aufgezeigt. So fehlt es schon an der Darlegung, warum das Vorhaben mit insgesamt (nur) drei Wohneinheiten dem Gebietscharakter der (nicht näher eingegrenzten) Umgebungsbebauung in relevanter Weise widersprechen könnte. Allein der mit Großstädten nicht vergleichbare „Wohndruck“ oder die "Massivität" des konkreten Vorhabens rechtfertigen dies jedenfalls nicht.
8Der Einwand der Antragsteller, die vom Verwaltungsgericht angenommene objektive Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führe hier zu einer Nachbarrechtsverletzung, aufgrund der fehlenden Zuordnung der Stellplätze sei überhaupt nicht klar, welche konkreten Beeinträchtigungen von den Zu- und Abfahrten zu den Stellplätzen ausgingen, insbesondere sei eine konkrete Prüfung im Einzelfall nicht möglich, bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist auch bei Annahme eines "worst-case-Szenarios", d. h. bei Zurechnung sämtlicher genehmigter Stellplätze zu der angefochtenen Baugenehmigung zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die vier im hinteren Grundstücksbereich genehmigten Stellplätze als gegenüber den Antragstellern zumutbar erwiesen.
9Der Vortrag der Antragsteller, von der geplanten Zufahrt zu den Stellplätzen im hinteren Bereich des Vorhabengrundstücks gingen für ihr Grundstück unzumutbare Immissionen aus, es entstehe ein sog. "Tunneleffekt", der als Schallverstärker zu betrachten sei, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Die Zufahrt wird in Richtung des auf der gegenüberliegenden Grundstücksseite angrenzenden Grundstücks der Antragsteller durch das Vorhabengebäude abgeschirmt. Eine vorhabenbedingte unzumutbare Immissionsbelastung - insbesondere ein "Tunneleffekt" - scheidet mithin aus.
10Auch von den genehmigten Stellplätzen selbst gehen keine für die Antragsteller unzumutbaren Beeinträchtigungen aus. Das Verwaltungsgericht hat unter Berücksichtigung der maßgeblichen Rechtsprechung unter Würdigung des konkreten Falles dazu ausgeführt, es verkenne nicht, dass die zu betrachtenden vier Stellplätze nicht straßennah, sondern im rückwärtigen Bereich angeordnet seien, es handele sich aber um eine überschaubare Anzahl, nach der vorliegenden schalltechnischen Prognose des Ingenieurbüros Stöcker vom 6.8.2021 gingen von den Stellplätzen keine erheblichen Schallimmissionen aus, letztlich seien im Geviert aus C.-straße , T.-straße , G.-straße und G1.-straße insbesondere von der C.-straße aus Grundstücke rückwärtig bebaut und erschlossen, so dass eine gewisse Vorprägung im erweiterten Umfeld bestünde. Dem sind die Antragsteller nicht substantiiert entgegen getreten. Ihre "Vermutung", die Stellplätze könnten zukünftig im Rahmen eines Gewerbetriebs und damit deutlich intensiver genutzt werden, ist irrelevant, da die streitige Baugenehmigung eine gewerbliche Nutzung nicht umfasst.
11Soweit die Antragsteller darüber hinausgehend einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme geltend machen und ausführen, die Rücksichtslosigkeit resultiere auch daraus, dass aufgrund eines "Canyon-Effekts" von der Seite des Vorhabengrundstücks eine erdrückende und beeinträchtigende Wirkung ausgehe, rechtfertigt dies kein anderes Ergebnis. Der Senat verweist zur Begründung auf die zutreffenden umfangreichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Beschluss. Dort hat es ausgeführt, die negativen Auswirkungen des Bauvorhabens gingen nicht über das Maß des den Antragstellern Zumutbaren hinaus. Die hier eingehaltenen Abstandsflächen rechtfertigten regelmäßig die Annahme, dass das Vorhaben nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Ein Ausnahmefall, in dem das Vorhaben sich trotz des Einhaltens der Abstandsflächen als rücksichtslos erweise, liege hier nicht vor. Insbesondere gehe von dem Vorhaben nach dem Eindruck der Berichterstatterin beim Ortstermin angesichts seiner Lage und Größe keine erdrückende Wirkung zu Lasten des Grundstücks der Antragsteller aus. Auch liege der ins Feld geführte "Canyon-Effekt" nicht vor, weil das Grundstück der Antragsteller höher liege als das Nachbargrundstück G.---straße 6. Eine nunmehr geltend gemachte "einseitige" erdrückende Wirkung vermag auch der Senat anhand der in den Akten befindlichen Pläne und Bilder nicht festzustellen. Das freistehende Wohnhaus der Antragsteller befindet sich auf einem großzügigen Grundstück. In südöstlicher Richtung schließt sich an das Gebäude der Garten mit Baumbewuchs an. Westlich befindet sich weitere Wohnbebauung. Im Norden grenzt das Grundstück an die G.-straße. Das Vorhabengebäude liegt oberhalb einer begrünten Böschung mit einem Abstand von mehr als 17 m zum Wohnhaus der Antragsteller. Der Abstand des Wohnhauses der Antragsteller zur Grundstücksgrenze der Beigeladenen beträgt ca. 12 m.
12Eine Rücksichtslosigkeit des genehmigten Vorhabens resultiert auch im Übrigen nicht aus der Topografie. Die Antragsteller machen insoweit geltend, das Verwaltungsgericht habe die Grundstückssituation außer Acht gelassen, vom Standort der Geländeoberfläche ihres Grundstückes aus stelle sich das Vorhaben der Beigeladenen als unerträglich massiv dar, schon das vorhandene Bestandsgebäude sei für ihre Grundstückssituation kaum erträglich gewesen, dabei gehe es nicht nur um den massiven Höhenunterschied zwischen den jeweiligen Geländeoberflächen der Grundstücke, sondern zusätzlich noch um die Höhe des Bestandsgebäudes, aufgrund der dadurch bedingten Vorbelastung sei eine weitere Erhöhung des Bestandsgebäudes unzulässig, insbesondere gebe die Vorbelastung den Beigeladenen keinen "Freibrief" für eine weitere Erhöhung des Gebäudes. Entgegen diesem Vorbringen hat das Verwaltungsgericht sowohl die besondere Topographie der Grundstücke als auch die Erhöhung des Bestandsgebäudes in seiner rechtlichen Beurteilung berücksichtigt und erwogen. Es hat u. a. ausgeführt, das Grundstück der Antragsteller erweise sich in Bezug auf den Höhenunterschied als vorbelastet. Es nehme das Gefälle der Straße nicht auf, sondern sei eben angelegt. Damit liege es deutlich tiefer als das Vorhabengrundstück. Dies trage dazu bei, dass der Höhenunterschied zwischen dem Grundstück der Antragsteller und dem Vorhabengrundstück nicht unerheblich sei. Die vorhandene Topographie führe indes nicht dazu, dass die Beigeladene ihr Grundstück nicht im Rahmen des baurechtlich Zulässigen bebauen dürfe. Die Beigeladene habe keine Geländeerhöhung vorgenommen, sondern das Vorhaben auf dem vorgefundenen Geländeniveau realisiert. Das genehmigte Vorhaben sei nur um 35 cm höher als der vorherige Bestandsbau.
13Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden. Insbesondere folgt aus dem - von den Beigeladenen nicht veränderten - Geländezuschnitt nichts anderes. Die vorhandene Topographie des Geländes haben die Antragsteller hinzunehmen. Die geringfügige Erhöhung des Vorhabengebäudes führt - unter Berücksichtigung der Abstände der Gebäude zueinander und der Grundstückszuschnitte - ebenfalls zu keiner Rücksichtslosigkeit des Vorhabens. Auch die von den Antragstellern wegen der bodentiefen Fenster des Vorhabengebäudes gerügte Einsichtnahme führt zu keinen unzumutbaren Beeinträchtigungen. Derartige Einsichtsmöglichkeiten auf ein Nachbargrundstück sind im innerstädtischen Bereich regelmäßig hinzunehmen. Zudem können die Antragsteller schon wegen der Größe ihres Grundstücks und der Abstände der Gebäude zueinander die Einsichtnahme durch entsprechende Bepflanzung ihres Grundstücks wesentlich beschränken.
14Soweit die Antragsteller die Gefahr eines möglichen Abrutschens des Hanges geltend machen, fehlt es an der Darlegung, weshalb sich die Gefahrenlage durch den Umbau des Bestandsgebäudes derart erhöht haben könnte, dass nunmehr mit einem Schadenseintritt konkret zu rechnen sein könnte.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
16Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.
17Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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Referenzen
- VwGO § 146 1x
- VwGO § 162 1x
- VwGO § 154 1x
- 23 K 981/22 1x (nicht zugeordnet)
- 7 B 286/20 1x (nicht zugeordnet)