Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 9 A 353/19
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Angaben „Ohne Alkohol (Ethanol)/Ohne Zuckerzusatz“ auf der äußeren Umhüllung (Faltschachtel) und dem Etikett eines Hustensaftes sowie die Angaben “ohne Alkohol (Ethanol)“, “enthält keinen Alkohol (Ethanol)“, „enthält kein Ethanol“ in der Gebrauchs- und Fachinformation. Soweit Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens auch Hustentropfen waren, ist das Verfahren durch Senatsbeschluss vom 20. Mai 2022 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 9 A 1027/22 fortgeführt worden.
3Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erteilte der Klägerin am 22. Januar 2008 die Zulassung für das Fertigarzneimittel „Aspecton forte Hustensaft“ (Zulassungsnummer 00000.00.00). Nachfolgend wurde die Änderung der Bezeichnung in „Aspecton DS Hustensaft“ und später „Aspecton Hustensaft“ angezeigt. Zuletzt zeigte die Klägerin unter dem 18. Mai 2021 die Änderung der Bezeichnung in „Thymian Hustensaft L. N. “ an, die mit Bescheid vom 27. Juli 2021 genehmigt wurde. Dieses Produkt ist aktuell nicht im Handel.
4Das Arzneimittel enthält als Wirkstoff einen Dickextrakt aus Thymiankraut (1,7-2,5:1), Auszugsmittel: Ammoniaklösung 10 % (m/m), Glycerol 85 % (m/m), Ethanol 90 % (V/V), Wasser (1:20:70:109). Das im Auszugsmittel für den Thymiankrautextrakt enthaltene Ethanol wird im Herstellungsverfahren fast vollständig wieder entfernt. In der Extraktzubereitung befindet sich laut Spezifikation Ethanol nur noch in einer Menge von unter 0,10 %. In einer maximalen Einzeldosis des Fertigarzneimittels von 10 ml Hustensaft sind maximal 1,32 mg Ethanol enthalten. Als sonstiger Bestandteil ist Sorbitol als Süßstoff enthalten. Das Arzneimittel enthält nicht mehr natürlichen Zucker als der Ausgangsstoff Thymian; während des Herstellungsverfahrens wird kein Zucker zugesetzt.
5Das Arzneimittel wird angewendet „zur Besserung der Beschwerden bei Erkältungskrankheiten der Atemwege mit zähflüssigem Schleim, zur Besserung der Beschwerden bei akuter Bronchitis“. Es ist auch zur Anwendung bei Kindern ab 1 Jahr zugelassen und nicht verschreibungspflichtig.
6In dem durch den Zulassungsbescheid vom 22. Januar 2008 zugelassenen Text für die äußere Umhüllung (Faltschachtel) und das Etikett befand sich der Hinweis „Ohne Alkohol (Ethanol)/Ohne Zuckerzusatz“. In der Gebrauchsinformation war unter Ziffer 6 - nach der Angabe der sonstigen Bestandteile - der Hinweis enthalten: „Aspecton forte Hustensaft enthält keinen Alkohol (Ethanol)“. Im Abschnitt „Weitere Hinweise“ der Gebrauchsinformation war der folgende Text aufgeführt: „Aspecton forte Hustensaft ist ohne Alkohol (Ethanol) und daher auch für Patienten geeignet, die Alkohol (Ethanol) vermeiden müssen.“ In der Fachinformation hieß es unter Ziffer 6.1 nach der Liste der sonstigen Bestandteile: „Hinweis: Aspecton forte Hustensaft enthält kein Ethanol.“
7Mit fristgerechtem Verlängerungsantrag vom 18. Juli 2012 legte die Klägerin gleichlautende Informationstexte und Texte für die äußere Umhüllung und das Etikett vor. Dem nach vorheriger Anhörung ergangenen Verlängerungsbescheid vom 3. Juni 2015, zugestellt am 9. Juni 2015, waren u. a. die folgenden Auflagen beigefügt:
8F1.: Die Angaben „Ohne Alkohol (Ethanol)/Ohne Zuckerzusatz“ sind auf der äußeren Umhüllung und dem Etikett zu streichen.
9F3.: In den Texten für die Packungsbeilage und die Fachinformation sind die Hinweise „…enthält keinen Alkohol“ zu streichen und können durch den Hinweis „Das Ethanol des Auszugsmittels wurde weitestgehend entfernt.“ ersetzt werden.
10F4.: In der Packungsbeilage ist unter weitere Hinweise der Satz: „ ... ist ohne Alkohol (Ethanol) und daher auch für Patienten geeignet, die Alkohol (Ethanol) vermeiden müssen“ zu streichen.
11In der Begründung zu Auflage F1. wurde ausgeführt, der Hinweis zur Alkohol- und Zuckerfreiheit sei nach § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG nicht als „weitere Angabe“ zulässig, weil er in der EU-„Guideline on the excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“ (CPMP/463/00) nicht vorgesehen und bei dem apothekenpflichtigen Arzneimittel auch nicht notwendig sei. Die Angaben seien auch geeignet, das Produkt gegenüber vergleichbaren Arzneimitteln hervorzuheben, und daher werbewirksame Aussagen. Zur Begründung der in den Auflagen F3. und F4. vorgesehenen Streichungen wurde ausgeführt, auch wenn das Ethanol aus dem Auszugsmittel wieder entfernt werde, blieben immer kleine Restmengen zurück. Außerdem zähle auch das enthaltene Propylenglykol zu den Alkoholen.
12Den dagegen eingelegten Widerspruch wies das BfArM durch Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2015, zugestellt am 22. Dezember 2015, zurück.
13Am 20. Januar 2016 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Die Auflagen F1., F3. und F4. seien rechtswidrig. Die Beklagte habe die beanstandeten Hinweise in der erstmaligen Zulassung genehmigt. Eine Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung eines genehmigten Textes sei nicht ersichtlich. Es sei auch fraglich, ob im Hinblick auf „Entwarnungshinweise“ eine Auflagenbefugnis nach § 28 Abs. 2 AMG bestehe, denn durch die Entwarnung bestehe keine Gefahr für die Qualität und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln. Es sei weiter fraglich, ob die Beklagte das ihr durch § 28 Abs. 2 AMG eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt, insbesondere die atypischen Besonderheiten des vorliegenden Falles hinreichend beachtet habe. Die Beklagte orientiere sich an abstrakten Guidelines oder Äußerungen von Expertengremien sowie einer möglichen Vorbildwirkung für andere Verfahren statt den konkreten Einzelfall zu prüfen. Die Auflagen seien unverhältnismäßig. Eine Änderung der im Rahmen der Erstzulassung für rechtmäßig gehaltenen Texte, ohne dass sich die Sach- oder Rechtslage geändert habe, verwirre die Patienten und Vertreter der Fachkreise und führe zu einer unnötigen wirtschaftlichen Belastung der Klägerin.
14Die beanstandeten Hinweise seien als sonstige Angaben nach § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG, § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG und § 11a Abs. 1 Satz 6 AMG zulässig. Sie stünden mit der Anwendung des Arzneimittels in Zusammenhang und seien für die gesundheitliche Aufklärung wichtig. Hierzu genüge es, dass die Angaben der gesundheitlichen Aufklärung dienlich seien. Dies sei bei allen Angaben der Fall, die das Einnahmeverhalten, die Compliance, verbesserten. Insbesondere sei die Angabe „Ohne Alkohol (Ethanol)“ geboten, weil sie die aus der Sicht eines durchschnittlich informierten, verständigen Patienten verwirrende Pflichtangabe zum Extraktionsmittel „Ethanol“ klarstelle. Der Unsicherheit könne auch nicht durch die Abgabe in der Apotheke hinreichend begegnet werden. Der Entwarnungspflicht könne der pharmazeutische Unternehmer nur dadurch nachkommen, dass er auf der Faltschachtel einen kurzen und prägnanten Hinweis anbringe, wie es „ohne Alkohol“ sei. Dies werde vom Verbraucher dahingehend verstanden, dass der etwa noch vorhandene Alkohol keinen nennenswerten Effekt entfalte, und sei daher auch inhaltlich zutreffend. Die Excipients-Guideline schreibe nur Warnungen vor und enthalte daher keine abschließende Regelung im Hinblick auf Entwarnungshinweise. Auch der Hinweis „ohne Zuckerzusatz“ sei zulässig. Die Angabe enthalte eine für alle Verbrauchergruppen, insbesondere aber für Diabetiker, wichtige und verständliche Mitteilung und verbessere das Einnahmeverhalten.
15Es handele sich auch nicht um unzulässige werbliche Aussagen. Das Merkmal des werbewirksamen Effekts dürfe nicht in die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes zur Zulässigkeit von weiteren Angaben hineingelesen werden, weil dies vorliegend keine Grundlage in Art. 62 der Richtlinie 2001/83/EG finde. Bei Hustensaft bestehe auch die Besonderheit, dass wegen der Produktkategorie sowie der sirupartigen Konsistenz das Vorhandensein von Zucker angenommen werde, sodass eine Entwarnung erforderlich sei. Es sei ein Anliegen des öffentlichen Gesundheitsschutzes, auf Produkte ohne zahnschädigenden Zucker hinzuweisen, wenn zahlreiche zuckerhaltige Produkte auf dem Markt seien. Schließlich sei die zurückhaltende Präsentation des Arzneimittels von der Beklagten im Rahmen der Ermessensentscheidung überhaupt nicht berücksichtigt worden. Der Hinweis auf die Alkohol- und Zuckerfreiheit befinde sich auf der Rückseite der Verpackung unter den Einnahmehinweisen und sei damit für den Patienten auch bei der Platzierung im Sichtwahlbereich der Apotheken nicht erkennbar.
16Die Klägerin hat beantragt,
17die Auflagen F1., F3. und F4. im Verlängerungsbescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 3. Juni 2015 für das Fertigarzneimittel „Aspecton Hustensaft“ in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2015 aufzuheben.
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Die Auflagenbefugnis ergebe sich aus § 28 Abs. 2 AMG. Die Feststellung einer konkreten Gefährdung sei bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 und Abs. 2 AMG nicht erforderlich. Der Umstand, dass die beanstandeten Hinweise zuvor genehmigt worden seien, sei nicht bedeutsam. Die Verlängerung nach § 31 AMG diene auch der Kontrolle der Zulassungsentscheidung, soweit es nicht um die Beurteilung der Wirksamkeit gehe.
21Die Texte seien unzulässig. Der Gesetzgeber habe sich dafür entschieden, das Vorhandensein von potentiell gesundheitsschädlichen Zusatzstoffen in Fertigarzneimitteln, also auch von Alkohol und Zucker, ausschließlich positiv zu normieren. Falls derartige Stoffe in einer gesundheitsrelevanten Menge beigefügt seien, müsse nach § 10 Abs. 2 AMG, § 11 Abs. 2 AMG ein Warnhinweis aufgenommen werden. Die Arzneimittelwarnhinweisverordnung sowie die europäische Excipients-Guideline bestimmten abschließend, für welche Art und Menge von Stoffen ein Warnhinweis verpflichtend sei.
22Der Hinweis auf das Fehlen von Alkohol auf Etikett und Faltschachtel sei nicht als „weitere Angabe“ zulässig, weil die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG nicht erfüllt seien. Er sei schon unrichtig, weil das Arzneimittel Alkohol in sehr geringer Menge enthalte. Ein Stoff, der in einer nicht gesundheitsgefährdenden Menge enthalten sei, könne auch nicht für die Anwendung eines Arzneimittels von Bedeutung sein. Eine „Risikokommunikation“ müsse daher nicht stattfinden. Die Verbesserung der Compliance könne durch solche Hinweise nicht erreicht werden. Eine Angabe, die auf das Fehlen eines bestimmten Stoffes hinweise, sei zudem grundsätzlich werblich. Diese Auffassung werde auf europäischer Ebene geteilt, etwa im Hinblick auf „Gluten“. Der Hinweis befinde sich zwar auf der Rückseite der Faltschachtel, sei aber durch Schrift und Form deutlich von dem übrigen Text abgehoben und habe damit auch durch die Gestaltung einen werbenden Charakter. Im vorliegenden Fall bestehe zwar die Besonderheit, dass für die Herstellung des Wirkstoffs Ethanol als Auszugsmittel verwendet werde und daher auch auf der äußeren Umhüllung genannt werden müsse, und zwar ungeachtet der im Endprodukt noch enthaltenen Restmengen von Ethanol. Die hierdurch möglicherweise entstehenden Fragen würden seitens der Klägerin jedoch in einer völlig unrealistischen und überzogenen Weise dargestellt. Auch die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ auf dem Etikett sei nicht als „weitere Angabe“ zulässig. Da Zucker nicht in einer warnhinweispflichtigen Menge enthalten sei, sei der Hinweis nicht für die gesundheitliche Aufklärung der Verbraucher wichtig. Die Regelungen zur Kennzeichnung von diätetischen Lebensmitteln seien aufgehoben worden. Lediglich der Zusatz „zuckerfrei“ werde in den europäischen Arbeitsgruppen zur Formulierung der Informationstexte bei zentral zugelassenen Arzneimitteln diskutiert und im Einzelfall als zulässig erachtet. Die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ sei ebenfalls als werbliche Aussage einzuordnen.
23Aus denselben Gründen sei auch der Hinweis auf das Fehlen von Alkohol in der Packungsbeilage sowie der Fachinformation unzulässig. Er sei nicht zutreffend. Da der Alkoholgehalt unterhalb der Schwelle für einen Warnhinweis liege, gebe es auch keine Rechtsgrundlage für diese Angabe. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 d AMG dürften unter Ziffer 6 der Gebrauchsinformation nur im Arzneimittel aufzulistende Bestandteile genannt werden. Eine Negativangabe sei nicht vorgesehen. Im Feld „Weitere Hinweise“ sei nur die Aussage zulässig, wonach Alkohol im Arzneimittel nur noch in einer sehr geringen Menge vorhanden sei. Auch in der Fachinformation könne das Fehlen von Alkohol keinesfalls unter Ziffer 6.1 „Liste der sonstigen Bestandteile“ aufgeführt werden, da die Menge des noch enthaltenen Alkohols nicht als sonstiger Bestandteil zu nennen sei.
24Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 27. November 2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Nr. 1 AMG berechtigt gewesen, der Klägerin durch die Auflage F1. die Streichung des Hinweises „Ohne Alkohol (Ethanol)/Ohne Zuckerzusatz“ auf der äußeren Umhüllung und dem Etikett des Behältnisses aufzugeben, weil dieser nicht nach § 10 AMG zulässig sei. Zulässig seien weitere Angaben nach § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG, wenn sie einen Bezug zur Anwendung des konkreten Arzneimittels und damit in erster Linie gebrauchssichernde Funktion hätten. Fehlende Bestandteile, wie z.B. Alkohol oder Zucker, hätten keine Auswirkung auf die Gesundheit des Patienten und entsprechende Hinweise seien daher für die Anwendung des Arzneimittels nicht relevant. Darüber hinaus ergebe sich aus der Zweckbestimmung der verschiedenen Informationstexte und der Konzeption der gesetzlichen Regelungen in §§ 10 ff. AMG, die in Übereinstimmung mit den Art. 54 ff. Richtlinie 2001/83/EG auszulegen seien, eine abschließende Regelung zur Angabe der sonstigen Bestandteile eines Arzneimittels auf der äußeren Umhüllung oder dem Etikett. Die Angabe „ohne Alkohol“ sei zudem irreführend, weil das Endprodukt geringe Restmengen Ethanol aus der Arzneimittelherstellung enthalte. Auch die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ sei mit § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG nicht vereinbar. Zwar bestehe im Hinblick auf die Zahngesundheit sowie für Diabetiker ein anerkennenswertes Informationsinteresse von Patienten. Der Hinweis auf den fehlenden Zuckerzusatz könne jedoch in der Packungsbeilage gegeben werden. Wegen der fehlenden Vereinbarkeit mit § 10 AMG habe das BfArM nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 AMG die Streichung anordnen dürfen. Einer zusätzlichen konkreten Gefahr für die Arzneimittelsicherheit bedürfe es bei der Anwendung der Auflagenermächtigung nicht. Auch die Ermessensentscheidung sei rechtlich nicht zu beanstanden, die Auflage F1. sei nicht unverhältnismäßig.
25Die Auflagen F3. und F4. seien ebenfalls rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Regelungen sei § 28 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 i. V .m. § 28 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 2a AMG. Die Klägerin verwende auch in der Packungsbeilage und der Fachinformation die pharmazeutisch unzutreffende und irreführende Formulierung „ohne Alkohol“. Der Begriff „ohne Alkohol“ könne in der Packungsbeilage nur dann synonym mit einer irrelevanten Restmenge benutzt werden, wenn insofern eine einheitliche Definition durch die hierfür zuständige Europäische Kommission im Rahmen der Excipients-Guideline vorliegen würde. Dies sei jedoch bislang nicht der Fall.
26Dagegen hat die Klägerin die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und ergänzt sie ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt im Wesentlichen aus: Die ursprünglich genehmigten Angaben klärten über unverständliche Pflichttexte und irrige Verbrauchererwartungen, auch aufgrund der Produktkategorie, auf, es seien beträchtliche Mengen Alkohol und Zucker im Produkt enthalten. Die Pflichtangabe „Ethanol 90 % (V/V)“ auf der Umverpackung werde vom Verbraucher teilweise mit Alkohol in Verbindung gebracht, was auch durch den kräftigen Kräutergeschmack unterstützt werde. Die sirupartige Konsistenz des Hustensaftes suggeriere einen hohen Zuckergehalt. Die Angabe „ohne Alkohol (ohne Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ habe einen gebrauchssichernden Bezug zur Anwendung des konkreten Arzneimittels durch den Kranken, weil damit ungewöhnlichem Einnahmeverhalten (z.B. Einnahme von zu geringen Mengen oder Nichteinnahme zur Nacht) vorgebeugt werde. Das Informationsbedürfnis erkenne auch das Verwaltungsgericht an. Die Vermittlung der sachlichen und inhaltlich zutreffenden Informationen sei auch keine Werbung. Die Information „ohne Alkohol“ sei aus Sicht eines Patienten zutreffend, der daraufhin davon ausgehe, dass das Produkt keinen negativen gesundheitlichen Effekt auf ihn haben könne und auch für Patienten geeignet sei, die Alkohol vermeiden müssten. Dass einige Moleküle Alkohol im Produkt enthalten sein möchten, im Übrigen weniger als in vielen Lebensmitteln, sei für ihn vollkommen irrelevant. Die hier gewählte Art und Weise der Risikokommunikation über Entwarnungen sei marktüblich und funktioniere, d. h. sie werde vom Verbraucher verstanden, und besonders für vulnerable Patientengruppen von Bedeutung.
27Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, Entwarnungshinweise seien grundsätzlich nach § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG nicht zulässig, sei vom Wortlaut sowie vom Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gedeckt. Hier werde offenbar ein zusätzliches Kriterium der Notwendigkeit in die Vorschrift hineingelesen. Art. 62 der Richtlinie 2001/83/EG in seiner nationalen Umsetzung sei keine Ausnahmevorschrift zu Pflichtangaben, sondern eine selbständige Regelung zur Zulässigkeit freiwilliger zusätzlicher Angaben. Aus der englischen und französischen Fassung ergebe sich der Sinn und Zweck der Vorschrift, ergänzende freiwillige Angaben zu erlauben, die für den Patienten nützlich seien („useful“, „utiles“). Eine einengende Auslegung der Bestimmung sei auch nach Art. 60 der Richtlinie 2001/83/EG nicht zulässig. Die Angaben „ohne Alkohol“ und „ohne Zuckerzusatz“ wiesen darauf hin, dass das Produkt keine relevanten, wahrnehmbaren Mengen an Alkohol enthalte und ihm kein Zucker zugesetzt worden sei, was für Patienten, Eltern und Fachkreise eine nützliche Information sei. Die kurze Botschaft sei auf das Wesentliche begrenzt, daher auch keine Werbung, und habe sich bewährt.
28Mit dem Hinweis „ohne Alkohol“ werde die auch in der aktuellen Excipients-Guideline vorgesehene Information transportiert, dass die geringe Alkoholmenge im Arzneimittel keine wahrnehmbaren Auswirkungen habe. Im Übrigen konkretisiere die Guideline lediglich Pflichtangaben (Mindestangaben) zu Arzneiträgerstoffen - soweit diese gezielt und funktionsmäßig im Endprodukt eingesetzt und nicht nur als Extraktionsmittel verwendet und verdampft würden - und enthalte keine abschließende, bindende Konkretisierung zu freiwilligen zusätzlichen Angaben nach Art. 62 der Richtlinie 2001/83/EG. Sogar im Hinblick auf Pflichtangaben zu Ethanol als Auszugsmittel stehe sie nur gleichberechtigt neben anderen Guidelines (z.B. zur Herbal Declaration Guideline). Umgekehrt lasse sich aus den Vorgaben der Guideline zu Gluten, Kalium und Natrium ableiten, dass Informationen über das Fehlen von Stoffen (Entwarnungen), auch und gerade wenn unbedenkliche Molekülmengen noch im Produkt enthalten seien, wichtig sein könnten. Es liege auch keine Irreführung vor, da die verbleibenden Moleküle für den Patienten irrelevant seien.
29Ferner dürften die gleichlautenden Tatbestandsmerkmale in § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG (Umverpackung) und § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG (Packungsbeilage) nicht unterschiedlich ausgelegt werden. Wegen des Pflichthinweises zu Ethanol auf der Umverpackung müsse auch die Information über den fehlenden Alkoholgehalt dort erfolgen dürfen. Für den befürchteten „Dammbruch“ sei nichts erkennbar, zumal es um Besonderheiten von Phytopharmaka gehe, nicht aber um Angaben wie halal und koscher oder Biosiegel. Schließlich sei § 28 AMG bei reinen Zweckmäßigkeitserwägungen unanwendbar und die Auflage unverhältnismäßig.
30Die Klägerin beantragt,
31das angefochtene Urteil zu ändern und die Auflagen F1., F3. und F4. im Verlängerungsbescheid des BfArM vom 3. Juni 2015 für das Fertigarzneimittel „Aspecton Hustensaft“ in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2015 aufzuheben,
32hilfsweise,
33Beweis zu erheben über die Frage, dass nach dem jeweils bestehenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand die Angaben „ohne Alkohol (Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ mit der Anwendung des streitgegenständlichen Produkts im Zusammenhang stehen und für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und insbesondere keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte Information vermitteln.
34Die Beklagte beantragt,
35die Berufung zurückzuweisen.
36Zur Begründung verweist sie auf das erstinstanzliche Verfahren, das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 28. September 2021 - 7 K 5222/18 - zu Gluten und trägt ergänzend vor: Seit der Urteilsverkündung habe das BfArM eine nennenswerte Anzahl von pharmazeutischen Unternehmen abschließend davon überzeugen können, ihre vergleichbaren „frei von“-Kennzeichnungen auf äußeren Umhüllungen ihrer Arzneimittel auch durchaus bekannter Marken zu entfernen. Bei Zulassungs- und Verlängerungsanträgen oder Änderungsanzeigen würden entsprechende Beanstandungen ausgesprochen. Damit werde dem Gleichheitssatz genügt. Für die Verständlichkeit von Wirkstoffangaben sei es nicht erforderlich, dass Verbraucher diese im Einzelnen zutreffend einordnen könnten. Das streitgegenständliche Arzneimittel sei nicht zuckerfrei; dass kein Zucker zugesetzt werde, sei für den Ist-Zustand des Arzneimittels irrelevant. Ein Informationsbedürfnis bestimmter Adressaten werde nicht bestritten. Der Klägerin gehe es aber um die Platzierung der Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ auf der äußeren Umhüllung bzw. dem Etikett. Mit anderen Worten und damit in einer sowohl verständlichen als auch zutreffenden Art und Weise seien diese Informationen an anderer Stelle der informativen Texte möglich. Die Guidelines seien als Auslegungshilfe beachtlich. Es streite für die Auffassung der Beklagten, dass für die Angaben „ohne Alkohol“ und “ohne Zuckerzusatz“ keine Regelungen seitens der Gremien getroffen worden seien. Das Verwaltungsgericht Köln habe in der Gluten-Entscheidung bekräftigt, dass § 10 Abs. 1 Satz 5 und § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG als Ausnahmebestimmung eng zu interpretieren seien und die weiteren Angaben einen besonderen Bezug zur genehmigten Anwendung des Arzneimittels, insbesondere zum Anwendungsgebiet und den Modalitäten der Einnahme des Präparats, haben müssten.
37Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
38Entscheidungsgründe:
39Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
40A. Die Klage ist gemäß § 42 Abs. 1 VwGO als Anfechtungsklage gegen die dem Verlängerungsbescheid des BfArM beigefügten Auflagen statthaft,
41vgl. nur BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2010 - 3 C 25.09 -, A&R 2010, 186 = juris Rn. 12, m. w. N.,
42und auch im Übrigen zulässig.
43B. Die Klage ist aber unbegründet.
44Die Auflagen F1., F3. und F4. im Verlängerungsbescheid des BfArM vom 3. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
45I. Rechtsgrundlage für die Auflagen ist § 28 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 2a AMG.
461. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 AMG kann die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung mit Auflagen verbinden. Auflagen können angeordnet werden, um sicherzustellen, dass die Kennzeichnung der Behältnisse und äußeren Umhüllungen den Vorschriften des § 10 AMG (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 AMG), die Packungsbeilage den Vorschriften des § 11 AMG (§ 28 Abs. 2 Nr. 2 AMG) und die Fachinformation den Vorschriften des § 11a AMG entspricht (§ 28 Abs. 2 Nr. 2a AMG).
47Die Regelungen in § 28 Abs. 2 Nr. 1 bis 2a AMG erfassen nicht nur die Pflichtangaben, sondern ermöglichen Auflagen auch bezüglich der weiteren Angaben, die - wenn der pharmazeutische Unternehmer hiervon Gebrauch macht - den Zulässigkeitsvoraussetzungen in § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG, § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG, § 11a Abs. 1 Satz 6 AMG entsprechen müssen.
48Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. November 2013 ‑ 13 A 2895/11 -, MedR 2015, 203 = juris Rn. 47.
49Die Auflagenbefugnis gilt ferner nicht nur bei erstmaliger Zulassung, sondern auch für die - hier erfolgte - Verlängerung der Zulassung nach § 31 Abs. 3 AMG.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, NWVBl. 2020, 460 = juris Rn. 25 ff.
512. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, steht der Anwendbarkeit des § 28 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 2a AMG als Rechtsgrundlage für die Auflagen F1., F3. und F4. nicht entgegen, dass das BfArM die beanstandeten Angaben, die teilweise auf eine vergleichsweise Einigung im Klageverfahren VG Köln 7 K 705/05 zurückgehen, ursprünglich mit der Zulassung vom 22. Januar 2008 akzeptiert hat. Einer Ermächtigung zu einem Teilwiderruf oder einer Teilrücknahme eines Verwaltungsakts bedarf es insoweit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht.
52Im Verfahren der Verlängerung der Zulassung ist zu prüfen, ob die gesetzlichen Vorgaben der §§ 10, 11 und 11a AMG eingehalten werden. Das Arzneimittelgesetz hat dies allerdings nicht als Versagungsgrund für die Zulassungsverlängerung eines Arzneimittels ausgestaltet, sondern hierfür das mildere Mittel der Auflagenbefugnis vorgesehen.
53Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 26.
54Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage ist dementsprechend keine Voraussetzung für den Erlass einer solchen Auflage. Mit der Zulassung eines Arzneimittels wird insoweit kein Vertrauenstatbestand geschaffen. Dies zeigt auch die nicht durch weitere Voraussetzungen eingeschränkte Befugnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 bis 2a AMG, jederzeit nach der Erteilung einer arzneimittelrechtlichen Zulassung Auflagen anordnen zu können, also auch nachträgliche Auflagen im Hinblick auf die Kennzeichnung und die Informationstexte, wenn diese nicht mit den Vorschriften der §§ 10 bis 11a AMG übereinstimmen.
553. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Auflagen ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier bei Erlass des Widerspruchsbescheids.
56Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 11.
57Dies entspricht allgemeinen Grundsätzen bei Anfechtungsklagen, wenn sich aus dem maßgebenden materiellen Recht - wie hier - für die Zeitpunktfrage nichts anderes ergibt. Damit ist im vorliegenden Verfahren zu klären, ob bei Erlass des Widerspruchsbescheids die beanstandeten Hinweise unzulässig und die Auflagen rechtmäßig waren. Dies bedeutet zugleich, dass die Beklagte die Auflagen nicht von sich aus unter Kontrolle halten und fortdauernd überprüfen muss.
58Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17. September 2021 - 3 C 20.20 -, juris Rn. 13 (für einen Feststellungsbescheid nach § 21 Abs. 4 Satz 1 AMG).
59II. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung von Auflagen nach § 28 Abs. 2 AMG sind sowohl hinsichtlich der Auflage F1. (dazu 1.) als auch der Auflagen F3. und F4. (dazu 2.) gegeben.
601. Die Auflage F1., wonach die Angaben „Ohne Alkohol (Ethanol)/Ohne Zuckerzusatz“ auf der äußeren Umhüllung und dem Etikett zu streichen sind, stellt im Sinne von § 28 Abs. 2 Nr. 1 AMG sicher, dass die Kennzeichnung der Behältnisse und äußeren Umhüllungen den Vorschriften des § 10 AMG entspricht. Die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ ist ebenso gemäß § 10 AMG unzulässig (dazu a.) wie die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ (dazu b.).
61a. Die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ auf der äußeren Umhüllung und dem Etikett entspricht nicht den Vorgaben des § 10 AMG.
62Sie ist - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - keine arzneimittelrechtliche Pflichtangabe im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 8 oder § 10 Abs. 2 AMG. Warnhinweise im Sinne der letztgenannten Vorschrift forderte die bei Erlass des Widerspruchsbescheids geltende Arzneimittelwarnhinweisverordnung (vom 21. Dezember 1984 in der vom 29. September 1990 bis zum 31. Mai 2022 geltenden Fassung) erst ab 0,05 g Ethanol in der maximalen Einzelgabe nach der Dosierungsanleitung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a, § 2 Abs. 1 Nr. 1). Hier beträgt der Gehalt aber lediglich 1,32 mg in der maximalen Einzeldosis von 10 ml Hustensaft, also rund 0,001 g. Zudem geht es nicht um einen Hinweis auf Ethanol, sondern auf das Fehlen des Stoffes.
63Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ auch nicht als weitere Angabe nach § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG zulässig.
64Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG sind weitere Angaben, die - wie hier - nicht durch eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorgeschrieben oder bereits nach einer solchen Verordnung zulässig sind, zulässig, soweit sie mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und den Angaben nach § 11a AMG nicht widersprechen.
65Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.
66Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Januar 2016 - 13 A 2552/13 -, juris Rn. 26; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, 131. Lief. 2016, § 10 Anm. 74.
67Wegen des Zusammenhangs mit der Anwendung des Arzneimittels sind nur solche Informationen wichtig für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten, die eine gebrauchssichernde Funktion haben.
68Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2013 ‑ 13 A 2862/12 -, juris Rn. 5; Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 3. Auflage 2022, § 10 Rn. 48; Zimmermann, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 3. Auflage 2020, § 28 Rn. 37.
69Mit der restriktiven Zulassung weiterer Angaben soll verhindert werden, dass die Patienten von den Pflichtinformationen abgelenkt werden, mit denen die ordnungsgemäße Anwendung des Arzneimittels erreicht werden soll.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 13, sowie Vorlagebeschluss vom 8. November 2018 - 3 C 2.17 -, juris Rn. 22; OVG NRW, Beschlüsse vom 26. Oktober 2015 - 13 A 2598/14 -, A&R 2015, 277 = juris Rn. 17, und vom 14. Januar 2016 - 13 A 2552/13 -, juris Rn. 37; BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 161/11 -, PharmR 2013, 491 = juris Rn. 15.
71Die Kennzeichnung des Behältnisses und der äußeren Umhüllung bestimmt die Identität des Arzneimittels nach seiner stofflichen Zusammensetzung und Herkunft. Zu Deklarationsangaben zur stofflichen Zusammensetzung treten Angaben hinzu, die grundlegende Informationen für die Anwendung des Arzneimittels liefern.
72Vgl. Fuhrmann, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, a. a. O., § 8 Rn. 9; Kloesel/Cyran, a. a. O., § 10 Anm. 1.
73Die Anforderungen an zulässige ergänzende Angaben sind daher streng.
74Vgl. OLG München, Beschluss vom 9. April 2020 - 29 U 5126/19 -, PharmR 2020, 406 = juris Rn. 3; OLG Frankfurt, Urteil vom 24. Mai 2018 - 6 U 46/17 -, A&R 2018, 185 = juris Rn. 21.
75Für die gesundheitliche Aufklärung wichtig im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG sind allerdings nicht nur Informationen, die unverzichtbar sind. Denn Informationen, die für eine sichere Anwendung des Arzneimittels erforderlich sind, gehören bereits zu den Pflichtangaben. Ausreichend ist vielmehr, dass die Angaben zur sachgerechten Anwendung des Arzneimittels förderlich sind und ihnen damit eine gebrauchssichernde Funktion zukommt. Dies wird umso eher anzunehmen sein, je dichter der Zusammenhang der freiwilligen Angabe zu den gesetzlich angeordneten Pflichtinformationen ist. Grundsätzlich zulässig sind daher Erläuterungen zu den Wirkungszusammenhängen sowie Anwendungshinweise zur Herbeiführung des gewünschten Behandlungserfolgs.
76Vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 8. November 2018 - 3 C 2.17 -, juris Rn. 22 f.
77Bei der Bestimmung der Anforderungen an die Zulässigkeit weiterer Angaben ist Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG zu berücksichtigen. § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG dient der Umsetzung dieser Bestimmung und ist deshalb richtlinienkonform auszulegen.
78Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. August 2013 - 13 A 2862/12 -, PharmR 2013, 463 = juris Rn. 5, und vom 14. Januar 2016 - 13 A 2552/13 -, juris Rn. 13, 20.
79Nach Art. 60 Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 (ABl. L 311 vom 28. November 2001, S. 67) dürfen die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von Arzneimitteln in ihrem Hoheitsgebiet nicht aus Gründen, die mit der Etikettierung oder der Packungsbeilage zusammenhängen, untersagen oder verhindern, sofern diese mit den Vorschriften dieses Titels übereinstimmen. Nach Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG vom 31. März 2004 (ABl. L 136 vom 30. April 2004, S. 34) können die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage zur Veranschaulichung einiger der in den Artikeln 54 und 59 Absatz 1 genannten Informationen Zeichen oder Piktogramme sowie weitere mit der Zusammenfassung der Merkmale des Erzeugnisses zu vereinbarende Informationen enthalten, die für den Patienten wichtig sind; nicht zulässig sind Angaben, die Werbecharakter haben können.
80Die letztgenannte Vorschrift verlangt keine unionsrechtskonforme Auslegung des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG dahingehend, dass aus Gründen des Unionsrechts weniger strenge Anforderungen an weitere Hinweise bei der Kennzeichnung von Arzneimitteln als die vorstehend beschriebenen zu stellen sind.
81Offen gelassen von OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2013 - 13 A 2862/12, a. a. O., juris Rn. 5.
82Wichtig für den Patienten im Sinne von Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG sind nur solche Informationen, die einen Bezug zur Anwendung des konkreten Arzneimittels durch den Kranken und damit in erster Linie eine gebrauchssichernde Funktion haben. Dass die Informationen auch unionsrechtlich der gesundheitlichen Aufklärung in Bezug auf die Anwendung des konkreten Arzneimittels dienen müssen, folgt schon aus der Verwendung des Worts „Patienten“ statt des Begriffs „Verbraucher“. Ferner ergibt sich dieses Verständnis aus Sinn und Zweck der Kennzeichnungsbestimmungen, im Interesse der Gesundheitsvorsorge und Arzneimittelsicherheit die Patienten zu unterrichten, damit sie das Arzneimittel auf der Grundlage vollständiger und verständlicher Informationen ordnungsgemäß anwenden können.
83Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. August 2013 - 13 A 2862/12 -, a. a. O., juris Rn. 5 ff., und vom 14. Januar 2016 - 13 A 2552/13 -, juris Rn. 21; BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 161/11 -, a. a. O., juris Rn. 10; Kloesel/Cyran, a. a. O., § 10 AMG Anm. 1; Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 10 Rn. 3 und 47 ff.; kritisch Rehmann, Arzneimittelgesetz, 5. Auflage 2020, § 10 Rn. 3.
84Diese Zielrichtung lässt sich auch aus den Erwägungsgründen der Richtlinie 2001/83/EG in ihrer ursprünglichen Fassung ableiten, deren Erwägungsgrund 2 zunächst den allgemeinen Gesetzeszweck des wirksamen Schutzes der öffentlichen Gesundheit betont. Nach Erwägungsgrund 40 müssen die Bestimmungen über die Unterrichtung der Patienten ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleisten, so dass die Arzneimittel auf der Grundlage vollständiger und verständlicher Informationen ordnungsgemäß angewandt werden können.
85Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der ursprüngliche Wortlaut des Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG, wonach die Angaben „für die gesundheitliche Aufklärung wichtig“ sein mussten, durch die Richtlinie 2004/27/EG in „für den Patienten wichtig“ geändert worden ist. Dass damit eine sachliche Änderung, insbesondere eine weitergehende Zulassung von freiwilligen Angaben gewollt war, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Für den Patienten ist das wichtig, was seiner gesundheitlichen Aufklärung in Bezug auf die Anwendung des konkreten Arzneimittels dient. Aus den Erwägungsgründen und sonstigen Materialien ergibt sich ebenfalls nichts dafür, dass eine gebrauchssichernde Funktion nicht mehr verlangt oder anderweitig die Anforderungen an weitere Angaben gelockert werden sollten. Dem Erwägungsgrund 16 des Kommissionsentwurfs zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG (KOM(2001) 404 endg., ABl. C 75 E vom 26. März 2002, S. 216) lässt sich zwar das Anliegen der EU-Kommission entnehmen, den Informationsbedürfnissen und Erwartungen von Patienten nachzukommen, zugleich wird aber auch hier der Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Verwendung des Arzneimittels betont und ist von strengen Bedingungen die Rede. In den verabschiedeten Erwägungsgründen der Richtlinie 2004/27/EG heißt es zudem lediglich, im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Verwendung des Arzneimittels sollten die Rechtsvorschriften über die Verpackung auf der Grundlage der gewonnenen Erfahrungen angepasst werden (Erwägungsgrund 21). Daraus lässt sich insgesamt nicht ableiten, dass in Bezug auf weitere Angaben nun großzügigere Maßstäbe gelten sollten, zumal mit der Richtlinie 2004/27/EG umfangreiche Änderungen der Art. 54 ff. Richtlinie 2001/83/EG verabschiedet worden sind.
86Von einer inhaltlichen Änderung ist auch der nationale Gesetzgeber offenbar nicht ausgegangen, der die Änderung des Art. 62 durch die Richtlinie 2004/27/EG in § 10 Abs. 1 AMG dahingehend in nationales Recht umgesetzt hat, dass aus der Formulierung „für die gesundheitliche Aufklärung wichtig“ im damaligen § 10 Abs. 1 Satz 3 AMG „für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig“ im neuen § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG wurde.
87§ 10 AMG in der ab dem 6. September 2005 gültigen Fassung des 14. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29. August 2005; dazu BT-Drs. 15/5316, S. 7, 31 und 34; vgl. auch Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 10 Rn. 47.
88Die vorstehenden Ausführungen zum Verständnis des Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG zugrunde gelegt, lässt sich schließlich entgegen der Auffassung der Klägerin ein gegenüber § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG weiteres Verständnis der Richtlinienvorgabe auch nicht daraus entnehmen, dass andere Sprachfassungen des Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG, etwa die englische und französische, formulieren, dass die Informationen für den Patienten „nützlich“ („useful“, „utiles“) sein müssen.
89Den so verstandenen Anforderungen an weitere Angaben genügt die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ auf der Faltschachtel und dem Etikett des Hustensaftes nicht.
90Diese Information ist schon deshalb für den Patienten weder wichtig noch nützlich, weil sie nicht zutrifft. Denn es ist unstreitig noch eine geringe Menge Alkohol (Ethanol) im Endprodukt enthalten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht haben die Beteiligten sich anhand einer Berechnung des BfArM darauf verständigt, dass beim Hustensaft maximal 1,32 mg Ethanol in einer Einzeldosis von 10 ml enthalten ist. Ob dies, wie die Klägerin im Berufungsverfahren betont, nur wenige Moleküle sind, kann dahinstehen. Dass die Menge gering ist und - wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - keine gesundheitlichen Auswirkungen hat, vermag nichts daran zu ändern, dass der Hinweis pharmazeutisch nicht korrekt ist.
91Darüber hinaus steht die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ nicht mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang und hat keine Bedeutung für die Gesundheit des Patienten. Es fehlt die gebrauchssichernde Funktion.
92So auch Pannenbecker, in: Kügel/Müller/ Hofmann, a. a. O., § 10 Rn. 48.
93Die Anwendung des Hustensaftes hängt nicht davon ab, dass ein bestimmter Stoff in ihm nicht bzw. nur in einer äußerst geringen, gesundheitlich unbedenklichen Menge enthalten ist. Ein nicht enthaltener Stoff hat naturgemäß auch keine Auswirkungen auf die Gesundheit des Patienten. Für Patienten und deren gesundheitliche Aufklärung wichtig wäre nur die Information, dass Alkohol/Ethanol in einer Menge enthalten ist, die gesundheitliche Auswirkungen haben bzw. etwa für Kinder oder Alkoholiker von Bedeutung sein kann. Gebrauchssichernd ist dementsprechend der in der Arzneimittelwarnhinweisverordnung - in der im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids geltenden Fassung mit Gültigkeit bis zum 31. Mai 2022 - auf der Grundlage von § 10 Abs. 2 AMG vorgesehene Warnhinweis auf Alkohol ab 0,05 g pro maximaler Einzeldosis. Demgegenüber betrifft es grundsätzlich nicht die korrekte Anwendung eines Arzneimittels oder die Aufklärung über bestehende Risiken, dass ein bestimmter Stoff darin nicht enthalten ist.
94Anders als von der Klägerin angenommen, ist für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG auch nicht jeder Hinweis wichtig, der die Compliance erhöht, also den Fehlgebrauch oder einen Verzicht auf die notwendige Einnahme des Arzneimittels verhindert, und insoweit der gesundheitlichen Aufklärung dienlich ist.
95So aber auch Kloesel/Cyran, a. a. O., § 10 Anm. 74, § 11 Anm. 82.
96Die Angabe muss vielmehr, wie ausgeführt, mit der konkreten Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen; für die Anwendung ist aber die Kenntnis über den fehlenden Alkoholgehalt nicht erforderlich. Ließe man jeden Hinweis zu, der das Einnahmeverhalten verbessern könnte, führte dies auch dazu, dass die Aufmerksamkeit des Patienten nicht hinreichend auf die Pflichtangaben gerichtet wäre. Ihnen kommt primär die Aufgabe zu, eine korrekte, der Dosierungsanleitung entsprechende Einnahme zu sichern.
97Aus diesem Grund ist auch nicht ausreichend, dass es sich um eine nützliche Information handeln mag, die für den Anwender des Hustensaftes von Interesse ist. Ein Informationswunsch von Verbrauchern ist nicht gleichzusetzen mit dem Erfordernis, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten im Zusammenhang mit der Anwendung des Arzneimittels wichtig zu sein.
98Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Januar 2016 - 13 A 2552/13 -, juris Rn. 36.
99Der Hinweis „ohne Alkohol“ ist auch nicht aus dem von der Klägerin angeführten Grund für die gesundheitliche Aufklärung wichtig, dass Patienten bzw. Mütter von Patienten im Kindesalter durch den Pflichthinweis zu Ethanol auf der Verpackung verunsichert seien. Ob tatsächlich in einem beachtlichen Maße diese Verunsicherung bei einem bloßen Hinweis auf ein Extraktionsmittel besteht, zumal bei einem Arzneimittel, das für Kinder ab einem Jahr zugelassen ist, bedarf keiner Aufklärung. Es ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass die im von der Klägerin geschilderten Maße verunsicherten Personen durch den Hinweis „ohne Alkohol“ aufgeklärt und damit zur (korrekten, der Dosierungsanleitung entsprechenden) Einnahme veranlasst würden. Denn es bleibt für diesen durch den Pflichthinweis zu Ethanol verunsicherten Personenkreis unklar und widersprüchlich, warum einerseits Ethanol aufgeführt wird und andererseits kein Alkohol enthalten sein soll. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend angeführt hat, wird dies bestätigt durch die bei der Klägerin nach ihren Angaben eingegangenen Rückfragen aus einer Zeit, als das Arzneimittel mit den hier streitgegenständlichen „ohne“-Angaben im Verkehr war. Die Verunsicherung könnte zur Überzeugung des Senats allenfalls durch eine Erklärung der Art beseitigt werden, dass Ethanol ein Auszugsmittel im Herstellungsprozess ist, das Endprodukt aber nur noch eine geringe Restmenge enthält, die keine wahrnehmbaren oder jedenfalls keine gesundheitlichen Auswirkungen hat. Diese Aufklärung vermag der bloße Hinweis „ohne Alkohol“ nicht zu leisten. Die Kritik der Klägerin an der Pflichtangabe zu Ethanol als Auszugsmittel ist im Übrigen hier unbeachtlich, denn diese Angabe ist nicht streitgegenständlich.
100Aus der von den Beteiligten angeführten Excipients-Guideline „Excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“ der EU-Kommission ergibt sich nichts zur Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des weiteren Hinweises „ohne Alkohol (Ethanol)“. Die auf Art. 65 Richtlinie 2001/83/EG gestützte Leitlinie in der bei Erlass des Widerspruchsbescheids geltenden, bis zum 1. März 2018 gültigen Fassung aus Juli 2003 (CPMP/463/00) nebst Annex,
101abrufbar von: https://www.ema.europa.eu/en/annex-european-commission-guideline-excipients-labelling-package-leaflet-medicinal-products-human,
102sieht lediglich Warnungen in Bezug auf bestimmte Stoffe, unter anderem auch Ethanol, vor. Sie war überdies in Deutschland insoweit schon deshalb nicht rechtsverbindlich, als sich die Verpflichtung zu Warnungen bei rein national zugelassenen Arzneimitteln bis zum 31. Mai 2022 aus der Arzneimittelwarnhinweisverordnung ergab. Zu „ohne..“- oder „frei von…“-Angaben verhält sich die Leitlinie nicht, die auch bei der Nennung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen in der Einleitung (Introduction, Seite 1) Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG nicht erwähnt. Nur wenn Stoffe wahrnehmbare Auswirkungen haben und im Annex gelistet sind, sind sie auf dem Etikett zu deklarieren (Seite 2 unten). Zudem findet die Guideline keine Anwendung auf Rückstände von Stoffen, die aus dem Herstellungsprozess resultieren oder als Extraktionsmittel verwendet werden (Seite 2 oben).
103Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Annex der Leitlinie bei anderen Stoffen (etwa Kalium oder Natrium) unterhalb bestimmter Schwellenwerte die Angabe vorsieht, das Arzneimittel sei „nahezu“ (Englisch: „essentially“) kaliumfrei/natriumfrei. Der Auffassung der Klägerin, das belege, dass bei nur geringen Molekülmengen an Ethanol ohne wahrnehmbare Auswirkungen „frei von…“-Informationen wichtig seien, folgt der Senat nicht. Denn eine Angabe wie bei Kalium oder Natrium ist für Ethanol gerade nicht vorgesehen. Darüber hinaus sind die für die Packungsbeilage vorgegebenen Hinweise mit der hier streitgegenständlichen „ohne…“-Angabe auf Verpackung und Etikett auch inhaltlich nicht vergleichbar. Denn ihnen voranzustellen ist laut Annex der Guideline jeweils die Aussage, das Arzneimittel enthalte Kalium/Natrium in einer Menge von weniger als … pro Dosiereinheit. Zudem macht es einen Unterschied, ob ein Arzneimittel als „nahezu“ frei von einem bestimmten Stoff bezeichnet oder die Formulierung „ohne“ verwendet wird.
104Die Neufassung der Guideline „Excipients in the labelling and package leaflet of medicinal products for human use“ aus März 2022 (SANTE-2017-11668),
105https://health.ec.europa.eu/system/files/2018-03/guidelines_excipients_march2018_en_0.pdf,
106nebst Annex vom 22. November 2019, Revision 2 (Stand 22. Juli 2022, EMA/CHMP/302620/2017),
107https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/annex-european-commission-guideline-excipients-labelling-package-leaflet-medicinal-products-human_en-1.pdf,
108ist zwar nach der Änderung der Arzneimittelwarnhinweisverordnung zum 1. Juni 2022 und der nachfolgend erlassenen Gemeinsamen Bekanntmachung des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts über Warnhinweise zu Bestandteilen von Arzneimitteln vom 31. Mai 2022 verbindlich umzusetzen.
109Vgl. dazu auch den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit zu einer Verordnung zur Aufhebung der Arzneimittel-Warnhinweisverordnung und zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung vom 2. Juli 2021, S. 1, 5 und 7.
110Die Excipients-Guideline in ihrer aktuellen Fassung ist aber nach Auffassung des Senats wegen des hier maßgeblichen Zeitpunkts der letzten Behördenentscheidung schon nicht berücksichtigungsfähig.
111Selbst wenn man aber mit der Klägerin der Auffassung wäre, sie könne herangezogen werden, weil es sich um Wissen handele, das auch bereits im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung vorgelegen habe,
112vgl. in diese Richtung auch OVG NRW, Urteil vom 28. Oktober 2021 - 13 A 1376/17 -, PharmR 2022, 112 = juris Rn. 27,
113führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Zu freiwilligen Angaben im Sinne von Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG verhält auch sie sich nicht, sondern sieht, wie die Klägerin zu Recht betont, weiterhin lediglich (warnende) Pflichtangaben vor. Bei Ethanol ist im Annex im Bereich von 0 bis zu 15 mg/kg pro Dosis der Hinweis in der Packungsbeilage vorgegeben, welche Menge Ethanol pro Dosiereinheit enthalten ist. Anschließend ist dies in vergleichbaren Verzehrmengen (in ml) von Bier oder Wein anzugeben und schließlich der Satz anzufügen: „Die geringe Alkoholmenge in diesem Arzneimittel hat keine wahrnehmbaren Auswirkungen“. Für die Zulässigkeit des streitgegenständlichen Hinweises „ohne Alkohol (Ethanol)“ lässt sich daraus nichts ableiten. Ferner gilt weiterhin, dass bei der Verwendung von Ethanol im Herstellungsprozess (z. B. bei der Beschichtung von Tabletten) oder als Extraktionsmittel, das verdampft wird, keine Notwendigkeit besteht, Ethanol in der Packungsbeilage zu erwähnen (S. 2 sowie Kommentar im Annex zu Ethanol).
114Vgl. dazu auch die Besonderheitenliste des BfArM, Stand 1. Juni 2022, Zusatzinformationen.
115Auch aus den Änderungen im Annex zu anderen Stoffen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die freiwillige Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ zulässig wäre. So ist für Gluten aus Weizenstärke nun die Angabe in der Packungsbeilage vorgesehen, das Arzneimittel enthalte nur sehr geringe Mengen Gluten und es gelte als „glutenfrei“. Daraus lässt sich nichts für die generelle Zulässigkeit von „ohne..“-Angaben, erst recht nicht für die Zulässigkeit des „ohne Alkohol (Ethanol)“-Hinweises auf der Faltschachtel und dem Etikett im Streitfall ableiten.
116Auch die weiter im Verfahren von den Beteiligten angeführten Dokumente der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) rechtfertigen keine andere Betrachtung. Sie sind rechtlich unverbindlich und darüber hinaus für den vorliegenden Streitfall ganz überwiegend inhaltlich ohne Aussagekraft. Die Empfehlungen der Working Group on Quality Review of Documents (QRD) „Recommendations on pack design and labelling for centrally authorised non-prescription human medicinal products“ (vom 10. März 2011, EMA/275297/2010) beziehen sich auf zentral durch die EMA zugelassene Arzneimittel. Die Fragen und Antworten zu Gluten („Questions and answers on wheat starch containing gluten in the context of the revision of the guideline on Excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“, EMA/CHMP/704219/2013) betreffen schon einen nicht vergleichbaren Stoff, zu dem inzwischen auch die Excipients-Guideline die oben wiedergegebene Empfehlung enthält. Die Fragen und Antworten zu Ethanol („Questions and answers on Ethanol in the context of the revision of the guideline on Excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“ vom 23. Januar 2014, CPMP/463/00),
117https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/questions-answers-ethanol-context-revision-guideline-excipients-label-package-leaflet-medicinal_en.pdf,
118enthalten Vorschläge für die Überarbeitung des Annexes der Excipients-Guideline, der aus den vorstehend angeführten Gründen für die hier streitige Frage unergiebig ist; zur Zulässigkeit von Hinweisen wie „ohne Alkohol (Ethanol)“ verhalten sie sich ebenfalls nicht. Entsprechendes gilt für das Dokument des CHMP zum wissenschaftlichen Hintergrund „Information for the package leaflet regarding ethanol used as an excipient in medicinal products for human use“ (vom 20. September 2018, EMA/CHMP/43486/2018),
119https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/information-package-leaflet-regarding-ethanol-used-excipient-medicinal-products-human-use_en.pdf.
120Die Arbeitsgruppe QRD hat sich zwar in der Sitzung vom 2. März 2016 (EMA, Minutes of the eighty-seventh meeting of the „Working group on Quality Review of Documents“, EMA/189974/2016) dahingehend geäußert, dass Hinweise wie gluten-/alkohol-/zuckerfrei als Werbung eingestuft würden und von keinem zusätzlichen Wert seien. Diese Einschätzung ist allerdings nicht nur unverbindlich, sondern zudem durch die Überarbeitung der Excipients-Guideline überholt.
121Ist die Angabe danach schon aus diesen Gründen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG unzulässig, kommt es nicht darauf an, ob sie auch als Werbeaussage im Sinne von Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG - in richtlinienkonformer Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG - unzulässig ist.
122b. Auch die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ auf der Faltschachtel und dem Etikett ist arzneimittelrechtlich unzulässig.
123Sie ist zwar - anders als der Hinweis „ohne Alkohol (Ethanol)“ - zutreffend, da dem Produkt im Herstellungsverfahren unstreitig kein Zucker zugesetzt wird. Der Senat geht auch nicht davon aus, dass die Angabe den falschen Eindruck vermittelt, der Hustensaft enthalte kaum oder keinen Zucker. Die Information ist aber schon deshalb nicht für den Patienten und dessen gesundheitliche Aufklärung wichtig, weil sie nichts über den tatsächlichen Zuckergehalt des Produkts und im Übrigen auch nichts über etwaige Zuckerersatzstoffe im Produkt aussagt. Der streitgegenständliche Hustensaft enthält jedenfalls natürlichen Zucker aufgrund des Wirkstoffs Thymian. Abgesehen davon enthält er auch das Süßungsmittel Sorbitol. Der Umstand, dass im Herstellungsverfahren kein Zucker zugesetzt wurde, ist auch für die Anwendung des Arzneimittels nicht von Bedeutung. Er hat keine gebrauchssichernde Funktion.
124Selbst wenn man davon ausgeht, der Zuckergehalt des Hustensaftes sei so gering, dass er keine negativen gesundheitlichen Effekte habe, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Auch hier gilt die obige Erwägung zum Hinweis „ohne Alkohol (Ethanol)“, dass ein nicht enthaltener Stoff auch keine Auswirkungen auf die Gesundheit des Patienten hat.
125Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Klägerin angeführten Gesichtspunkt der Zahngesundheit, der bei Hustensäften aufgrund der mit der Produktkategorie verbundenen Verbrauchererwartung eine Rolle spiele. Ob Patienten oder ihre Eltern bei Hustensäften aufgrund der Konsistenz und/oder des Geschmacks davon ausgehen, dass diese Zucker enthalten, kann dahinstehen. Es ist für die Frage der Zulässigkeit des Hinweises auf den fehlenden Zuckerzusatz nicht relevant. Die Angabe eines beachtlichen Zuckergehalts (und der daraus folgenden Konsequenzen für die Zahnpflege) stünde im Zusammenhang mit der Anwendung des Arzneimittels und diente der Aufklärung über dessen Risiken. Umgekehrt gilt dies hingegen nicht. Enthält ein Arzneimittel keinen zahnschädigenden Zucker, ist hinsichtlich der Zahnhygiene auch nichts zu beachten und der Patient über kein Risiko aufzuklären. Dass der Hinweis auf die Zuckerfreiheit die Compliance erhöhen mag, genügt ebenfalls aus den bereits zum Ethanol ausgeführten Gründen nicht den tatbestandlichen Anforderungen des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG.
126c. Dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag der Klägerin, „Beweis zu erheben über die Frage, dass nach dem jeweils bestehenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand die Angaben „ohne Alkohol (Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ mit der Anwendung des streitgegenständlichen Produkts im Zusammenhang stehen und für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und insbesondere keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte Information vermitteln“, musste der Senat nicht nachkommen.
127Der Beweisantrag ist bereits wegen mangelnder Substantiierung unzulässig. Unsubstantiierten Beweisanträgen muss das Gericht nicht nachgehen. Die gebotene Substantiierung besteht in der Nennung eines bestimmten Beweismittels und in der Behauptung einer bestimmten Tatsache. Unsubstantiiert sind aber nicht nur Beweisanträge, die das Beweisthema nicht hinreichend konkretisieren, sondern auch Beweisanträge, die dazu dienen sollen, unsubstantiierte Behauptungen zu stützen, etwa solche, die erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben worden sind. Das Substantiierungsgebot verlangt, dass die Tatsache vom Antragsteller mit einem gewissen Maß an Bestimmtheit als wahr und mit dem angegebenen Beweismittel beweisbar behauptet wird. Finden sich im gesamten Prozessstoff keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die aufgestellte Behauptung und gibt der Antragsteller für eine von ihm angestellte Vermutung nicht die geringste tatsächliche Grundlage an, darf das Gericht den Schluss ziehen, die Behauptung sei „aus der Luft gegriffen“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden. In einem derartigen Fall geht es dem Antragsteller nur darum, ermitteln zu lassen, ob seine auf keine Anhaltspunkte gestützte Behauptung nicht vielleicht doch wahr ist.
128Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. September 2012 - 5 B 30.12 -, juris Rn. 9, vom 2. November 2007 - 7 BN 3.07 -, juris Rn. 5, und vom 29. März 1996 - 11 B 21.95 -, juris Rn. 4.
129Hier hat die Klägerin mit der Formulierung ihres Beweisantrags entgegen § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO in entsprechender Anwendung schon kein bestimmtes Beweismittel bezeichnet. Es ist auch nicht ohne weiteres erkennbar, mit welchem Beweismittel die von ihr mit dem Beweisantrag aufgestellte Behauptung verifiziert werden könnte. Zwar dürfte es der Klägerin um die Einholung eines Sachverständigengutachtens gehen und ist ferner die namentliche Benennung eines Sachverständigen nicht geboten. Auch spricht einiges dafür, dass hinsichtlich des mit „insbesondere“ eingeleiteten Teilaspekts der Beweisfrage die Einholung eines medizinischen und/oder pharmazeutischen Sachverständigengutachtens begehrt wird. Allerdings ist gänzlich unklar und von der Klägerin auch nicht weiter in der mündlichen Verhandlung thematisiert worden, welche weiteren Aspekte sie mit der umfassender formulierten Beweisfrage geklärt haben möchte und welche Einrichtungen, Institutionen oder Wissenschaftler welcher Fachrichtung insoweit über Erkenntnisse verfügen könnten.
130Ferner handelt es sich bei der Tatsache, dass die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte Information (zu dem streitgegenständlichen Produkt) vermittelt, um eine unsubstantiierte, ohne tatsächliche Anhaltspunkte aufgestellte Behauptung. Denn die Beteiligten haben sich im erstinstanzlichen Verfahren darauf verständigt, dass in einer maximalen Einzeldosis von 10 ml Hustensaft 1,32 mg Ethanol enthalten sind, weshalb - wie oben ausgeführt - die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ pharmazeutisch unzutreffend ist. Die bloße Behauptung, es handle sich lediglich um wenige Moleküle an Ethanol, bietet keine tatsächliche Grundlage dafür, dass entgegen den erstinstanzlichen Erklärungen der Hustensaft kein Ethanol mehr enthält.
131Was die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ angeht, ist die Beweistatsache als erwiesen und damit nicht mehr beweisbedürftig anzusehen, § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 StPO analog. Dass dieser Hinweis inhaltlich zutrifft und damit keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte Information vermittelt, steht nicht im Streit und hat der Senat auch angenommen.
132Abgesehen davon ist der Beweisantrag deshalb abzulehnen, weil er hinsichtlich des Beweisthemas unzulässig ist. Er ist nicht auf die Ermittlung einer Tatsache, sondern auf die Beantwortung einer Rechtsfrage gerichtet, die einer Beweiserhebung nicht zugänglich, sondern durch das Gericht zu beantworten ist (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 1 und 2 StPO analog).
133Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1988 ‑ 2 BvR 1324/87 -, BayVBl. 1988, 268 = juris Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 23. September 2009 - 13 A 987/09 -, juris Rn. 15; Julius, in: Gercke/ Julius/ Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 6. Auflage 2019, § 244 Rn. 28 und 45.
134Mit dem benannten Beweisthema, ob die Angaben „ohne Alkohol (Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ mit der Anwendung des streitgegenständlichen Produkts im Zusammenhang stehen und für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind, werden exakt die in § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG genannten Tatbestandsvoraussetzungen wiedergegeben. Ob die Angaben „ohne Alkohol (Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ diese im Streitfall erfüllen, ist nicht durch eine Beweiserhebung zu ermitteln, sondern durch das Gericht zu entscheiden.
1352. Die Auflagen F3. und F4., wonach in den Texten für die Packungsbeilage und die Fachinformation die Hinweise zum fehlenden Alkohol/Ethanol zu streichen sind, stellen sicher, dass die Packungsbeilage den Vorschriften des § 11 AMG (§ 28 Abs. 2 Nr. 2 AMG) und die Fachinformation den Vorschriften des § 11a AMG entspricht (§ 28 Abs. 2 Nr. 2a AMG).
136Dass die Auflage F3. in den Texten für die Packungsbeilage und die Fachinformation die Streichung des Hinweises „…enthält keinen Alkohol“ fordert, der Wortlaut der eingereichten Texte aber „enthält keinen Alkohol (Ethanol)“ in der Gebrauchsinformation und „enthält kein Ethanol“ in der Fachinformation lautet, ist unerheblich. Dass die Beklagte die Streichung dieser Texte fordert, lässt sich dem Bescheid zweifelsfrei entnehmen.
137Die beanstandeten Hinweise, bei denen es sich nicht um Pflichtangaben handelt, sind unzulässig. Weitere Angaben in der Packungsbeilage (§ 11 Abs. 1 Satz 7 AMG) und der Fachinformation (§ 11a Abs. 1 Satz 6 AMG) sind - soweit sie nicht (wie hier) durch eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorgeschrieben oder bereits nach einer solchen Verordnung zulässig sind - zulässig, soweit sie mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und den Angaben nach § 11a AMG nicht widersprechen.
138Die tatbestandlichen Voraussetzungen entsprechen damit denen des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG. Zulässig sind nur gebrauchssichernde Informationen.
139Vgl. Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 11 Rn. 52, § 11a Rn. 21.
140Bei der an die Patienten gerichteten Packungsbeilage ergibt sich dies auch daraus, dass ihr der Zweck zukommt, eine sachgerechte Anwendung des Arzneimittels zu gewährleisten. Sie soll dem Patienten alle Informationen geben, die für eine ordnungsgemäße Anwendung des Arzneimittels und die mit der Anwendung verbundenen Risiken von Bedeutung sind.
141Vgl. Kloesel/Cyran, a. a. O., § 11 Anm. 1 und 82; Fuhrmann, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, a. a. O., § 8 Rn. 9.
142In ähnlicher Weise kommt der an das heilberuflich tätige Fachpublikum adressierten Fachinformation die Funktion zu, den Fachkreisen die für eine sichere Anwendung des Arzneimittels notwendigen wissenschaftlichen Informationen zu geben.
143Vgl. Kloesel/Cyran, a. a. O., § 11a Anm. 2.
144Die restriktive Zulassung weiterer Angaben soll auch bei der Gebrauchs- und Fachinformation verhindern, dass die Verwender von den Pflichtinformationen abgelenkt werden. Dies gilt nicht nur für die Packungsbeilage, sondern auch für die Fachinformation. Auch sie ist auf die Anwendung des Arzneimittels bezogen. Zulässig sind etwa solche Angaben, mit denen die Wirkungsweise des Arzneimittels nachvollzogen werden kann. Angaben, die keinen Zusammenhang mit dem therapeutischen Einsatz des Arzneimittels aufweisen, gehören hingegen nicht in die Fachinformation.
145Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 ‑ 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 13 ff.
146Hiervon ausgehend sind die Hinweise in der Gebrauchs- und Fachinformation nicht nach § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG und § 11a Abs. 1 Satz 6 AMG als weitere Angaben zulässig. Es gelten die Ausführungen zu § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG entsprechend, auf die Bezug genommen wird (siehe Ziff. II.1.a).
147Bei der Fachinformation fällt zudem besonders ins Gewicht, dass der Hinweis, es sei kein Ethanol enthalten, pharmazeutisch unzutreffend ist. Denn für die entsprechend vorgebildeten Fachkreise ist die Information, es sei kein Ethanol enthalten, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten nicht hilfreich, wenn gleichzeitig erkennbar ist, dass Ethanol als Auszugsmittel verwendet wurde. Auch hier gilt, dass wichtig für die Anwendung des Arzneimittels nur die Angabe sein kann, dass die im Arzneimittel enthaltene Restmenge an Ethanol so gering ist, dass sie keine wahrnehmbaren und damit auch keine gesundheitlichen Auswirkungen hat.
148Sollte der Hilfsbeweisantrag auch auf die beanstandeten Angaben in der Gebrauchs- und Fachinformation zielen, gelten die obigen Ausführungen hier entsprechend.
149III. Die angefochtenen Auflagen sind auch frei von Ermessensfehlern. Nach § 28 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 2a AMG „kann“ das BfArM bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen Auflagen erteilen.
150Ein Entschließungsermessen kommt der Behörde insoweit aber schon nicht zu. Ist die Auflage - wie hier - erforderlich, um die Übereinstimmung der Kennzeichnung, der Packungsbeilage und der Fachinformation mit den gesetzlichen Vorgaben sicherzustellen, besteht die Verpflichtung zur Anordnung einer Auflage.
151Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 27 f., vorausgehend ausführlich dazu OVG NRW, Urteil vom 7. November 2018 - 13 A 3140/17 -, juris Rn. 64 ff.
152Auf die Feststellung einer konkreten Gefährdung kommt es nicht an. Ebenso wenig bedarf es einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, die etwa die wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahme für den pharmazeutischen Unternehmer in den Blick nimmt.
153Es ist deshalb auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung zu prüfen, ob das BfArM die Streichung vergleichbarer Hinweise auch gegenüber anderen pharmazeutischen Unternehmen angeordnet hat bzw. dies beabsichtigt. Ob auch eine Verpflichtung der Beklagten zur Anordnung nachträglicher Auflagen gem. § 28 Abs. 1 Satz 4 AMG in Altfällen besteht, die nicht aus Anlass eines Verlängerungsantrags oder im Rahmen einer Änderungsanzeige zur Prüfung stehen, ist daher ebenfalls unerheblich.
154Vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 30 f.
155Davon abgesehen hat die Beklagte im Berufungsverfahren mitgeteilt, dass sie in Zulassungs- oder Verlängerungsverfahren oder bei Änderungsanzeigen entsprechende „frei von“-Hinweise im Rahmen von Anhörungen oder Widerspruchsverfahren beanstande und dies von der pharmazeutischen Industrie ganz überwiegend akzeptiert werde. Für eine Ungleichbehandlung ist damit auch nichts ersichtlich.
156Die Ausübung des Auswahlermessens ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Es ist nicht ersichtlich, wie den Verstößen gegen die Vorgaben der §§ 10, 11 und 11a AMG anders abgeholfen werden könnte als durch eine Streichung der Hinweise. Ermessensfehler sind auch nicht erkennbar, soweit nach der Auflage F3. der Hinweis in den Texten für die Packungsbeilage und die Fachinformation durch den Hinweis „Das Ethanol des Auszugsmittels wurde weitestgehend entfernt.“ ersetzt werden kann. Die Klägerin wird zur Aufnahme dieses Hinweises nicht verpflichtet („kann“). Vielmehr ist er als bloßer Formulierungsvorschlag zu verstehen, der dem Anliegen der Klägerin Rechnung tragen soll, etwaigen Fehlvorstellungen von Patienten und Fachpersonal infolge der Pflichtangaben zum Ethanol entgegenzuwirken. Dies wird bestätigt durch die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, wonach es sich um einen „Textvorschlag“ handele, der im Rahmen der weiteren Angaben unterhalb der Pflichtangaben „aufgeführt werden könnte“.
157Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
158Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
159Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzliche Bedeutung hat. Die Zulässigkeit von „ohne Alkohol“- und „ohne Zuckerzusatz“-Hinweisen sowie vergleichbaren weiteren Angaben, dabei vorgelagert insbesondere die Frage nach dem Verständnis des Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG und ggf. einer unionsrechtskonformen erweiternden Auslegung der §§ 10 Abs. 1 Satz 5, 11 Abs. 1 Satz 7, 11a Abs. 1 Satz 6 AMG, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht geklärt und voraussichtlich für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung.
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- 13 A 2862/12 4x (nicht zugeordnet)
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- I ZR 161/11 2x (nicht zugeordnet)
- 7 K 705/05 1x (nicht zugeordnet)
- § 11a AMG 3x (nicht zugeordnet)
- §§ 10 ff. AMG 1x (nicht zugeordnet)
- § 28 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 2a AMG 1x (nicht zugeordnet)
- 13 A 2552/13 5x (nicht zugeordnet)
- 7 K 5222/18 1x (nicht zugeordnet)
- § 28 Abs. 2 AMG 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 113 1x
- 13 A 3140/17 1x (nicht zugeordnet)
- § 10 Abs. 1 Satz 3 AMG 1x (nicht zugeordnet)
- § 28 Abs. 2 Nr. 1 bis 2a AMG 1x (nicht zugeordnet)
- 13 A 1376/17 1x (nicht zugeordnet)
- 13 A 987/09 1x (nicht zugeordnet)
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- 29 U 5126/19 1x (nicht zugeordnet)
- StPO § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen 3x
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- § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG 3x (nicht zugeordnet)
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- 13 A 2895/11 1x (nicht zugeordnet)
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- 2 BvR 1324/87 1x (nicht zugeordnet)