Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 A 1278/21
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 21.4.2021 geändert.
Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 29.4.2020 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist Herstellerin von Waagen, welche beim Wägen das Eingreifen einer Bedienungsperson erfordern (sog. nichtselbsttätige Waagen) und zur Verwendung im geschäftlichen Verkehr bestimmt sind. Die Angaben von Höchstlast (Max), Mindestlast (Min) und Eichwert (e) werden bei den hier streitgegenständlichen Modellen ausschließlich digital über die Anzeigeeinrichtung der Waage dargestellt, wo sie bei deren Betrieb stets zusammen mit dem gemessenen Wägeergebnis zu sehen sind. Ausweislich der von der NMi Certin B. V. unter dem 7.7.2020 für das Gerätemodell ausgestellten EU-Baumusterprüfbescheinigung ist der Zugang zu der für die Anzeige verantwortlichen Software durch Eichsiegel gesichert. Im Inneren des Gehäuses der Wiegeplattform befindet sich eine Justiersperre. Welche Software zur Anzeige der primären Indikationen auf den Geräten zugelassen ist, ist in Nr. 2.1.1 der EU-Baumusterprüfbescheinigung vorgegeben. Jede Änderung und jedes Herunterladen von relevanter Software wird im Ereignislogger protokolliert.
3Im Anschluss an eine amtliche Kontrolle teilte der Landesbetrieb Mess- und Eichwesen Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: Landesbetrieb) der Klägerin im Februar 2020 mit, die Angabe der Konfigurationskennwerte (Max, Min, e) in ausschließlich digitaler Form entspreche nicht den Vorgaben aus der Richtlinie 2014/31/EU, weil damit die zwingend geforderte Dauerhaftigkeit nicht gegeben sei. Denn bei ausgeschalteter Waage erlösche auch die Anzeige dieser messtechnischen Werte im Display.
4Die Klägerin widersprach der Ansicht des Landesbetriebs. Nach Sinn und Zweck der Vorgaben aus Anhang III Nr. 1.1 der Richtlinie 2014/31/EU gehe es um die Manipulationssicherheit der Angaben. Diese sollten während der gesamten Lebensdauer der Waage vorhanden sein und dem Verwender zuverlässig Auskunft darüber geben, für welchen Anwendungsbereich (d. h. Minimal- und Maximallast) sowie für welche Genauigkeit der Anzeige (Teilungswert e) die Waage vorgesehen und im eichpflichtigen Verkehr zugelassen sei. Dies sei bei der Anzeige dieser messtechnischen Werte im Display gewährleistet.
5Mit Ordnungsverfügung vom 29.4.2020 untersagte der Landesbetrieb der Klägerin, ab dem 1.6.2020 in Nordrhein-Westfalen das Inverkehrbringen nichtselbsttätiger Waagen, die die Aufschriften von Max, Min und e nur digital in der Anzeigeeinrichtung der Waage darstellten und (bei denen) diese Aufschriften an keiner anderen Stelle (z. B. Kennzeichnungsschild) dauerhaft aufgebracht seien (Nr. 1). Für jeden Fall einer Zuwiderhandlung drohte er die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von 1.000,00 Euro an (Nr. 2). Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Die Untersagungsverfügung beruhe auf § 50 Abs. 2 Nr. 5 MessEG. Es bestehe mehr als ein begründeter Verdacht, dass die von der Klägerin in Verkehr gebrachten Waagen nicht die Anforderungen gemäß § 6 MessEG erfüllten. Nach dessen Absatz 5 müsse ein Messgerät mit den in einer Rechtsverordnung nach § 30 Nr. 4 MessEG bezeichneten Aufschriften zur näheren Bestimmung des Geräts und des Herstellers oder Einführers versehen sein. Mit welchen Aufschriften eine nichtselbsttätige Waage zusätzlich zu versehen sei, regele § 15 Abs. 3 MessEV. Die Angabe von Max, Min und e in ausschließlich digitaler Form genüge diesen Anforderungen nicht und sei auch mit Anhang III Nr. 1.1 der Richtlinie 2014/31/EU nicht vereinbar. Gemäß Art. 6 Abs. 5 Unterabsatz 2 i. V. m. Anhang III Nr. 1.2 der Richtlinie 2014/31/EU seien die Aufschriften mit Hilfe einer geeigneten Einrichtung an der Waage anzubringen. Der Wortlaut mache deutlich, dass es sich um einen gedruckten Text handeln müsse. Als eine Möglichkeit nenne die Richtlinie in Anhang III Nr. 1.3 der Richtlinie 2014/31/EU das Kennzeichnungsschild. Eine nur digitale Angabe der Höchst- und Mindestlast sowie des Eichwerts genüge auch nicht dem Erfordernis der „jederzeitigen Identifizierbarkeit“ einer Waage durch die Marktaufsichtsbehörden der EU sowie dem Schutz der Verwender als Erwerber der Produkte. Aus der harmonisierten Norm DIN EN 45501, wonach als annehmbare Lösung die dauerhafte und gleichzeitige Anzeige der Werte von Max, Min und e auf der Anzeigeeinrichtung für das Wägeergebnis bei eingeschalteter Waage gelte, folge nichts anderes. Den dortigen Aussagen zur technischen Umsetzung der Kennzeichnung komme schon keine rechtliche Bedeutung zu, weil die insofern geltende Konformitätsvermutung nach Art. 12 der Richtlinie 2014/31/EU nur die wesentlichen Sicherheitsanforderungen gemäß Anhang I der Richtlinie betreffe, nicht hingegen die Kennzeichnungspflichten nach Anhang III. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit von weiteren Rechtsverstößen durch die Klägerin auszugehen, weil diese sich im Anhörungsverfahren nicht einsichtig gezeigt habe. Der Schutz der europäischen und nationalen Rechtsordnung, die Sicherstellung des Schutzes potentieller Käufer vor dem Erwerb nicht richtlinienkonformer Messgeräte und der Schutz einer ordentlich durchzuführenden Marktaufsicht sowie des fairen Wettbewerbs hätten im Rahmen des Auswahlermessens den Ausschlag für den Erlass der Ordnungsverfügung gegeben. Als Herstellerin im Sinne von § 2 Nr. 6 MessEG, die nach § 23 Abs. 2 MessEG sicherzustellen habe, dass die von ihr in Verkehr gebrachten Messgeräte mit den erforderlichen Aufschriften versehen würden, sei die Klägerin auch die richtige Adressatin der Ordnungsverfügung. Schließlich sei die ausschließlich in die Zukunft gerichtete Ordnungsverfügung verhältnismäßig, insbesondere könne mit einem äußerst geringen finanziellen Aufwand die formale Konformität der Messgeräte hergestellt werden.
6Gegen diese Ordnungsverfügung hat die Klägerin Klage erhoben. Die hier gewählte Form der Darstellung der streitgegenständlichen messtechnischen Werte stehe im Einklang mit den maßgeblichen Vorschriften. Weder der Wortlaut der Richtlinie noch der des nationalen Rechts schlössen die Darstellung der Angaben zu Max, Min und e durch elektronische Anzeige im Display aus. Auch Sinn und Zweck der Regelung stünden einer ausschließlich digitalen Anzeige der Pflichtangaben nicht entgegen. Der Verwender der Waage solle zusammen mit dem Wiegeergebnis unschwer erkennen können, ob sich letzteres im vorgesehenen „Zulassungsbereich“ der Waage halte, d. h. für deren Benutzung (und zuverlässige Funktion) weder zu leicht noch zu schwer sei und mit welcher Genauigkeit (bzgl. des Teilungswerts e) das Ergebnis angezeigt werde. Gerade deshalb sehe die Richtlinie vor, dass sich diese Angaben im Sichtbereich der Ergebnisanzeige einer jeden Waage befinden müssten, was durch die vorliegend gewählte Lösung einer Anzeige direkt im Display (zusammen mit dem Wägeergebnis) in geradezu idealer Weise geleistet werde. Die Dauerhaftigkeit der Angaben sei bei der digitalen Anzeige gewährleistet, weil diese im Nachhinein nicht beliebig verändert werden könnten. Nicht zu besorgen sei, dass durch eine mögliche Fehlprogrammierung der elektronischen Anzeige bei einer digitalen Lösung unzutreffende Angaben angezeigt würden. Eine Manipulation der gerade nicht zu messenden, sondern feststehenden Werte zu Max, Min und e ergebe zudem von vornherein keinen Sinn. Dass bei Abschaltung der Waage, Stromausfall, elektronischem Defekt oder Ähnlichem die Angaben zu Min, Max und e nicht mehr sichtbar seien, stehe dem Merkmal der Dauerhaftigkeit schließlich nicht entgegen, weil in diesen Fällen kein Bedarf für die Sichtbarkeit dieser Angaben bestehe. Insofern ignoriere der Landesbetrieb nicht nur Sinn und Zweck der Regelung, sondern auch deren Wortlaut, wonach die Aufschriften „bei normaler Gebrauchslage des Geräts sichtbar“ sein müssten (Anhang III Nr. 1.2 der Richtlinie 2014/31/EU). Eine andere Auslegung folge auch nicht daraus, dass den Marktaufsichtsbehörden jederzeit eine Kontrolle der Waagen möglich sein müsse. Denn allein gestützt hierauf könnten keine weitergehenden Anforderungen gestellt werden, als sie für den eigentlichen Zweck der Regelung erforderlich seien. Dass eine zu kontrollierende Waage kurz eingeschaltet werden müsse, um sich von ihrer ordnungsgemäßen Beschaffenheit und Funktion zu überzeugen, sei im Übrigen nicht unüblich. Gleiches gelte etwa für die Kontrolle der Einhaltung der Anforderungen an Genauigkeit und Eichfehlergrenzen. Für ihre Auslegung spreche ferner, dass die digitale Anzeige im Display unter Nr. 7.1.2 der harmonisierten Norm DIN EN 45501 ausdrücklich als „annehmbare Lösung“ aufgeführt werde. Zwar komme der harmonisierten Norm hierauf bezogen keine Bindungswirkung zu, sie diene aber der einheitlichen Richtlinienauslegung und dürfe daher nicht unberücksichtigt bleiben. Außer Acht gelassen habe der Landesbetrieb weiter, dass sie – die Klägerin – seit vielen Jahren unbeanstandet Waagen mit ausschließlich digitaler Anzeige der Angaben zu Min, Max und e vertreibe und zwar nicht nur in ganz Deutschland, sondern auch in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Für das streitgegenständliche Waagenmodell habe die NMi Certin B. V. als förmlich akkreditierte Prüfstelle im Juli 2020 eine EU-Baumusterprüfbescheinigung ausgestellt und sich auch zur digitalen Anzeige von Max, Min und e verhalten. Danach werde der Forderung nach Dauerhaftigkeit dadurch genügt, dass ein Eingriff in die Anzeige bzw. die dafür maßgebliche Software nicht möglich sei, weil der Zugang zur Software durch Eichsiegel gesichert sei (Nr. 1.3 der Bescheinigung). Die Baumusterprüfbescheinigung bestätige in Bezug auf einen Prototyp dessen Konformität mit allen einschlägigen Anforderungen für dieses Produkt. Sie bilde die Grundlage für die vom Hersteller vor Inverkehrbringen abzugebende Konformitätserklärung. Daher spreche jedenfalls eine Vermutung für die Erfüllung der einschlägigen Anforderungen aus der Richtlinie 2014/31/EU. Auch andere nach der Verordnung (EG) 765/2008 förmlich akkreditierte benannte Stellen wie die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) oder METAS aus der Schweiz hätten keine Bedenken hinsichtlich der digitalen Anzeige der Angaben geäußert. Auf deren Bewertung müsse sich ein Hersteller grundsätzlich verlassen können, zumal das EU-Recht die Mitwirkung akkreditierter Konformitätsbewertungsstellen zwingend vorsehe, um die Prüfung der Richtlinienkonformität von vornherein nicht allein den Herstellern zu überlassen. Unberücksichtigt gelassen habe der Landesbetrieb schließlich, dass hier nicht ein „immer gleiches Standardschild“ im Streit stehe. Vielmehr würden die Angaben zum Wägebereich in Abhängigkeit von speziellen Kundenanforderungen erst beim konkreten Inverkehrbringen dieser Waagen bzw. der diesem Inverkehrbringen unmittelbar vorausgehenden Endkonfiguration an der jeweiligen Waage eingestellt. Eine anderweitige Anbringung vor Ort wäre praktisch jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.
7Die Klägerin hat beantragt,
8die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 29.4.2020 aufzuheben.
9Der Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Zur Begründung wiederholt er seine Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus: Die maßgeblichen Regelungen verlangten, dass die Angaben von Max, Min und e gut sichtbar, lesbar und dauerhaft auf dem Messgerät angebracht sein müssten. Schon der Begriff „angebracht“ – der etwas anderes bedeute als „angezeigt“ – bringe deutlich zum Ausdruck, dass eine lediglich elektronische Anzeige nicht genüge. Angebracht sei etwas nur dann, wenn es mit dem Messgerät physisch und analog verbunden sei und nicht bereits dann, wenn es nur im eingeschalteten Zustand aufgerufen werden könne. Aus Anhang III Nr. 1.2 der Richtlinie 2014/31/EU folge nichts anderes. Mit dem Terminus „normale Gebrauchslage“ sei nicht die eingeschaltete elektronische Waage gemeint, sondern ihre korrekte Positionierung. Der Aufkleber mit den Pflichtangaben müsse danach so angebracht sein, dass er bei der normalen Gebrauchslage des Geräts sichtbar sei, also ohne besonderen Aufwand gelesen werden könne. Hätte die Regelung das Ziel verfolgt, auch die lediglich elektronische Angabe der geforderten Daten im Display zuzulassen, hätte der Richtliniengeber das zum Ausdruck bringen und auch ein Pendant zu der in Anhang III Nr. 1.2 Satz 1 der Richtlinie 2014/31/EU geregelten Nichtentfernbarkeit ohne Beschädigung schaffen müssen. Der Richtliniengeber habe keine entsprechende digitale Variante der Absicherung vorgegeben, woraus folge, dass er an dieser Stelle nur eine analoge Kennzeichnung der Waage habe zulassen wollen. Die Vorgaben zu den Aufschriften in Anhang III der Richtlinie 2014/31/EU dienten ferner nicht allein dazu, dem Verwender zu ermöglichen, den Wägebereich zu erkennen, sondern es solle auch den Marktaufsichtsbehörden ermöglicht werden zu kontrollieren, ob der Hersteller seine Waagen den gerätespezifischen Anforderungen entsprechend gefertigt und in den Verkehr gebracht habe. Wäre die Waage stromlos oder besäße sie einen Defekt, könne eine Überprüfung der Richtlinienkonformität nicht erfolgen. Zu bedenken seien auch Situationen, in denen die Marktaufsichtsbehörden nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen in der Lage seien, die zu überprüfenden Waagen an den Stromkreislauf anzuschließen, etwa bei der Überprüfung von importierten Waagen in Häfen und an Zollstationen. In der Sache gebe es zudem beachtliche Gründe dafür, die bloß elektronische Anzeige im Display nicht ausreichen zu lassen. Im Hintergrund könnten unbemerkt Programmierungen stattfinden, die genau diese Angaben verfälschten. Eine elektronische Fehlsteuerung der Anzeige könne zu einem massenhaften Betrug von Verbrauchern genutzt werden. Bestätigt werde das Auslegungsergebnis in der DIN EN 45501, deren Vermutungswirkung sich gemäß Art. 12 der Richtlinie 2014/31/EU allerdings nur auf die wesentlichen Anforderungen des Anhangs I der Richtlinie, nicht aber auf die Kennzeichnungspflichten des Herstellers beziehe. In der DIN EN 45501 werde unter Nr. 7 präzise dargestellt, dass die Angaben zu Min, Max und e zwingend analog anzubringen seien und lediglich darüber hinaus gleichzeitig auch digital angezeigt werden dürften. Soweit die Klägerin auf die EU-Baumusterprüfbescheinigung verweise, komme dieser keine Vermutungswirkung im Hinblick auf die Einhaltung von Produktanforderungen zu und binde ihn als Marktüberwachungsbehörde nicht. Die von der Klägerin dargestellten Schwierigkeiten bei der analogen Anbringung der Aufschriften seien teilweise nicht nachvollziehbar, jedenfalls aber rechtlich unerheblich.
12Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Waagen der Klägerin erfüllten nicht die Anforderungen nach Abschnitt 2 des Mess- und Eichgesetzes, wonach Messgeräte gut sichtbar, lesbar und dauerhaft mit den nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 MessEV bezeichneten Aufschriften zu versehen seien. Diese Anforderungen seien nicht gewahrt, wenn die Pflichtangaben wie hier lediglich in der digitalen Anzeigeeinrichtung der Waage und nicht zumindest auch in Form einer physisch-analogen Aufschrift dargestellt würden. Bereits die Auslegung der nationalen Vorschriften hinsichtlich Wortlaut und Systematik zeige, dass der Gesetzgeber von einer physisch-analogen Aufschrift ausgegangen sei. Bei der Anzeige im Display könne nicht mehr davon gesprochen werden, dass es sich um eine „Aufschrift“ handele. Auch der Begriff „anbringen“ in § 13 Abs. 1 Satz 1 MessEV lege eine physische Verbindung der Aufschrift mit dem Messgerät nahe. Weiter sei mit Blick auf die in § 13 Abs. 1 Satz 1 MessEV formulierten Anforderungen an die Aufschriften, insbesondere die Dauerhaftigkeit und Lesbarkeit, davon auszugehen, dass eine ununterbrochene Lesbarkeit der Aufschrift gefordert werde. Dies könne eine digitale Anzeige nicht gewährleisten, weil sie im ausgeschalteten Zustand erlösche. Bereits nach dem herkömmlichen Sprachgebrauch sei nicht davon auszugehen, dass eine Aufschrift dauerhaft sei, wenn deren Darstellung vom Funktionieren einer digitalen Anzeige abhänge. Eine Auslegung der Richtlinie 2014/31/EU hinsichtlich Wortlaut und Systematik – auch unter Berücksichtigung anderer Sprachfassungen – bestätigte die Auslegung des nationalen Eichrechts. Insbesondere ergebe sich nichts anderes aus Anhang III Nr. 1.2 Satz 2 der Richtline 2014/31/EU, wonach die Aufschriften bei „normaler Gebrauchslage des Geräts“ sichtbar sein müssten. Hierunter sei nicht die normale Verwendung im Sinne eines eingeschalteten Geräts zu verstehen. Vielmehr meine „Gebrauchslage“ die Aufstellung der Waage im Raum, also die Positionierung des Messgeräts. Die Aufschriften sollten unabhängig vom Betriebszustand in der üblichen Aufstellungsweise des Geräts sichtbar sein. Dieses Ergebnis werde systematisch dadurch bestätigt, dass Anhang III Nr. 1.2 der Richtlinie 2014/31/EU vorschreibe, an den bezeichneten Messgeräten seien geeignete Einrichtungen zum Anbringen der Konformitätskennzeichnung und der Aufschriften vorzusehen. Diese müssten so beschaffen sein, dass sich die Konformitätskennzeichnung und die Aufschriften nicht entfernen ließen, ohne beschädigt zu werden. Ein „Entfernen ohne Beschädigung“ von Aufschriften lege wiederum nahe, dass es sich um eine tatsächlich-physische Aufschrift handele, denn bei einer Anzeige auf einem Display könne es mangels physischer Wiedergabe nicht zu einer Beschädigung kommen. Ferner müsse nach Anhang III Nr. 1.3 der Richtlinie 2014/31/EU ein besonderer Fälschungsschutz bei der Verwendung von Kennzeichnungsschildern gewährleistet werden. Hätte der europäische Gesetzgeber hier als Alternative eine digitale Anzeige zulassen wollen, hätte es nahegelegen, beispielsweise eine Sicherung des Zugangs zur Software sowie möglicherweise auch eine Zertifizierung der Software selbst vorzusehen. Etwas anderes folge nicht aus Anhang III Nr. 1.4 der Richtlinie 2014/31/EU, wonach die Angaben Max, Min, e und d auch in der Nähe der Gewichtsanzeige angebracht sein müssten, soweit sie sich nicht ohnehin dort befänden. Die Regelung erfasse den Fall, dass eine physisch-analoge Aufschrift zwar vorhanden sei, sich jedoch nicht in der Nähe der Gewichtsanzeige befinde. Für diesen Fall müssten diese Angaben in der Nähe der Gewichtsanzeige wiederholt werden, was durch das Wort „auch“ klargestellt werde. Der Sinn und Zweck der vorgeschriebenen Aufschriften zwinge zu keiner abweichenden Beurteilung. Die Vorschriften über das Mess- und Eichwesen bezweckten, den am Wirtschaftsverkehr Beteiligten die Sicherheit zu geben, dass Handelsgüter nach ihrem Umfang, Volumen, Maß und/oder ihrer Masse sicher bestimmt werden könnten. Die vorgeschriebenen Aufschriften dienten einerseits dazu, dem Verwender Informationen insbesondere zum Wägebereich (Minimal- und Maximallast) und zum Eichwert der Waage zur Verfügung zu stellen, andererseits den Marktüberwachungsbehörden dazu, sich mithilfe dieser Aufschriften vom ordnungsgemäßen Inverkehrbringen eines Messgeräts überzeugen zu können. Zwar sei es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass diesen Zwecken auch durch eine digitale Anzeige bei entsprechender Gestaltung in ausreichendem Maße Genüge getan werden könne. Ob der europäische Gesetzgeber eine digitale Anzeige hätte zulassen können, sei letztlich aber eine rechtspolitische Frage. Ausgehend von dem eindeutigen Wortlaut sowie der Regelungssystematik sei davon auszugehen, dass er nur eine physisch-analoge Aufschrift habe zulassen wollen. Jedenfalls sei nicht ersichtlich, dass eine bloße digitale Anzeige der Pflichtangaben geeignet wäre, die Schutzzwecke der Aufschriften besser zu erreichen als eine physisch-analoge Aufschrift, sodass kein Grund bestehe, eine digitale Anzeige entgegen dem Wortlaut aus teleologischen Gründen zuzulassen. Der Verstoß der Klägerin gegen die Kennzeichnungspflichten werde nicht durch die ihr erteilte EU-Baumusterprüfbescheinigung legalisiert. Dieser komme weder eine die Marktüberwachungsbehörden bindende Wirkung hinsichtlich der Konformität des bescheinigten Gerätemodells zu, noch begründe sie ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin auf das Ausbleiben von Marktüberwachungsmaßnahmen. Da sich die Vermutungswirkung des § 7 Abs. 1 MessEG nicht auf Kennzeichnungen und Aufschriften erstrecke, führe es auch nicht zu einer Legalisierung oder einem schutzwürdigen Vertrauen der Klägerin, wenn die bloße digitale Anzeige in einer harmonisierten Norm zugelassen sein sollte.
13Zur Begründung ihrer von dem Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor, nichts spreche dafür, dass die digitale Darstellung der Pflichtangaben nach dem Willen des EU-Gesetzgebers bewusst ausgeschlossen worden sei. Insbesondere sprenge ihr Normverständnis nicht die Wortlautgrenze. Vielmehr seien in der Richtlinie 2014/31/EU die Anforderungen grundsätzlich technologieoffen gestaltet. Eine Beschränkung allein auf „physisch-analoge Aufschriften“ habe im Text der Richtlinie gerade keinen Ausdruck gefunden, sofern nicht schon allein der Begriff „Aufschrift“ in der Weise verabsolutiert werde, dass damit „digitale Anzeigen“ ausgeschlossen seien. Zwar könnten die Begriffe „Aufschrift“ und „Anzeige“ nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden. Hieraus könne aber nicht gefolgert werden, dass eine digitale Anzeige nicht unter die allgemeine Anforderung nach Darstellung bestimmter Inhalte als „Aufschrift“ subsumiert werden könne. Insbesondere werde auch das Merkmal der Dauerhaftigkeit erfüllt. Das Merkmal der „unauslöschlichen“ Darstellung meine nicht bereits das vorübergehende „Erlöschen der Anzeige“ bei einer ausgeschalteten Waage, sondern allein das unwiederbringliche „Erlöschen“, welches mit einer Entfernung der „Aufschrift“ verbunden wäre. Es sei sicherzustellen, dass die Angaben während der gesamten Lebensdauer des Messgeräts erhalten blieben. Regelungen zur Manipulationssicherheit für die Darstellung per digitaler Anzeige fänden sich bereits in Anhang I Nr. 8.3 und 8.5 der Richtlinie 2014/31/EU. Bei einem dauerhaften Ausfall der Displayanzeige sei das Messgerät insgesamt funktionsuntauglich, sodass dann keine Notwendigkeit für die Darstellung der streitgegenständlichen Pflichtangaben mehr bestehe. Bestätigt werde ihr Normverständnis sowohl in der DIN EN 45501 als auch in Nr. 3.1.15 des auch heute noch gültigen WELMEC Leitfadens 2 (2015). Beides sei zumindest als sonstige Erkenntnisquelle im Rahmen der Auslegung der primären Reglungen im Richtlinientext zu berücksichtigen. Dies gelte vor allem mit Blick auf die technischen Spezifikationen in der DIN EN 45501, weil die Einhaltung der dortigen Regelungen gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 MessEG grundsätzlich eine Vermutungswirkung betreffend die Konformität mit der Richtlinie auslöse. Die hier in Streit stehenden Aufschriften gehörten zu den wesentlichen Anforderungen im Sinne der Norm, weil sie auf nationaler Ebene in § 15 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 und § 13 Abs. 1 Satz 1 MessEV normiert seien. Anders als Art. 12 der Richtlinie 2014/31/EU beschränke § 7 Abs. 1 Nr. 1 MessEG die Vermutungswirkung jedenfalls dem Wortlaut nach nicht auf Anforderungen aus Anhang I der Richtlinie. In diesem Zusammenhang sei auch die EU-Baumusterprüfbescheinigung nicht bedeutungslos. Zwar sei zuzugestehen, dass eine solche kein hoheitlich erlassener Verwaltungsakt sei und damit formal nicht dieselbe Verbindlichkeit beanspruchen könne. Dies gebiete aber nicht den Umkehrschluss ihrer völligen Unverbindlichkeit. Es erschiene geradezu paradox, müsste sich der Hersteller einerseits der Mitwirkung der akkreditierten Prüfstellen bedienen, dürfte sich aber umgekehrt nicht auf die von dort abgegebene Bewertung verlassen. Jedenfalls sei die durch die EU-Baumusterprüfbescheinigung dokumentierte Bewertung gemäß Art. 11 Abs. 5 VO (EU) 2019/1020 gebührend zu berücksichtigen. Dies gelte erst recht, wenn sich die darin enthaltene Bewertung mit den Bewertungen anderer Prüfstellen decke und durch entsprechende Regelungen in harmonisierten Normen oder anderen technischen Spezifikationen bestätigt werde.
14Die Klägerin beantragt,
15das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 21.4.2021 zu ändern und die Untersagungsverfügung des Beklagten vom 29.4.2020 aufzuheben.
16Der Beklagte beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, der eindeutige Wortlaut der Richtlinie 2014/31/EU stehe – sowohl in der deutschen als auch in anderen Sprachfassungen – der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung entgegen. Alle Sprachfassungen der Richtlinie verlangten eine Aufschrift auf dem Gerät selbst, die vor allem dauerhaft zu erkennen sein müsse, also nicht nur im eingeschalteten Zustand. Anders wäre etwa eine Kontrolle bei der Einfuhr von Waagen praktisch unmöglich oder jedenfalls erheblich erschwert, weil die Waagen nicht an den Stromkreis angeschlossen werden könnten. Es müsse für den Zoll auf einen Blick erkennbar sein, um welche Waagen es sich handele und ob diese mit den Frachtpapieren übereinstimmten. Hinzu komme, dass eine elektronische Beeinflussung des angezeigten Wiegeergebnisses einprogrammiert werden könne, die außerhalb der von der Klägerin dargelegten Sicherheitsmechanismen des Waagenherstellers stattfände. Die von der Klägerin herangezogenen untergesetzlichen Regelungen könnten wegen des Anwendungsvorrangs der Richtlinie 2014/31/EU zu keinem abweichenden Ergebnis führen, zumal dem von der Klägerin zur Auslegung herangezogenen WELMEC-Leitfaden als bloße Meinungsäußerung eines in Deutschland registrierten und eingetragenen Vereins von vornherein keine normative Kraft zukomme. Dass es eine gegenteilige langjährige Praxis der Marktaufsichtsbehörden in anderen EU-Mitgliedsländern gebe, werde bestritten. Die der Klägerin erteilte Baumusterprüfbescheinigung habe der Landesbetrieb gebührend berücksichtigt. Dies bedeute vor allem, einen Abgleich mit den zugrunde liegenden EU-Vorschriften vorzunehmen, um zu erkennen, ob die Baumusterprüfbescheinigung plausibel und mit dem Recht übereinstimmend erscheine.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (zwei elektronische Gerichtsakten) und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten (ein Band) Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Dem Antrag des Beklagten vom 26.9.2022 auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht zu entsprechen. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO ist ausgeschlossen, wenn – wie hier am 9.9.2022 – bereits ein Endurteil verkündet worden ist (§ 116 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.11.2016 – 5 C 10.15 D –, BVerwGE 156, 229 = juris, Rn. 7, m. w. N., und Beschluss vom 25.1.2016 – 2 B 34.14 –, juris, Rn. 29.
23Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.
24Die zulässige Klage ist begründet.
25Die angefochtene Ordnungsverfügung des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
26Als Ermächtigungsgrundlage für die Untersagungsverfügung in Nr. 1 des Bescheids kommt allein § 50 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 5, Abs. 1 MessEG in Betracht. Danach treffen die Marktüberwachungsbehörden unter anderem die erforderlichen Maßnahmen, wenn sie den begründeten Verdacht haben, dass Messgeräte die Anforderungen nach Abschnitt 2 MessEG nicht erfüllen. Insbesondere sind sie befugt zu verbieten, ein Produkt auf dem Markt bereitzustellen. Diese Voraussetzungen liegen hier schon nicht vor (hierzu unter I.). Folglich erweist sich auch die Zwangsgeldandrohung in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids als rechtswidrig (hierzu unter II.).
27I. Die Befugnis der Marktüberwachungsbehörde nach § 50 Abs. 2 Satz 1 MessEG zum Erlass ordnungsbehördlicher Maßnahmen erstreckt sich auf Messgeräte, soweit sie von der nach den §§ 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 und 2 MessEG erlassenen Mess- und Eichverordnung erfasst sind. Messgeräte sind alle Geräte oder Systeme von Geräten mit einer Messfunktion einschließlich Maßverkörperungen, die jeweils zur Verwendung im geschäftlichen oder amtlichen Verkehr oder zur Durchführung von Messungen im öffentlichen Interesse bestimmt sind (§ 3 Nr. 13 MessEG). Hierzu zählen unter anderem nichtselbsttätige Waagen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 11, Abs. 2 MessEV i. V. m. Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 2 und Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2014/31/EU. Diese dürfen nach § 6 Abs. 1 und 5 MessEG nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie mit den in einer Rechtsverordnung nach § 30 Nr. 4 MessEG bezeichneten Aufschriften zur näheren Bestimmung des Geräts und des Herstellers oder Einführers versehen sind. Unter anderem sind nichtselbsttätige Waagen nach §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bis 4 der aufgrund § 30 Nr. 4 MessEG erlassenen Mess- und Eichverordnung mit gut sichtbar, lesbar und dauerhaft auf dem Messgerät angebrachten Aufschriften zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert zu versehen (hierzu unter 1.). Die hier in Streit stehenden Geräte genügen diesen Anforderungen (hierzu unter 2.).
281. Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bis 4 MessEV sind nichtselbsttätige Waagen unter anderem mit Aufschriften zur Höchstlast („Max“), Mindestlast („Min“) und zum Wert in Masseeinheit zur Einstufung und zur Eichung einer Waage (Eichwert – „e“) zu versehen. Diese Aufschriften müssen gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 MessEV in der Nähe der Gewichtsanzeige und nach § 13 Abs. 1 Satz 1 MessEV gut sichtbar, lesbar und dauerhaft auf dem Messgerät angebracht sein; sie müssen klar, unauslöschlich und nicht übertragbar sein.
29Diesen Anforderungen kann auch die ausschließlich digitale Anzeige zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert genügen. Die Regelung des § 13 Abs. 1 MessEV schränkt nach dem erklärten Regelungswillen die Art der technischen Realisierung von Aufschriften nicht grundsätzlich auf bestimmte Technologien ein. Wesentlich ist allerdings, dass die in Absatz 1 genannten Anforderungen dabei jeweils beachtet sind.
30Vgl. BR-Drs. 493/14, S. 143.
31Auch eine Auslegung der §§ 13, 15 MessEV im Lichte der hiermit in nationales Recht umgesetzten unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2014/31/EU über die Pflichten zur Anbringung von Kennzeichen und Aufschriften auf nichtselbsttätigen Waagen bestätigt dies [hierzu unter a)].
32Vgl. Nr. 12 der Einleitung zur MessEV, BR-Drs. 493/14, S. 146.
33Der nationale Verordnungsgeber hat die auf die Kennzeichnungs- und Beschriftungspflichten bezogenen Vorgaben der Richtlinie 2014/31/EU umgesetzt, ohne darüber hinausgehende Anforderungen zu normieren [hierzu unter b)].
34a) Nach Art. 6 Abs. 5 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2014/31/EU bringen die Hersteller von Waagen, die zu den in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a) bis f) der Richtlinie genannten Zwecken verwendet werden sollen, die in Anhang III Nr. 1 der Richtlinie 2014/31/EU vorgeschriebenen Aufschriften an. Nach Anhang III Nr. 1.1 iv) bis vi) der Richtlinie 2014/31/EU tragen die Geräte die Aufschriften zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert gut sichtbar, leserlich und dauerhaft. Sie müssen nach Anhang III Nr. 1.4 der Richtlinie 2014/31/EU auch in der Nähe der Gewichtsanzeige angebracht sein, soweit sie sich nicht ohnehin dort befinden. Im Übrigen beschränkt sich Anhang III Nr. 1.2 der Richtlinie 2014/31/EU auf die Vorgabe, an den Geräten „geeignete Einrichtungen“ zum Anbringen der Konformitätskennzeichnung und der Aufschriften vorzusehen, die so beschaffen sein müssen, dass sich die Konformitätskennzeichnung und die Aufschriften nicht entfernen lassen, ohne beschädigt zu werden, und dass die Konformitätskennzeichnung und die Aufschriften bei normaler Gebrauchslage des Geräts sichtbar sind. Auch die Richtlinie schränkt die Art der technischen Realisierung von Kennzeichnungen und Aufschriften danach nicht ausdrücklich auf bestimmte Technologien ein. Die vorzusehenden „geeigneten Einrichtungen“ werden nicht weiter eingegrenzt. Ihre Eignung richtet sich danach, ob den sonstigen Anforderungen an Aufschriften entsprochen wird. In Anhang III Nr. 1.3 der Richtlinie 2014/31/EU sind nähere Vorgaben enthalten, wenn als „geeignete Einrichtung“ ein Kennzeichnungsschild verwendet wird. Nach der hier gebotenen Auslegung der Richtlinie nach dem wirklichen Willen ihres Urhebers und dem von diesem verfolgten Zweck im Licht ihrer Fassung in allen Sprachen,
35vgl. EuGH, Urteil vom 3.4.2014 – C-515/12 –, Celex-Nr. 62012CJ0515 = juris, Rn. 19, m. w. N.,
36kann auch die ausschließlich digitale Anzeige zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert im Display für die Gewichtsanzeige die Anforderungen der guten Sichtbarkeit, Leserlichkeit und Dauerhaftigkeit nach Anhang III Nr. 1.1 und 1.2 der Richtlinie 2014/31/EU erfüllen, weshalb ein Display eine geeignete Einrichtung in dem erwähnten Sinne darstellen kann. Der Wortlaut der Richtlinie lässt einen entgegenstehenden Willen des Richtliniengebers nicht erkennen [hierzu unter aa)]. Auch die Normhistorie spricht nicht für eine Beschränkung auf ausschließlich physisch-analog anzubringende Aufschriften [hierzu unter bb)]. Schließlich ist eine solche Beschränkung zur Erreichung der mit der Regelung verfolgten unionsrechtlichen Ziele nicht erforderlich und auch nach der Regelungssystematik nicht erfolgt [hierzu unter cc)].
37aa) Die Richtlinie 2014/31/EU lässt die Wiedergabe der erforderlichen Angaben zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert in einem elektronischen Display weder ausdrücklich zu noch verbietet sie diese. Insoweit waren sich die Beteiligten im Schriftverkehr vor der mündlichen Verhandlung und auch in der mündlichen Verhandlung noch ausdrücklich einig. Dem Wortlaut der an „Aufschriften“ zu stellenden Anforderungen lässt sich zudem nicht verlässlich und zweifelsfrei entnehmen, dass eine ausschließlich digitale Anzeige der hier streitgegenständlichen messtechnischen Werte den Erfordernissen der Richtlinie nicht genügen soll. Insbesondere kann ein solcher Schluss nicht schon daraus gezogen werden, dass nach Art. 6 Abs. 5 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2014/31/EU die „Aufschriften“ bei Waagen von dem Hersteller anzubringen sind und die Geräte nach Anhang III Nr. 1.1 der Richtlinie 2014/31/EU die Aufschriften gut sichtbar, leserlich und dauerhaft tragen müssen. Der Begriff der „Aufschrift“ bezieht sich schon nach dem deutschen Begriffsverständnis typischerweise nicht allein auf einen kurzen Text, der auf etwas zur Bezeichnung, als Hinweis oder Ähnliches geschrieben ist,
38so verkürzend Duden, Onlinewörterbuch, Bedeutung, „Aufschrift“, abrufbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/Aufschrift#bedeutung; Wahrig, Wörterbuch der deutschen Sprache, 5. Aufl. 2012, erläutert „Aufschrift“ mit „etwas Daraufgeschriebenes, Beschriftung“,
39sondern auch auf das über etwas Geschriebene.
40vgl. J. Grimm/W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Neubearbeitung (A-F), Bd. 3, Sp. 720, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, „Aufschrift“, abrufbar unter: https://www.woerterbuchnetz.de/DWB2?lemid=A13761.
41Dem entspricht es, dass im Deutschen etwa die Begriffe „Angabe“, „Beschriftung“ oder „Bezeichnung“ synonym zu Aufschrift verwendet werden.
42Vgl. J. Grimm/W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Neubearbeitung (A-F), Bd. 3, Sp. 720, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, „Aufschrift“, abrufbar unter: https://www.woerterbuchnetz.de/DWB2?lemid=A13761; Duden, Onlinewörterbuch, Synonyme, „Aufschrift“, abrufbar unter https://www.duden.de/synonyme/Aufschrift.
43Zudem und vor allem lassen die englische und französische Sprachfassung der Richtlinie diesen Begriff jedenfalls mit Blick auf die hier streitgegenständlichen messtechnischen Werte nicht eindeutig auf einen „auf etwas“ geschriebenen Text eingrenzen. In der englischen Fassung wird der Begriff „inscriptions“, in der französischen Fassung der Begriff „inscriptions“ verwendet. Diese Begriffe lassen sich jeweils nicht nur mit dem deutschen Begriff der „Aufschrift“ im oben genannten engeren Sinne übersetzen, sondern in gleicher Weise mit „Beschriftung“ oder „Inschrift“.
44Vgl. Online-Wörterbücher Langenscheidt Englisch-Deutsch, „inscription“, abrufbar unter https://de.langenscheidt.com/englisch-deutsch/inscription, und Französisch-Deutsch, „inscription“, https://de.langenscheidt.com/franzoesisch-deutsch/inscription.
45Durch diese der beabsichtigten Technologieoffenheit besser Rechnung tragenden weiter gefassten Begriffe wird die Betonung mehr auf das „Beschriebensein“ und weniger darauf gelegt, eine Schrift sei „auf“ ein Gerät aufgebracht. Zudem werden diese in ihrer Bedeutung offeneren Begriffe in Art. 6 Abs. 5 Unterabsatz 2 sowie in Anhang III Nr. 1.1 der Richtlinie 2014/31/EU anders als in der deutschen Fassung schon nicht allein in der Kombination mit den Verben „anbringen“ oder „tragen“ („affix“ bzw. „apposer“ oder „bear“ bzw. „porter“), sondern in Nr. 1.4 des Anhangs – gerade konkret bezogen auf die allein streitgegenständlichen Angaben zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert – auch mit dem Verb „show“ bzw. „apparaître“, also dem deutschen „zeigen“ bzw. „erscheinen“, benutzt. Im Englischen heißt es dort:
46„The inscriptions Max, Min, e, and d, shall also be shown near the display of the result if they are not already located there.“
47Im Französischen:
48„Les inscriptions Max, Min, e et d apparaissent également à proximité de l‘affichage du résultat, si elles ne figurent pas déjà à cet endroit.“
49Hiernach steht sinngemäß im Fokus, wo die Aufschriften bzw. Beschriftungen zu sehen sind, nicht hingegen die Art der Anbringung oder das „Auf-etwas-Geschrieben-sein“. Ins Deutsche übersetzt sollen die Aufschriften Max, Min, e und d danach auch in der Nähe der Anzeige des Ergebnisses gezeigt werden bzw. erscheinen, falls sie sich dort nicht bereits befinden. Die Wortlaute der englischen und der französischen Sprachfassungen schließen danach begrifflich deutlicher als die deutsche Fassung die Möglichkeit ein, die sichtbaren messtechnischen Werte zu Höchstlast, Mindestlast, zum Eichwert und zum Teilungswert räumlich ausschließlich in der Nähe oder an der Gewichtsanzeige an einer geeigneten Einrichtung zu „lokalisieren“. Dies kann auch durch einen digitalen Schriftzug auf einer Anzeige erfolgen.
50Bereits aus einem Vergleich der deutschen mit der englischen und der französischen Sprachfassung der Richtlinie folgt weiter, dass das Erfordernis der dauerhaften Aufschrift bzw. Beschriftung hier nicht im Sinne einer permanenten Sichtbarkeit zu verstehen ist, sondern vielmehr als Synonym für den Begriff „unauslöschlich“ gebraucht wird. Dies legen die englische und französische Sprachfassung mit jeweils dieser Wortbedeutung nahe, indem sie die Begriffe „indelibly“ bzw. „indélébile“ verwenden. Der Begriff „unauslöschlich“ wiederum kann nicht allein in dem Sinne verstanden werden, dass eine Aufschrift ununterbrochen sichtbar sein muss. Er legt auch unter Berücksichtigung des in der deutschen Fassung synonym gemeinten Begriffs „dauerhaft“, der im Deutschen in seiner Hauptbedeutung „einen langen Zeitraum überdauernd, beständig“ bzw. „bestehend, seinen Zustand bewahrend, fortbestehend, mit und (seltener) ohne zeitliche Bestimmungen“ meint,
51vgl. Duden, Onlinewörterbuch, Bedeutung, „dauerhaft“, abrufbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/dauerhaft#bedeutung; Wahrig, Wörterbuch der deutschen Sprache, 5. Aufl. 2012, „dauerhaft“; ausführlich J. Grimm/W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Neubearbeitung (A-F), Bd. 6, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, „dauerhaft“, abrufbar unter https://www.woerterbuchnetz.de/DWB2?lemid=D03426, i. V. m. „1dauern A“, abrufbar unter https://www.woerterbuchnetz.de/DWB2?lemid=D03434,
52die Betonung vielmehr darauf, dass die Aufschrift bzw. Beschriftung über einen langen Zeitraum nicht ausgelöscht werden können darf und Bestand haben muss. Bei einem solchen Begriffsverständnis – für welches auch spricht, dass der Wortlaut der Richtlinie nach keiner Sprachfassung eine „dauerhaft sichtbare“ Kennzeichnung verlangt, sondern „sichtbar“ und „dauerhaft“ jeweils als eigenständige Voraussetzungen benannt werden – kann eine digitale Darstellung bei der Gewichtsanzeige die erforderliche Unauslöschlichkeit bzw. Dauerhaftigkeit gewährleisten. Technologieoffen verstanden handelt es sich bei einer solchen Anzeige nämlich um eine im Sinne von Anhang III Nr. 1.1, 1.2 und 1.4 der Richtlinie 2014/31/EU vorgesehene „geeignete Einrichtung“, an der sich die Aufschrift bzw. Beschriftung sichtbar und leserlich räumlich „ohnehin“ befindet („located there“, „figurent […] à cet endroit“). Die wesentlichen gerätespezifischen Anforderungen an eine derartige digitale Anzeige ergeben sich, weil es sich um eine bauartbedingte technische Lösung handelt, aus Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU.
53Damit eine solche digitale Anzeige dauerhaft bzw. unauslöschlich und damit für die Aufschrift bzw. Beschriftung „geeignet“ ist, hat der Hersteller bei Entwurf und Herstellung des Geräts zu gewährleisten, dass die für die Anzeige der messtechnischen Werte verantwortliche Software entsprechend den Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU vor unbeabsichtigtem Missbrauch geschützt und eine Veränderung der angezeigten messtechnischen Werte verhindert wird. Näherer Ausführungen bedurfte es diesbezüglich im Normtext nicht. Der Hersteller muss nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2014/31/EU gewährleisten, wenn er Geräte in Verkehr bringt, die zu den in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a) bis f) genannten Zwecken verwendet werde sollen, dass diese gemäß den in Anhang I festgelegten wesentlichen Anforderungen entworfen und hergestellt worden sind. Die wesentlichen Anforderungen in Anhang I der Richtlinie betreffen die wesentlichen messtechnischen und technischen Anforderungen an nichtselbsttätige Waagen (vgl. Erwägungsgrund 17 der Richtlinie 2014/31/EU). Entscheidet sich der Hersteller dazu, die Angaben von Min, Max und e mit Hilfe der geräteeigenen Software digital anzeigen zu lassen, sind die wesentlichen technischen Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie bauartbedingt auch hierauf bezogen zu erfüllen. Die Gewährleistung eines ausreichenden Missbrauchsschutzes gegen ein unbefugtes Löschen wiederum setzt die Richtlinie 2014/31/EU in Anhang I, welcher gemäß § 8 Nr. 11 MessEV i. V. m. Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 3 auch nach nationalem Recht unmittelbar anwendbar ist, als allgemeine Anforderung nach Nr. 8 des Anhangs I der Richtlinie 2014/31/EU voraus. Nach Anhang I Nr. 8.5 der Richtline 2014/31/EU dürfen die Geräte keine Eigenschaften aufweisen, durch die eine betrügerische Verwendung gefördert wird. Die Möglichkeiten unbeabsichtigten Missbrauchs müssen so klein wie möglich gehalten werden. Teile, die vom Benutzer nicht ausgebaut oder justiert werden dürfen, müssen dagegen gesichert sein. Erfolgt die Anzeige von Min, Max und e über eine Software, erstreckt sich diese Pflicht bauartbedingt entsprechend hierauf.
54Weiter erforderlich ist, dass die Aufschriften nach Anhang III Nr. 1.1 der Richtlinie 2014/31/EU gut sichtbar sind. Hieraus lässt sich allerdings nicht das Erfordernis ableiten, die Aufschriften müssten unabhängig von dem Betriebszustand der Waage gut sichtbar sein. Auch Anhang III Nr. 1.2 Satz 2 der Richtlinie 2014/31/EU lässt sich dies nicht entnehmen. Danach muss die Einrichtung zum Anbringen der Aufschriften so beschaffen sein, dass die Aufschriften bei normaler Gebrauchslage des Geräts (im Englischen „regular operating position“, im Französischen „position de fonctionnement normal“) sichtbar sind. Hieraus wird die Intention des Richtliniengebers erkennbar, dass bei ordnungsgemäßer Positionierung der Waage zur Verwendung gewährleistet sein muss, dass die Aufschriften gut sichtbar sind. Zu der Frage der Sichtbarkeit der Aufschriften unabhängig vom Betriebszustand der Waage verhält sich die Regelung hingegen nicht.
55Einer ausschließlich digitalen Anzeige der hier streitgegenständlichen messtechnischen Werte steht ferner nicht entgegen, dass sich die Aufschriften nach Anhang III Nr. 1.2 Satz 2 der Richtlinie 2014/31/EU nicht entfernen lassen dürfen, ohne beschädigt zu werden. Diese Voraussetzung wird für einen gegen Veränderung gesicherten Schriftzug in einem Display schon dadurch erfüllt, dass seine Entfernung ohne Zerstörung des Displays oder der Sicherung nicht möglich ist. Die zusätzlichen Vorgaben nach Anhang III Nr. 1.3 der Richtlinie 2014/31/EU gelten ausdrücklich nur dann, wenn ein Kennzeichnungsschild verwendet wird. Bei Wahl einer anderen „geeigneten Einrichtung“ im Sinne von Nr. 1.2 sind sie nicht zusätzlich zu beachten. Nur wenn ein Kennzeichnungsschild verwendet wird, muss es gesichert werden können, es sei denn, dass es sich nicht entfernen lässt, ohne zerstört zu werden. Kann das Kennzeichnungsschild gesichert werden, muss ein Sicherungsstempel angebracht werden können. Diese Regelungen zielen nur darauf, einen möglichen Missbrauch durch Übertrag der Aufschriften auf Kennzeichnungsschildern zu verhindern. Unabhängig davon, dass die Nr. 1.3 nur Vorgaben bei optionaler Verwendung von Kennzeichnungsschildern enthält und die Gefahr des Übertrags von Aufschriften bei ausschließlich digitaler Darstellung aus tatsächlichen Gründen von vorherein nicht besteht, kann auch der Zugang zur Software auf der Hardware durch eine Justiersperre und einen Sicherungsstempel gesichert und so entsprechend den Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU verhindert werden, dass auf die Software unbemerkt zugegriffen wird.
56Schließlich ergibt sich die Notwendigkeit einer physisch-analogen Aufschrift von Max, Min und e nicht aus Anhang III Nr. 1.5 der Richtlinie 2014/31/EU. Danach muss jede Auswägeeinrichtung, die an einen oder mehrere Lastträger angeschlossen oder anschließbar ist, auch die entsprechenden Aufschriften für diese Lastträger aufweisen. Dies ist bei einer digitalen Anzeige der streitgegenständlichen messtechnischen Werte des konkret verwendeten Lastträgers im Display der Auswägeeinrichtung ohne Weiteres möglich.
57bb) Dieses weite, technologieoffene Begriffsverständnis wird deutlich bestätigt durch die Entstehungsgeschichte der Norm. Insofern kann bei der Auslegung der Richtlinie nicht außer Betracht bleiben, dass die Europäische Union schon bei ihrem Erlass völkerrechtlich hinsichtlich des in ihre Zuständigkeit fallenden Teils an das Übereinkommen der Welthandelsorganisation (WTO) über technische Handelshemmnisse (Agreement on Technical Barriers to Trade, im Folgenden: TBT-Übereinkommen) gebunden war (vgl. Anhang 1, 1A zum Beschluss des Rates 94/800/EG vom 22.12.1994, ABl. L 336 vom 23.12.1994, S. 86). Danach verwendet die Union als Vertragsmitglied grundsätzlich einschlägige internationale Normen als Grundlage für ihre technischen Vorschriften (vgl. Art. 2.4 TBT-Übereinkommen). Das Abkommen verfolgt damit das auch der Richtlinie 2014/31/EU zugrunde liegende Ziel, Handelshemmnisse unter anderem im Wege vereinheitlichter gerätespezifischer Anforderungen abzuschaffen. Zu den internationalen Normungsorganisationen im Sinne des TBT-Übereinkommens der WTO zählt unter anderem die Internationale Organisation für das gesetzliche Messwesen (OIML), welche Empfehlungen zu den technischen Anforderungen auch von nichtselbsttätigen Waagen herausgibt.
58Vgl. OIML, International Recommendation R 76-1, Edition 2006 (E); siehe auch https://www.oiml.org/en/about/about-oiml.
59Die ausschließlich digitale Anzeige der messtechnischen Werte zu Min, Max und e war als technisch annehmbare Lösung von der OIML schon lange vor Erlass der Richtlinie 2014/31/EU anerkannt [hierzu unter (1)]. Angesichts dessen bedürfte es auch im Hinblick auf die beabsichtigte Beschränkung auf die zum Schutz der Allgemeinheit erforderlichen Anforderungen an nichtselbsttätige Waagen in der Richtlinie eindeutiger Anhaltspunkte dafür, dass der Richtliniengeber die Darstellung der hier streitgegenständlichen messtechnischen Werte abweichend von den in den internationalen technischen Regelwerken vertretenen Empfehlungen, die auch für die Union grundsätzlich verbindlich sind, regeln wollte. Hieran aber fehlt es [hierzu unter (2)].
60(1) Die OIML gibt unter anderem Empfehlungen zu den metrologischen und technischen Anforderungen nichtselbsttätiger Waagen heraus (R 76-1) und verhält sich darin ausdrücklich zu den Anforderungen an das Gerät beschreibende Aufschriften („descriptive markings“), wozu auch die hier streitgegenständlichen messtechnischen Werte zu Min, Max und e zählen. In der Fassung von 1988 hieß es zu der Darstellung dieser Aufschriften unter Nr. 7.1.4 zunächst noch lediglich wie folgt:
61„The discriptive markings shall be indelible and of a size, shape and clarity allowing easy reading. They shall be grouped together in a clearly visible place either on a descriptive plate fixed to an instrument, or on a part of the instrument itself. The markings: Max … , Min … , e …, and d […] shall also be shown near the display of the result if they are not already located there.“
62Die Frage, ob auch eine ausschließlich digitale Anzeige dieser messtechnischen Werte eine akzeptable Lösung darstellt, hat die OIML bereits in ihrer bis heute maßgeblichen Empfehlung R 76-1, Edition 2006 aufgegriffen. Dort heißt es nunmehr:
63„7.1 Descriptive markings
64[…]
65An instrument shall carry the following markings
667.1.1 Compulsory in all cases
67- 68
Manufacturer’s mark, or name written in full (A)
- 69
Metrological markings (B):
70- 71
[…]
- 72
Maximum capacity in the form: Max …
- 73
Minimum capacity in the form: Min …
- 74
Verification scale interval in the form: e = ….
- 71
7.1.2 Compulsory if applicable
76- 77
Name or mark of manufacturer‘s agent for an imported instrument (C);
- 78
Serial number (D);
- 79
Identification mark on each unit of an instrument consisting of separate but associated units (E);
- 80
Type approval mark (F);
- 81
Supplementary metrological characteristics (G): […]
- 82
Special Limits (H) […]
[…]
847.1.4 Presentation of descriptive markings
85The descriptive markings shall be indelible and of a size, shape and clarity allowing easy reading.
86They shall be grouped in one or two clearly visible places either on a plate or sticker fixed permanently to the instrument, or on a non removable part of the instrument itself. In case of a plate or sticker which is not destroyed when removed, a means of securing shall be provided, e.g. a control mark that can be applied.
87As an alternative all applicable [metrological markings Nr. 7.1.1 (B) and supplementary metrological characteristics 7.1.2 (G)] may be simultaneously displayed by a software solution either permanently or on manual command. In this case the markings are considered as device-specific parameters (see T.2.8.4, 4.1.2.4 and 5.5).
88The markings: Max …, Min …, e = …, and d = … if d ≠ e shall be shown at least in one place and permanently either on the display or near to the display in a clearly visible position. All additional information […] may be shown alternatively on a plate or simultaneously displayed by a software solution either permanently or accessed by a simple manual command. In this case the markings are considered as device-specific parameters (see T.2.8.4, 4.1.2.4 and 5.5).
89It shall be possible to seal the plate bearing the descriptive markings unless its removal will result in its destruction. If the data plate is sealed, it shall be possible to apply a control mark to it.
90Acceptable solutions:
91a) Marking of Max, Min, e ... and d if d . e:
92These values are permanently and simultaneously shown on the display of the weighing result as long as the instrument is switched on.
93They may be automatically scrolled (displayed alternating one after each other) in one display. Automatically scrolling (but not on manual command) is considered as “permanently”. […]“
94Die OIML differenziert danach bereits seit 2006 zunächst klar zwischen Aufschriften, die der Rückverfolgbarkeit [Angaben zum Hersteller, Nr. 7.1.1. (A)] und Identifizierung der Geräte [Seriennummer, etc., Nr. 7.1.2 (C) bis (F)] dienen, sowie Aufschriften zu den messtechnischen Merkmalen [Nr. 7.1.1 (B), Nr. 7.1.2 (G)]. Erstere sind zwingend auf einem Kennzeichnungsschild oder unmittelbar dauerhaft an dem Gerät anzubringen. Die Angaben zu den messtechnischen Merkmalen der Waage hingegen können alternativ zu der Möglichkeit, diese auf einem Kennzeichnungsschild oder Aufkleber abzudrucken, gleichzeitig mit Hilfe einer Software-Lösung dauerhaft oder auf manuellen Befehl angezeigt werden. In diesem Fall sind die Aufschriften als gerätespezifische Parameter [vgl. T.2.8.4 OMIL R 76-1, Edition 2006)] zu behandeln und es wird verlangt, dass entsprechend Nr. 4.1.2.4 und 5.5 der Empfehlung Maßnahmen zur Sicherung der Software vorgesehen sind. Die Angaben zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert im Besonderen sollen zumindest einmal gemeinsam und dauerhaft entweder in der Anzeige oder in der Nähe der Anzeige sichtbar positioniert sein. Als annehmbare Lösung für diese einmalige – und nicht zusätzliche – Anzeige wird akzeptiert, wenn diese Werte dauerhaft und gleichzeitig in der Anzeigeeinrichtung für das Wägeergebnis angezeigt werden, solange die Waage eingeschaltet ist. Die Werte dürfen auf einer Anzeigeeinrichtung auch automatisch gescrollt (abwechselnd nacheinander angezeigt) werden. Automatisches Scrollen (d. h. nicht auf manuellen Befehl) wird als „dauerhaft“ angesehen.
95(2) Mit der Empfehlung der OIML ist ein internationaler Standard zu den metrologischen und technischen Anforderungen an nichtselbsttätige Waagen erarbeitet worden, welcher von dem Richtliniengeber schon mit Blick auf seine völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Abbau von Handelshindernissen bei der Rechtsetzung in seinen wesentlichen Teilen zu Grunde zu legen war.
96Vgl. bezogen auf internationale metrologische Standards: European Commission, Measuring instruments – Guidance documents, abrufbar unter https://single-market-economy.ec.europa.eu/single-market/goods/building-blocks/legal-metrology/measuring-instruments_en.
97Es ist nicht ansatzweise erkennbar, dass der Richtliniengeber von den Empfehlungen der OIML in Bezug auf die dort schon lange als akzeptabel anerkannten Umsetzungsmöglichkeiten zur Darstellung der hier streitgegenständlichen messtechnischen Werte mit der Richtlinie 2014/31/EU einschränkend abweichen wollte. Zwar haben die Vorgängerrichtlinie 2009/23/EG (dort Anhang IV Nr. 1.4) und die Richtlinie 2014/31/EU (dort Anhang III Nr. 1.4) in Bezug auf die Darstellung der messtechnischen Werte zu Min, Max und e offenkundig noch den Wortlaut der OIML Empfehlung R 76-1 aus dem Jahr 1988 statt der aktuellen Fassung übernommen. Schon wegen der – wie oben im Einzelnen ausgeführt – sehr weiten, für neue Technologien offenen Formulierungen der Richtlinie kann hieraus aber nicht der Schluss gezogen werden, dass der Richtliniengeber bei Erlass der Richtlinie 2014/31/EU auf internationaler Ebene zwischenzeitlich auch ausdrücklich anerkannte technische Umsetzungsformen nicht gelten lassen wollte, wodurch entgegen der erklärten Absicht internationale Handelshindernisse für den europäischen Binnenmarkt geschaffen worden wären.
98Ebenso lässt sich nichts Abweichendes daraus ableiten, dass bei Erlass der Richtlinie im Februar 2014 die aktuelle Empfehlung der OIML in der damals gültigen Fassung der harmonisierten Norm DIN EN 45501 noch nicht eingearbeitet war. Der Richtliniengeber betont ausdrücklich die Beachtung internationaler Standards in den Regelungen zu harmonisierten Normen nach der Verordnung (EU) 1025/2012, welchen auch nach der Richtlinie 2014/31/EU besondere Bedeutung zukommt. Die harmonisierten Normen geben bezogen auf die gerätespezifischen Anforderungen allgemein als akzeptabel anerkannte technische Umsetzungsformen wieder. Unabhängig von der in Art. 12 der Richtlinie 2014/31/EU allein bezogen auf die wesentlichen Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie geregelten Konformitätsvermutung bei Übereinstimmung mit der harmonisierten Norm dient die europäische Normung in ihrer Gesamtheit einer vereinheitlichten Umsetzung unionsrechtlich harmonisierter gerätespezifischer Vorgaben unter Einbeziehung aller interessierten Kreise (vgl. Erwägungsgrund 2 der Verordnung (EU) 1025/2012). Damit kommt ihr nicht nur für den Binnenmarkt eine wesentliche Bedeutung zu (vgl. Erwägungsgründe 3, 5 der Verordnung (EU) 1025/2012), sie soll zugleich die weltweite Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie stärken und zwar insbesondere, indem eine Koordination mit den internationalen Normungsorganisationen erfolgt (vgl. Erwägungsgründe 3, 6 der Verordnung (EU) 1025/2012). Insofern können internationale Standards selbst als harmonisierte Norm im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c) VO (EU) 1025/2012 angenommen werden. Jedenfalls aber sind sie bei der Formulierung von europäischen Normen in den Blick zu nehmen. Dies ist hier geschehen. Die OIML-Empfehlung R 76-1, Edition 2006, ist für den europäischen Binnenmarkt in die harmonisierte Norm DIN EN 45501:2015 eingearbeitet worden. Durch die Annahme dieser Norm in Umsetzung der Richtlinie 2014/31/EU hat der Regelungsgeber die Regelungsabsicht, die Richtlinie im Lichte internationaler Empfehlungen verstanden wissen zu wollen, noch vor Ablauf der Umsetzungsfrist europarechtlich klargestellt. Im Einzelnen erfolgte noch unter Geltung der nach Art. 45 der Richtlinie 2014/31/EU erst mit Wirkung vom 20.4.2016 aufgehobenen Vorgängerrichtlinie 2009/23/EG bereits die Überarbeitung der hierzu ursprünglich erlassenen technischen Norm DIN EN 45501:1992 mit Blick auf die OIML-Empfehlung R 76-1, Edition 2006. Die so überarbeitete Norm EN 45501:2015 wurde noch im Rahmen der Umsetzung der Vorgängerrichtlinie schon vor Ablauf der nach Art. 44 der Richtlinie 2014/31/EU gleichfalls am 20.4.2016 ablaufenden Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2014/31/EU am 11.9.2015 (ABl. C 300 vom 11.9.2015, S. 3) mit der Bemerkung veröffentlicht, die neue (oder geänderte) Norm habe den gleichen Anwendungsbereich wie die ersetzte Norm. Zum 19.4.2016 gelte für die ersetzte Norm nicht mehr die Vermutung der Konformität mit den grundlegenden oder weiteren Anforderungen der einschlägigen Rechtsvorschriften der Union. Die erste Veröffentlichung der europäischen Norm EN 45501:2015 über metrologische Aspekte der nichtselbsttätigen Waagen erfolgte im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2014/31/EU sodann am 15.1.2016 (ABl. C 14 vom 15.1.2016, S. 100). Hierdurch wurde nach der bereits in Umsetzung der Vorgängerrichtlinie erfolgten Veröffentlichung zum Ausdruck gebracht, dass ab dem ersten Tag nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2014/31/EU die europäische Norm EN 45501:2015 maßgeblich sein sollte anstelle der bis zum 19.4.2016 bezogen auf die Richtlinie 2009/23/EG noch maßgeblichen EN 45501:1992. Bei Geräten, die mit der DIN EN 45501:2015 übereinstimmen, wird deshalb nach Art. 12 der Richtlinie 2014/31/EU (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MessEV) die Konformität mit wesentlichen Sicherheitsanforderungen gemäß Anhang I vermutet, die von der harmonisierten technischen Norm oder Teilen davon abgedeckt sind.
99Entsprechend der OIML-Empfehlung R 76-1, Edition 2006, dürfen nach Nr. 7.1.1, Tabelle 15, Spalte 5, DIN EN 45501:2015 die messtechnischen Werte zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert „gleichzeitig mithilfe von Software angezeigt werden, siehe 7.1.2“. Nach Nr. 7.1.2 müssen Aufschriften dauerhaft und von einer leicht lesbaren Größe, Form und Deutlichkeit sein. Sie müssen an gut sichtbaren Stellen dauerhaft an der Waage befestigt sein oder auf einem nicht abnehmbaren Teil der Waage angebracht werden. Alternativ dazu sowie zur Aufbringung auf einem Kennzeichnungsschild dürfen alle zutreffenden Kennzeichnungen von Spalte 5 in Tabelle 15 gleichzeitig mit Hilfe der Software dauerhaft oder auf manuellen Befehl angezeigt werden. In diesem Fall werden die Kennzeichnungen als gerätespezifische Parameter angesehen (siehe T.2.8.4, 4.1.2.4 und 5.5). Die Aufschriften „Max …, Min …, e = … und d = … für d ≠ e“ müssen dauerhaft an mindestens einer gut sichtbaren Stelle entweder an oder in der Nähe der Anzeigeeinrichtung angebracht werden und brauchen an keiner anderen Stelle wiederholt zu werden. Eine diesen Vorgaben entsprechende annehmbare Lösung liegt darin, dass diese Werte dauerhaft und gleichzeitig auf der Anzeigeeinrichtung für das Wägeergebnis angezeigt werden, solange die Waage eingeschaltet ist. Dabei dürfen die Werte auf einer Anzeigeeinrichtung automatisch gescrollt (abwechselnd nacheinander angezeigt) werden. Automatisches Scrollen (d. h. nicht auf manuellen Befehl) wird als „dauerhaft“ angesehen.
100Bereits im Vorgriff auf diese europäische Normung internationaler technischer Standards nach der Verordnung 1025/2012/EU hatte zudem die European Cooperation in Legal Metrology (WELMEC), ein in Deutschland eingetragener Verein mit Sitz in Braunschweig, die lange vor Vereinsgründung bereits 1990, zeitgleich mit der ersten Non-automatic Weighing Instruments Directive (NAWID), von zunächst 18 Staaten ins Leben gerufen wurde mit dem Ziel, den staatenübergreifenden Informationsaustausch, die einheitliche Anwendung europäischer oder internationaler Vorschriften und den Abbau von Handelshemmnissen bei Messgeräten zu fördern, und deren Tätigkeit insbesondere bei der Erarbeitung von Empfehlungen zur Umsetzung der das Messwesen betreffenden Richtlinie von der Europäischen Kommission ausdrücklich befürwortet wird,
101vgl. Commission statement, 20th WELMEC Committee Meeting, Casta Papernicka – Slovakia, 13.-14.5.2004, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/docsroom/documents/6535/.
102in ihrem Vorwort zum Leitfaden 2 zur Richtlinie 2009/23/EG (2015) auf die bei seiner Abfassung noch nicht abschließend erfolgte Übernahme der OIML-Empfehlung R 76-1, Edition 2006, in die Europäische Norm EN 45501 hingewiesen und war dort unter Nr. 3.1.15 bereits unmittelbar den Empfehlungen der OIML zu den Darstellungsmöglichkeiten von Max, Min und e gefolgt.
103Der WELMEC-Leitfaden 2 (2015) wird in dieser Form unter Geltung der Richtlinie 2014/31/EU von der WELMEC weiterhin für maßgeblich gehalten, vgl. WELMEC, Directives 2014/31/EU and 2014/32/EU: Common Application, Leitfaden 2 (2021), S. 5.
104cc) Ein weites Begriffsverständnis unter Berücksichtigung der in der OIML-Empfehlung R 76-1, Edition 2006, formulierten internationalen Standards entspricht schließlich dem in den Erwägungsgründen 17 und 47 der Richtlinie 2014/31/EU zum Ausdruck gebrachten Bestreben des Richtliniengebers, sich auf die wesentlichen messtechnischen und technischen Anforderungen zu beschränken, welche nichtselbsttätige Waagen betreffen, die zu bestimmten Verwendungszwecken benutzt werden.
105Vgl. hierzu auch Europäische Kommission, Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), ABl. C 272 vom 26.7.2016, S. 1, Nr. 1.1.3 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 20.2.1979 – C-120/78 –, Slg. 1979, 649= juris, Rn. 8.
106Diese wesentlichen technischen Anforderungen, auf deren Harmonisierung sich die Richtlinie zum Schutz der Allgemeinheit vor unrichtigen Wägeergebnissen (Erwägungsgrund 5), zur Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs auf dem Unionsmarkt (Erwägungsgrund 7) durch eine Konformitätsbewertung auf einem unionsweit einheitlichen Qualitätsniveau (Erwägungsgründe 26 und 27) ohne unnötigen Aufwand für die Wirtschaftsakteure (Erwägungsgrund 17) beschränken wollte (Erwägungsgrund 33), sind in Anhang I enthalten. Dies entspricht der im Sinne der Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 ff. AEUV, vgl. auch Art. 5 der Richtlinie 2014/31/EU) und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Erwägungsgrund 47 vom Richtliniengeber beabsichtigten Beschränkung der unionsrechtlichen Harmonisierung auf die Anforderungen, welche zur Erreichung des mit der Richtlinie angestrebten Ziels geeignet sind und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen.
107Vgl. EuGH, Urteil vom 12.12.2006 – C-380/03 –, Slg. 2006, I-11573 = juris, Rn. 144, m. w. N.
108Der Absicht, die Harmonisierung grundsätzlich auf die wesentlichen technischen Anforderungen in Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU zu beschränken, widerspricht es nicht, dass regelungstechnisch in einen gesonderten Anhang III Bestimmungen über Aufschriften unter anderem zum Höchstwert, Mindestwert und zum Eichwert aufgenommen worden sind. Bei diesen Anforderungen an nichtselbsttätige Waagen handelt es sich nämlich um durch internationale Standards vorgegebene technologieoffene Erfordernisse. Eine nichttechnische Umsetzungsmöglichkeit bietet etwa die Verwendung eines Kennzeichnungsschildes. Bei einer technischen Lösung sind bauartbedingt die gerätespezifischen Anforderungen aus Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU einzuhalten.
109Die hier streitgegenständlichen Regelungen zu den Aufschriften betreffend die Höchstlast, Mindestlast und den Eichwert dienen zwar auch dem mit der Richtlinie nach Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 2014/31/EU verfolgten Schutz der Allgemeinheit vor unrichtigen Wägeergebnissen. Eine Regelungsabsicht, mit diesem Schutz über international anerkannte Standards hinauszugehen oder zur besseren behördlichen Überwachung unionsrechtlich weitergehende Anforderungen zu stellen, ist jedoch nicht erkennbar. Die schlichte Übernahme aus internationalen technischen Normen belegt vielmehr, dass es sich hierbei gerade nicht um besondere Qualitätsstandards für den europäischen Binnenmarkt handeln sollte. Zum Schutz der Allgemeinheit vor unrichtigen Wägeergebnissen erschienen die allgemeinen internationalen Vorgaben neben den wesentlichen technischen Anforderungen nach Anhang I zur Erreichung der Ziele der Richtlinie als ausreichend, erforderlich und verhältnismäßig, weil hierdurch zur Beseitigung technischer Handelshemmnisse und zur Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs auf dem Unionsmarkt internationale technische Standards umgesetzt werden sollten, ohne zugleich die Bereitstellung von Geräten auf dem Markt unverhältnismäßig zu behindern (vgl. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2014/31/EU).
110Vgl. Erwägungsgründe 47 und 7 der Richtlinie 2014/31/EU.
111Diese Ziele werden bezogen auf die vorzusehenden Aufschriften unionsweit gleichermaßen bereits bei einem Regelungsverständnis erreicht, nach dem über die internationalen technischen Standards hinaus insoweit keine weitergehenden Anforderungen aus bestimmten, für sich genommen mehrdeutigen, Formulierungen einzelner Sprachfassungen der Richtlinie abgeleitet werden.
112Letztlich sollen die messtechnischen Werte auf dem Unionsmarkt ebenso wie international Auskunft geben über die obere und untere Grenze des Wägebereichs sowie die Eichtoleranz einer Waage. Ihnen kommt damit vor allem Bedeutung für den Verwender zu, was auch in Anhang III Nr. 1.4 der Richtlinie 2014/31/EU zum Ausdruck kommt, wonach die Angaben Max, Min, e und d auch in der Nähe der Gewichtsanzeige angebracht sein müssen, soweit sie sich nicht ohnehin dort befinden. Damit wird sichergestellt, dass die Angaben beim Wägevorgang für den Verwender in jedem Fall sichtbar sind und das Messgerät im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) MessEV innerhalb des zulässigen Messbereichs eingesetzt wird. Für diesen Zweck ist es ausreichend, dass die Angaben digital in der Anzeigeeinrichtung erscheinen. Gründe, die eine dauerhafte Sichtbarkeit der Angaben auch im ausgeschalteten Zustand der Waage zwingend erfordern, lassen sich weder dem Richtlinientext noch der darin zum Ausdruck gekommenen Regelungsabsicht entnehmen. Insbesondere dienen die Angaben nicht der Identifikation der Waage. Hierfür verpflichtet die Richtlinie in Art. 6 Abs. 5 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/31/EU den Hersteller sicherzustellen, dass von ihm in Verkehr gebrachte Waagen gemäß Anhang III der Richtlinie eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer oder ein anderes Identifikationskennzeichen tragen.
113Vgl. zu den Anforderungen der Identifikation auch Bekanntmachung der Europäischen Kommission, Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), ABl. C 272 vom 26.7.2016, S. 1, Nr. 4.2.
114Die streitgegenständlichen messtechnischen Werte dienen – anders als die Aufschriften zum Namen des Herstellers und dessen Anschrift, vgl. Art. 6 Abs. 6 sowie Erwägungsgründe 6 und 16 der Richtlinie 2014/31/EU – auch nicht der Rückverfolgbarkeit eines Geräts.
115Vgl. ergänzend dazu Bekanntmachung der Kommission, Leitlinien für Wirtschaftsakteure und Marktüberwachungsbehörden zur praktischen Umsetzung von Artikel 4 der Verordnung (EU) 2019/1020 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten – ABl. C 100 vom 23.3.2012, S. 1, Nr. 2.3.
116Insofern ist die von dem Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9.7.2015 – I ZR 224/13 – für den vorliegenden Fall schon deshalb unergiebig, weil sich diese mit der Frage auseinandersetzt, ob die Kennzeichnung des Herstellers von Kopfhörern entsprechend der Vorgaben aus § 9 ElektroG (vormals § 7 ElektroG) dauerhaft angebracht worden sei, wobei die Regelung dem Zweck diene, Altgeräte mit Blick auf die Rücknahmepflicht des Herstellers identifizieren zu können und dadurch die Inanspruchnahme der Kollektivgemeinschaft zu verhindern.
117Vgl. BGH, Urteil vom 9.7.2015 – I ZR 224/13 –, juris, Rn. 15.
118Eine digitale Anzeige der streitgegenständlichen messtechnischen Werte begegnet weiter mit Blick auf eine effektive Kontrolle durch die Marktaufsichtsbehörde keinen Bedenken. Weder in der Richtlinie noch in der auch für Produkte im Sinne der Richtlinie 2014/31/EU geltenden Verordnung (EU) 2019/1020 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten finden sich irgendwelche Hinweise darauf, diese Aufschriften sollten deshalb in besonderer Weise ausgestaltet sein, um die Ausübung der Marktaufsicht zu erleichtern. Aus Art. 4 der Verordnung (EU) 2019/1020 ergeben sich in erster Linie Aufgaben der Wirtschaftsakteure im Zusammenhang mit der Angabe von Kontaktdaten, der Verfügbarkeit von Konformitätserklärungen, der zu erstellenden technischen Unterlagen und der Zusammenarbeit mit der Marktaufsichtsbehörde.
119Vgl. Bekanntmachung der Kommission, Leitlinien für Wirtschaftsakteure und Marktüberwachungsbehörden zur praktischen Umsetzung von Artikel 4 der Verordnung (EU) 2019/1020 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten, ABl. C 100 vom 23.3.2021, S. 1, Nr. 3.
120Nach den Erwägungsgründen 32 bis 34 der Verordnung (EU) 2019/1020 sollte die Marktüberwachung gründlich und wirksam sein, um sicherzustellen, dass die Harmonisierungsvorschriften der Union für Produkte ordnungsgemäß angewandt werden. Angesichts der Tatsache, dass Überprüfungen eine Belastung für die Wirtschaftsakteure darstellen können, sollten sich Überwachungsmaßnahmen aber auf das notwendige Maß beschränken. Zugleich ist durch Austausch von Informationen zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten auf eine möglichst gleichmäßige Durchsetzung der Harmonisierungsvorschriften im Unionsgebiet zu achten. Um diesen Ansprüchen gleichermaßen gerecht zu werden, sieht Art. 11 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2019/1020 vor, dass die Marktüberwachungsbehörden im Rahmen ihrer Tätigkeit in angemessenem Umfang geeignete Überprüfungen der Merkmale von Produkten vornehmen, indem sie in erster Linie die Unterlagen überprüfen und (nur) gegebenenfalls anhand angemessener Stichproben physische Überprüfungen und Laborprüfungen durchführen. Bei der Entscheidung darüber, welche Arten von Produkten in welchem Umfang welchen Überprüfungen unterworfen werden sollen, gehen sie nach einem risikobasierten Ansatz vor. Dabei haben sie Prüfberichte und Konformitätsbescheinigungen nach Art. 11 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2019/1020 auch bezogen auf nichtselbsttätige Waagen im Sinne der Richtlinie 2014/31/EU gebührend zu berücksichtigen. Dies gilt schon deshalb, weil die Konformitätsbewertungsstellen entsprechend den Erwägungsgründen 26, 27 und 33 der Richtlinie 2014/31/EU ihrerseits Vorsorge für ein unionsweit einheitliches Qualitätsniveau bei der Konformitätsbewertung tragen. Den Zollbehörden wird bei Produkten, die in die EU eingeführt werden sollen, insoweit von der Europäischen Kommission (nur) empfohlen zu überprüfen, ob der Name und die Kontaktdaten des Wirtschaftsakteurs gemäß Art. 4 der Verordnung (EU) 2019/1020 auf dem Produkt, seiner Verpackung, dem Paket oder einem Begleitdokument angegeben sind.
121Vgl. Bekanntmachung der Kommission, Leitlinien für Wirtschaftsakteure und Marktüberwachungsbehörden zur praktischen Umsetzung von Artikel 4 der Verordnung (EU) 2019/1020 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten, ABl. C 100 vom 23.3.2021, S. 1, Nr. 5.2.
122Anhaltspunkte für ein unionsrechtlich beabsichtigtes Regelungsbedürfnis über die jederzeitige Lesbarkeit der streitgegenständlichen messtechnischen Werte unabhängig von verfügbarer Stromversorgung etwa in Hafencontainern, lassen sich den allgemeinen Vorgaben zur Marktüberwachung nicht entnehmen.
123Auch aus der Richtlinie 2014/31/EU kann nicht abgeleitet werden, dass für Zwecke der Marktaufsicht eine gegenüber internationalen technischen Standards erleichterte Wahrnehmbarkeit der streitgegenständlichen messtechnischen Werte unionsrechtlich festgeschrieben werden sollte. Den Nachweis darüber, dass ein Gerät, das zu den in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a) bis f) der Richtlinie 2014/31/EU genannten Zwecken verwendet werden soll, den Anforderungen des Anhangs I der Richtlinie entspricht, führt der Hersteller grundsätzlich mit dem Konformitätsbewertungsverfahren, über welches eine EU-Konformitätserklärung ausgestellt wird (vgl. Art. 6 Abs. 2 Unterabsatz 2 i. V. m. Abs. 1 der Richtlinie 2014/31/EU). Mit der Anbringung der CE-Kennzeichnung sowie der zusätzlichen Metrologie-Kennzeichnung am jeweiligen Gerät soll nach den Erwägungsgründen 23, 26, 27 und 33 der Richtlinie 2014/31/EU die Konformität einer nichtselbsttätigen Waage zum Ausdruck gebracht werden, wodurch unnötiger Aufwand für die Wirtschaftsakteure vermieden werden soll. Dementsprechend stellt der Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2014/31/EU klar, dass die EU-Konformitätserklärung einen wirksamen Zugang zu Informationen für die Zwecke der Marktaufsicht bietet. In diesem Sinne stellen die Hersteller gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 der Richtlinie 2014/31/EU auf begründetes Verlangen der zuständigen nationalen Behörden alle Informationen und Unterlagen zur Verfügung, die für den Nachweis der Konformität des Geräts mit der Richtlinie erforderlich sind.
124Werden die messtechnischen Werte zu Max, Min und e ausschließlich bei Betrieb im Display der Waage angezeigt, erstreckt sich der Nachweis des Konformitätsbewertungsverfahrens nach § 6 Abs. 3 Satz 1 MessEG i. V. m. § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 MessEV i. V. m. Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 4 und Anlage 4 MessEV bauartbedingt ebenso darauf, ob die gerätespezifischen wesentlichen Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU hierauf bezogen erfüllt sind. Die technischen Anforderungen an die – im Hinblick auf die beabsichtigte Verwendung des Geräts normale Zeit im Sinne von Anhang I Nr. 8.3 der Richtlinie 2014/31/EU erforderliche – Dauerhaftigkeit richten sich entsprechend der normativ insoweit maßgeblichen Klarstellung in Nr. 7.1.2 DIN EN 45501:2015 nach den Vorgaben über gerätespezifische Parameter, die gesichert sein sollten (unveränderbare Kennwerte) im Sinne von Nr. T.2.8.4. Für diese gerätespezifischen Parameter gelten zugleich die wesentlichen Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU, auf die sich die Konformitätsvermutung nach Art. 12 der Richtlinie 2014/31/EU (§ 7 Abs. 1 MessEG) bei Übereinstimmung mit den Vorgaben der DIN EN 45501:2015 bezieht. Aus der EU-Baumusterprüfbescheinigung muss sich die Übereinstimmung mit den insoweit für die digitale Anzeige messtechnischer Werte geltenden Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie ergeben. Fehlt also eine analoge Aufschrift an einem zu prüfenden Gerät, lässt sich ohne Einschalten des Geräts seine Konformität mit der Richtlinie zutreffend bereits der EU-Baumusterprüfbescheinigung entnehmen. Nur bei einer analogen Aufschrift genügt diese allein zur wirksamen Prüfung durch die Marktaufsichtsbehörde. Abgesehen davon kann bei – allenfalls ausnahmsweise bestehendem – konkretem Verdacht, dass eine Ausführung nicht der EU-Baumusterprüfbescheinigung entspricht, ein Gerät für die Überprüfung auch kurzfristig in Betrieb genommen werden. Es spricht nichts dafür, dass für eine nach dem gebotenen risikobasierten Ansatz (nur) in Ausnahmefällen veranlasste Überprüfung, ob die Waage mit den erforderlichen Aufschriften zu Min, Max und e versehen ist, strengere Maßstäbe gelten sollen.
125Gleiches gilt mit Blick auf die Einfuhr von Waagen in den zollrechtlich freien Verkehr, die hier allerdings gar nicht in Rede steht. Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2014/31/EU dürfen Einführer nur richtlinienkonforme Geräte in Verkehr bringen. Die Richtlinie sieht aber nicht die Überprüfung jedes einzelnen Geräts auf seine Richtlinienkonformität durch die für die Einfuhrkontrolle zuständige nationale Behörde vor. Auch hier gilt, dass der Nachweis der Konformität durch ein erfolgreich durchgeführtes Konformitätsbewertungsverfahren geführt wird. Entsprechend hat der Einführer gemäß Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2014/31/EU vor Inverkehrbringen eines solchen Geräts sicherzustellen, dass das Konformitätsbewertungsverfahren nach Art. 13 der Richtlinie 2014/31/EU vom Hersteller durchgeführt worden ist, der Hersteller die technischen Unterlagen erstellt hat, dass das Gerät mit der CE-Kennzeichnung und der zusätzlichen Metrologie-Kennzeichnung versehen ist, dass ihm die erforderlichen Unterlagen beigefügt sind und dass der Hersteller die Anforderungen von Art. 6 Abs. 5 und 6 der Richtlinie 2014/31/EU – also die Kennzeichnungspflichten – erfüllt hat (Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2014/31/EU). Der Einführer hat über einen Zeitraum von zehn Jahren nach Inverkehrbringen des Geräts eine Abschrift der EU-Konformitätserklärung für die Marktüberwachungsbehörden bereit zu halten und Sorge dafür zu tragen, dass diesen die technischen Unterlagen auf Verlangen vorgelegt werden können (Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/31/EU).
126b) Der nationale Verordnungsgeber hat die Vorgaben aus der Richtlinie 2014/31/EU in § 13 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 MessEV übernommen. Soweit es – anders als in Anhang III Nr. 1.1 der Richtlinie 2014/31/EU – in § 13 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 MessEV heißt, die Kennzeichnungen und Aufschriften müssen klar, unauslöschlich, eindeutig und nicht übertragbar sein, geht dies allein auf die Formulierung in Anhang I Nr. 9.8 der Richtlinie 2014/32/EU zurück, deren Umsetzung die Regelung ebenfalls dient und wonach alle Markierungen und Aufschriften klar, unauslöschlich, eindeutig und nicht übertragbar sein dürfen.
127Vgl. Nr. 13 Einleitung MessEV; BR-Drs. 493/14, S. 146.
128Der Verordnungsgeber hat hier offensichtlich die Formulierungen aus den Richtlinien 2014/31/EU und 2014/32/EU schlicht nacheinander aufgeführt, ohne hieraus mit Blick auf die Anforderungen an Kennzeichnungen und Aufschriften bei nichtselbsttätigen Waagen über die Regelungen der Richtlinie 2014/31/EU hinausgehende Vorgaben treffen zu wollen.
1292. Nach alledem sind die Anforderungen des §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 3 Satz 2 MessEV hier erfüllt. Ausweislich der von der NMi Certin B. V. unter dem 7.7.2020 ausgestellten EU-Baumusterprüfbescheinigung werden die Angaben zu Max, Min und e ausschließlich im Display der Waage angezeigt (Nr. 1.3 der Bescheinigung). Dort sind sie bei Betrieb der Waage stets zusammen mit dem gemessenen Wägeergebnis zu sehen, befinden sich also entsprechend § 15 Abs. 3 Satz 2 MessEV in der Nähe der Gewichtsanzeige und sind bei normaler Gebrauchslage der Waage gut sichtbar und lesbar im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 MessEV. Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben unklar sind, liegen nicht vor. Weiter hat die Klägerin die erforderliche Dauerhaftigkeit in Gestalt eines rechtlich hinreichenden Missbrauchsschutzes sichergestellt. Die Angaben sind im dargestellten Sinne dauerhaft, unauslöschlich und unübertragbar. Laut EU-Baumusterprüfbescheinigung ist der Zugang zur Software durch Eichsiegel gesichert. Im Inneren des Gehäuses der Wiegeplattform befindet sich eine Justiersperre. Damit hat die Klägerin entsprechend Anhang I Nr. 8.5 der Richtlinie 2014/31/EU, welcher gemäß § 6 Abs. 2 MessEG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 11 i. V. m. Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 3 MessEV anwendbar ist, die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um die Möglichkeiten unbeabsichtigten Missbrauchs so klein wie möglich zu halten. Die technische Realisierung der digitalen Angabe der hier streitgegenständlichen messtechnischen Werte entspricht den Vorgaben der harmonisierten Norm DIN EN 4551:2015, sodass insofern die Konformitätsvermutung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MessEG greift.
130II. Erweist sich danach die Untersagungsverfügung in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids als rechtwidrig, ist die Androhung unmittelbaren Zwangs für den Fall der Nichtbefolgung der Untersagungsverfügung in Nr. 2 der angegriffenen Ordnungsverfügung des Landesbetriebs ebenfalls rechtswidrig.
131Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
132Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
133Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die mit dem Verfahren verbundenen Rechtsfragen sind nicht nur für die Beteiligten des konkreten Verfahrens, sondern auch für andere Marktüberwachungsbehörden und Hersteller ähnlicher Geräte relevant.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- I ZR 224/13 1x (nicht zugeordnet)
- 5 VO (EU) 2019/10 1x (nicht zugeordnet)
- I ZR 224/13 1x (nicht zugeordnet)