Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 A 1536/20
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 40.417,08 Euro festgesetzt.
Gründe:
1Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Der Kläger stützt ihn auf die Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO. Keiner dieser Zulassungsgründe ist gegeben.
2I. Das Antragsvorbringen weckt zunächst keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden.
3Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.10.2020 - 2 BvR 2426/17 -, NVwZ 2021, 325 = juris Rn. 34 m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 - 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542 = juris Rn. 9.
4Dabei ist innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO in substantiierter Weise darzulegen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Entscheidungsergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn das Gericht schon auf Grund des Antragsvorbringens in die Lage versetzt wird zu beurteilen, ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen.
5Hiervon ausgehend sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht dargelegt.
6Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Bescheid vom 25.4.2018, mit dem das beklagte Land gemäß §§ 26 Abs. 1, 27 Abs. 1 BeamtStG i. V. m. 33 Abs. 1 Satz 3 LBG NRW die begrenzte Dienstfähigkeit des Klägers festgestellt hat, sei rechtmäßig. Der Kläger habe seit dem 0.7.2011 und damit mehr als drei Monate innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten keinen Dienst mehr getan. Es habe im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids auch keine Aussicht darauf bestanden, dass die Dienstfähigkeit des Klägers innerhalb von sechs Monaten wieder voll hergestellt sein werde. Dies ergebe sich aus dem amtsärztlichen Gutachten des Gesundheitsamtes D. vom 00.3.2017. Nach den amtsärztlichen Feststellungen sei der Kläger nicht mehr im vollen Umfang, jedoch noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit fähig, die Dienstpflicht im allgemeinen Verwaltungsdienst zu erfüllen. Von den Amtsärzten seien folgende für die Beurteilung der Dienstfähigkeit relevanten Diagnosen gestellt worden: Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, rez. depressive und somatoforme Störung, Migräne, Hypakusis bei Tinnituserleben, chronisch-degeneratives Wirbelsäulenleiden, stattgehabter Bandscheibenvorfall L5/S1, endogenes Asthma bronchiale (medikamentös gut kontrolliert), Reizdarmsyndrom und Sigmadivertikulose, Adipositas 3. Grades. Die Gutachter hätten ihr Ergebnis, dass mit der Wiederherstellung der uneingeschränkten Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate nicht zu rechnen sei, in Kenntnis der anamnestischen Vorgeschichte des Klägers plausibel und unter Berücksichtigung der erhobenen Befunde erläutert und dem beklagten Land damit eine tragfähige Grundlage für seine Entscheidung ermöglicht. Vor dem Hintergrund der im Gutachten dargestellten chronifizierten Leiden sei es nachvollziehbar, dass die Amtsärzte zu dem Ergebnis gelangt seien, der Kläger könne innerhalb der nächsten sechs Monate keinen vollen Dienst mehr leisten. Ein vom Kläger aufgezeigter „Widerspruch“ in dem amtsärztlichen Gutachten sei nicht erkennbar. Denn es widerspreche sich nicht, wenn die Amtsärzte zum einen feststellten, dass eine weitergehende Stabilisierung mit ggf. auch zeitlich ausgedehnterer Einsetzbarkeit in entsprechend angepasstem Anforderungsprofil durch derzeit laufende, aber noch nicht hinreichend ausgeschöpfte, medizinische oder sonstige therapeutische Behandlungsmaßnahmen zu erwarten sei (S. 7 des Gutachtens) und zum anderen ausführten, es gebe keinerlei Rationale für die klägerseitige Einschätzung, dass er derzeit zwar nicht dienstfähig, aber im Urteil seiner behandelnden Ärzte in sechs bis acht Wochen (gemeint: Monaten) voll dienstfähig sei und die Frage aufwerfen, „Welches Wunder soll in den nächsten 6-8 Monaten eintreten, das in den letzten Jahren nicht schon hätte erreicht werden können?“ (S. 9 des Gutachtens). Ungeachtet der Wortwahl, die unpassend, jedoch nicht vorverurteilend im Sinne einer Befangenheit sei, sprächen die Amtsärzte nur von der Möglichkeit einer Stabilisierung und gerade nicht von einer Wiedererlangung der vollen Dienstfähigkeit. Die zitierten Ausführungen belegten auch nicht einen Verstoß gegen das Gebot der Sachlichkeit, da trotz der zugespitzten, plakativen Wortwahl die sachlich fundierte medizinische Basis nicht verlassen werde. Der Kläger sei den fachärztlichen Feststellungen ferner nicht durch Vorlage eigener, aussagekräftiger privatärztlicher Stellungnahmen substantiiert entgegengetreten. Soweit er die fehlende medizinische Fachkunde des Arztes im Gesundheitsamt C1. auf psychiatrischem Fachgebiet rüge, zeige er mit dieser pauschal und unsubstantiiert gebliebenen Behauptung ebenfalls keinen Mangel des amtsärztlichen Gutachtens auf. Denn zum einen führe die bloße Tatsache, dass es sich bei dem untersuchenden Arzt um einen Allgemeinmediziner und Kieferchirurgen handele, nicht ohne weiteres zu einer Mangelhaftigkeit des Gutachtens; zum anderen verfüge der das Gutachten ebenfalls mittragende Kreismedizinaldirektor Dr. U. nach unbestrittener Aussage des beklagten Landes über die Facharztqualifikation im Bereich Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Die erforderliche Fachkunde sei damit - unabhängig davon, wer die physische Untersuchung des Klägers tatsächlich vorgenommen habe - gegeben.
7Das gegen diese näher erläuterten Feststellungen gerichtete Zulassungsvorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung.
81. Der Einwand des Klägers, das angegriffene Urteil enthalte keine Begründung zu der Feststellung, dass er zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids dienstunfähig i. S. d. § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i. V. m. § 33 Abs. 1 Satz 3 LBG NRW gewesen sei, trifft nicht zu.
9Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf entsprechende bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung,
10vgl. Urteil vom 30.8.2012 - 2 C 82.10 -, NVwZ-RR 2012, 928 = juris Rn. 11,
11dargestellt, dass die Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit gemäß § 27 Abs. 1 BeamtStG in der (hier noch maßgeblichen) Fassung vom 17.6.2008(BeamtStG a. F., BGBl. I. S 1010) die Feststellung der Dienstunfähigkeit voraussetze, da nach § 27 Abs. 1 BeamtStG a. F. von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden soll, wenn die Beamtin oder der Beamte
12- im Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf die gleichzeitige Verwendung der männlichen und weiblichen Sprachform verzichtet und gilt die männliche Sprachform für alle Geschlechter -
13unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann (begrenzte Dienstfähigkeit). Nach der Legaldefinition des § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG a. F. ist ein Beamter auf Lebenszeit dienstunfähig, wenn er wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG a. F. kann als dienstunfähig auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist von sechs Monaten (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 3 LBG NRW) die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist.
14Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Vorgaben hat das Verwaltungsgericht zunächst festgestellt, dass der Kläger seit Juli 2011 und damit u. a. in den vergangenen sechs Monaten ununterbrochen dienstunfähig gewesen ist und anschließend ausführlich begründet (vgl. Urteilabdruck S. 10 ff.), warum angesichts der bestehenden, sich aus dem amtsärztlichen Gutachten ergebenden gesundheitlichen Einschränkungen prognostisch auch innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten nicht mit der Wiedererlangung der vollen, sondern nur einer begrenzten Dienstfähigkeit in Höhe von 50 % zu rechnen sei. Insbesondere gegen diese Einschätzung wendet sich der Kläger im Übrigen mit seinem weiteren Zulassungsvorbringen.
152. Ohne Erfolg rügt der Kläger, für die Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit könne nicht auf das amtsärztliche Gutachten vom 22.3.2017 zurückgegriffen werden, weil dieses falsch sei.
16a) Fehl geht zunächst der Einwand des Klägers, das amtsärztliche Gutachten sei offensichtlich falsch, weil der Amtsarzt C1. als Allgemeinmediziner und Kieferchirurg nicht über die erforderliche fachärztliche Sachkunde auf neurologischem Fachgebiet verfüge. Das trifft aus mehreren Gründen nicht zu. Zum einen folgt - wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat - aus der genannten Qualifikation des Amtsarztes C1. nicht zwangsläufig dessen Ungeeignetheit zur Untersuchung und Erstellung des Gutachtens zur Frage der Dienstfähigkeit. Dies gilt im Streitfall insbesondere vor dem Hintergrund der zahlreich vorliegenden, auch nach eigenem Vorbringen des Klägers bereits von entsprechenden Fachärzten erstellten Gutachten und Stellungnahmen, die der untersuchende Amtsarzt seinen Feststellungen zugrunde legen konnte und zugrunde gelegt hat. Zum anderen hat der die entsprechende Fachkunde aufweisende Dr. U. das Gutachten mitunterzeichnet und mithin die entsprechenden Aussagen aus fachärztlicher Sicht mitgetragen. Die Annahme des Klägers, Dr. U. habe das Gutachten nicht gelesen und ungeprüft unterschrieben, ist rein spekulativ und entbehrt einer Grundlage. Vor diesem Hintergrund ist das Verwaltungsgericht auch zutreffend davon ausgegangen, dass nicht nur ein, sondern zwei Amtsärzte das Gutachten vom 00.3.2017 inhaltlich verantworten.
17Es ist auch weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Erkenntnisgrundlage des Dr. U. defizitär gewesen wäre und einer entsprechenden Mitzeichnung entgegengestanden hätte. Entsprechendes folgt nicht aus dem Umstand, dass er den Kläger nicht selbst untersucht hat. Denn auch nach dem Vorbringen des Klägers hat bereits 2014 eine entsprechende Untersuchung durch Dr. U. stattgefunden, sodass ihm der Kläger und dessen chronischen Leiden bekannt waren. Neben den im Gutachten aufgeführten Beurteilungsgrundlagen und den Untersuchungsergebnissen des Amtsarztes C. konnte Dr. U. mithin auch auf seine eigenen aus dieser Untersuchung gewonnenen Eindrücke bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit des Klägers zurückgreifen.
18b) Die Rüge des Klägers, auf das Gutachten vom 00.3.2017 habe nicht zurückgegriffen werden können, weil der Amtsarzt C. , der die Untersuchung durchgeführt und das Gutachten verfasst habe, voreingenommen sei, greift ebenfalls nicht durch.
19Unabhängig davon, dass das Gutachten - entgegen der Meinung des Klägers - nicht allein von dem Amtsarzt C. verantwortet worden ist, ergibt sich aus der vom Kläger beanstandeten Aussage - „Welches Wunder soll in den nächsten 6 – 8 Monaten eintreten, das in den letzten Jahren nicht schon hätte erreicht werden können?“ - keine Voreingenommenheit des Herrn C. .
20Allein aus dieser Formulierung folgen keine Zweifel an der Unparteilichkeit und Neutralität des Amtsarztes C. . Es handelt sich um eine möglicherweise unangemessene und plakative Auseinandersetzung mit der vom Kläger geäußerten Einschätzung, er werde in sechs bis acht Monaten wieder dienstfähig sein. Die abweichende Prognose fußt jedoch auf einer medizinisch und damit sachlich fundierten Basis, welche entgegen dem klägerischen Vorbringen auch ohne weiteres nachvollziehbar begründet ist. Denn ausweislich der im Gutachten angeführten Beurteilungsgrundlagen bestanden bei dem Kläger bereits seit mehreren Jahren erhebliche gesundheitliche Einschränkungen und eine nur begrenzte Behandlungsmotivation, die dazu geführt hatten, dass er zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung bereits über den erheblichen Zeitraum von mehr als sechs Jahren keinen Dienst mehr verrichtet hatte. Nach den dem Gutachten zugrundeliegenden Attesten, Gutachten und Arztbriefen bestand bei dem Kläger seit 2006 eine - wiederkehrend auch privatärztlich bescheinigte - depressive Symptomatik und physische Beschwerden unter anderem aufgrund - fortschreitender - Adipositas (mittlerweile 3. Grades) sowie seit 2011 Schmerzen in der rechten Hand. Diese Beschwerden hielten ausweislich des Untersuchungsergebnisses und der Schilderungen des Klägers in wechselnder, die Dienstfähigkeit jedoch seit Juli 2011 ununterbrochen ausschließender Intensität trotz ärztlicher Behandlung und mehrerer ambulanter und stationärer Aufenthalte in verschiedenen Kliniken an. Angesichts dieser Erkenntnisse ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Amtsärzte die Einschätzung der den Kläger seit mehreren Jahren behandelnden Ärzte zur Wiedererlangung der vollen Dienstfähigkeit - wenn auch überspitzt formuliert - nicht teilen. Sie begründen diese Bewertung zudem auch sachlich weiter damit, dass ein neuer oder anders gearteter Therapieansatz nicht zu erkennen sei, der eine positive - in der Vergangenheit nicht gelungene - Veränderung des Gesundheitszustandes des Klägers erwarten lassen könnte, insbesondere da - so die Amtsärzte weiter - es sich um chronische Erkrankungen bei einer gefestigten narzisstischen Persönlichkeit handele, die im Verlauf der Jahre durchaus gleich behandelt/betreut worden seien. Angesichts des Vorstehenden belegt die beanstandete Wortwahl nicht die Voreingenommenheit des Herrn C. und kann auch keine Rede davon sein, dass sich dem Gutachten nicht entnehmen lasse, auf welche chronischen Erkrankungen (rezidivierende depressive und somatoforme Störung, chronische Schmerzstörung) sich die Amtsärzte im Rahmen dieser Ausführungen beziehen.
21Dem Gutachten lassen sich auch im Übrigen keine Anhaltspunkte für eine fehlende Unvoreingenommenheit des Amtsarztes C. entnehmen. Sonstige konkrete tatsächliche Umstände, die darauf hindeuten könnten, dass sich der Gutachter dem Kläger gegenüber nicht neutral verhalten oder seine medizinischen Feststellungen und Bewertungen nicht unabhängig und ohne Ansehen der Person getroffen hat, sind nicht erkennbar. Der Kläger hat insbesondere auch kein entsprechende Rückschlüsse zulassendes Verhalten im Rahmen der Untersuchung geschildert.
22c) Entgegen der Auffassung des Klägers stellt sich die amtsärztliche Beurteilung auch nicht als widersprüchlich und damit unbrauchbar dar. Insoweit wiederholt er lediglich sein erstinstanzliches Vorbringen, dass es widersprüchlich sei, wenn der Amtsarzt auf der einen Seite feststelle „Durch derzeit laufende, aber noch nicht hinreichend ausgeschöpfte medizinische oder sonstige therapeutische Behandlungsmaßnahmen (Warteliste Dr. L. ) wäre eine weitergehende Stabilisierung mit ggf. auch zeitlich ausgedehnterer Einsetzbarkeit in entsprechend angepasstem Anforderungsprofil zu erwarten, […]“ und auf der anderen Seite ausführe „Welches Wunder soll in den nächsten 6 – 8 Monaten eintreten, das in den letzten Jahren nicht schon hätte erreicht werden können? Hier konnte keinerlei grundlegend neuer oder anders gearteter Therapieansatz aufgedeckt werden, der eine derartige Erwartung stützen könnte.“
23Der Kläger verkennt, dass - worauf bereits das Verwaltungsgericht zutreffend abgestellt hat - ein Widerspruch nicht besteht, da sich die insoweit angestellten Prognosen zu unterschiedlichen Fragestellungen verhalten. Die aufgezeigten Möglichkeiten einer etwaigen Stabilisierung des klägerischen Zustandes bei Ausschöpfung der laufenden Behandlungsmaßnahmen beziehen sich ausweislich der unmittelbar zuvor in dem Gutachten festgestellten begrenzten Dienstfähigkeit von 50 % ausschließlich darauf, ob eine Stabilisierung oder gar eine Steigerung der begrenzten Dienstfähigkeit zukünftig zu erwarten ist. Insoweit äußern sich die Amtsärzte unter Bezugnahme auf die Vorgeschichte und Vorbegutachtung des Klägers überdies nur sehr zurückhaltend, indem sie (was der Zulassungsantrag unterschlägt) anfügen, dagegen bestünden „aus Vorgeschichte und Vorgutachten begründete Zweifel an hinreichender Motivation und Mitwirkung“ des Klägers. Damit steht die weitere vom Kläger hervorgehobene Aussage im Einklang, die sich zur Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit verhält. Insoweit setzen sich die Amtsärzte ausdrücklich mit der Einschätzung der den Kläger behandelnden Ärzte auseinander, die eine Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit in sechs bis acht Monaten in Aussicht stellen. Für eine solche positive Prognose fehlen nach der Einschätzung der Amtsärzte jedoch aus den bereits dargestellten Gründen jegliche Anhaltspunkte. Dies stellt indes keinen Widerspruch zu der geäußerten Skepsis dar, ob es dem Kläger gelingen werde, eine Teildienstfähigkeit von über 50 % zu erreichen, sondern korrespondiert gerade mit dieser. Die Amtsärzte machen im Rahmen beider Aussagen überdies deutlich, dass weitere medizinische Behandlungen der Beschwerden des Klägers möglich seien, diese jedoch die Annahme einer dadurch bedingten Steigerung bzw. gar Wiedererlangung der vollen Dienstfähigkeit des Klägers nicht rechtfertigten, da - wie sich in der Vergangenheit gezeigt habe - von einer verhaltens- und persönlichkeitsbedingt unzureichenden Behandlungsmotivation seitens des Klägers auszugehen sei. Dies ist ohne weiteres nachvollziehbar.
24d) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung begründet auch nicht das Vorbringen des Klägers, das amtsärztliche Gutachten sei unter Berücksichtigung der gestellten Diagnosen und den daraus abgeleiteten Auswirkungen auf seine Dienstfähigkeit nicht nachvollziehbar.
25(1) Er beanstandet, das nach dem amtsärztlichen Gutachten festgestellte chronische Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren liege nicht vor, weil der Amtsarzt selbst das Vorliegen eines Morbus Sudeck bzw. eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms Typ I (CRPS I) verneint habe. Insoweit trifft die Annahme des Klägers bereits nicht zu, dass das diagnostizierte chronische Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren das Bestehen eines CRPS I voraussetze, das aber von den Amtsärzten ausgeschlossen worden sei. Das Gegenteil ist der Fall. Die Amtsärzte haben in dem Gutachten nachvollziehbar dargelegt, dass sie das Vorliegen eines CRPS I verneinen, weil eine andere Diagnose für die vom Kläger dargestellten Symptome andauernder Schmerzen im rechten Arm/der rechten Hand in Form des chronischen Schmerzsyndroms mit somatischen und psychischen Faktoren vorliege. Es handelt sich mithin um eine eigenständige Diagnose, die gerade zum Ausschluss des CRPS I führt. Denn das sog. 4. Budapest-Kriterium, dessen Vorliegen für die Diagnose eines CRPS I unter anderem erforderlich ist, setzt voraus, dass keine andere Diagnose die beklagten Schmerzen (besser) erklärt. Dies ist nach den Feststellungen der Amtsärzte indes der Fall, da sowohl die von dem Kläger geschilderten Leiden in Form von generell den Körper betreffenden Schmerzen als auch die polizei- und privatärztlich vorbeschriebene depressive sowie somatoforme Störung die Diagnose einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren begründeten. Für diese Diagnose spreche auch, dass die Schmerzen und Depressionen sich gegenseitig bedingten und verstärkten. Das Schmerzerleben in der rechten Hand/am rechten Arm könne hiervon nicht getrennt werden.
26Der Nachvollziehbarkeit der amtsärztlichen Diagnose steht auch nicht entgegen, dass die Amtsärzte festgestellt haben, es bestehe eine weitgehend freie Beweglichkeit und es gebe keine objektiven Anhalte einer dauernden Gebrauchsminderung des rechten Arms oder der rechten Hand. Denn eine entsprechende körperliche Bewegungseinschränkung setzt die gestellte Diagnose - anders als dies etwa bei CRPS I regelmäßig der Fall ist - nicht voraus. Eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren zeichnet nach F45.41 der 10. Version der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) vielmehr ein seit mindestens sechs Monaten bestehender Schmerz in einer oder mehreren anatomischen Regionen aus, der seinen Ausgangspunkt in einem physiologischen Prozess oder einer körperlichen Störung hat. Psychischen Faktoren wird eine wichtige Rolle für Schweregrad, Exazerbation oder Aufrechterhaltung der Schmerzen beigemessen, jedoch nicht die ursächliche Rolle für deren Beginn. Der Schmerz verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden und Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Der Schmerz wird nicht absichtlich erzeugt oder vorgetäuscht. Danach ist lediglich die Ursache des Schmerzes physiologischer Natur, erklärt hingegen nicht dessen Anhalten nach Abheilung der Ausgangserkrankung, hier etwa der Operation am Karpaltunnel, und geht entsprechend auch nicht notwendigerweise mit Bewegungseinschränkungen einher.
27Das Fehlen von Bewegungseinschränkungen stellt auch die Feststellung der eingeschränkten Dienstfähigkeit des Klägers nicht in Frage. Denn aus der gutachterlichen Stellungnahme ergibt sich, dass die vom Kläger empfundenen Schmerzen zu einer reduzierten psychischen Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit führen, die seine Dienstfähigkeit einschränken. Auswirkungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit stellen die Amtsärzte dagegen gerade nicht fest. Die Schlussfolgerung der Amtsärzte, unter anderem diese Erkrankung stehe der Annahme entgegen, der Kläger werde im Prognosezeitraum seine volle Dienstfähigkeit wiedererlangen, ist auch vor dem bereits dargestellten Hintergrund nachvollziehbar, dass das Krankheitsbild einer chronischen Schmerzstörung schon seit mehreren Jahren besteht, in denen der Kläger krankheitsbedingt keinen Dienst verrichtet hat, und er ausweislich der gutachterlichen Feststellungen keine neuen Therapieansatz dargelegt hat, der eine positive Veränderung nahelegen würde.
28(2) Das Verwaltungsgericht hat auch die in dem Gutachten festgestellte depressive Erkrankung zutreffend der Bewertung einer nur begrenzt bestehenden Dienstfähigkeit des Klägers zugrunde gelegt.
29Dem Kläger ist zwar zuzustimmen, dass die Ausführungen in dem Gutachten zu seiner depressiven Symptomatik knapp gehalten sind. Ein Widerspruch zwischen diesen, der gestellten Diagnose und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen liegt hingegen nicht vor. Zudem vermitteln die gutachterlichen Ausführungen insbesondere in der Gesamtschau mit den ebenfalls als Erkenntnismitteln zur Verfügung stehenden - gerade auch - privatärztlichen Bescheinigungen sowie dem Vorbringen des Klägers eine hinreichende Informationsgrundlage für die Entscheidung über die Dienstfähigkeit. Insoweit ist es nämlich, auch wenn die Entscheidung über die begrenzte Dienstfähigkeit auf der Grundlage einer amtsärztlichen Untersuchung nach Maßgabe der §§ 33 Abs. 1, 34 Abs. 1 LBG NRW erfolgt, Aufgabe der Behörde und ggfs. des Gerichts, die begrenzte Dienstfähigkeit festzustellen. Die Einschaltung eines Arztes bedeutet nicht, dass diesem die Entscheidungsverantwortung für die Beurteilung der Dienstfähigkeit übertragen wird. Aufgabe des Arztes ist es (lediglich), den Gesundheitszustand des Beamten festzustellen und medizinisch zu bewerten. Der Amtsarzt wird nur als sachverständiger Helfer tätig, um den zuständigen Stellen diejenige Fachkenntnis zu vermitteln, die für deren Entscheidung erforderlich ist.
30Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.11.2017 - 2 A 5.16 -,
31juris Rn. 25.
32Eine solche hinreichende Informationsgrundlage bietet das amtsärztliche Gutachten für die Entscheidung, welche Auswirkungen die psychische Erkrankung auf die Dienstfähigkeit des Klägers hat. Die Amtsärzte schildern zunächst, dass dem Kläger die gerichtlichen Auseinandersetzungen Depressionen bereiteten. Sodann stellen sie fest, dass er von keiner für eine depressive Erkrankung typischen Beschwerdesymptomatik - von einer Grübelneigung abgesehen - berichte. Auch der psychopathologische Querschnittsbefund in allen Untersuchungs-Items sei regelrecht geblieben. Allerdings bestehe ein ausgeprägtes subjektives Kränkungserleben im beruflichen Bereich vor dem Hintergrund einer deutlich narzisstischen Persönlichkeitsstruktur. Diagnostiziert wurde eine rezidivierende depressive und somatofome Störung.
33Diese Diagnose und die daraus folgenden Verwendungseinschränkungen sind insbesondere unter Berücksichtigung der Krankengeschichte des Klägers nachvollziehbar. Nach F33 ICD-10 handelt es sich bei einer rezidivierenden depressiven Störung um eine solche, die durch wiederholte depressive Episoden charakterisiert ist. Eine somatoforme Störung nach F45 ICD-10 liegt vor bei wiederholter Darbietung körperlicher Symptome in Verbindung mit hartnäckigen Forderungen nach medizinischen Untersuchungen trotz wiederholter negativer Ergebnisse und Versicherung der Ärzte, dass die Symptome nicht körperlich begründbar sind.
34Aus dem amtsärztlichen Gutachten geht danach in Übereinstimmung mit der gestellten Diagnose hervor, dass der Kläger seit Jahren an depressiven Episoden leidet, es insbesondere zu Phasen depressiven Krankheitserlebens kommt und jedenfalls nicht sämtliche körperlichen Beschwerden physiologisch begründbar sind. Diese Feststellungen entsprechen sowohl den privatärztlichen Bescheinigungen des Klägers als auch den Feststellungen in vorangegangenen amtsärztlichen Gutachten. Bereits im Jahr 2006 hat der den Kläger über ein Jahrzehnt behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie I. eine somatoforme Störung sowie eine depressive Episode diagnostiziert. Die Diagnose einer depressiven Erkrankung bestand im Jahr 2007 ausweislich privatärztlicher Atteste von Herrn I. und des Arztbriefs der Fachärztin für Psychiatrie/Psychotherapie O. fort, die darüber hinaus die von den Amtsärzten angesprochene persönlichkeitsstrukturelle und „realkonfliktorische“ Problematik festgestellt hat, die die Behandelbarkeit der psychischen Erkrankung erschwere und eine fachpsychiatrische Behandlung in einer Tagesklinik erforderlich mache. Auch in dem amtsärztlichen Gutachten vom 17.8.2012 hat der Amtsarzt Dr. F. festgestellt, der Kläger leide an rezidivierenden depressiven Episoden unterschiedlicher Schwergerade, bereits seit dem Jahr 2001 befinde er sich in neurologisch/psychiatrischer Behandlung wegen depressiven Störungen. In dem amtsärztlichen Gutachten vom 28.11.2014 wird ebenfalls eine - wenn auch weitgehend remittierte - depressive Entwicklung diagnostiziert. Die Diagnose wird bis zur Festsetzung der begrenzten Dienstfähigkeit auch weiterhin privatärztlich etwa am 22.6. und 21.9.2017 durch Dr. N. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, gestellt. Danach wird deutlich, dass der Kläger bereits seit Jahren wiederkehrend an depressiven Episoden unterschiedlicher Intensität und angesichts seiner Bemühungen um eine entsprechende Behandlung bei Dr. L. - auch nach eigenem Empfinden - weiterhin leidet. Insbesondere in dieser Gesamtschau und der dargestellten Charakteristik einer rezidivierenden depressiven Störung ist nicht zu beanstanden, dass die Amtsärzte das (weitere) Vorliegen dieser psychischen Erkrankung angenommen haben, auch wenn der Kläger in der amtsärztlichen Untersuchung im Januar 2017 selbst akut von keiner typischen Beschwerdesymptomatik berichtet hat.
35(3) Soweit der Kläger das Vorliegen der weiteren bei ihm diagnostizierten Erkrankungen (Migräne, Hypakusis bei Tinnituserleben, endogenes Asthma bronchiale, letzteres medikamentös gut kontrolliert) bzw. deren Auswirkungen auf seine Dienstfähigkeit bestreitet, kommt es darauf, wie er selbst zutreffend feststellt, nicht an. Denn die begrenzte Dienstfähigkeit folgt ausweislich der amtsärztlichen Feststellungen, auf die sich das beklagte Land und das Verwaltungsgericht insoweit gestützt haben, bereits aus den zuvor genannten chronischen Erkrankungen, die die psychische Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit des Klägers entsprechend einschränken.
36II. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor. Derartige Schwierigkeiten weist eine Rechtssache auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, das heißt überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Dies ist nach den vorstehenden Ausführungen zu verneinen.
37Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 10.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
38Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Referenzen
- VwGO § 124a 2x
- VwGO § 124 2x
- 2 BvR 2426/17 1x (nicht zugeordnet)
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- VwGO § 154 1x
- BeamtStG § 27 Begrenzte Dienstfähigkeit 2x
- §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG 4x (nicht zugeordnet)
- BeamtStG § 26 Dienstunfähigkeit 3x
- LBG § 33 1x