Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (7. Senat) - 7 B 10406/16, 7 D 10407/16
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes überwiegend ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 12. April 2016 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Prozessbevollmächtigten zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens wird abgelehnt.
– 7 B 10406/16.OVG –
II. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes überwiegend versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 12. April 2016 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
– 7 D 10407/16.OVG –
Gründe
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Die Antragstellerin reiste am 27. Juli 2010 mit ihrer Familie, d.h. ihrem Ehemann und ihren damals zwei Kindern, in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Familie hält sich seitdem ununterbrochen in der Bundesrepublik auf. Im März 2011 wurde ein weiteres Kind der Familie in Deutschland geboren. Alle Mitglieder der Familie besitzen die luxemburgische Staatsangehörigkeit. Nachdem die Familie nach eigenen Angaben zunächst in L. im Eigenheim der Eltern der Antragstellerin wohnte und von diesen auch finanziell unterstützt wurde, bewohnt die Familie seit Februar 2014 eine Mietwohnung in P..
- 2
Bei ihrer Einreise gab die Antragstellerin in ihrer „Aufenthaltsanzeige gemäß § 5 FreizügG/EU“ vom 2. August 2010 als Aufenthaltsgrund „Familienangehörige: Ehefrau von H.“ an (vgl. Bl. 3 der Verwaltungsakte – VA – ). Parallel dazu gab ihr Ehemann (der Antragsteller im Verfahren 7 B 10404/16.OVG und 7 D 10405/16.OVG) in seiner „Aufenthaltsanzeige gemäß § 5 FreizügG/EU“ vom gleichen Tag als Aufenthaltsgrund „Familienangehörige: Ehemann von W.“ und „Sonstige: arbeitsunfähig“ an (vgl. Bl. 3 der Verwaltungsakte zum Verfahren 7 B 10404/16.OVG). Auf mehrfache Nachfrage machte die Antragstellerin zu ihren „Freizügigkeitstatbeständen“ unter dem 20. April 2011 schließlich die Angabe: „Sonstige: Hausfrau + Mutter“ (vgl. Bl. 11 VA).
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Nach Mitteilung des zuständigen Jobcenters vom 12. Februar 2016 (vgl. Bl. 19 f. VA) stellte die Familie erstmals im Januar 2012 einen Antrag auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) – Grundsicherung für Arbeitsuchende –. Der Antrag sei mit Bescheid vom 14. März 2012 wegen Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II abgelehnt worden, da sich die Familie allein zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland aufgehalten und kein Bezug zum Arbeitsmarkt als Selbständige oder Arbeitnehmer bestanden habe und kein Daueraufenthaltsrecht erkennbar gewesen sei. Mit gleicher Begründung sei ein zweiter Leistungsantrag vom 23. Januar 2014 zurückgewiesen worden. Während die Antragstellerin mit der Beschwerde vorträgt, der Leistungsantrag aus dem Jahr 2012 sei zurückgenommen worden (vgl. Schriftsatz vom 23. April 2016, S. 4, Bl. 53 der Gerichtsakte – GA –), heißt es in der Mitteilung des Jobcenters vom 12. Februar 2016, die gegen die genannten Ablehnungsbescheide eingelegten Widersprüche seien zurückgewiesen worden (vgl. Bl. 19 VA).
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Die Antragstellerin übte in der Zeit vom 23. Juni 2014 bis 30. September 2014 – mithin etwas über drei Monate – eine Beschäftigung bei einer Reinigungsfirma aus. Am 7. August 2014 wurde ein weiterer Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt. Angesichts der vorgenannten Beschäftigung der Antragstellerin wurden mit Bescheid vom 14. November 2014 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis 30. September 2014 für die Bedarfsgemeinschaft, mit Ausnahme des ältesten Kindes, das sich seit dem 17. April 2014 in einer Pflegefamilie aufhält, bewilligt. Aufgrund eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Sozialgericht, in dem es darum ging, ob eine „unfreiwillige Arbeitslosigkeit“ der Antragstellerin und deshalb kein Leistungsausschluss vorliege, wurden Leistungen nach dem SGB II letztlich auch für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis 31. März 2015 bewilligt. Ein weiterer Leistungsantrag vom 13. März 2015 wurde zunächst abgelehnt und der hiergegen gerichtete Widerspruch zurückgewiesen. Das Jobcenter wurde sodann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durch das Sozialgericht verpflichtet, die Leistungen weiter zu bewilligen. Letztlich erfolgte die Weiterbewilligung für die Zeit vom 1. April 2015 bis 31. März 2016.
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Im Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 31. März 2016 bezog die Familie der Antragstellerin Leistungen in Höhe von insgesamt 31.987,38 € für Regeleistungen, Kosten der Unterkunft, Leistungen für Bildung und Teilhabe sowie für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge (vgl. Bl. 19R VA). Mithin beliefen sich die monatlichen Leistungen durchschnittlich auf knapp 1.600,00 € für die vierköpfige Bedarfsgemeinschaft. Die Antragstellerin und ihre Familien beziehen bis heute Sozialleistungen, die annähernd den gesamten Bedarf der Familie abzüglich des Einkommens aus der inzwischen aufgenommenen geringfügigen Beschäftigung der Antragstellerin (dazu unten) decken.
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Mit Schreiben vom 3. Februar 2016 wurden die Antragstellerin und ihr Ehemann durch den Antragsgegner zur beabsichtigten Verlustfeststellung angehört und ihnen Gelegenheit zur Äußerung bis zum 29. Februar 2016 eingeräumt (vgl. Bl. 17 f. VA). Mit Schreiben vom 24. Februar 2016 – eingegangen beim Antragsgegner am 29. Februar 2016 – teilte die Antragstellerin mit, dass sie eine Anstellung als Putzfrau gefunden habe und die Tätigkeit zum 26. Februar 2016 aufnehme (vgl. Bl. 20 VA). Aus dem im weiteren Verfahren vorgelegten Arbeitsvertrag vom 24. Februar 2016 (vgl. Bl. 24 ff. VA) ergibt sich, dass es sich um eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 SGB IV im Umfang von 10 Stunden (Winter) bzw. 6 Stunden (Sommer) bei einem Stundenlohn von 9,80 € handelt, die auf ein Jahr befristet ist und den Bestimmungen der Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerks unterliegt.
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Mit Bescheid vom 4. März 2016 stellte der Antragsgegner das Nichtbestehen bzw. den Verlust des Freizügigkeitsrechts fest (Nr. 1), forderte die Antragstellerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer gesetzten Frist zu verlassen (Nr. 2), drohte für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung an (Nr. 3), sprach für den Fall der Abschiebung ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot aus (Nr. 4) und ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheides an (Nr. 5).
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Auf Antrag der Antragstellerin hob das Verwaltungsgericht aufgrund einer unzureichenden Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO nur die Anordnung der sofortigen Vollziehung der unter Nr. 1 erfolgten Verlustfeststellung auf. Eine (weitergehende) Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Widerspruchs lehnte das Verwaltungsgericht mit der Begründung ab, dass die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung hier zulasten der Antragstellerin ausfalle, da die Verlustfeststellung des Antragsgegners offensichtlich rechtmäßig sei. Hinsichtlich der Verfügungen zu Nr. 2 (Ausreiseaufforderung) und Nr. 3 (Abschiebungsandrohung) wurde die aufschiebende Wirkung aufgrund der nicht (mehr) vollziehbaren Verlustfeststellung wiederhergestellt (Nr. 2) bzw. angeordnet (Nr. 3). Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt.
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Mit der Beschwerde macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend, sie übe seit dem 26. Februar 2016 eine Beschäftigung aus und könne sich deshalb auf die unionsrechtliche Freizügigkeitsberechtigung für Arbeitnehmer berufen. Hinsichtlich der davor liegenden Zeit sei festzustellen, dass aus der Inanspruchnahme von Sozialleistungen nicht ohne weiteres auf das Fehlen ausreichender Existenzmittel geschlossen werden dürfe. Es fehle an jeglichen Ausführungen dazu, ob – was Voraussetzung für die Annahme einer fehlenden Existenzsicherung sei - die in Anspruch genommenen Sozialleistungen „unangemessen“ seien. Hinzu komme, dass Sozialleistungen erst seit dem 1. August 2014 in Anspruch genommen worden seien und zuvor die Existenzsicherung durch die Unterstützung ihrer Eltern, die keine Sozialleistungen bezogen hätten, erfolgt sei. Im Ergebnis sei sie als Arbeitnehmerin freizügigkeitsberechtigt. Jedenfalls müsse die Interessenabwägung zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung führen, weil die Verlustfeststellung nicht offensichtlich rechtmäßig sei. Darüber hinaus sei die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts fehlerhaft, weil Eilrechtsschutz auch hinsichtlich der Verfügung zu Nr. 4 (befristetes Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbot für den Fall der Abschiebung) abgelehnt worden sei, obschon ein dahingehender Antrag gar nicht gestellt worden sei.
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Gleichzeitig hat die Antragstellerin Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe eingelegt und beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorliegende Beschwerdeverfahren.
I.
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1. Die Beschwerde der Antragstellerin, die sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 12. April 2016 wendet, soweit dort die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die mit Bescheid des Antragsgegners vom 4. März 2016 für sofort vollziehbar erklärte Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts abgelehnt worden ist, hat keinen Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat den darauf bezogenen Antrag im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Ausführungen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren, auf die sich die Prüfung des Senats nach § 146 Abs. 4 Satz 6 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – beschränkt, enthalten keine Gründe, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben ist (vgl. § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO). Die im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung muss hier insbesondere deshalb, weil die Verlustfeststellung des Antragsgegners offensichtlich rechtmäßig ist und das öffentliche Interesse, einen unangemessenen Sozialleistungsbezug zu beenden, das private Aufschiebungsinteresse deutlich überwiegt, zulasten der Antragstellerin ausfallen.
- 13
Die Voraussetzungen für eine Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2557) – FreizügG/EU – liegen vor. Danach kann der Verlust des Freizügigkeitsrechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt werden, wenn die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen sind oder (von Anfang an) nicht vorliegen, mithin zu keinem Zeitpunkt bestanden haben (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 1 C 22/14 –, juris, Rn. 15 unter Verweis auf BT-Drucks. 18/2581, S. 16). Die genannte Fünfjahresfrist bezieht sich darauf, dass nach Ablauf eines rechtmäßigen fünfjährigen ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet ein Daueraufenthaltsrecht erworben wird. Die Möglichkeit zur Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU erlischt mit dem Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU, weil sodann ein Recht auf Einreise und Aufenthalt gerade unabhängig vom weiteren Vorliegen einer Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 1 C 22/14 –, juris, Rn. 16).
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Der Antragstellerin steht jedoch weder ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU zu (a.) noch kann sie sich unter Berücksichtigung, dass für die rechtliche Beurteilung der Feststellung des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts – wie für andere aufenthaltsrechtliche Entscheidungen, die Grundlage einer Aufenthaltsbeendigung sein können – grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgeblich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 1 C 22/14 –, juris, Rn. 11), aktuell auf eine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU berufen (b.).
- 15
a. Die Antragstellerin hat im Bundesgebiet kein Daueraufenthaltsrecht erworben. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verweist der Senat insoweit zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss. Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen hierzu ist lediglich wie folgt zu ergänzen:
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Das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts setzt unionsrechtlich voraus, dass der Betroffene während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen erfüllt hat. Mithin müssen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG während eines zusammenhängenden Zeitraumes von fünf Jahren erfüllt worden sein, wobei diese Zeitspanne nicht der Zeitraum vor der letzten mündlichen Verhandlung oder Tatsacheninstanz sein muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 1 C 22/14 –, juris, Rn. 17, m.w.N.).
- 17
Soweit mit der Beschwerde hierzu insbesondere der Zeitraum unmittelbar nach der Einreise am 27. Juli 2010 und damit bis zum 26. Juli 2015 in den Blick genommen wird, ergibt sich offensichtlich keine Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren, in der ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen erfüllt waren.
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Bezogen auf eine Freizügigkeitsberechtigung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU für nicht erwerbstätige Unionsbürger sind die hierfür zu erfüllenden Voraussetzungen nach § 4 FreizügG/EU jedenfalls nicht über einen ausreichend langen Zeitraum erfüllt. Nach dem hier heranzuziehenden § 4 Satz 1 FreizügG/EU sind nicht erwerbstätige Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, freizügigkeitsberechtigt, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Dabei kann es an dieser Stelle offen bleiben, ob die nach eigenem Vortrag seit 2012 bis zum Beginn des Sozialleistungsbezugs (ab 1. August 2014) erfolgte finanzielle Unterstützung durch die Eltern der Antragstellerin der Annahme ausreichender Existenzmittel entgegensteht und ob sich die seit dem 1. August 2014 in Anspruch genommenen Sozialleistungen als „unangemessen“ im unionsrechtlichen Sinne darstellen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 1 C 22/14 –, juris, Rn. 21). Denn jedenfalls seitdem die Antragstellerin und ihre Familie Sozialleistungen in Anspruch nehmen (ab 1. August 2014), die mangels anderweitiger sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung der Antragstellerin oder ihres Ehemanns auch die Beiträge für die Krankenversicherung umfassen (vgl. dazu auch Bl. 19R VA), fehlt es an dem von § 4 Satz 1 FreizügG/EU vorausgesetzten ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Auch für die Zeit davor fehlt es trotz ausdrücklicher Aufforderung, einen Krankenversicherungsnachweis vorzulegen (vgl. Schreiben des Antragsgegners vom 22. März 2011, Bl. 8 VA), an einem Beleg für einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Mithin lagen die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU – auch ungeachtet des fehlenden Nachweises und der anderen strittigen Punkte – bestenfalls bis zum 31. Juli 2014 vor.
- 19
Weiter zu berücksichtigen und zusätzliche Zeiten begründend ist die Freizügigkeitsberechtigung der Antragstellerin aufgrund ihrer Beschäftigung als Reinigungskraft vom 23. Juni 2014 bis 30. September 2014 nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU. Allerdings werden Zeiten, in denen ein Unionsbürger mehrere Freizügigkeitsgründe gleichzeitig erfüllt – wobei dies im Verhältnis von § 2 Abs. 2 Nr. 1 und § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU denknotwendig ausgeschlossen ist –, bei der Betrachtung, ob fünf Jahr ununterbrochen ein Freizügigkeitsrecht bestanden hat, selbstredend nicht addiert, da es allein darauf ankommt, dass während einer Periode von fünf Jahren ein Freizügigkeitsrecht bestanden hat. Mithin würde sich die freizügigkeitsberechtigte Aufenthaltszeit – ausgehend von den vorangehenden Ausführungen und den dort zugunsten der Antragstellerin aufgestellten Annahmen bei § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU – durch die Einbeziehung der Beschäftigung als Reinigungskraft im Jahr 2014 bis zum 30. September 2014 verlängern. Auf ein Fortbestehen des Freizügigkeitsrechts trotz Arbeitslosigkeit nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU kann sich die Antragstellerin – unabhängig davon, ob eine Unfreiwilligkeit im Sinne dieser Norm vorlag – nicht berufen, da sie die Mindestbeschäftigungszeit von einem Jahr nicht erfüllt hat.
- 20
Selbst wenn man zugunsten der Antragstellerin unterstellen würde, dass es sich seinerzeit um eine unfreiwillige Arbeitslosigkeit gehandelt habe, bliebe das Freizügigkeitsrechts auch gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU nur für die Dauer von sechs Monaten unberührt und führte dazu, dass die Antragstellerin sich bis zum 31. März 2015 freizügigkeitsberechtigt in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat (weiterhin unter den zugunsten der Antragstellerin aufgestellten Annahme, dass bis zur Aufnahme der Beschäftigung am 23. Juni 2014 bzw. bis zum 31. Juli 2014 überhaupt die Voraussetzungen nach § 4 FreizügG/EU vorlagen).
- 21
Soweit damit ausgehend von Vorgenanntem die hier zugunsten der Antragstellerin auf § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU gestützte Fortwirkungsdauer damit zum 31. März 2015 aus liefe, würde sich nicht erneut der Zeitraum von sechs Monaten zur Arbeitsuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU anschließen, sondern der Zeitraum der Fortwirkung würde auf die Arbeitsuche angerechnet (vgl. Bergmann/Dienelt Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 2 FreizügG/EU Rn. 105). Eine sich daran anschließende weitere Freizügigkeitsberechtigung für Arbeitssuchende nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU über sechs Monate hinaus scheidet vorliegend aus, da es an jeglichem Nachweis gefehlt hat, dass die Antragstellerin weiterhin Arbeit gesucht hat und begründete Aussicht darauf hatte, eingestellt zu werden. Im Gegenteil war angesichts ihrer eigenen Angaben in der Aufenthaltsanzeige bei der Einreise (vgl. Bl. 3 VA), ihren später benannten Freizügigkeitsgründen („Hausfrau und Mutter“, vgl. Bl. 11 VA) und vor allem aufgrund der nach Aktenlage fehlenden nachhaltigen eigenen Bemühungen um Arbeit (vgl. dazu E-Mail Verkehr vom 23. Februar 2016, Bl. 13 f. VA) sogar mehr als fraglich, ob die Antragstellerin überhaupt als Arbeitsuchende qualifiziert werden konnte.
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Eine auf § 2 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 3 und § 4 FreizügG/EU gestützte (abgeleitete) Freizügigkeitsberechtigung ist auch nicht gegeben, weil keiner der nach § 3 FreizügG/EU zu berücksichtigen Familienangehörigen für sich einen Freizügigkeitsgrund nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 5 FreizügG/EU beanspruchen kann. Hinsichtlich § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU gilt für die anderen Familienangehörigen das zur Antragstellerin Gesagte. Der Ehemann der Antragstellerin ist darüber hinaus insbesondere nicht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 1a FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Dies folgt bereits daraus, dass er selbst in seiner Aufenthaltsanzeige bei seiner Einreise angegeben hat, arbeitsunfähig zu sein (vgl. Bl. 3 der Verwaltungsakte zum Verfahren 7 B 10404/16.OVG), und sich aus den Verwaltungsakten zudem ergibt, dass er laut amtsärztlichen Gutachten vom 24. Juni 2015 dem Arbeitsmarkt dauerhaft nicht als Arbeitskraft zur Verfügung stehe (vgl. dazu E-Mail Verkehr vom 23. Februar 2016, Bl. 13 f. VA). Weitere Freizügigkeitstatbestände sind weder für die Antragstellerin noch ihre Familienangehörigen ersichtlich.
- 23
Mithin kann die Antragstellerin zusammenfassend gestützt auf § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4, § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 2 Abs. 3 Satz 2 und § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU bestenfalls ein ununterbrochen bestehendes Freizügigkeitsrecht bis zum 31. März 2015 beanspruchen und erreicht damit nicht die erforderliche Zeit von fünf Jahren. Dabei ist nochmals darauf hinzuweisen, dass es auch bezügliches dieses Zeitraums, der weitegehend auf § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU gestützt werden müsste, an Nachweisen über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz fehlt. Ein Verschieben des Betrachtungszeitraums auf die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung zurückliegenden fünf Jahre führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Denn selbst wenn man zugunsten der Antragstellerin ihre Tätigkeit seit dem 26. Februar 2016 unter die Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU fassen würde (dazu unter b.), bleibt eine Lücke ohne bestehenden Freizügigkeitsgrund vom 1. April 2015 bis zum 25. Februar 2016.
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b. Im Ergebnis zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch angenommen, dass die von der Antragstellerin zum 26. Februar 2016 aufgenommene Beschäftigung als geringfügig beschäftigte Reinigungskraft ihr keine aktuelle Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU vermittelt. Zwar ist der Antragstellerin die unionsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft mit der Begründung fehlender Angaben zu ihrer Motivation oder ihrem bisherigen Erwerbsverhalten nicht offensichtlich abzusprechen (aa.). Jedoch ergibt sich aus einer – vom Verwaltungsgericht letztlich bei der Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft verorteten – Gesamtschau, dass sich die Geltendmachung eines auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU gestützten Freizügigkeitsrechts hier als rechtsmissbräuchlich darstellt (bb.).
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aa. Dem hier heranzuziehenden Begriff des Arbeitnehmers nach Art. 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – kommt eine für das Unionsrecht autonome Bedeutung zu. Er ist nach objektiven Kriterien zu definieren und darf, da er den Anwendungsbereich einer von den Verträgen garantierten Grundfreiheit festlegt, nicht eng ausgelegt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 23. März 1982 – Rs. C-53/81 – Levin, NJW 1983, 1249 [1249 f.]; Urteil vom 6. November 2003 – Rs. C-413/01 – Ninni-Orasche, Rn. 23 f., NZA 2004, 87 [88]; Urteil vom 4. Februar 2010 – Rs. C-14/09 – Genc, juris, Rn. 19; jeweils m.w.N.).
- 26
Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2003 – Rs. C-413/01 – Ninni-Orasche, a.a.O., Rn. 24.; Urteil vom 4. Februar 2010 – Rs. C-14/09 – Genc, juris, Rn. 19; jeweils m.w.N.). Als Arbeitnehmer ist damit jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen (vgl. EuGH, Urteil vom 23. März 1982 – Rs. C-53/81 – Levin, NJW 1983, 1249 [1250]; Urteil vom 6. November 2003 – Rs. C-413/01 – Ninni-Orasche, Rn. 26, NZA 2004, 87 [88]; Urteil vom 4. Februar 2010 – Rs. C-14/09 – Genc, juris, Rn. 19).
- 27
Dabei hat allerdings weder die begrenzte Höhe der Vergütung noch die Herkunft der Mittel für diese Vergütung oder der Umstand, dass der Betreffende die Vergütung durch andere Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts wie eine aus öffentlichen Mitteln des Wohnmitgliedstaats gezahlte finanzielle Unterstützung zu ergänzen sucht, irgendeine Auswirkung auf die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 – Rs. C-14/09 – Genc, juris, Rn. 20, 25 m.w.N.).
- 28
Auch der Umstand, dass im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses nur wenige Arbeitsstunden geleistet werden, schließt die Arbeitnehmereigenschaft nicht zwangsläufig aus (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 – Rs. C-14/09 – Genc, juris, Rn. 25 m.w.N.). Zwar kann der Umstand, dass im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nur sehr wenige Arbeitsstunden geleistet werden, ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die ausgeübten Tätigkeiten nur untergeordnet und unwesentlich sind, doch lässt es sich unabhängig von der begrenzten Höhe des aus einer Berufstätigkeit bezogenen Entgelts und des begrenzten Umfangs der insoweit aufgewendeten Arbeitszeit nicht ausschließen, dass die Tätigkeit aufgrund einer Gesamtbewertung des betreffenden Arbeitsverhältnisses die Arbeitnehmereigenschaft begründet (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 – Rs. C-14/09 – Genc, juris, Rn. 26 m.w.N.).
- 29
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sind bei der Gesamtbewertung des Arbeitsverhältnisses neben Arbeitszeit und Vergütung beispielweise auch Aspekte wie der Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrags oder auch die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses berücksichtigungsfähig (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 – Rs. C-14/09 – Genc, juris, Rn. 27). In dem durch den Europäischen Gerichtshof konkret zu Entscheidung stehenden Fall, in dem die dortige Klägerin eine wöchentliche Arbeitszeit von 5,5 Stunden hatte, das Arbeitsverhältnis bei demselben Unternehmen beinahe vier Jahre bestanden hat und auch die anderen zuvor genannten Aspekte erfüllt waren, sah das Gericht Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine tatsächliche und echte Tätigkeit handeln könnte (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 – Rs. C-14/09 – Genc, juris, Rn. 27 f.).
- 30
Für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft sind hingegen Umstände, die sich auf das Verhalten des Betroffenen vor oder nach seiner Beschäftigungszeit beziehen, nicht berücksichtigungsfähig. Solche Umstände stehen in keiner Beziehung zu den objektiven Kriterien, anhand derer der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zu charakterisieren ist (vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2003 – Rs. C-413/01 – Ninni-Orasche, Rn. 28, NZA 2004, 87 [88]).
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Ausgehend davon ist bezüglich der am 26. Februar 2016 aufgenommenen Beschäftigung der Antragstellerin festzustellen, dass vor allem die geringe wöchentliche Arbeitszeit zwischen 6 und 10 Stunden Anhaltspunkt dafür ist, dass die ausgeübten Tätigkeiten nur untergeordnet und unwesentlich sind. Gleichzeitig kommt der einschlägige Tarifvertrag zur Anwendung, die Antragstellerin hat den tariflichen Urlaubsanspruch und Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Diese Gesichtspunkte sprechen für die Annahme einer tatsächlichen und echten Tätigkeit. Im Vergleich zu dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall kann sich die Antragstellerin nicht auf eine langjährige Beschäftigungsdauer als weiteres Indiz für eine tatsächliche und echte Tätigkeit berufen. Allerdings handelt es sich dabei nur um einen weiteren Aspekt, der nach Ansicht des Senats zwar durchaus gewichtig ist, weil er ein Gegengewicht zur nicht selten anzutreffenden Unstetigkeit bei sehr geringen Beschäftigungsumfängen darstellt, jedoch nicht im Sinne einer Nachhaltigkeitsvoraussetzung konstitutiv für die Annahme einer tatsächlichen und echten Tätigkeit wirkt. Jedoch kann es durchaus sein, dass eine zunächst noch als völlig untergeordnet und unwesentlich zu qualifizierende Tätigkeit durch eine langjährige Betätigung im Zuge der anzustellenden Gesamtschau in ein echtes Arbeitsverhältnis im Sinne des Unionsrechts hineinwächst.
- 32
Nicht berücksichtigungsfähig bei der Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft ist vorliegend, aufgrund welcher Motivation die Antragstellerin nach so langer Zeit der Erwerbslosigkeit ihre Beschäftigung zum 26. Februar 2016 aufgenommen hat. Insoweit handelt es sich nicht um objektive Kriterien des Arbeitsverhältnisses, sondern um das Verhalten vor der Aufnahme der hier zu qualifizierenden Tätigkeit und subjektive Beweggründe der Antragstellerin.
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Ob die zum 26. Februar 2016 aufgenommene Beschäftigung der Antragstellerin in der Gesamtschau als tatsächliche und echte Tätigkeit anzusehen ist oder die ausgeübten Tätigkeiten nur völlig untergeordnet und unwesentlich sind, lässt sich im vorliegenden Eilverfahren weder in die eine noch in die andere Richtung eindeutig beantworten. Die Arbeitnehmereigenschaft kann der Antragstellerin jedenfalls nicht offensichtlich abgesprochen werden.
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bb. Selbst wenn man zugunsten der Antragstellerin im Weiteren unterstellt, dass ihre Beschäftigung seit dem 26. Februar 2016 die unionsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft begründet, kann sie sich dennoch nicht auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen, weil sich die Geltendmachung eines auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU gestützten Freizügigkeitsrechts hier als rechtsmissbräuchlich darstellt und das Unionsrecht nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes bei rechtsmissbräuchlichen Praktiken keine Anwendung findet (vgl. nur EuGH, Urteil vom 12. März 2014 – C-456/12 – O. und B., juris, Rn. 58 m.w.N.; Urteil vom 21. Juni 1988 – 39/86 – Lair, juris, Rn. 43).
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Der Nachweis eines Missbrauchs setzt zum einen voraus, dass eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der unionsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht wurde, und zum anderen ein subjektives Element vorliegt, nämlich die Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden (vgl. EuGH, Urteil vom 12. März 2014 – C-456/12 – O. und B., juris, Rn. 58 m.w.N.).
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Ausgehend davon und von einer gebotenen Gesamtschau, die indes abweichend von der den Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit bestimmenden Prüfung des Arbeitnehmerbegriffs nicht beschränkt ist, sondern sämtliche Aspekte zu umfassen hat, sieht der Senat im Verhalten der Antragstellerin ein missbräuchliches Handeln. Mit der Aufnahme der Tätigkeit zum 26. Februar 2016 liegt zur Überzeugung des Senats nur eine formale Erfüllung der Mindestvoraussetzungen der Freizügigkeit vor, die dem Sinn und Zweck der Unionsbürgerrichtlinie nicht entspricht, sondern lediglich das Ziel verfolgt, sich dadurch soziale Vorteile des Unionsrechts zu verschaffen.
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Das seit ihrer Einreise offenbarte Verhalten der Antragstellerin und ihres Ehemanns offenbaren, dass der Aufenthalt der Familie zu keinem Zeitpunkt auf eine ernsthafte erwerbswirtschaftliche Betätigung ausgerichtet war und jedenfalls spätestens seit Mitte 2014 allein das Ziel verfolgt wird, den Bedarf der Familie ganz oder zumindest größtenteils durch staatliche Sozialleistungen zu decken. Soweit die Antragstellerin aktuell eine geringfügige Beschäftigung ausübt, zeigt die Gesamtwürdigung des bisherigen Verhaltens, dass es allein darum geht, die formalen Voraussetzungen für ein Freizügigkeitsrecht willkürlich zu schaffen, um sich angesichts der angekündigten bzw. zwischenzeitlich verfügten Verlustfeststellung weiterhin einen Anspruch auf Sozialleistungen in erheblichem Umfang zu erhalten. Dies ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:
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Bei ihrer Einreise im Jahr 2010 gaben die Antragstellerin und ihr Ehemann als Aufenthaltsgrund jeweils „Familienangehöriger“ unter Bezugnahme auf den jeweils anderen an, der Ehemann zusätzlich, dass er arbeitsunfähig sei. Erst auf mehrfache Aufforderung durch den Antragsgegner wurden im April 2011 weitere Erklärungen abgegeben, die jedoch ebenfalls keinen Freizügigkeitstatbestand jenseits der Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU für nicht erwerbstätige Unionsbürger unter den zusätzlichen Voraussetzungen nach § 4 FreizügG/EU enthielten, wobei die Antragstellerin und ihr Ehemann trotz ausdrücklicher Aufforderung auch die für § 4 FreizügG/EU erforderlichen Nachweise zu keiner Zeit vorgelegt haben. Konkret gab die Antragstellerin an, Hausfrau und Mutter zu sein, und der Ehemann wies erneut auf seine Arbeitsunfähigkeit hin. Dies belegt bereits, dass die Antragstellerin und ihre seinerzeit immerhin vierköpfige Familie ohne Erwerbsabsicht und letztlich auch nur bedingten Erwerbsaussichten in die Bundesrepublik eingereist sind. Zwar war die Einreise ausweislich des weiteren zeitlichen Ablaufs, in dem erstmals im Jahr 2012 ein Antrag auf Sozialleistungen gestellt wurde, nicht von vornherein auf den Bezug sozialer Vorteile gerichtet. Fest steht aber, dass die Antragstellerin und ihre Familie erstmals im Jahr 2012 einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt haben, der seinerzeit aufgrund des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II abgelehnt wurde, und erst nach Aufnahme einer im Ergebnis nur etwas über drei Monate anhaltenden Beschäftigung der Antragstellerin vom 23. Juni 2014 bis zum 30. September 2014 nunmehr seit dem 1. August 2014 Leistungen gewährt werden.
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Soweit die kurzeitige Aufnahme einer Beschäftigung und das damit gleichsam erreichte Überwinden eines Sozialleistungsausschlusses zwar auffällig sind, aufgrund der Möglichkeit des Bestehens anderer Gründe die zeitnahe Beendigung und der Zusammenhang mit der Sozialleistungsbezug für sich genommen jedoch nicht überbewertet werden dürfen, ergibt sich dennoch ein schlüssiges Gesamtbild, wenn man die sich anschließenden Bemühungen der Antragstellerin um eine Arbeitsstelle einbezieht. Nach Einschätzung des Jobcenters hat sich die Antragstellerin nämlich „ausweislich der Unterlagen nie aus eigenen Kräften nachhaltig um eine Arbeit bemüht“ und den bisherigen Eingliederungsvereinbarungen teilweise nicht Folge geleistet. So sei die Antragstellerin zuletzt aufgrund der Eingliederungsvereinbarung vom 15. Oktober 2015 verpflichtet gewesen, im Turnus von zwei Monaten jeweils drei Bewerbungsbemühungen vorzulegen; dieser Verpflichtung sei sie nicht nachgekommen (vgl. E-Mail Verkehr vom 23. Februar 2016, Bl. 13 f. VA). Einem Zeitraum von über fünfeinhalb Jahren bis zur Aufnahme der aktuellen Tätigkeit stehen damit eine dreimonatige Beschäftigung und die Teilnahme an einer Aktivierungsmaßnahme im Umfang von zweieinhalb Monaten gegenüber. Bezieht man sodann die Angaben der Antragstellerin und ihres Ehemannes bei ihrer Einreise mit ein, verfestigt sich das Bild, dass der Aufenthalt nicht auf eine echte, nachhaltige Erwerbstätigkeit angelegt war oder ist und damit auch letztlich dauerhaft weder beabsichtigt noch zu erwarten ist, dass die Antragstellerin oder ihr Ehemann einen substanziellen Beitrag zum Bedarf ihrer vierköpfigen Bedarfsgemeinschaft beisteuern.
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Zur Überzeugung des Senats ist ein sowohl objektiv als auch subjektiv rechtsmissbräuchliches Verhalten gegeben. Wesentliche Elemente der Überzeugungsbildung sind dabei vor allem das dokumentierte generelle Fehlen eigenen Bemühens um eine Arbeitsstelle aber die dennoch (plötzlich) erfolgte Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer drohenden Verlustfeststellung, die darüber hinaus definitiv am unteren Rand dessen liegt, was überhaupt noch die Annahme einer Arbeitnehmereigenschaft zulassen kann. Verstärkt wird das sich daraus als rechtsmissbräuchliches Verhalten abzeichnende Gesamtbild weiter, weil die Antragstellerin schon einmal eine kurzzeitige Beschäftigung aufgenommen hat und dadurch schon einmal ein entsprechendes (Sozialleistungs-)Hindernis überwunden hat – und zwar ohne ersichtliches Bemühen im Anschluss an die kurzzeitige Beschäftigung wieder Arbeit zu finden.
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Das Beschwerdevorbringen, die Antragstellerin habe die Tätigkeit aufgenommen, weil sie als Bezieherin von Leistungen nach dem SGB II gesetzlich gehalten sei, jede Möglichkeit zu nutzen, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden, kann angesichts des zuvor dargestellten Gesamtbildes letztlich nur als untauglicher Versuch gewertet werden, das als rechtsmissbräuchlich zu beurteilenden Verhalten nachträglich und letztlich auch im Widerspruch zur bisherigen Erwerbs(losen)biografie zu erklären.
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c. Der Antragstellerin steht aktuell auch keine Freizügigkeitsberechtigung aus § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU zu. Es fehlt insoweit jedenfalls an einer ausreichenden Krankenversicherung, da die Antragstellerin aufgrund ihrer geringfügigen Beschäftigung nicht automatisch krankenversichert ist und die Beiträge für die Krankenversicherung weiterhin aus den Leistungen nach dem SGB II abgedeckt werden.
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Darüber hinaus fehlt es auch unter Einbeziehung der Einkünfte aus der geringfügigen Beschäftigung an den von § 4 FreizügG/EU ebenfalls vorausgesetzten ausreichenden Existenzmitteln. Der Sozialleistungsbezug der Antragstellerin und ihrer Familie stellt sich als „unangemessen“ im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dar.
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Ausreichende Existenzmittel sind solche, die sicherstellen, dass der Freizügigkeitsberechtigte die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaats nicht in Anspruch nehmen muss. Zu berücksichtigen ist hierbei allerdings, dass die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen nicht automatisch einen Verlust des Freizügigkeitsrechts zu begründen vermag. Da auch insoweit mit Blick auf die sich der Verlustfeststellung anschließenden Pflicht, die Bundesrepublik zu verlassen, die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit zu wahren sind, ist vielmehr eine unangemessene Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen erforderlich. Zwar kann der Umstand, dass ein nicht erwerbstätiger Unionsbürger zum Bezug von Sozialhilfeleistungen berechtigt ist, einen Anhaltspunkt dafür darstellen, dass er nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt. Insbesondere dem 10. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38/EG ist jedoch zu entnehmen, dass die Voraussetzung der Existenzsicherung vor allem verhindern soll, dass die hierin genannten Personen die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch nehmen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 1 C 22/14 –, juris, Rn. 21, mit Nachweisen zur Rechtsprechung des EuGH). Nach dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38/EG sollte der Aufnahmemitgliedstaat dazu „prüfen, ob es sich bei dem betreffenden Fall um vorübergehende Schwierigkeiten handelt, und die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen Umstände und den gewährten Sozialhilfebetrag berücksichtigen“. Von einer unangemessenen Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen kann zudem nicht ohne eine umfassende Beurteilung der Frage ausgegangen werden, welche Belastung dem nationalen Sozialhilfesystem in seiner Gesamtheit aus der Gewährung dieser Leistung nach Maßgabe der individuellen Umstände, die für die Lage des Betroffenen kennzeichnend sind, konkret entstünde (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 1 C 22/14 –, juris, Rn. 21 unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 19. September 2013 – C-140/12 – Brey, Rn. 67).
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Dies zugrunde gelegt handelt es sich hier um einen unangemessenen Sozialleistungsbezug. Der Grund für den Sozialleistungsbezug ist nicht von vorübergehender Natur. Angesichts des Ausbildungsstandes der Antragstellerin, ihrer bisherigen Erwerbsbiografie und der Arbeitsunfähigkeit ihres Ehemanns ist nicht ansatzweise damit zu rechnen, dass der Bedarf der vierköpfigen Bedarfsgemeinschaft vollständig oder auch nur weitgehend aus einem zu erzielenden Einkommen der Antragstellerin gedeckt werden kann. Wie der Antragsgegner in dem angegriffenen Bescheid zutreffend ausgeführt hat, ist auf unbestimmte Zeit davon auszugehen, dass die Hilfegewährung fortgesetzt werden muss. Hinsichtlich des Umfangs des Sozialleistungsbezugs ist festzustellen, dass dieser im Zeitraum vom 1. August 2014 bis 31. März 2016 mit 31.987,38 € zu beziffern ist und für Regeleistungen, Kosten der Unterkunft, Leistungen für Bildung und Teilhabe sowie für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge aufgewandt wurde (vgl. Bl. 19R VA). Mithin beliefen sich die monatlichen Leistungen durchschnittlich auf knapp 1.600,00 € und deckten damit (wohl) den gesamten Bedarf. Die monatlichen Hilfeleistungen liegen aufgrund der inzwischen aufgenommenen Beschäftigung der Antragstellerin aktuell darunter, belaufen sich jedoch weiterhin auf durchschnittlich etwa 1.260,00 €, wenn man die mittlere wöchentliche Stundenzahl der Antragstellerin (10 Stunden im Winter, 6 Stunden im Sommer) mit dem vereinbarten Stundenlohn von 9,80 € auf ein Jahr hochrechnet und gleichmäßig auf 12 Monate verteilt. Mithin wird der Bedarf einer vierköpfigen Familie lediglich im Umfang von durchschnittlich etwa 340,00 € im Monat aus eigenem Einkommen gedeckt und im Übrigen Sozialleistungen des Staates in Anspruch genommen.
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Ist nunmehr weiter zu berücksichtigen, welche Belastung dem nationalen Sozialhilfesystem in seiner Gesamtheit aus der Gewährung dieser Leistung nach Maßgabe der individuellen Umstände, die für die Lage des Betroffenen kennzeichnend sind, konkret entstünde, kann es nicht darauf ankommen, die der Antragstellerin und ihrer Bedarfsgemeinschaft gewährten Sozialleistungen ins Verhältnis zur Gesamtheit der Sozialleistungen der Bundesrepublik Deutschland zu setzen. Vielmehr ist die für den Betroffenen kennzeichnende Lage zu abstrahieren und die Belastung für das nationale Sozialhilfesystem in seiner Gesamtheit zu bewerten, die entstünde, wenn jeder Unionsbürger in einer so gekennzeichneten Lage eine ausreichende Existenzsicherung und damit (mittelbar) weiterhin den Bezug der zu untersuchenden Sozialleistungen für sich beanspruchen könnte. Nur bei dieser Betrachtung zeigen sich die (drohenden) Belastungen für das nationale Sozialhilfesystem in seiner Gesamtheit. Bezogen auf den vorliegenden Fall geht es demnach um zurückliegende und weiter für eine unbestimmte Zeit zu gewährende Sozialleistungen für eine vierköpfige Bedarfsgemeinschaft. Die Hilfeleistungen haben zeitweise den gesamten Lebensbedarf für vier Personen abgedeckt und würden angesichts der begründeten Erwartung, dass auch die allein erwerbsfähige Antragstellerin auf unabsehbare Zeit allenfalls nur geringfügige Einkünfte erzielen kann, weiterhin in erheblichem Umfang zu leisten sein. Dass es eine in jeder Hinsicht unangemessene Belastung für das nationale Sozialhilfesystem in seiner Gesamtheit bedeuten würde, wenn man es letztlich für sämtliche Unionsbürger in der Lage der Antragstellerin und ihrer Familie öffnen würde und damit faktisch beinahe so etwas wie eine „Sozialleistungsfreizügigkeit“ begründete, bedarf keiner weiteren Erörterung. Geht es doch mit Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG, der die Anforderungen an ausreichende Existenzmittel formuliert, gerade darum, nicht erwerbstätige Unionsbürger daran zu hindern, das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats – wie hier – zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts in Anspruch zu nehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 2014 – Rs. C-333/13 – Dano, juris, Rn. 76).
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d. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt vorliegend das Interesse der Antragstellerin, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren von den Wirkungen der angegriffenen Verfügung verschont zu bleiben. Dabei ist es von besonderem Gewicht, dass sich der mit Bescheid vom 4. März 2016 festgestellte Verlust des Freizügigkeitsrechts als offensichtlich rechtmäßig erweist und die Antragstellerin – ebenso wie ihr Ehemann und ihre Kinder, gegenüber denen gleichlautende Verfügungen ergangen sind und dementsprechend eine Vollziehung unter Wahrung der Belange aus Art. 6 GG gewährleistet ist – für die Dauer des Verfahrens weiterhin unangemessene Sozialleistungen in Anspruch nehmen würden. Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass die Antragstellerin durch rechtsmissbräuchliches Verhalten versucht hat, einen weiteren Aufenthalt für sich und ihre Familie zu sichern und sich dadurch den Anspruch auf Sozialleistungen zu erhalten. Gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse hat das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin zurück zu treten. Der Senat verkennt nicht, dass die Ausreise mit Belastungen verbunden ist und beispielsweise die Kinder die Schule wechseln müssen. Gleichzeitig ist jedoch zu sehen, dass insbesondere die Möglichkeiten der Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Hauptsacherechtsschutzes aus dem benachbarten Luxemburg nicht wesentlich erschwert werden und auch für den – wie dargelegt unwahrscheinlichen – Fall eines Obsiegens der Antragstellerin in der Hauptsache keine unumkehrbaren Fakten geschaffen werden; dies gilt explizit auch hinsichtlich der aktuellen Beschäftigungssituation.
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e. Darüber hinaus bedarf es mangels einer hiergegen gerichteten Beschwerde keiner Entscheidung darüber, ob bei einer Verletzung allein der formellen Begründungspflicht nach § 80 Abs. 3 VwGO – wie hier – nur diese aufgehoben werden kann, anstatt (weitergehend) die aufschiebende Wirkung insgesamt wiederherzustellen.
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2. Soweit auch die Kostenentscheidung mit der Begründung angegriffen wird, das Verwaltungsgericht habe insoweit eine unzutreffende Entscheidung getroffen, weil ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Nr. 4 der Verfügung vom 4. März 2016 (befristetes Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbot für den Fall der Abschiebung) nicht gestellt und dennoch mit der entsprechenden für sie nachteiligen Kostenfolge abweisend beschieden worden sei, kann dahinstehen, ob die Beschwerde insoweit nach § 158 Abs. 1 VwGO zulässig ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1993 – 8 C 32.92 –, juris, Rn. 10).
- 50
Die Kostenentscheidung ist auch unter der Annahme, das Verwaltungsgericht habe über einen Antrag entschieden, der nicht gestellt worden sei, nicht zu beanstanden. Dies folgt im Ergebnis daraus, dass die Entscheidung hinsichtlich der Verfügung zu Nr. 4 weder den Streitwert erhöht noch die Kostenquote beeinflusst. Die Verlustfeststellung führt ebenso wie die Ausweisung zur Beendigung des Aufenthaltsrechts und begründet eine Verlassenspflicht. Mithin stellen die weiteren Maßnahmen, einschließlich der Abschiebungsandrohung und auch der Entscheidung über ein (befristetes) Wiedereinreiseverbot, davon abhängige Maßnahmen dar, die – wenn sie mit der Verlustfeststellung zusammen angefochten werden – den Streitwert nicht erhöhen (vgl. zur Ausweisung Nr. 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, LKRZ 2014, 169). Dementsprechend ist auch das Verwaltungsgericht offensichtlich von einem einheitlichen Hauptsachestreitwert von 5.000,00 € ausgegangen und hat – wie im Aufenthaltsrecht üblich – hiervon ¾ im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes angesetzt. Ausgehend davon ist die ausgesprochene Kostenquote von 2/3 zu 1/3 nicht zu beanstanden, die nämlich nicht rechnerisch auf den Erfolg bzw. Misserfolg der einzelnen Anträge zurückgeht, sondern die Erfolgsquote bezogen auf den das Interesse der Antragstellerin abbildenden Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gegen die Verlustfeststellung darstellt. Da die Antragstellerin insoweit lediglich die Aufhebung der Anordnung des Sofortvollzugs erreicht hat, während die materielle Interessenabwägung zugunsten des öffentlichen Vollzugsinteresses ausfällt und die aufschiebende Wirkung gerade nicht wiederherzustellen ist, ist die ausgesprochene Kostenquote nicht zu beanstanden. Die Folgeentscheidungen zu Nrn. 2 bis 4 der Verfügung sind bezogen auf die Kostenquote letztlich nicht maßgeblich.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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4. Die Entscheidung über die Höhe des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (LKRZ 2014, 169). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerde – nachdem das Verwaltungsgericht die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben hat – allein darauf gerichtet ist, darüber hinaus auch die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. Wie auch in der Kostenquote des Verwaltungsgericht zum Ausdruck kommend setzt der Senat deshalb für die (lediglich) weitergehend begehrte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nur 2/3 des sonst für diese Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes herangezogenen Streitwerts von 3.750,00 € (entspricht ¾ des Hauptsachestreitwerts von 5.000,00 €) an. Mithin beträgt der Streitwert 2.500,00 €.
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5. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Prozessbevollmächtigten zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens wird abgelehnt. Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Vorliegend bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den unter Nr. 1 genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
II.
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Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes überwiegend versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 12. April 2016 ist unbegründet.
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Infolge der Zurückweisung der Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes überwiegend ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 12. April 2016 (siehe oben unter I.) ist dieser Teil des Beschlusses unanfechtbar geworden. Damit steht fest, dass der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keine Erfolgsaussichten hatte. Dies hat auch der Senat bei der Entscheidung über die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu beachten, jedenfalls sofern – wie hier – keine neuen entscheidungserheblichen Umstände zu Ungunsten der Antragstellerin zwischen dem Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags und dem Erlass des Beschlusses entstanden oder bekannt geworden sind (vgl. nur OVG RP, Beschluss vom 20. April 1982 – 2 B 25/82 – NJW 1982, 2834 f. sowie die ständige Rechtsprechung des beschließenden Senats seit seinem Beschluss vom 8. November 2007 – 7 D 10853/07.OVG – m.w.N., jüngst etwa seine Beschlüssen vom 4. Januar 2016 – 7 D 10088/15.OVG – und vom 27. Juli 2016 – 7 D 10550/16.OVG –).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.
III.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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Referenzen
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- VwGO § 152 1x
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- § 3 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
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- 7 B 10406/16 1x (nicht zugeordnet)
- 2 B 25/82 1x (nicht zugeordnet)
- 7 D 10550/16 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 166 1x
- VwGO § 154 2x
- § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II 2x (nicht zugeordnet)
- 7 D 10405/16 1x (nicht zugeordnet)
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- 7 D 10407/16 1x (nicht zugeordnet)