Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (8. Senat) - 8 A 11710/17

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 6. September 2017 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 22.500,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Berufungszulassungsantrag ist nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 5 VwGO liegen nicht vor.

I.

2

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Verpflichtung zur Erteilung eines positiven Bauvorbescheids zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der Errichtung eines Wohngebäudes mit drei Wohneinheiten auf dem Flurstück Nr. 1 in Flur A der Gemarkung E. im Wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen: Das Bauvorhaben sei bauplanungsrechtlich nicht zulässig, weil es gegen die Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche im Bebauungsplan der Beklagten B Ei 2 „E.“ verstoße. Denn auf dem Flurstück Nr. 1 sei im Plan kein Baufenster vorgesehen. Dem Bebauungsplan ermangele es nicht an der erforderlichen Steuerungsfunktion. Die Festsetzung zur überbaubaren Grundstücksfläche sei wirksam. Insbesondere leide der Plan nicht bereits an einem anfänglichen Abwägungsfehler. Der Ausschluss der Bebaubarkeit auf der Parzelle Nr. 1 sei nicht wirtschaftlich unzumutbar. So werde diese Parzelle als Parkplatzfläche für den Gaststättenbetrieb auf der Nachbarparzelle Nr. 2 genutzt, die ebenfalls im Eigentum des Klägers stehe. Die Nutzung der Parzelle Nr. 1 nehme daher mittelbar an der Wirtschaftlichkeit des Gaststättenbetriebs teil. Durch die Nichtbebaubarkeit der Parzelle Nr. 1 sei auch kein zuvor bestehendes Baurecht entzogen worden, denn diese Fläche sei wegen ihrer Lage im Außenbereich nicht bebaubar gewesen. Mit der fehlenden Bebaubarkeit der Fläche habe die Beklagte das Ziel verfolgt, den Charakter des alten Ortskerns fortzuschreiben. Die Festsetzung zur überbaubaren Grundstücksfläche sei auch nicht funktionslos geworden. Zunächst fehle es – wie dargelegt – an der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit des Bebauungsausschlusses. Zudem sei nicht ersichtlich, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gegenüber dem Zeitpunkt der Aufstellung des Bebauungsplans geändert hätten. Die bloße Entscheidung des Klägers, das bisher als Parkplatzfläche genutzte Grundstück nunmehr einer Wohnbebauung zuführen zu wollen, stelle keine solche Veränderung dar. Darüber hinaus habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Befreiung von den entgegenstehenden Festsetzungen des Bebauungsplans. Denn eine solche Befreiung würde die Grundzüge der Planung berühren. Die Beklagte verfolge mit dem Bebauungsplan das Ziel, den hergebrachten Charakter des Ortskerns zu erhalten und entsprechend fortzuschreiben. Dies solle durch eine zurückhaltende Bebauung und eine damit verbundene Freihaltung einzelner Grundstücksflächen erreicht werden. Das Bauvorhaben stehe diesem Planungsgrundsatz entgegen. Ferner stehe einem Befreiungsanspruch der Einwand einer negativen Vorbildwirkung entgegen.

II.

3

An der Richtigkeit dieses Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

4

Der Kläger hat keinen Anspruch auf den begehrten Bauvorbescheid, weil das Bauvorhaben mit den Festsetzungen im Bebauungsplan B Ei 2 zu den überbaubaren Grundstücksflächen nicht vereinbar und deshalb bauplanungsrechtlich unzulässig ist (§ 30 Abs. 1 BauGB). Der Kläger hat darüber hinaus auch keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung über die beantragte Befreiung von dieser Festsetzung.

5

1. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Bebauungsplan der Beklagten B Ei 2 wirksam in Kraft gesetzt wurde und auch nicht nachträglich unwirksam geworden ist.

6

a) Insbesondere lagen der am 17. März 1988 beschlossenen Festsetzung zu den überbaubaren Grundstücksflächen in Gestalt einer gebotenen Rücksichtnahme der Neubebauung auf die Bestandsgebäude im alten Ortskern hinreichende städtebauliche Gründe i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB zugrunde. Diese Festsetzung beruhte auch auf einer fehlerfreien Abwägung, und zwar gerade im Hinblick auf den hier umstrittenen Grundstücksbereich.

7

(1) Wie sich aus der Begründung zum Bebauungsplan B Ei 2 „E.“ (Bl. 55 ff. der Planaufstellungsunterlagen) ergibt, sollte mit dem Plan neues Baugelände ausgewiesen werden (Nr. 2 Abs. 1 der Begründung) und die neue Siedlungsfläche in verträglicher Weise mit dem alten Ortskern verbunden werden (Nr. 3 der Begründung). Dabei beschränkt sich der Plan nicht auf die Ausweisung des neuen Baulandes. Vielmehr werden „sowohl bebaute Flächen an der M.- und E. Straße erfasst wie auch neue Bauflächen ausgewiesen.“ (Nr. 3 Abs. 1 der Begründung). Hinsichtlich der Überplanung der vorhandenen Bebauung heißt es in Nr. 3 Abs. 2 der Begründung:

8

„Zielsetzung der vorliegenden Planung ist es, die alten Strukturen des Ortskerns zu erhalten und zu ergänzen. Innerhalb der bebauten Ortslage werden deshalb auch Minderabstände gegenüber heutigen Abstandsvorschriften hingenommen.“

9

Dementsprechend sind die im alten Ortskern festgesetzten Baufenster nahezu identisch mit dem dort vorhandenen Baubestand. Dies gilt etwa auch für das im Eigentum des Klägers stehende Gebäude E. Straße Nr. … auf der (Alt-) Parzelle Nr. 3 (heute Nr. 2). Damit wird der „z.T. in einer hofartigen, verschachtelten Bauweise“ (Nr. 3 Abs. 1 der Begründung) bebaute alte Ortskern bewahrt.

10

Hinsichtlich des südlich davon ausgewiesenen neuen Baugeländes heißt es in Nr. 3 Abs. 2 der Begründung:

11

„Für die Bebauung der neuen Siedlungsfläche wird die Anpassung der Gebäude an den Ortskern angestrebt. Dies wird sowohl durch die Stellung der Gebäude wie auch die Zurückhaltung in der Größe (Eingeschossigkeit, meist nur maximal 11,00 bis 12,00 m Gebäudetiefe) deutlich.“

12

Aus dieser Begründung und in Kenntnis der für das neue Baugebiet getroffenen Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, zur Bauweise und zur überbaubaren Grundstücksfläche folgt, dass die Anpassung an den Ortskern nicht durch die Übernahme einer hofartigen und verschachtelten Bauweise, sondern vielmehr dadurch erfolgen sollte, dass die Stellung der neuen Gebäude und ihre Größe in einem verträglichen Verhältnis zu der Bestandsbebauung stehen. Mit der Festsetzung zur „Stellung der Gebäude“ sollte auch ein gewisser Abstand zum alten Baubestand erreicht werden, wie die Beklagte in ihrer Klageerwiderung nachvollziehbar ausgeführt hat (vgl. die Stellungnahme des Stadtplanungsamts vom 5. Mai 2017, S.2 [Bl. 14 der Gerichtsakte]: Abrücken der neuen Bebauung von derjenigen des alten Ortskerns). Dass es der Beklagten gerade auf dieses Abrücken vom Ortskern ankam, ergibt sich auch daraus, dass sie die Bestandsbebauung insgesamt als Denkmalzone und den überwiegenden Teil der Einzelgebäude als „denkmalwert“ gekennzeichnet hat. Hierzu heißt es in Nr. 3 Abs. 1 der Begründung:

13

„Die denkmalwerten Gebäude sind aufgenommen und der Konzeption als feste Eingaben zugrunde gelegt worden.“

14

Erkennbares städtebauliches Ziel der Festsetzung zu den überbaubaren Grundstücksflächen war damit, den Charakter des „denkmalwerten“ Ortskerns dadurch zu bewahren, dass die „Stellung der Gebäude“ in einem gehörigen Abstand zum vorhandenen Baubestand erfolgt und sich diese Neubebauung auch in ihrem Maß in den vorhandenen Rahmen einfügt.

15

(2) Diese Festsetzung stellt - gerade auch in dem hier umstrittenen Bereich südlich des ebenfalls als denkmalwert bezeichneten Anwesens E. Str. … - keine unverhältnismäßige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums dar.

16

Die Beklagte verfolgt ein legitimes Ziel, wenn sie den „denkmalwerten“ Charakter des Ortskerns dadurch bewahren will, dass sie mit der Neubebauung einen gehörigen Abstand zu dem vorhandenen Gebäudebestand einhält. Als Mittel hierzu dient ihr die Festsetzung von Baufenstern. Diese Festsetzung hat zwangsläufig zur Folge, dass auf den Flächen jenseits der Baugrenzen keine baulichen Anlagen errichtet werden dürfen. Diese Unbebaubarkeit von Grundstücksflächen stellt angesichts der dafür vorhandenen städtebaulichen Rechtfertigung keine unverhältnismäßige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar. Dabei kommt es auch nicht darauf an, in welcher Form die nicht bebaubare Grundstücksfläche genutzt werden kann. Es ist also grundsätzlich unerheblich, ob sie nur als Grün- oder Gartenfläche oder auch als Standort für Nebenanlagen - wie etwa Parkplatzflächen - zur Verfügung steht (vgl. § 23 Abs. 5 BauNVO). Auch ist es hier unerheblich, ob die als unbebaubar überplante Fläche eine eigene Parzelle bildet oder Teil eines größeren Flurstücks ist.

17

Eine strengere Betrachtung wäre nur dann angezeigt, wenn die Beklagte mit ihrer Festsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen bestehende Nutzungsmöglichkeiten der Eigentümer eingeschränkt oder gar aufgehoben hätte. In diesem Fall hätte das Nutzungsinteresse der Eigentümer ein besonderes Gewicht in der Abwägung gehabt. Die Einschränkung oder gar Aufhebung bestehender Nutzungsmöglichkeiten wäre abwägungsgerecht nur bei besonders gewichtigen Allgemeinwohlbelangen zulässig gewesen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. März 2017 – 4 BN 25.16 –, ZfBR 2017, 589 und juris, Rn. 5). Ein solcher Fall liegt hier im Hinblick auf die von dem Kläger jetzt zur Bebauung vorgesehene Parzelle Nr. 1 nicht vor, da sie vor Erlass des Bebauungsplans dem Außenbereich angehörte und eine Bebauung daher nach § 35 Abs. 2 BauGB grundsätzlich unzulässig war.

18

Die Festlegung der Baufenster erweist sich im Übrigen auch nicht als gleichheitswidrig. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) auch bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) zur Geltung kommt und in der gemeindlichen Bauleitplanung zu beachten ist. Die Eigentumsgarantie gebietet, dass die privaten Belange der betroffenen Grundstückseigentümer nicht ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Januar 2007 – 4 B 74/06 -, BauR 2007, 667 und juris, Rn. 6). Dabei erübrigt sich allerdings eine eingehende Auseinandersetzung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz in aller Regel dadurch, dass die unterschiedlichen Wirkungen von Festsetzungen durch die dafür streitenden städtebaulichen Gründe gerechtfertigt sind (vgl. OVG Rh-Pf, Urteil vom 4. Juli 2006 – 8 C 10156/06 -, BauR 2006, 1853 und juris, Rn. 20), im vorliegenden Fall also durch das Ziel der Rücksichtnahme auf den „denkmalwerten“ Baubestand im alten Ortskern.

19

Darüber hinaus wurde den Eigentümerinteressen gerade in dem hier betroffenen Grundstücksbereich in besonderem Maße und willkürfrei Rechnung getragen. Die jetzt umstrittene Parzelle Nr. 1 war zum Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans Teil des (Alt-)Flurstücks Nr. 4. Aus dem südlichen Teil dieses Flurstücks ist die (Neu-)Parzelle Nr. 5 hervorgegangen, für die im Bebauungsplan ein Baufenster für eine Doppelhaushälfte festgesetzt worden ist. Der Eigentümer der (Alt-) Parzelle Nr. 4 wurde daher nicht gänzlich von einer Bebaubarkeit seines Grundstücks ausgenommen. Nach den im Bebauungsplan [für die Bodenordnung] „vorgeschlagenen Grundstücksgrenzen“ sollte das (Alt-)Flurstücks Nr. 4 nur einen neuen Zuschnitt erhalten; zwischen dem neuen Baugrundstück und dem (Alt-) Flurstück Nr. 3 (heute Nr. 2) sollte eine schmale, nicht bebaubare Parzelle verbleiben. Bezogen hierauf wurde dann im Planaufstellungsverfahren eine Änderung vorgenommen, die den Zuschnitt der heutigen Parzelle Nr. 1 ermöglicht hat, ohne aber die Nichtbebaubarkeit dieser Fläche in Frage zu stellen. Hierzu heißt es in der Beschlussvorlage für den Satzungsbeschluss des Stadtrates unter Nr. 7 (Bl. 7 der Planaufstellungsunterlagen):

20

„Die ersten Verhandlungen der Abteilung Bodenordnung des städtischen Vermessungsamtes mit den privaten Beteiligten hat gezeigt, dass die Durchführung des Verfahrens dadurch erleichtert würde, wenn dem Grundstück E. Straße … im Hintergelände mehr Freifläche hinzugegeben werden könnte. Dies bedeutet zwar Verschieben der Nutzungsgrenze und Veränderung der Denkmalzone in Richtung Neubebauung sowie Umdisposition an der Baufläche für ein Doppelhaus, dem Anliegen soll aber, wie im Deckblatt dargestellt ist, entsprochen werden, da die Planung in konzeptioneller Weise nicht beeinträchtigt wird.“

21

Diese Änderungen zum ursprünglichen Planentwurf sind in der Planurkunde „in roter Farbe“ kenntlich gemacht und waren Teil des Satzungsbeschlusses vom 17. März 1988. Die Änderung beschränkte sich indes auf die Verschiebung der Grenze der Denkmalzone und die geringfügige Verschiebung des Baufensters auf den heutigen Parzellen Nrn. 5 und 6, nebst einer entsprechenden Anpassung der „vorgeschlagenen Grundstücksgrenze“. Die Festsetzung eines weiteren Baufensters zwischen dem vorgesehenen Doppelhaus und dem Altbestand auf dem (Alt-)Flurstück Nr. 3 war ersichtlich weder gefordert noch vom Stadtrat gewollt.

22

b) Die Festsetzung zur überbaubaren Grundstücksfläche im Bebauungsplan der Beklagten B Ei 2 ist – insbesondere in dem hier umstrittenen Grundstücksbereich – auch nicht nachträglich wegen Funktionslosigkeit unwirksam geworden.

23

In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Festsetzung eines Bebauungsplans aufgrund einer Veränderung der zugrundeliegenden tatsächlichen Verhältnisse funktionslos werden und außer Kraft treten können. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann eine bauplanerische Festsetzung funktionslos werden, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen. Dabei müssen die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und so offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung muss die jeweilige Festsetzung die Fähigkeit verloren haben, die städtebauliche Entwicklung noch in einer bestimmten Richtung zu steuern (vgl. zusammenfassend: BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2003 – 4 B 85.03 –, BauR 2004, 1128 und juris, Rn. 8 m.w.N.).

24

Im vorliegenden Fall hat sich die tatsächliche Bebauung nicht abweichend von der bauleitplanerischen Festsetzung entwickelt. Im Gegenteil sind die neu errichteten Gebäude sämtlich innerhalb der im Bebauungsplan vorgesehenen Baufenster errichtet worden, wie das Verwaltungsgericht im Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 6. September 2017 unwidersprochen festgestellt hat. Auch enthält der Bebauungsplan keine ausdrückliche Festsetzung zu einer Parkplatzfläche auf der (Neu-)Parzelle Nr. 1, deren Nutzung sich mittlerweile erübrigt hätte.

25

Soweit der Kläger vorträgt, der Ausschluss der Bebaubarkeit auf dem Flurstück Nr. 1 sei inzwischen wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit funktionslos geworden, vermag der Senat dem - mit dem Verwaltungsgericht - nicht zu folgen. Zwar wird in der Rechtsprechung erwogen, dass ein Fall „wirtschaftlicher Funktionslosigkeit“ dann vorliegen kann, wenn eine Festsetzung unter den mittlerweile gegebenen Bedingungen die Befugnisse des Grundstückseigentümers unverhältnismäßig einschränkt (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. September 2011 – 1 BvR 2232/10 –, BauR 2012, 63 und juris, Rn. 52 m.w.N. – Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche –; BayVGH, Urteil vom 25. März 2004 – 25 N 01.308 –, BauR 2005, 515 und juris, Rn. 35 – Festsetzung Kurgebiet –; OVG Nds., Beschluss vom 18. November 2013 – 1 LA 43/13 –, BauR 2014, 231 und juris, Rn. 12 – Festsetzung zur Beschränkung der Einzelhandelsnutzung –). Aber auch unter diesem Gesichtspunkt scheidet hier ein Funktionsloswerden der bauleitplanerischen Festsetzung zur überbaubaren Grundstücksfläche aus. Denn die tatsächlichen Umstände, die bei Erlass des Bebauungsplans für das Abrücken der Baufenster von dem Baubestand im Ortskern sprachen, haben sich nicht offenkundig verändert. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt der bloße Wunsch des Klägers, das bisher als Parkplatzfläche genutzte Grundstück nunmehr einer Wohnbebauung zuzuführen, keine nachträgliche Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit der Folge dar, dass dem Bebauungsplan ungeachtet des Votums der dazu berufenen Organe die städtebauliche Steuerungsfunktion abzusprechen wäre.

26

Schließlich kommt es nach dem Vorstehenden nicht darauf an, ob es – wie vom Kläger geltend gemacht – fehlerhaft und aktenwidrig ist, wenn das Verwaltungsgericht auf S. 8 seines Urteils feststellt, dass das Flurstück Nr. 1 „bisher als Parkplatzfläche zugunsten des auf der im Miteigentum des Klägers stehenden Parzelle Nr. 2 errichteten Gaststättenbetriebs genutzt [wird].“ Allerdings entspricht diese Feststellung gerade dem Vorbringen des Klägers im Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 10. Juni 2017 (S. 3: „Dass die Parzelle 1 derzeit als Parkplatz für das Restaurant auf Parzelle 2 nebenan genutzt wird …“). Diese Feststellung wird in der Begründung zum Berufungszulassungsantrag wiederholt (vgl. Schriftsatz vom 19. November 2017, S. 3: „Richtig ist vielmehr, dass das Grundstück derzeit noch als Parkplatz genutzt wird.“). Soweit sich der Kläger gegen die Erwägung des Verwaltungsgerichts wenden will, die Parkplatznutzung für den benachbarten Gaststättenbetrieb sei eine wirtschaftlich zumutbare Nutzung dieser Grundstücksfläche, rügt er nicht eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung, sondern greift die rechtliche Wertung des Verwaltungsgerichts an. Auf diese Wertung, der sich der Senat – isoliert betrachtet – durchaus anschließen kann, kommt es indes vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Entscheidend ist vielmehr, dass die Gründe dafür, die seinerzeitige Außenbereichsfläche im Süden des Anwesens E. Straße … bis zu dem vorgesehenen Baufenster auf den heutigen Parzellen Nrn. 5 und 6 aus Gründen der Rücksichtnahme auf den „denkmalwerten“ Ortskern von einer Bebauung freizuhalten, nicht eindeutig und offenkundig entfallen sind.

27

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf erneute Entscheidung über die Befreiung von der Festsetzung zur überbaubaren Grundstücksfläche.

28

Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass im vorliegenden Fall die Erteilung einer Befreiung bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil das Vorhaben des Klägers Grundzüge der Planung berührt (§ 31 Abs. 2 BauGB). Dieses Ausschlusskriterium beruht darauf, dass ein Bebauungsplan Ausdruck der Planungshoheit der Gemeinde ist, die durch eine bauaufsichtsbehördliche Abweichungsentscheidung nicht unterlaufen werden darf. Eine Befreiung soll bei Vorliegen der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dann erwogen werden, wenn ein Vorhaben zwar den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspricht, sich jedoch gleichwohl mit den planerischen Vorstellungen in Einklang bringen lässt. Hat sich eine Gemeinde indes nach Abwägung der maßgeblichen Belange bewusst und für die Planung tragend für eine bestimmte Festsetzung entschieden, dann obliegt die Änderung dieser bauplanerischen Festsetzung auch der Gemeinde, und zwar in dem dafür vorgesehenen Verfahren unter Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange (vgl. § 1 Abs. 8 BauGB; zum Vorstehenden insgesamt: BVerwG, Beschluss vom 5. März 1999 - 4 B 5.99 -, NVwZ 1999, 1110 und juris, Rn. 5). Dies gilt im besonderen Maße, wenn eine Festsetzung aufgrund von grundstücksbezogenen Einwendungen gleichsam „im Angesicht des Falles“ erfolgt bzw. aufrechterhalten worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1972 – IV C 69.70 –, BVerwGE 40, 268 und juris, Rn. 29; OVG RP, Urteil vom 17. September 2014 – 8 A 10302/14.OVG –, S. 11 d.U. -, ESOVGRP).

29

Wie oben dargelegt, war die Festsetzung der Baufenster („die Stellung der Gebäude“) ein wesentliches Mittel, um die neue Siedlungsfläche in verträglicher Weise mit dem „denkmalwerten“ Bestand im Ortskern zu verbinden. Damit war sie ein tragender Teil der bauleitplanerischen Festsetzungen und damit Grundzug der Planung. An dieser Festsetzung hatte die Beklagte seinerzeit auch angesichts der Änderungswünsche seitens des Eigentümers des Grundstücks E. Straße … festgehalten und Veränderungen lediglich im Hinblick auf die „vorgeschlagenen Grundstücksgrenzen“ vorgenommen.

30

Es obliegt daher der Beurteilung des Stadtrats der Beklagten, ob er Anlass für eine Abänderung seiner bisherigen Planung sieht und die Lücke zwischen den Gebäuden auf den Parzellen Nr. 2 und Nr. 5 einer Bebauung zuführen will.

III.

31

Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

32

Wie oben dargelegt, lässt sich bereits jetzt feststellen, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts der rechtlichen Überprüfung standhält, ohne dass die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich wäre. In diesem Fall scheidet die Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aus (vgl. hierzu: Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124, Rn. 108). Allein der Begründungsaufwand einer Entscheidung lässt nicht bereits zwingend auf besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache schließen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Juli 2012 – 5 A 326/11 –, juris, Rn. 23).

IV.

33

Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen eines für das Urteil des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblichen Verfahrensmangels zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

34

Der geltend gemachte Aufklärungsmangel in Form einer unterbliebenen Ortsbesichtigung liegt nicht vor. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachaufklärung grundsätzlich nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter – wie hier – nicht ausdrücklich beantragt hat. Eines förmlichen Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung bedarf es allerdings dann nicht, wenn sich dem Tatsachengericht eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Beschluss vom 13. Oktober 2015 – 4 B 24.15 –, juris, Rn. 4). Hiernach bedurfte es im vorliegenden Fall keiner Ortsbesichtigung.

35

Dass die Parzelle Nr. 1 „derzeit noch als Parkplatz genutzt wird“ (S. 3 des Schriftsatzes zur Begründung des Zulassungsantrags vom 19. November 2017), ist zwischen den Beteiligten unstreitig und braucht deshalb nicht aufgeklärt zu werden. Bei der Frage, ob die Parkplatznutzung wirtschaftlich nötig, sinnvoll oder zumutbar ist, handelt es sich um eine rechtliche Wertung, die einer Beweiserhebung nicht zugänglich ist. Ob die von dem Kläger begehrte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes eine negative Vorbildwirkung haben kann, ist für die hier zu treffende Entscheidung unerheblich, da eine Befreiung – wie oben ausgeführt – bereits deshalb nicht in Betracht kommt, weil hierdurch Grundzüge der Planung berührt werden. Schließlich brauchte das Verwaltungsgericht nicht aufzuklären, ob die tatsächlich in der neuen Erschließungsstraße „I.“ entstandene Bebauung von einem Grundzug der Planung abweicht, eine möglichst ungeordnete, inhomogene und verschachtelte Bauweise zu sichern. Denn eine dahingehende Festsetzung oder gar einen dahingehenden Grundzug der Planung gibt es nicht, wie oben dargelegt. Grundzug der Planung war es vielmehr durch die Stellung der Gebäude in der neuen Siedlungsfläche Rücksicht auf die hofartige und verschachtelte Bauweise im alten Ortskern zu nehmen. Die Festsetzungen im neuen Baugebiet zur überbaubaren Grundstücksfläche oder zum Maß der baulichen Nutzung und zur Bauweise geben indes keine hofartige oder verschachtelte Bauweise vor, von der abgewichen worden wäre.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

37

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 47, 52 GKG.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen