Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (8. Senat) - 8 A 11049/18
Tenor
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 18. Juni 2018 wird abgelehnt.
Die Kläger haben die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt.
Gründe
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Der Berufungszulassungsantrag hat keinen Erfolg.
I.
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Die Kläger begehren ein bauaufsichtsbehördliches Einschreiten gegen die Nutzung des ihrem Hausgrundstück benachbarten Gebäudes des Beigeladenen durch die „Wohngemeinschaft P.“.
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Beide Häuser, die zueinander jeweils nur einen Bauwich von 3 m einhalten, liegen in einem 1983 durch Bebauungsplan festgesetzten reinen Wohngebiet. Die „Wohngemeinschaft P.“ besteht aus 9 älteren, überwiegend pflegebedürftigen Personen, die sich zu einer Wohngemeinschaft zusammengeschlossen haben. Durch einen Betreuungsvertrag hat die Wohngemeinschaft die Ökumenische Sozialstation L. e.V. (im Folgenden: Sozialstation) mit der 24-stündigen Betreuung beauftragt, die von wechselnden Mitarbeitern im Schichtdicht wahrgenommen wird. Die Betreuungsleistungen umfassen u.a. hauswirtschaftliche Unterstützungsleistungen, die Förderung des Gemeinschaftslebens sowie organisatorische Tätigkeiten unter Einbindung der Angehörigen und ehrenamtlicher Helfer. Daneben haben die einzelnen Bewohner separat ebenfalls die Sozialstation mit unterschiedlichen Pflegeleistungen beauftragt. Hierzu zählen etwa die Morgen-und Abendtoilette, Hilfen bei Ausscheidungen, Reinigung der Wohnung, Zubereitung von Mahlzeiten und Betreuungsleistungen für Demenzkranke.
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Mitte 2015 beantragten die Kläger, dem Beigeladenen die Nutzung des Hauses durch die „Wohngemeinschaft P.“ zu untersagen, weil dies mit der Gebietsfestsetzung im Bebauungsplan unvereinbar sei. Bei den Bewohnern des Hauses handele es sich sämtlich um verwirrte Personen, die zu einem selbstbestimmten Wohnen nicht mehr in der Lage seien. Besonders beeinträchtigend sei die Nutzung der Außenwohnbereiche, vor allem wegen der zum Teil unartikulierten Rufe und Laute der Bewohner.
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Dieses Begehren lehnte die Bauaufsichtsbehörde mit Bescheid vom Juli 2016 ab. Das Widerspruchsverfahren blieb ebenfalls erfolglos (Bescheid vom 12. April 2017). Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seines klageabweisenden Urteils vom 18. Juni 2018 im Wesentlichen ausgeführt:
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Die Kläger hätten keinen Anspruch auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten nach § 81 Satz 1 LBauO. Denn die von ihnen beanstandete Nutzung des Hauses des Beigeladenen verletzte sie nicht in ihren Nachbarrechten. Zunächst könnten die Kläger sich nicht auf den Gebietsbewahrungsanspruch berufen. Denn die Nutzung des Hauses des Beigeladenen sei mit der Festsetzung des reinen Wohngebiets vereinbar. Hinsichtlich des Inhalts dieser Festsetzung sei auf den Wohnbegriff im Sinne der BauNVO 1977 abzustellen, ohne Anwendung der Regelung in § 3 Abs. 4 BauNVO 1990. Nach diesem Festsetzungsinhalt seien zwar Altenwohnheime und Altenheime in einem reinen Wohngebiet zulässig, nicht aber Altenpflegeheime, bei denen der Versorgungs-, Pflege- und Betreuungscharakter im Vordergrund stehe. Von der letztgenannten Einrichtung unterscheide sich allerdings die selbst organisierte Wohngemeinschaft im Haus des Beigeladenen. Die Mitglieder der Gemeinschaft lebten freiwillig in dem Haus, wobei es unschädlich sei, dass der freie Wille zum Teil nur mit Hilfe eines Betreuers umgesetzt werde. Ferner sei die für den Wohnbegriff geforderte selbstbestimmte Häuslichkeit hinreichend erfüllt. Jeder Bewohner habe ein eigenes Zimmer, das er mit eigenen Möbeln und mit persönlichen Dingen ausstatten könne. Eine Mehrfachbelegung der Zimmer finde nicht statt. Es gebe keine vorgegebenen Schlaf- oder Ruhezeiten. Spezielle Pflege- oder Funktionsräume seien nicht vorhanden. Die Nutzung der Gemeinschaftsküche stehe jedem Bewohner offen. Feste Essenszeiten oder vorgegebene Speisepläne existierten nicht. Über die Aufnahme neuer Bewohner entschieden die Mitglieder der Wohngemeinschaft selbstständig durch Mehrheitsbeschluss. Auch unter Berücksichtigung der Pflegebedürftigkeit der einzelnen Bewohner (vier Bewohner mit Pflegegrad 5, drei leichte und drei schwere Fälle von Demenz) überwiege das Wohnelement deutlich. Die Wohngemeinschaft sei nach ihrem Nutzungskonzept und auch dessen tatsächlicher Umsetzung nicht auf solche Personen ausgerichtet, die überhaupt nicht mehr zu eigener Gestaltung der Haushaltsführung in der Lage seien. Die Wohngemeinschaft unterscheide sich deutlich von Pflegeeinrichtungen, die funktionsbedingt die Lebensführung der jeweiligen Bewohner vorgäben und denen sich die Bewohner unterzuordnen hätten. Eine Unzulässigkeit der beanstandeten Nutzung ergebe sich auch nicht aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO. Denn sie stelle auch von ihrer Intensität her keine gegenüber der üblichen Nutzung von Einfamilienhäusern deutlich andersartige Nutzung dar. Auch die intensivere Wohnnutzung eines Einfamilienhauses durch mehrere Personen wahre ohne Weiteres die Eigenart des reinen Wohngebiets. Die von den Klägern geschilderten Immissionen der Wohngemeinschaft seien grundsätzlich sozialadäquat und auch in einem reinen Wohngebiet hinzunehmen. Von einer Erhöhung des Kraftfahrzeugverkehrs durch die Betreuungspersonen oder durch Angehörige würden die Kläger, deren Haus über die Nachbarstraße erschlossen sei, schon nicht betroffen. Im Übrigen halte sich dieser Verkehr in einem verträglichen Rahmen.
II.
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Die von den Klägern geltend gemachten Berufungszulassungsgründe liegen nicht vor.
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1. Zunächst begründen die von den Klägern vorgebrachten, für die Prüfung des Berufungszulassungsantrags nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO maßgeblichen Gründe, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, haben die Kläger keinen Anspruch auf das begehrte bauaufsichtsbehördliche Einschreiten. Denn durch die beanstandete Nutzung des Wohnhauses des Beigeladenen werden sie nicht in ihren Rechten verletzt. Zur Begründung kann zunächst auf die ausführliche Begründung im angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts verwiesen werden (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungszulassungsverfahren führt der Senat ergänzend aus:
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a) Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass sich die Kläger nicht mit Erfolg auf den Gebietsbewahrungsanspruch berufen können.
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Denn die beanstandete Nutzung ist mit der Festsetzung eines reinen Wohngebiets vereinbar. Für den Inhalt dieser Festsetzung ist die zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses über den Bebauungsplan im Jahr 1983 gültige Vorschrift in § 3 BauNVO 1977 maßgeblich. Danach diente das reine Wohngebiet „ausschließlich dem Wohnen“; neben Anlagen zur Kinderbetreuung waren lediglich Wohngebäude zulässig. § 3 Abs. 4 BauNVO 1990, wonach zum reinen Wohngebiet auch Wohngebäude gehören, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen, verändert den Inhalt eines unter der Geltung der BauNVO 1977 zustande gekommenen Bebauungsplans nicht. Diese Vorschrift kann daher nur als Auslegungshilfe für den Begriff des Wohngebäudes i.S.v. § 3 BauNVO 1977 Bedeutung erlangen (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Beschluss vom 25. März 1996 – 4 B 302.95 – [ausgelagerte Wohngruppe eines Kinderheims mit 9 Kindern und Jugendlichen], ZfBR 1996, 228 und juris, Rn. 11; Beschluss vom 20. Dezember 2016 – 4 B 49.16 – [psychotherapeutische Jugendgruppe mit 7 Kindern und Jugendlichen], ZfBR 2017, 269 und Rn. 9). Der Begriff des Wohnens i.S.v. § 3 Abs. 1 BauNVO 1977 ist durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie Freiwilligkeit des Aufenthalts gekennzeichnet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2016, a.a.O., juris, Rn. 7 m.w.N.). Der Wohnbegriff ist abzugrenzen von anderen Nutzungsformen, die bloß der Unterbringung, des Verwahrens unter gleichzeitiger Betreuung oder als Schlafstätte dienen und daher als soziale Einrichtungen einzustufen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 1996, a.a.O., juris, Rn. 12; Külpmann, jurisPr-BVerwG, 13/2017 Anm. 2, B.). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wurde der Begriff des Wohngebäudes unter Geltung des § 3 BauNVO 1977 nach der allgemeinen Rechtsauffassung so verstanden, dass ihm Altenpflegeheime wegen des im Vordergrund stehenden Betreuungszwecks nicht mehr zugeordnet wurden (vgl. VGH BW, Urteil vom 17. Mai 1989 – 3 S 3650/88 –, NJW 1989, 2278 und juris, Rn. 23; Uechtritz, BauR 1989, 519 [526]; OVG Nds., Urteil vom 21. August 2002 – 1 LB 140/02 –, juris, Rn. 20).
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Die heute anzutreffenden Wohnformen älterer Menschen, die ihren Haushalt nicht mehr uneingeschränkt eigenständig führen können, weisen eine große Bandbreite auf. Es beginnt mit dem Verbleib der Menschen in ihrer bisherigen häuslichen Umgebung unter Inanspruchnahme von mehr oder weniger umfangreichen Pflege- und Betreuungsleistungen. Solche Betreuungsleistungen – von Familienangehörigen oder von professionellen Hilfsdiensten – gehören seit jeher zum Begriff des Wohnens (vgl. Determann/Stühler, in: Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 3, Rn. 21.1; auch: BVerwG, Beschluss vom 25. März 1996, a.a.O., juris, Rn. 13). Ferner ist an den Wechsel des angestammten Umfelds in eine „betreute Wohnung“ zu denken, gegebenenfalls wieder unter Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen und/oder der Mahlzeiten in einem benachbarten Altenheim. Schließlich wechseln ältere Menschen vollständig in ein Altenwohnheim, bei denen es allerdings wiederum eine große Formenvielfalt gibt und die nicht selten über ergänzende Pflegeeinrichtungen bzw. Pflegeabteilungen verfügen (vgl. Determann/Stühler, a.a.O., BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 3, Rn. 11.3; OVG RP, Beschluss vom 22. Juni 2016 – 8 B 10411/16.OVG – [Zulässigkeit von Alten- und Pflegewohnheim aufgrund § 3 BauNVO 1990], BauR 2016, 1732 und juris, Rn. 15).
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Bei der hier zu beurteilenden ambulant betreuten Wohngemeinschaft handelt es sich um eine neue Form des Aufenthalts älterer Menschen, auf die der Gesetzgeber im Jahr 2012 mit der Einführung eines Wohngruppenzuschlags in der Pflegeversicherung reagiert hat (vgl. § 38a SGB XI, eingeführt durch Gesetz vom 23. Oktober 2012 [BGBl. I S. 2246]). Für die städtebauliche Zuordnung einer solchen Nutzungsform zu einem festgesetzten reinen Wohngebiet, d.h. hier für die Frage, ob die im Haus des Beigeladenen praktizierte Nutzung noch dem Wohngebäudebegriff i.S.v. § 3 BauNVO 1977 unterfällt, kommt es darauf an, ob und inwieweit die konkrete Wohngruppe die Kriterien des Wohnbegriffs erfüllt. Maßgeblich dafür ist das „Nutzungskonzept und seine grundsätzliche Verwirklichung, nicht das individuelle und mehr oder weniger spontane Verhalten einzelner Bewohner“ (so: BVerwG, Beschluss vom 25. März 1996, a.a.O., juris, Rn. 12). Hierbei kommt es auf den Nutzungsschwerpunkt der Einrichtung und darauf an, ob die für das Wohnen konstituierenden Merkmale zumindest noch in einem Mindestmaß erfüllt sind oder ob die bloße Unterbringung und fremdbestimmte Verwahrung und Behandlung überwiegen (vgl. VGH BW, Urteil vom 17. Mai 1989, a.a.O. [Unzulässigkeit von Altenpflegeheimen nach § 3 BauNVO 1968], juris, Rn. 22; BayVGH, Beschluss vom 25. August 2009 – 1 CS 09.287 – [Zulässigkeit von Einrichtung für sozialpsychiatrisch betreute Wohnung gemäß § 3 BauNVO 1990], juris, Rn. 33; auch: BVerwG, Beschluss vom 25. März 1996, a.a.O., juris, Rn. 13; ferner: OVG RP, Urteil vom 22. Juni 2016, a.a.O., juris, Rn. 15 bis 18).
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Gemessen hieran teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei der von den Klägern beanstandeten Nutzung im Haus des Beigeladenen um eine Wohnnutzung i.S.v. § 3 Abs. 1 BauNVO 1977 handelt.
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(1) Hierfür spricht zunächst das Nutzungskonzept.
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Die Gemeinschaft der 9 Bewohner ist selbst organisiert. Sie ist durch freiwilligen Zusammenschluss der Bewohner zustande gekommen und in ihrer Existenz nicht durch einen externen Träger bestimmt und gesteuert. Dass einzelne Bewohner bei dem Zusammenschluss von ihren Angehörigen oder sonstigen Betreuern unterstützt wurden, ändert nichts an der Freiwilligkeit des Eintritts in diese Wohnform (vgl. BayVGH, Beschluss vom 27. Oktober 1999 – 1 ZR 99.2460 –, juris, Rn. 7; OVG Hamburg, Beschluss vom 27. April 2004 – 2 Bs 108/04 –, BauR 2004, 1571 und juris, Rn. 4; OVG RP, Beschluss vom 22. Juni 2016, a.a.O., juris, Rn. 15). Auch schließt eine Betreuung nicht aus, dass der Betreute – wenn auch eventuell eingeschränkt – zu einer eigenständigen Gestaltung seines Lebensbereichs noch in der Lage ist. Vielmehr zielt die Betreuung gerade darauf ab, dem Betreuten eine im Rahmen seiner Fähigkeiten eigenständige Gestaltung seines Lebens entsprechend seinen Wünschen und Vorstellungen zu ermöglichen (§ 1901 Abs. 2 BGB).
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Auch der Fortbestand der „Wohngemeinschaft P.“ ist selbst organisiert, stimmen die Bewohner (eventuell mit Hilfe ihrer Betreuer) doch durch Mehrheitsentscheidung über die zukünftige Zusammensetzung der Gruppe ab. Dies hat nach der vom Verwaltungsgericht angeforderten Stellungnahme der Sozialstation etwa dazu geführt, dass die Gemeinschaft nach dem Freiwerden eines der Zimmer einen ersten Bewerber um die Aufnahme abgelehnt hat.
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Dass die Bewohner der Gruppe Leistungen eines Betreuungs- und Pflegedienstes in Anspruch nehmen, stellt das Konzept einer primär auf (gemeinsames) Wohnen ausgerichteten Nutzung nicht in Frage. Denn auch insofern handelt es sich um unterstützende Leistungen, die – ähnlich wie bei dem pflegebedürftig gewordenen Menschen in seiner angestammten Wohnung – einen Verbleib in einem Wohnumfeld erst ermöglichen sollen. Eine solche Unterstützungsleistung kann auch beim Verbleib in der angestammten Wohnung in Form einer 24-Stunden-Anwesenheit erfolgen, etwa durch die Aufnahme einer Betreuungsperson in den Haushalt des älteren Menschen oder in der Einrichtung einer 24-Stunden-Betreuung im Schichtdienst, wie die Sozialstation ausgeführt hat.
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(2) Die Zuordnung der „Wohngemeinschaft P.“ zu einer eigengestalteten Wohnform im Sinne des § 3 BauNVO 1977 und nicht zu einer überwiegend fremdbestimmten Pflegeeinrichtung eines Sozialträgers wird auch durch die „grundsätzliche Verwirklichung des Nutzungskonzepts“ (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 1996, a.a.O., Rn. 12) im Haus des Beigeladenen nicht in Frage gestellt.
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Dies lässt sich aufgrund der zahlreich in den Behörden- und Gerichtsakten vorhandenen Pläne, Grundrisszeichnungen, Fotos und Beschreibungen und nicht zuletzt aufgrund der gerichtsbekannten Kenntnis vom Zustand älterer, auch mehr oder weniger pflegebedürftiger und auch mehr oder weniger dementer Menschen ohne Weiteres beurteilen. Wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt es für die städtebauliche Beurteilung nicht auf die momentane Situation der Gruppe und den aktuellen Zustand der Menschen an, sondern darauf, ob das auf gemeinsames selbstorganisiertes Wohnen ausgerichtete Nutzungskonzept durch die tatsächliche Nutzungspraxis „grundsätzlich“ verwirklicht und nicht in Frage gestellt wird. Auch insofern teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass im Anwesen des Beigeladenen das auf ein gemeinsames Wohnen ausgerichtete Nutzungskonzept grundsätzlich verwirklicht wird.
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Nach den ausführlichen Darlegungen der Sozialstation zu Art und Umfang der erbrachten Unterstützungs-, Betreuungs- und Pflegeleistungen wurden in dem durch Vorlage sämtlicher Rechnungen belegten Referenzmonat Juli 2017 zwar durchaus in großem Umfang Hilfen geleistet. So wurden insbesondere für die damals 4 Personen mit einem Pflegegrad 5 umfangreiche Hilfen etwa bei der Morgen- und Abendtoilette, bei Ausscheidungen sowie bei der Zubereitung von Mahlzeiten erbracht. Insgesamt handelte es sich indes sämtlich um ambulante Dienstleistungen, wie sie auch für ältere Menschen in anderen Privatwohnungen erbracht werden. Das auf ein selbstorganisiertes Wohnen ausgerichtete Nutzungskonzept wird auch durch einen aktuell erhöhten Pflegebedarf infolge der Verschlechterung des Gesundheitszustandes einzelner Bewohner nicht grundsätzlich in Frage gestellt. So ist denn auch mittlerweile nach dem Oktober 2017 eine Person neu in die Wohngemeinschaft aufgenommen worden, die kein Pflegefall ist, wie die Sozialstation ausgeführt hat. Nach der Stellungnahme dieser Station steht in der täglichen Praxis ihrer Arbeit das Ziel im Vordergrund, die Bewohner mit Hilfe der ambulanten Unterstützungsleistungen in die Lage zu versetzen, im Rahmen ihrer Fähigkeiten und unterstützt durch ihre Angehörigen ein möglichst eigenständiges Leben zu führen.
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(3) Insgesamt ist der Senat daher mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass die „Wohngemeinschaft P.“ auch in ihrer tatsächlichen Ausgestaltung auf ein gemeinschaftliches Wohnen ausgerichtet ist und sich von Pflege- und Betreuungseinrichtungen unterscheidet, bei denen der fremdbestimmte Versorgungscharakter im Vordergrund steht. Diese Einschätzung wird durch die Feststellung des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung vom 27. September 2016 (Bl. 300 der Behördenakte) bestätigt. Darin heißt es:
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„Nach eingehender Prüfung der uns vorliegenden Unterlagen Mietvertrag, Betreuungsvertrag, Vereinbarung/Prinzipien der Mieter und Mieterinnen in der Wohngemeinschaft „P.“ und unserem Besuch in der benannten Wohngemeinschaft stellen wir fest, dass [es sich bei der Wohngemeinschaft weiterhin um] eine selbst organisierte Wohngemeinschaft für volljährige Menschen mit Behinderung oder pflegebedürftige volljährige Menschen [i.S.v. § 3 Abs. 2 des Landesgesetzes über Wohnformen und Teilhabe – LWTG – handelt].“
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b. Wenn auch im Berufungszulassungsantrag nicht angesprochen, sei ergänzend bemerkt, dass der Senat die derzeit praktizierte Nutzung im Haus des Beigeladenen auch im Hinblick auf § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nicht als bauplanungsrechtlich unzulässig bewertet.
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Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt ein Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines Baugebiets (vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2002 – 4 B 86/01 –, NVwZ 2002, 1384 – Leitsatz –; OVG Hamburg, Beschluss vom 13. August 2009 – 2 Bs 102/09 –, BauR 2009, 1867) dann in Betracht, wenn ein Bauvorhaben, das der Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung entspricht – wie hier –, sich im Einzelfall deshalb als unzulässig erweist, weil es nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widerspricht. Die Vorschrift geht davon aus, dass im Einzelfall – ausnahmsweise – „Quantität in Qualität umschlagen“ kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 1995 – 4 C 3.94 –, NVwZ 1995, 899, juris Rn. 1 f.; OVG NDS, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 1 ME 47/14 –, BauR 2014, 1910 und juris Rn. 13).
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Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Anzahl der Bewohner insofern ein maßgebliches Kriterium für den Nutzungsumfang sein kann oder ob § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nicht vielmehr nur auf Faktoren für das Maß der baulichen Nutzung abstellt. Denn weil es sich bei § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO um eine Ausnahmevorschrift handelt, ist ein Widerspruch zur Eigenart der baulichen Nutzung nur unter strengen Voraussetzungen anzunehmen. Der Widerspruch der im Baugebiet hinzukommenden baulichen Anlage oder deren Nutzung muss sich daher bei objektiver Betrachtungsweise offensichtlich aufdrängen; dass das Neubauvorhaben oder die neue Nutzung nicht in jeder Hinsicht mit der vorhandenen Bebauung „im Einklang steht“, genügt dafür nicht (vgl. OVG RP, Beschluss vom 8. Dezember 2016 – 8 A 10680/16.OVG –, juris Rn. 11; Determann/Stühler, in: Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 15 Rn. 9.1). Eine derart auffällige Unverträglichkeit liegt hier auch im Hinblick auf die Zahl der Bewohner im Wohnhaus des Beigeladenen nicht vor (vgl. zu diesem Aspekt auch: OVG RP, Beschluss vom 8. Dezember 2016 – 8 A 10680/16.OVG – [studentische Wohngemeinschaft mit 11 Personen im reinen Wohngebiet], juris, Rn. 12).
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c. Auch im Hinblick auf die Beachtung des Rücksichtnahmegebots gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO finden sich im Berufungszulassungsbegehren der Kläger keine weiteren Ausführungen. Auch insofern kann daher auf die Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts verwiesen werden.
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2. Die Berufung ist schließlich auch nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
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Der geltend gemachte Aufklärungsmangel ist nicht gegeben. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachaufklärung grundsätzlich nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter - wie hier - nicht ausdrücklich beantragt hat. Der Beweisantrag ist förmlich spätestens in der mündlichen Verhandlung zu stellen (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 4 B 20.12 –, BRS 79 Nr. 73, Rn. 6 m.w.N.). Eine lediglich schriftsätzliche Beweisanregung (wie hier im Schriftsatz des Bevollmächtigten der Kläger vom 26. September 2017, Bl. 57 der GA) genügt insofern nicht (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 124, Rn. 191).
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Im Übrigen war eine weitere Aufklärung der Nutzungsverhältnisse im Haus des Beigeladenen auch nicht entscheidungserheblich. Der Sachverhalt ist aufgrund der zahlreich vorhandenen Pläne und Fotos sowie gerade durch die vom Verwaltungsgericht veranlasste ergänzende, in ihrem Inhalt nicht bestrittene Stellungnahme der Sozialstation gut aufgeklärt. Wie oben bereits ausgeführt, ist der Zustand älterer Menschen mit mehr oder weniger großem Pflegebedarf und mit oder weniger fortgeschrittener Demenz im Allgemeinen gerichtsbekannt. Auf den konkreten und aktuellen Zustand der Bewohner im Haus des Beigeladenen kommt es nach den obigen Ausführungen nicht an. Denn danach ist für die städtebauliche Beurteilung maßgeblich auf das „Nutzungskonzept und seine grundsätzliche Verwirklichung, nicht aber auf das individuelle und mehr oder weniger spontane Verhalten einzelner Bewohner [abzustellen]“ (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 1996, a.a.O., juris, Rn. 12).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gründe dafür, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, liegen nicht vor, da der Beigeladene mangels eigener Antragstellung seinerseits kein Kostenrisiko getragen hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47, 52 GKG.
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Referenzen
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