Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (8. Senat) - 8 C 11553/18

Tenor

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Antragstellerin wendet sich gegen die Veränderungssperre für den Bereich des Bebauungsplanentwurfs „O.“ der Antragsgegnerin vom 29. November 2017.

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Sie ist Eigentümerin des im Satzungsgebiet gelegenen Flurstücks Nr. 227/3, das derzeit mit einem Einfamilienhaus bebaut ist, nach dessen Abriss die Antragstellerin die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit neun Wohneinheiten plant. Hierzu ist bei der Antragsgegnerin ein Bauantrag anhängig, nachdem ein unveränderter Bauantrag vom August 2017 mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2018 abgelehnt worden war.

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In seiner Sitzung vom 29. November 2017 fasste der Rat der Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan „O“. In der Sitzungsvorlage hierzu heißt es: In dem vorgesehenen Plangebiet sei im Wesentlichen auf der Grundlage einer Abrundungssatzung aus dem Jahr 1983 eine sehr heterogene lockere Bebauung in der Hanglage entstanden. Die wegen der Nachfrage nach Wohnraum zu erwartende Nachverdichtung lasse eine starke Verdichtung und eine nachhaltige Änderung der städtebaulichen Struktur besorgen. Aktueller Anlass für diese Sorge sei das Bauvorhaben der Antragstellerin zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 9 Wohneinheiten. Mit dem Bebauungsplan solle die Wohnumfeldqualität des prägenden Ortsrandbereichs langfristig gesichert und die Nachverdichtung auf ein verträgliches Maß beschränkt werden. Es gelte, die offene Struktur sowie die großzügigen unbebauten Gartenbereiche in den rückwärtigen Grundstücksflächen und die Vorgartenzonen zu sichern. Welche konkreten Regelungen hierfür erforderlich seien, könne erst nach einer umfassenden Bestandsaufnahme und -analyse entschieden werden. In Betracht kämen Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche, zur Höhe der Bebauung sowie zur Zahl der Wohneinheiten.

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Im Anschluss an diesen Aufstellungsbeschluss fasste der Rat der Antragsgegnerin in derselben Sitzung den Beschluss über die hier angegriffene Veränderungssperre und legte den Geltungsbereich der Satzung in Übereinstimmung mit dem Aufstellungsbeschluss fest. Die Satzung zur Veränderungssperre wurde am 11. Dezember 2017 ausgefertigt und am 15. Dezember 2017 – zusammen mit dem Aufstellungsbeschluss – öffentlich bekannt gemacht.

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Im Entwurf des Bebauungsplans vom 1. August 2018 sind u. a. folgende Festsetzungen vorgesehen: Allgemeines Wohngebiet, Grundflächenzahl 0,4, maximale Oberkante der Gebäude 13 m, maximale Traufhöhe 9 m, Mindestgröße der Baugrundstücke 400 qm, maximal eine Wohneinheit je angefangener 400 qm Grundstücksfläche. Die frühzeitige Bürger- und Behördenbeteiligung wurde im Oktober/November 2018 durchgeführt.

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Die Antragstellerin trägt zur Begründung ihres Normkontrollantrags im Wesentlichen vor: Die Satzung zur Veränderungssperre sei rechtswidrig. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses hätten bei der Antragsgegnerin noch keine hinreichend konkreten Vorstellungen über den Inhalt der zu sichernden Bauleitplanung vorgelegen. Insbesondere fehle es jenseits der beabsichtigten Festsetzung eines Allgemeinen Wohngebiets an konkreten Vorstellungen etwa zur Höhe der Gebäude und auch zur erlaubten Zahl der Wohneinheiten. Absichtserklärungen zur Gewährleistung einer städtebaulich sinnvollen Ordnung oder der notwendigen Bestimmung der überbaubaren Grundstücksbereiche seien vollkommen vage. Sie ermöglichten es dem Bauherrn nicht, einen mit den Planvorstellungen kompatiblen Bauantrag zu stellen. Von dieser Möglichkeit gehe allerdings § 14 Abs. 2 BauGB aus. Im Übrigen werde sich die bislang bebaubare Fläche ihres Baugrundstücks nicht – zumindest nicht ohne Entschädigungsfolge gemäß § 39 ff. BauGB – in eine nicht bebaubare Freifläche umwandeln lassen.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die Satzung der Antragsgegnerin über die Veränderungssperre „O.“ vom 29. November 2017 für unwirksam zu erklären.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Normenkontrollantrag abzulehnen.

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Sie hält den Antrag für unbegründet: Die angegriffene Satzung sei zunächst formell rechtmäßig erlassen worden. Insbesondere sei der Satzungsbeschluss ausweislich der Niederschrift über die Stadtratssitzung am 29. November 2017 erst im Anschluss an den Aufstellungsbeschluss gefasst worden. Die Veränderungssperre sei auch materiell rechtmäßig. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung hätten hinreichend konkrete Planungsabsichten bestanden. Es gehe um die Überplanung eines bestehenden Wohngebiets mit dem Ziel, dessen städtebauliche Charakteristik zu erhalten, insbesondere die großzügigen begrünten Freibereiche auf den Grundstücken zu sichern. Bereits beim Planaufstellungsbeschluss sei klar gewesen, dass sich die Stadt hinsichtlich Art und Maß der baulichen Nutzung an denjenigen vorhandenen Gebäuden orientieren werde, die unter Bewahrung großzügiger Garten- und Vorgartenflächen mit an der Hangkante gemäßigter Höhe errichtet worden seien. Diese Bebauung solle maßstabbildend für die künftigen Vorhaben sein. Die weitere Konkretisierung dieser ursprünglichen Planungsvorstellungen sei erst nach der durchgeführten Bestandsaufnahme möglich geworden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Planaufstellungsunterlagen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der zulässige Normenkontrollantrag ist nicht begründet.

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1. Die Veränderungssperre leidet zunächst nicht an einem formell-rechtlichen Mangel. Ausweislich des von der Antragsgegnerin vorgelegten Protokolls der Stadtratssitzung vom 29. November 2017 ist der Beschluss über die Veränderungssperre erst im Anschluss an den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan „O.“ gefasst worden (vgl. S. 35 des Protokolls; zur Notwendigkeit dieser Reihenfolge: Rieger in: Schrödter, BauGB, 9. Auflage 2019, § 14 Rn. 8). Als öffentliche Urkunde begründet das Sitzungsprotokoll vollen Beweis seines Inhalts (vgl. § 417 ZPO).

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Die Veränderungssperre ist auch zulässigerweise zusammen mit dem Aufstellungsbeschluss am 15. Dezember 2017 öffentlich bekanntgemacht worden.

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2. Die Veränderungssperre ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

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Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB kann die Gemeinde, wenn – wie hier – ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt erlassen, dass Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB nicht durchgeführt werden dürfen.

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a) Nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte liegt das Sicherungsbedürfnis für eine Veränderungssperre aber nur vor, wenn die Planung ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll (vgl. zuletzt: BVerwG, Urteil vom 9. August 2016 – 4 C 5.15 –, BauR 2017, 96 und juris, Rn. 19; OVG RP, Urteil vom 23. November 2016 – 8 C 10662/16-, BauR 2017, 852 und juris, Rn. 30). Denn die Veränderungssperre schützt die künftige Planung, nicht aber lediglich die abstrakte Planungshoheit (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 2012 – 4 C 1.11 –, BVerwGE 144, 82 und juris, Rn. 10).

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Zwar kann und muss die Planung am Anfang des Aufstellungsverfahrens noch nicht in allen Einzelheiten feststehen. Vielmehr dient die Veränderungssperre gerade dazu, den Planungsprozess mit seiner stufenweisen Konkretisierung des am Anfang beschlossenen Konzepts zu sichern und zu verhindern, dass zwischenzeitlich Bauprojekte genehmigt werden, die mit den Planungszielen unvereinbar sind. Änderungen einzelner Planungsvorstellungen nach Erlass der Veränderungssperre sind daher für deren Rechtmäßigkeit ohne Belang, solange die bei ihrem Erlass hinreichend konkrete Grundkonzeption nicht aufgegeben wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2007 - 4 BN 36/07-, BauR 2008, 328 und juris Rn 3).

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Die Forderung nach einem Mindestmaß an (Ziel-) Konkretisierung ergibt sich aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Denn die nicht unerhebliche Nutzungseinschränkung durch das mit der Veränderungssperre ausgelöste repressive Bauverbot mit Befreiungsvorbehalt ist nur verhältnismäßig, wenn für den Betroffenen erkennbar ist, was mit der Sperre erreicht werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2004 – 4 CN 13.03 –, BauR 2004, 1296 und juris, Rn. 19). Dieses Mindestmaß an konkreter planerischer Vorstellung gehört nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch zur normativen Konzeption des § 14 BauGB. Nach seinem Abs. 2 Satz 1 kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob der praktisch wichtigste öffentliche Belang, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung, gewahrt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht noch völlig offen sind. Die Entscheidung über die ausnahmsweise Zulassung eines Bauvorhabens trotz Veränderungssperre kann nur gesteuert werden, wenn ein Mindestmaß der beabsichtigten Planungsziele bekannt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 2012, a.a.O., juris, Rn. 11). Dabei ist allerdings zu sehen, dass die Ausnahme gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB nur von den Wirkungen der Veränderungssperre (Bauverbot) befreit, nicht jedoch bereits die Zulässigkeit des Bauvorhabens feststellt (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 132. EL 2019, § 14, Rn. 69; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 14, Rn. 29; Sennekamp, in: Brügelmann, BauGB, 109. EL 2019, § 14, Rn. 63). Soll die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens gerade mit den künftigen Festsetzungen eines Bebauungsplans begründet werden, verlangt § 33 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BauGB hierfür die formelle und materielle Planreife, die nicht schon zum Zeitpunkt des Aufstellungsbeschlusses und der damit möglichen Veränderungssperre, sondern erst in einem späteren Verfahrensstadium vorliegen kann.

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Unabhängig davon hält die Rechtsprechung es hinsichtlich der Konkretisierung der Planungsvorstellungen für grundsätzlich erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung besitzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. August 2016 – 4 C 5/15 –, BVerwGE 156, 1, Rn. 19).

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Die Vorstellungen zur planerischen Konzeption der Gemeinde können sich außer in der Niederschrift über die Gemeinderatssitzung auch aus allen anderen erkennbaren Unterlagen und Umständen ergeben, z.B. auch aus anderen Akten oder einer bekannten Vorgeschichte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 01. Oktober 2009 – 4 BN 34.09 – BauR 2010, 65 und juris Rn. 9).

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b) Gemessen an diesen Vorgaben ist die Veränderungssperre für den Bebauungsplan „O.“ rechtlich nicht zu beanstanden.

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Aus der Sitzungsvorlage für den Aufstellungsbeschluss geht hinreichend eindeutig hervor, dass der Bebauungsplan das bereits vorhandene Wohngebiet mit dem Ziel überplanen soll, „die Wohnumfeldqualität des prägenden Ortsrandbereiches langfristig [zu] sichern.“ Nach der Art der baulichen Nutzung soll mithin ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt werden. Dies wird auch von der Antragstellerin nicht in Frage gestellt.

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Wenn die Antragsgegnerin darüber hinaus hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung und der zulässigen Zahl von Wohneinheiten in den Gebäuden zum Zeitpunkt der Veränderungssperre noch keine vollkommen exakten Vorgaben benannt hat, genügt dies ebenfalls den Anforderungen an die bei Erlass der Veränderungssperre notwendigen Planungsvorstellungen.

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(1) So kommt in der Sitzungsvorlage zum Stadtratsbeschluss vom 29. November 2017 hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Antragsgegnerin der von ihr gesehenen Gefahr einer zunehmenden Verdichtung der Bebauung vorbeugen und die bauliche Entwicklung in einem aus ihrer Sicht verträglichen Maß halten will. Dass sie den genauen Inhalt der hierzu in Betracht kommenden Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche, zur Kubatur der Gebäude sowie zur Zahl der Wohneinheiten von einer umfassenden Bestandsaufnahme und -analyse abhängig machen will, ist der grundsätzlichen Offenheit des Planungsprozesses geschuldet und lässt die zum Zeitpunkt der Veränderungssperre gebotene Konkretisierung der Planungsvorstellungen nicht vermissen. So hat die Antragsgegnerin sehr eindeutig zu erkennen gegeben, dass sie die bereits in Gang befindliche Nachverdichtung des L. Hanges als städtebaulich unerwünscht empfindet und deren Fortsetzung unterbinden will. Weil sie ausdrücklich das Bauvorhaben der Antragstellerin zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 9 Wohneinheiten zum Anlass für die Einleitung des Bebauungsplanverfahrens nimmt, bringt sie hinreichend klar zum Ausdruck, dass ein solches Maß der Nutzung mit den geplanten Festsetzungen des Bebauungsplans nicht vereinbar sein wird. Hierdurch gibt die Antragsgegnerin zu erkennen, dass die eingeleitete Bauleitplanung auf die Bewahrung der vorhandenen Situation abzielt, unter Ausschluss einer den vorhandenen Rahmen sprengenden Entwicklung (vgl. zur Legitimität einer solchen städtebaulichen Zielsetzung: BVerwG, Beschluss vom 15. März 2012 – 4 BN 9.12 –, BauR 2012, 1067 und juris, Rn. 3; zur Festsetzung der höchstzulässigen Zahl der Wohnungen in Relation zur Grundstücksfläche: BVerwG, Urteil vom 8. Oktober 1998 – 4 C 1/97-, BVerwGE 107, 256 - Leitsatz -).

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(2) Soweit die Antragstellerin gerade unter Hinweis auf § 14 Abs. 2 BauGB verlangt, die Planungsvorstellungen müssten auch für das Maß der baulichen Nutzung so konkret vorliegen, dass der Bauherr in der Lage sei, einen mit den Planvorstellungen kompatiblen Bauantrag zu stellen, begründet dies nicht die Rechtswidrigkeit der hier angegriffenen Veränderungssperre. Sollte die Antragstellerin meinen, wegen der gesetzlichen Ausnahmeermächtigung in § 14 Abs. 2 BauGB müsse sie in die Lage versetzt werden, den künftigen Rahmen für die bauliche Entwicklung bereits unter Geltung der Veränderungssperre möglichst vollständig ausschöpfen zu können, würde dies dem Sinn der gebotenen Offenheit des Planungsprozesses widersprechen. Denn dies würde voraussetzen, dass gerade die hier umstrittenen und sehr detaillierten Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung (Grundflächenzahl, Geschossflächenzahl, Zahl der Vollgeschosse und Höhe der baulichen Anlage) sowie ferner auch die Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche und zur Zahl der Wohneinheiten bereits zu Beginn des Planaufstellungsverfahrens endgültig feststehen. Ein solcher Konkretisierungsgrad der Festsetzungen kann zu Beginn des Planungsprozesses schon wegen des Abwägungsgebots (§ 1 Abs. 7 BauGB) nicht verlangt werden.

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Die in § 14 Abs. 2 BauGB enthaltene Ermächtigung zur Ausnahme von der Veränderungssperre verfolgt einen anderen Zweck. Sie ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit für solche Bauvorhaben vorgesehen, bei denen die künftige Plankonformität deshalb offensichtlich bejaht werden kann, weil sie so deutlich hinter den noch offenen Detailregelungen zurückbleiben, den künftigen bauleitplanerischen Rahmen mithin so deutlich wahren, dass ihre (Vorab-)Zulassung den Planungsprozess nicht gefährdet. Umgekehrt steht die mit der Veränderungssperre bezweckte Sicherung der Planung der Zulassung eines Bauvorhabens entgegen, wenn die künftigen Festsetzungen noch nicht mit einem ausreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit endgültig geklärt sind, das beabsichtigte Bauvorhaben den künftigen Festsetzungen also möglicherweise widersprechen kann (so: Stock, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 132. EL 2019, § 14, Rn. 96; vgl. auch: OVG RP, Beschluss vom 16. Januar 2018 – 8 C 11521/17.OVG –).

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Letztlich kann dahingestellt bleiben, welcher Konkretisierungsgrad der bauleitplanerischen Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung und anderer Detailregelungen zu fordern ist, um dem Bauwilligen die Möglichkeit einer Ausnahmezulassung nach § 14 Abs. 2 BauGB nicht gänzlich zu verschließen. Denn die Planungsvorstellungen sind jedenfalls dann hinreichend konkret, wenn sie einen unteren Rahmen der baulichen Nutzung umschreiben, der auch im künftigen Bebauungsplan garantiert werden soll. Dies ist hier geschehen. So gibt die Begründung zum Aufstellungsbeschluss hinreichend klar zu erkennen, dass auch künftig ein solches Bauvorhaben zulässig sein wird, das den vorhandenen bauplanungsrechtlichen Rahmen einer offenen Bebauung mit großzügigen unbebauten Gartenbereichen und Vorgartenzonen einhält, ohne sich an jüngeren, diesen Rahmen sprengenden Bauvorhaben zu orientieren. Von welchem bauplanungsrechtlichen Rahmen für den noch unbeplanten Innenbereich die Antragsgegnerin ausgegangen ist, hat sie gerade gegenüber der Antragstellerin in den beiden Beratungsgesprächen am 2. März und 12. April 2017 verdeutlicht. Danach sieht die Antragsgegnerin eine überbaubare Grundfläche von maximal 210 qm als zulässige Grenze an, wohingegen die in der näheren Umgebung vorhandenen Gebäude mit ca. 300 qm Grundfläche als „Ausreißer“ bezeichnet werden.

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c) Schließlich ist das Sicherungsbedürfnis für die Veränderungssperre auch nicht deshalb zu verneinen, weil die beabsichtigte Bauleitplanung an einem rechtlich schlechthin nicht behebbaren Mangel leidet.

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Weil im Rahmen der Kontrolle einer Veränderungssperre keine umfassende Überprüfung der künftigen Bauleitplanung erfolgen kann, scheidet die Veränderungssperre als Sicherungsmittel nur dann aus, wenn der rechtliche Mangel „evident“ ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Februar 2014 – 4 BN 6/14 –, BRS 82 Nr. 120 und juris, Rn. 3; Stock, a.a.O., § 14, Rn. 53 und 55).

32

Ein solcher evidenter Mangel ist nicht ersichtlich. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin im Planaufstellungsverfahren und in dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schriftsatz vom 4. Juli 2019 lässt sich nicht feststellen, dass der mit der Veränderungssperre vom 29. November 2017 gesicherten Planung der Antragsgegnerin die Planerforderlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB offensichtlich abzusprechen war.

33

So bestimmt sich das, was im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB „erforderlich“ ist, maßgeblich nach der jeweiligen planerischen Konzeption; dabei liegt es im planerischen Ermessen der Gemeinde, welche städtebaulichen Ziele sie sich setzt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 – 4 BN 15/99 –, NVwZ 1999, 1338). Nicht erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind zwar Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und sich in einer reinen Negativplanung erschöpfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2013 – 4 C 13.11 –, BauR 2013, 1399 und juris, Rn. 9). Eine solche reine Negativplanung scheidet hier aber deshalb aus, weil die Antragsgegnerin mit ihrer Planung das legitime städtebauliche Ziel verfolgt, die derzeit vorhandene Prägung des Baugebiets „Oberer Dorfgraben“ zu bewahren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. März 2012 – 4 BN 9.12 –, BauR 2012, 1067 und juris, Rn. 3). Dass die Antragsgegnerin bei ihrer Planung auch die Interessen der betroffenen Grundstückseigentümer zu berücksichtigen hat und diese ohne sachliche Rechtfertigung nicht ungleich behandelt werden dürfen (vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 4. Januar 2007 -4 B 74/06-, BauR 2007, 667 und juris, Rn. 6; OVG RP, Beschluss vom 7. Februar 2018 – 8 A 11710/17.OVG –, juris, Rn. 18), führt auch angesichts der von der Antragstellerin aufgezeigten neueren Bauentwicklung im Plangebiet nicht dazu, den Planungszielen der Antragsgegnerin bereits von vorneherein jede städtebauliche Rechtfertigung abzusprechen. Ob der von der Antragsgegnerin gefundene Ausgleich der gegenläufigen Interessen ihrer jeweiligen Bedeutung gerecht wird, lässt sich erst in Kenntnis des vollständigen Abwägungsmaterials beurteilen, dessen Ermittlung und zutreffende Bewertung aber gerade Aufgabe des – durch eine Veränderungssperre sicherbaren – Planungsverfahrens ist (§ 2 Abs. 3 BauGB).

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

35

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

36

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

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Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

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