Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (7. Senat) - 7 B 11323/20, 7 D 11524/20

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 9. Oktober 2020 hinsichtlich des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.875,00 € festgesetzt.

7 B 11323/20.OVG –

II. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 9. Oktober 2020 hinsichtlich des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

7 D 11524/20.OVG –

Gründe

I.

1

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

Soweit der Antragsteller mit der Beschwerde seinen erstinstanzlichen Antrag zu 1) weiterverfolgen sollte, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 6. Oktober 2020 wiederherzustellen, ist dieser Antrag in Bezug auf Nr. 2 der Ordnungsverfügung mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. In Nr. 2 der Ordnungsverfügung wurde der Antragsteller verpflichtet, in Begleitung von Mitarbeitern der Ausländerbehörde oder von Vollzugs-/Polizeikräften am 6. Oktober 2020 bei einer bestimmten Krankenstation vorzusprechen, um sich dort auf das Corona-Virus testen zu lassen. Zwar fehlt dem Antragsteller diesbezüglich das Rechtsschutzinteresse nicht mehr, weil er „untergetaucht“ wäre, nachdem er seinem Beschwerdevorbringen zufolge sich seit 12. Oktober 2020 wieder in seiner Unterkunft aufhält. Die in Nr. 2 der Ordnungsverfügung angeordnete Verpflichtung zur Vorsprache für die Durchführung eines Covid-19-Tests am 6. Oktober 2020 hat sich aber durch Zeitablauf erledigt. Nach Ablauf des 6. Oktober 2020 besteht kein Rechtsschutzinteresse mehr für den hiergegen gerichteten Eilantrag des Antragstellers vom 8. Oktober 2020.

3

In Bezug auf die Nrn. 1 und 3 der Ordnungsverfügung, mit denen der Antragsteller auf der Grundlage des § 82 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – verpflichtet wurde, eine ärztliche Untersuchung für die Durchführung eines Covid-19-Tests zu dulden (Nr. 1), bzw. die Durchführung einer ärztlichen Untersuchung bezüglich eines Abstrichs für einen Covid-19-Test für den Fall angeordnet wurde, dass der Antragsteller der unter Nr. 2 angeordneten Verpflichtung nicht termingerecht Folge leistet (Nr. 3), ist zwar keine Erledigung durch Zeitablauf eingetreten. Auch fehlt dem Antragsteller insoweit nicht mehr das Rechtsschutzinteresse für seinen Eilantrag wegen „Untertauchens“. Der Antragsteller legt aber mit der Beschwerdebegründung nicht entsprechend den sich aus § 146 Abs. 4 Sätze 1, 3 und 6 VwGO ergebenen Anforderungen dar, weshalb die in den Nrn. 1 und 3 der Ordnungsverfügung angeordneten Regelungen rechtswidrig sein sollen. Hierzu enthält die Beschwerdebegründung keinerlei Ausführungen.

4

Unabhängig davon weist der Senat im Hinblick auf das erstinstanzliche Vorbringen des Antragstellers darauf hin, dass er die dort von ihm geäußerten Bedenken für unbegründet erachtet, wonach § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG keine ausreichende Rechtsgrundlage sei für die angeordnete Verpflichtung, eine ärztliche Untersuchung für die Durchführung eines Covid-19-Tests zu dulden zur Klärung der gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Rückführung auf dem Luftweg. Nach § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann u.a. eine ärztliche Untersuchung des Ausländers zur Feststellung der Reisefähigkeit angeordnet werden, soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung kann die Untersuchung insbesondere erforderlich sein, um die gesundheitlichen Voraussetzungen einer Rückführung auf dem Luftweg zu klären (vgl. BT-Drucks. 15/420, S. 96f.). Der Senat teilt daher die Auffassung des Antragsgegners, dass der Begriff der Reisefähigkeit im Sinne des § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG weit zu verstehen ist und auch die gesundheitlichen Voraussetzungen umfasst, um in das Zielland der geplanten Rückführung (Abschiebung bzw. Überstellung) einreisen zu dürfen. Im vorliegenden Fall setzt die Überstellung des vollziehbar ausreisepflichtigen Antragstellers nach Italien gemäß den italienischen Einreisebestimmungen das Vorliegen eines negativen Covid-19-Tests voraus, der nicht älter als 72 Stunden sein darf, wie der Antragsgegner zutreffend in seiner Ordnungsverfügung ausgeführt hat. Daher ist eine diesbezügliche ärztliche Untersuchung des Antragstellers erforderlich zur Feststellung seiner Reisefähigkeit im Sinne des § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG.

5

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Antrags zu 2), dem Antragsgegner aufzugeben, die medizinischen Daten, insbesondere das Covid-19-Testergebnis an den Antragsteller herauszugeben, ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Antragsteller damit letztlich die Weitergabe seiner Gesundheitsdaten an die italienischen Behörden verhindern wolle. Es hat diesen Antrag als unzulässig mit der selbständig tragenden Begründung abgelehnt, dass nach den Angaben des Antragsgegners die geplante Abschiebung abgebrochen worden sei und die sich aus den aktuellen, auch für Rückführungen geltenden Einreisebestimmungen Italiens ergebende Pflicht zur Vorlage eines negativen Covid-19-Tests, der nicht älter als 72 Stunden ist, nicht mehr erfüllt werden könne. Der Antragsteller legt nicht einmal ansatzweise dar, weshalb diese Annahme des Verwaltungsgerichts unzutreffend sein sollte. Die Beschwerdebegründung geht vielmehr hierauf mit keinem Wort ein.

6

Soweit das Beschwerdevorbringen schließlich so zu verstehen sein sollte, dass der Antragsteller zusätzlich die Feststellung begehrt, die angegriffene Ordnungsverfügung sei rechtswidrig gewesen, so ist ein solcher Antrag in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unzulässig. Denn für die begehrte Feststellung fehlt das erforderliche berechtigte Interesse (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO), weil die aufgrund summarischer Prüfung ergehende einstweilige Anordnung nicht zu einer rechtskräftigen Klärung der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts führt. Eine verbindliche Entscheidung über diese Frage ist nur in einem Hauptsacheverfahren möglich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 1995 – 7 VR 16/94 –, NVwZ 1995, 586 [587]).

7

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

8

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 GKG.

II.

9

Die Beschwerde ist auch hinsichtlich der Versagung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg unbegründet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der Zurückweisung der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts steht fest, dass der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen war.

10

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

11

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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