Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (6. Senat) - 6 A 10603/21

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 25. März 2021 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 485,20 € festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe gegeben ist.

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1. Die Richtigkeit des angegriffenen Urteils begegnet keinen ernstlichen Zweifeln im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, da der Kläger die maßgeblichen Rechtssätze und Tatsachenfeststellungen, welche die angegriffene Entscheidung tragen, nicht in rechtserheblicher Weise mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat.

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a) Zur Finanzierung der Kosten und Aufwendungen einer Wasserversorgungs- bzw. Entwässerungseinrichtung stehen dem Einrichtungsträger mehrere Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung. So können die kommunalen Gebietskörperschaften gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes – KAG – vom 20. Juni 1995 (GVBl. S. 175) als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen und Anlagen zur Deckung der Kosten Benutzungsgebühren erheben. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG können kommunale Gebietskörperschaften von Grundstückseigentümern, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von öffentlichen Einrichtungen oder Anlagen ein Vorteil entsteht, Beiträge erheben. Insoweit regelt § 7 Abs. 2 Satz 2 KAG, dass zur Finanzierung der Investitionsaufwendungen für die Herstellung oder den Ausbau einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage einmalige Beiträge, zur Abgeltung der Kosten der Einrichtung oder Anlage wiederkehrende Beiträge erhoben werden können. Hieraus folgt zunächst, dass Einmalbeiträge nicht zur Verfügung stehen, wenn es um Kosten geht, die nicht Investitionsaufwendungen für die Herstellung oder den Ausbau darstellen. Des Weiteren ist festzustellen, dass die gesetzlichen Regelungen in § 7 Abs. 1 Satz 1 und § 7 Abs. 2 Satz 2 KAG schon ihrem Wortlaut nach einen einheitlichen Kostenbegriff verwenden. Folgerichtig stellt § 7 Abs. 2 Satz 3 KAG den kommunalen Gebietskörperschaften frei, einmalige und wiederkehrende Beiträge sowie Benutzungsgebühren nebeneinander zu erheben. Aufgrund dieser Regelungssystematik geht das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, die kommunalen Gebietskörperschaften könnten sämtliche laufende Kosten – d.h. sowohl fixe als auch variable Personal- und Betriebskosten in Abgrenzung zu den durch Einmalbeiträge fakultativ finanzierbaren Investitionsaufwendungen, aber auch Abschreibungen und Zinsen für Fremd- und Eigenkapital – durch die dem Grunde nach gleichwertigen und austauschbaren Finanzierungsinstrumente der Benutzungsgebühren und/oder wiederkehrende Beiträge refinanzieren. Ein Rangverhältnis bestehe insoweit nicht (Urteile vom 1. Dezember 2016 – 6 A 10558/16.OVG –, juris Rn. 42f., und vom 4. Mai 2021 – 6 A 11344/20.OVG –, juris Rn. 15).

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Begrenzt werden die danach zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Gebühren- bzw. Beitragserhebung durch das Verbot der Doppelfinanzierung (OVG RP, Beschluss vom 6. Juni 2016 – 6 A 11071/15.OVG –; Urteil vom 1. Dezember 2016, a.a.O., Rn. 44). Dass die Beklagte hiergegen verstoßen hätte, ist weder ersichtlich noch vom Kläger substantiiert vorgetragen. Im Übrigen ist das Verbot der Doppelfinanzierung sowohl in § 11 Abs. 4 der Entgeltsatzung Wasserversorgung – ESW – der Beklagten vom 27. November 2014 als auch in § 12 Abs. 4 der Entgeltsatzung Abwasserbeseitigung – ESA – der Beklagten vom 27. November 2014 ausdrücklich festgehalten.

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b) Wie bereits dargelegt können gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG die kommunalen Gebietskörperschaften von Grundstückseigentümern – wie dem Kläger –, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von öffentlichen Einrichtungen oder Anlagen ein Vorteil entsteht, Beiträge erheben. Diese Möglichkeit der Inanspruchnahme stellt mithin den eine Beitragspflicht auslösenden Vorteil im Sinne der genannten Regelung dar. Entscheidend ist daher die Bereitstellung der Anlage oder Einrichtung zu ihrer Inanspruchnahme (zuletzt OVG RP, Urteil vom 4. Mai 2021 – 6 A 11344/20.OVG –, juris Rn. 23; vgl. LT-Drs. 12/5443, S. 22).

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Gemessen hieran ist hinsichtlich der mit den angegriffenen Heranziehungsbescheiden der Beklagten zu wiederkehrenden Beiträgen für die Wasserversorgung und Schmutzwasserbeseitigung veranlagten Grundstücke des Klägers mit den Flurstücks-Nrn. *** und *** jeweils eine beitragsrelevante Vorteilssituation gegeben. Das Grundstück mit der Flurstücks-Nr. *** ist nämlich mit einem Wohnhaus bebaut und sowohl an die Wasserversorgungs- als auch Abwasserentsorgungseinrichtung der Beklagten angeschlossen. Darüber hinaus kann das gegenwärtig unbebaute und mit einer veranlagten Teilfläche von 822 m² innerhalb der maßgeblichen Ortslagenabrundungssatzung gelegene Grundstück mit der Flurstücks-Nr. *** an die in der D***straße verlegten Wasserversorgungs- und Abwasserleitungen angeschlossen werden. Insoweit besteht – worauf der Kläger zutreffend hinweist – zwar gegenwärtig kein Anschlusszwang. Dem Kläger steht jedoch jederzeit die Möglichkeit offen, sein Grundstück an die Wasserversorgungs- bzw. Entwässerungseinrichtung der Beklagten anzuschließen. Auch diese Anschlussmöglichkeit begründet einen beitragsrelevanten Vorteil im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG.

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c) Beitragsmaßstab für die danach der Beklagten eröffnete und in § 12 Abs. 1 ESW bzw. § 13 Abs. 1 ESA umgesetzte Befugnis zur Erhebung wiederkehrender Beiträge für die Möglichkeit des Bezuges von Trink-, Brauch- und Betriebswasser bzw. die Möglichkeit der Einleitung von Schmutz- und Niederschlagswasser ist gemäß § 12 Abs. 4 i.V.m. § 5 Abs. 2 ESW bzw. § 13 Abs. 4 i.V.m. § 5 Abs. 2 ESA die Grundstücksfläche mit Zuschlägen für Vollgeschosse, wobei der Zuschlag je Vollgeschoss 15 v.H. und für die ersten zwei Vollgeschosse einheitlich 30 v.H. beträgt. Die Anwendung dieses sog. Vollgeschossmaßstabes zur Bemessung des beitragsrechtlich relevanten Vorteils ist in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz seit langem anerkannt und gibt den durch einen tatsächlichen Anschluss oder auch durch die bloße Möglichkeit eines Anschlusses an die Wasserversorgungs- bzw. Entwässerungseinrichtung der Beklagten vermittelten Vorteil in rechtlich nicht zu beanstandender Weise wieder.

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Maßgeblich hierfür ist in erster Linie die Erwägung, dass der beitragsrelevante Vorteil insbesondere durch den Umfang der möglichen baulichen Nutzung eines Grundstücks bestimmt wird und dieser wiederum maßgeblich sowohl von der Grundstücksfläche als auch von der möglichen Geschossfläche abhängt, was durch den vorgesehenen Vollgeschosszuschlag hinreichend zum Ausdruck gebracht wird. Darüber hinaus zeichnet sich der angewandte Maßstab vor allem durch seine Praktikabilität und Durchschaubarkeit aus (OVG RP, Urteile vom 20. März 2001 – 12 A 11979/00.OVG –, juris Rn. 19 m.w.N., 11. August 2015 – 6 C 10816/14.OVG –, juris Rn. 21 m.w.N., und 15. Dezember 2020 – 6 A 10020/20.OVG –, juris Rn. 19; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 452ff.).

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Dieses landesrechtlich bestimmte Verständnis des beitragsrelevanten Vorteils steht auch in Einklang mit bundesrechtlichen Vorgaben. So erachtet auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts den mit der Grundstücksfläche kombinierten Vollgeschossmaßstab als mit Bundesrecht vereinbar. Für ihn sprächen beachtliche Vorteile der besseren – auch kostensparenden - Verwaltungspraktikabilität sowie der im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers zulässigen Pauschalierungen. Als Wahrscheinlichkeitsmaßstab sei er geeignet, in einer Art. 3 Abs. 1 GG genügenden Weise die nutzungsbezogenen Elemente, die dem Vorteilsbegriff innewohnen, bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen. Der Vollgeschossmaßstab gehe von der Wahrscheinlichkeit aus, dass die einem Grundstück durch die Möglichkeit seines Anschlusses an das öffentliche Entwässerungssystem – Vergleichbares gilt auch für den Anschluss an eine Wasserversorgungseinrichtung – vermittelten Vorteile mit der Größe des Grundstücks und der – das Maß der baulichen Nutzung ausdrückenden – Zahl der Vollgeschosse wachse. Damit werde ein nutzungsbezogener Flächenbeitrag gewählt, welcher die dem Grundstück vermittelte Inanspruchnahmemöglichkeit zum Ausdruck bringe (Beschluss vom 30. April 1996 – 8 B 31/96 –, juris Rn. 5).

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Die dargelegten Grundsätze zu dem von der Beklagten angewandten Beitragsmaßstab werden von der Begründung des Zulassungsantrages verkannt bzw. die in ihrem Rahmen gemachten Ausführungen bieten keinen Anlass, hiervon abzuweichen. Dass der Beklagten bei der Umsetzung des Beitragsmaßstabs rechnerische Fehler unterlaufen wären, ist nicht ersichtlich und wird von dem Kläger auch nicht geltend gemacht.

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2. Aus den dargelegten Erwägungen weist die Rechtssache zudem keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf.

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3. Darüber hinaus hat der Kläger schon keine konkrete rechtsgrundsätzliche Frage im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO aufgeworfen. Im Übrigen hat sich die Erhebung wiederkehrender Beiträge für Wasserversorgungs- bzw. Entwässerungseinrichtungen an den unter 1. dargelegten grundsätzlichen Maßstäben zu orientieren.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

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Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.

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