Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (10. Senat) - 10 A 10231/21
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 18. Januar 2021 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Neubesetzung von vier Gemeinderatsausschüssen.
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Die Klägerin ist eine Fraktion in dem beklagten Gemeinderat. Nach der Kommunalwahl im Jahr 2019 hatte sie zunächst fünf der insgesamt 28 Sitze in dem Gemeinderat inne. Die übrigen Sitze verteilten sich auf die Christlich Demokratische Union (zwölf Sitze), die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (fünf Sitze), Bündnis 90/Die Grünen (vier Sitze) und die Freien Demokraten (zwei Sitze).
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Am 29. August 2019 wählte der beklagte Gemeinderat die nach § 4 der Hauptsatzung zu bildenden Ausschüsse aufgrund eines gemeinsamen Wahlvorschlags der im Gemeinderat vertretenen politischen Gruppen. Diese bestehen – mit Ausnahme des hier nicht relevanten Rechnungsprüfungsausschusses – aus jeweils zwölf Mitgliedern, wobei fünf Sitze auf die CDU, je zwei Sitze auf die SPD, die Klägerin sowie B90/Die Grünen und ein Sitz auf die FDP entfielen. Auf Vorschlag der Klägerin wurde in den Hauptausschuss, den Sozialausschuss, den Schulträgerausschuss und – als Stellvertreter – in den Umweltausschuss das Ratsmitglied H... gewählt.
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Dieser trat allerdings Anfang des Jahres 2020 aus der FWG Grafschaft sowie der Klägerin aus und schloss sich der CDU-Fraktion im beklagten Gemeinderat an. Damit verfügt die CDU-Fraktion nun über 13 Sitze, die Klägerin über vier Sitze. Dagegen blieb auch unter Berücksichtigung dieser veränderten Ratszusammensetzung die rechnerische Verteilung der Ausschussmitglieder nach dem anwendbaren Divisorverfahren dieselbe, wie sie auch dem gemeinsamen Wahlvorschlag vom 29. August 2019 zugrunde gelegt worden war, insbesondere stehen danach der CDU weiterhin fünf Sitze und der FWG zwei Sitze zu. Faktisch verfügt die CDU in den betroffenen Ausschüssen durch den Fraktionswechsel des Ratsmitglieds H... aber nun über sechs (statt fünf) und die Klägerin nur noch über einen (statt zwei) Sitze.
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Nachdem die Klägerin das Ratsmitglied H... vergeblich dazu aufgefordert hatte, seine Mitgliedschaft in den genannten Ausschüssen niederzulegen, beantragte sie, die Gemeinderatsausschüsse neu zu besetzen. Die Mehrheit des beklagten Gemeinderats lehnte dies jedoch in der Ratssitzung vom 1. Oktober 2020 ab.
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Die Klägerin hat ihre hiergegen gerichtete Klage im Wesentlichen damit begründet, ihr stünden aufgrund des verfassungsrechtlich verbürgten Prinzips der Spiegelbildlichkeit und des in § 41 Kommunalwahlgesetz – KWG – festgesetzten Verteilschlüssels weiterhin zwei Sitze pro Ausschuss zu. Ändere sich die Fraktionsmitgliedschaft eines Ausschussmitglieds, sei der Ausschuss nach § 44 f. Gemeindeordnung – GemO – neu zu besetzen. Entsprechend § 45 Abs. 3 GemO sei die Spiegelbildlichkeit zum Plenum jederzeit wiederherzustellen. Plenarmehrheit und Ausschussmehrheit dürften nicht auseinanderfallen, da die Ausschüsse anderenfalls ihre Aufgabe der Vorbereitung von Ratsbeschlüssen nicht zuverlässig erfüllen könnten. Hinzu komme, dass Ausschüsse partiell direkt über bestimmte Angelegenheiten entscheiden könnten. Das Prinzip der Spiegelbildlichkeit sei deshalb Allgemeingut im Kommunalrecht, was auch ein Vergleich mit den Regelungen anderer Bundesländer zeige. Werde dieses Prinzip nicht beachtet, könne das Ergebnis einer Kommunalwahl letztlich durch die persönliche Entscheidung einzelner Gemeinderatsmitglieder konterkariert werden. So verfüge die CDU aufgrund des Fraktionswechsels über eine Mehrheit in den Ausschüssen, die ihr nach dem Ergebnis der Kommunalwahl und der Sitzverteilung im Gemeinderat auf Basis des mathematischen Verteilverfahrens nicht zustehe. Dies führe zu einer offenkundigen Verfälschung der Mehrheitsverhältnisse im jeweiligen Ausschuss. Die CDU-Fraktion dominiere nun die Ausschussarbeit bzw. habe eine Blockadeposition inne. Demgegenüber gebe es weder ein Prinzip der „Kontinuität der Selbstverwaltung“, noch verfüge ein Ausschussmitglied über persönlichen Bestandsschutz. Sein subjektives Recht beschränke sich darauf, an der Ausschussarbeit nach Maßgabe der Gemeindeordnung vollumfänglich mitzuwirken, so lange der Ausschuss in einer bestimmten Zusammensetzung bestehe.
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Die Klägerin hat beantragt,
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festzustellen, dass alle Ausschüsse des Gemeinderats mit zwölf Mitgliedern neu besetzt werden müssen, soweit die Fraktion der FWG in diesen Ausschüssen durch das Ratsmitglied H... vertreten wird.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat die Ansicht vertreten, die Klage sei schon zu unbestimmt. Jedenfalls bestehe aber kein Anspruch auf die beantragte Feststellung. § 45 Abs. 3 GemO sei dem Wortlaut nach nur anzuwenden, wenn sich aufgrund eines veränderten Stärkeverhältnisses im Gemeinderat nach dem Divisorverfahren auch eine andere Verteilung der Ausschusssitze ergeben würde. Daran fehle es vorliegend. Die genannte Vorschrift sei auch nicht analogiefähig. Außerdem handele es sich bei der Ausschussmitgliedschaft um eine subjektive öffentliche Rechtsposition, für deren Entzug es einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage bedürfe. Schließlich sei die vom Gesetzgeber vorgenommene Abwägung zwischen der Spiegelbildlichkeit auf der einen und der Kontinuität der Ausschüsse auf der anderen Seite nicht zu beanstanden.
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Mit Urteil vom 18. Januar 2021 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Neubesetzung der Gemeinderatsausschüsse zu, denen das Ratsmitglied H... angehört. Ein solcher folge nicht aus § 45 Abs. 3 GemO, da sich durch den Fraktionswechsel des Ratsmitglieds H... zwar das Stärkeverhältnis der im Gemeinderat vertretenen politischen Gruppen geändert habe, sich nach dem anzuwendenden Divisorverfahren aber keine andere Verteilung der Ausschusssitze ergeben würde. Auch eine analoge Anwendung des § 45 Abs. 3 GemO auf Fälle, in denen sich das Stärkeverhältnis in den Ausschüssen geändert habe, komme nicht in Betracht. Es fehle an der hierfür erforderlichen Gesetzeslücke, wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergebe. Dies zeigten auch systematische Erwägungen. So würden die Mitglieder der kommunalen Ausschüsse durch Wahlen des Gemeinderats bestimmt und nicht durch die politischen Gruppen, denen „nur“ ein Vorschlagsrecht zukomme. Nur der Gemeinderat könne den Ausschussmitgliedern ihre Position auch wieder entziehen. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift sprächen gegen eine analoge Anwendung auf vorliegenden Fall. § 45 Abs. 3 GemO gewährleiste nämlich das Vorschlagsrecht bei veränderten Stärkeverhältnissen, das eine Fraktion (noch) nicht habe ausüben können, soweit ihr aufgrund eines Fraktionswechsels ein zusätzliches Vorschlagsrecht zustehe. Schließlich bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. § 45 Abs. 3 GemO stelle einen Ausgleich her zwischen den – gleichrangigen – Grundsätzen der Spiegelbildlichkeit und des freien Mandats der Ratsmitglieder. Die Klägerin werde auch nicht in unzumutbarer Weise in ihren Mitwirkungsrechten beeinträchtigt.
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Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt ergänzend vor, § 45 Abs. 3 GemO sei nach dessen Sinn und Zweck auch auf Fälle wie den vorliegenden anzuwenden, in denen eine Fraktion des Gemeinderats in bestimmten Ausschüssen nicht mehr entsprechend der Zahl ihrer Mandate im Ratsplenum vertreten sei, weil ein in die Ausschüsse entsandtes vormaliges Fraktionsmitglied in eine andere Ratsfraktion gewechselt sei. Der hierdurch eintretende Effekt sei dem gesetzlich ausdrücklich geregelten Fall gleichzusetzen, da in beiden Konstellationen die betroffene Ratsfraktion einen Ausschusssitz weniger innehabe, als ihr nach dem gesetzlichen Verteilverfahren zustehe. Insoweit verfolge § 45 Abs. 3 GemO ersichtlich nicht das Ziel, die Besetzung von Ausschüssen des Gemeinderats in jedem Fall für die gesamte Wahrperiode stabil zu halten, da anderenfalls die geregelte Ausnahme vom Kontinuitätsgrundsatz gerade nicht in das Gesetz aufgenommen worden wäre. Das Gesetz räume der Kontinuität der Ausschussbesetzung keinen absoluten Vorrang ein. Vielmehr diene die Vorschrift primär dem Zweck, zu verhindern, dass – auch während einer laufenden Wahlperiode – die Mehrheitsverhältnisse im Ratsplenum und in den Ausschüssen auseinanderfallen, wie dies bei Fraktionswechseln häufig drohe. Den Ratsfraktionen solle ihr kommunalwahlrechtlich gesicherter Anspruch auf eine proportionale Zahl von Ausschusssitzen erhalten bleiben. Auch könnten die Gemeinderatsausschüsse ihre Funktion der Entlastung des Ratsplenums nur dann sinnvoll erfüllen, wenn sie tatsächlich ein verkleinertes Abbild dieses Plenums darstellten. Dies sei umso wichtiger, wenn Ausschüssen – wie hier – die Befugnis zur Letztentscheidung über bestimmte Aufgaben übertragen werde. Weiter treffe es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu, dass die Fraktionen nur ein Vorschlagsrecht für die Ausschussbesetzungen innehätten. Vielmehr stehe ihnen ein einklagbarer Anspruch auf so viele Ausschussmandate zu, wie es das Verteilverfahren des Kommunalwahlgesetzes vorsehe, also darauf, dass ihre proportionale Gesamtrepräsentation gewahrt bleibe. Dabei bestehe auch ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch darauf, bestimmte Fraktionsmitglieder in einen bestimmten Ausschuss zu platzieren. Dies entspreche der einheitlichen kommunalen Praxis. Anderenfalls könnten andere Fraktionen das Vorschlagsrecht dadurch blockieren, dass sie keines der vorgeschlagenen Mitglieder einer kleinen Ratsfraktion mitwählten. Auch die Gesetzesmaterialien sprächen nicht für eine enge Auslegung des § 45 Abs. 3 GemO. Vielmehr habe mit der Regelung lediglich eine häufige, willkürliche Neuwahl der Ausschüsse und eine „unnötige“ Neubesetzung für den Fall ausgeschlossen werden sollen, dass der Anspruch der Fraktionen auf Zuteilung einer bestimmten Zahl von Ausschusssitzen trotz Veränderung der Fraktionsstärken weiterhin erfüllt sei. Sei dies – wie hier – nicht der Fall, bestehe aber die vom Gesetzgeber angeführte politische oder rechtliche Notwendigkeit für eine Neuwahl der Ausschüsse. Demnach sei § 45 Abs. 3 GemO hier entsprechend anzuwenden. Es liege eine planwidrige Gesetzeslücke vor, wie aus den angeführten verfassungsrechtlichen und kommunalrechtlichen Gründe folge. Es sei nicht ersichtlich, warum der Gesetzgeber nur in einer von zwei vergleichbaren Konstellationen, in denen die Ausschussbesetzung nicht mehr den maßgeblichen Verhältnissen im Ratsplenum entspreche, dem Gesichtspunkt der Spiegelbildlichkeit den Vorrang gegeben haben sollte. Dass eine Ratsfraktion auch in vorliegender Fallgestaltung nicht mehr über die Zahl der Ausschusssitze verfüge, die ihr nach dem Ergebnis der Kommunalwahl zustehe, habe der Gesetzgeber übersehen. Darauf deute auch ein Vergleich mit anderen Gemeindeordnungen hin.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung macht er geltend, eine analoge Anwendung des § 45 Abs. 3 GemO komme nicht in Betracht. Es fehle bereits an der hierfür erforderlichen vergleichbaren Interessenlage. So begehre die Klägerin gerade nicht im Sinne des § 45 Abs. 3 GemO, eine Veränderung im Rat auch in den Ausschüssen nachzuvollziehen. Vielmehr im Gegenteil wolle die Klägerin durch eine Ausschussneuwahl so gestellt werden, als habe es die durch den Fraktionswechsel eingetretene Veränderung des Stärkeverhältnisses der politischen Gruppen im Rat nicht gegeben. Weiter liege keine planwidrige Regelungslücke vor, da § 45 Abs. 3 GemO die Pflicht zur Neuwahl von Ausschüssen bei veränderten Stärkeverhältnissen im Rat während einer Wahlperiode abschließend regele. Insoweit sei das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass § 45 Abs. 3 GemO dem schonenden Ausgleich der widerstreitenden Verfassungsprinzipien der Spiegelbildlichkeit von Rat und Ausschüssen und der Stabilität von gewählten Gremien sowie der auf dem freien Mandat beruhenden Rechtsposition der gewählten Gremienmitglieder diene. Für eine Planwidrigkeit der für vorliegende, praxisrelevante Konstellation bestehenden Regelungslücke bestünden demgegenüber keine Anhaltspunkte. Die Regelung verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit, sondern diene diesem sogar, da dadurch ein Fraktionswechsel im Rat seine Fortsetzung in den Ausschüssen finde.
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Der Vertreter des öffentlichen Interesses beteiligt sich an dem Verfahren und macht geltend, § 45 Abs. 3 GemO sei vorliegend weder unmittelbar noch analog anzuwenden. Für eine analoge Anwendung der Vorschrift fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke, wie sich insbesondere aus dem Wortlaut und den Gesetzesmaterialien ergebe. Der Gesetzgeber habe mit § 45 Abs. 3 GemO die Neuwahl der Ausschussmitglieder bewusst und gewollt auf Fälle einer für die Sitzverteilung erheblichen Änderung des Stärkeverhältnisses beschränkt, die Neuwahl also gleichsam an das Erreichen einer „Erheblichkeitsschwelle“ geknüpft. Daran habe der Gesetzgeber trotz zahlreicher Änderungen der Gemeindeordnung und speziell des § 45 Abs. 3 GemO stets festgehalten, und zwar in Kenntnis weitergehender Bestimmungen in anderen Bundesländern. Die Regelung des § 45 Abs. 3 GemO stehe auch in Einklang mit dem Recht der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 49 Abs. 3 Satz 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV – und Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG – sowie mit der Homogenitätsklausel aus Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit dem Demokratieprinzip. Der Gesetzgeber habe in § 45 Abs. 3 GemO die Grundsätze der Spiegelbildlichkeit und der demokratischen Repräsentation einerseits sowie den Grundsatz der Kontinuität der Gremienbesetzung und das freie Mandat andererseits in vertretbarer Weise zum Ausgleich gebracht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Klägerin – über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten nach § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann – hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Beklagte die organschaftlichen Rechte der Klägerin nicht verletzt hat. Ein Anspruch der Klägerin auf Neubesetzung derjenigen Gemeinderatsausschüsse, denen das Ratsmitglied H... auf ihren Vorschlag hin angehört, besteht weder nach § 45 Abs. 3 Gemeindeordnung – GemO – (I.) oder nach § 44 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. § 44 Abs. 1 GemO (II.), noch kommt vorliegend eine analoge Anwendung des § 45 Abs. 3 GemO in Betracht (III.). Dies begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (IV.).
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I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neuwahl der betreffenden Gemeinderatsausschüsse nach § 45 Abs. 3 GemO in Verbindung mit dem Vorschlagsrecht nach § 45 Abs. 1 GemO. Gemäß § 45 Abs. 3 GemO sind bei einer Änderung des Stärkeverhältnisses der im Gemeinderat vertretenen politischen Gruppen die Ausschussmitglieder neu zu wählen, wenn sich auf Grund des neuen Stärkeverhältnisses eine andere Verteilung der Ausschusssitze ergeben würde. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
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1. Zwar hat sich durch den Austritt des Ratsmitglieds H... aus der Freien Wählergemeinschaft und dessen Wechsel von der Klägerin zur CDU-Fraktion das Stärkeverhältnis der im Gemeinderat vertretenen politischen Gruppen verändert. Da das Ratsmitglied H... nicht nur die Fraktion gewechselt hat, sondern auch aus der Freien Wählergemeinschaft ausgetreten ist, gilt dies unabhängig davon, ob es für eine Änderung des Stärkeverhältnisses der politischen Gruppen seit der Gesetzesänderung vom 5. Oktober 1993 (GVBl. 1993, S. 481), mit der in § 45 Abs. 1 GemO dem Begriff der politischen Gruppen der Klammerzusatz „Ratsmitglieder oder Gruppen von Ratsmitgliedern“ hinzugefügt wurde (vgl. dazu LTDrucks. 12/2796, S. 75), ausreicht, dass ein Ratsmitglied (nur) die Fraktionszugehörigkeit aufgibt oder wechselt (so VG Neustadt, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 3 K 561/13.NW –, juris; VG Mainz, Urteil vom 22. August 2011 – 6 K 339/11.MZ; Joritz, LKRZ 2015, 500, 503), oder es erforderlich ist, dass es auch die Partei- oder Wählergemeinschaftsmitgliedschaft aufgibt oder verliert, da § 45 GemO mit dem Begriff der „politischen Gruppen“ an die bei einer Kommunalwahl um die Sitze in den kommunalen Vertretungsorganen konkurrierenden Parteien und Wählergruppen anknüpfe (vgl. OVG RP, Beschluss vom 14. Juli 1982 – 7 B 29/82 – AS 17, 382 zur Wahl der Kreistagsausschüsse nach der Landkreisordnung; OVG RP, Urteil vom 15. Januar 1991 – 7 A 11123/90 –juris, Rn. 35; VG Koblenz, Urteil vom 11. Februar 2016 – 1 K 962/15; Lukas, in: PdK RhPf, GemO, § 45 Abs. 3, Rn. 32). Deshalb bedarf die vom Vertreter des öffentlichen Interesses aufgeworfene schwierige Frage der Auslegung des Merkmals der „im Gemeinderat vertretenen politischen Gruppen“ in § 45 Abs. 3 GemO im vorliegenden Fall keiner Beantwortung.
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2. Gleichwohl hat die Klägerin keinen Anspruch auf Neuwahl der betreffenden Ausschüsse, da die zweite tatbestandliche Voraussetzung des § 45 Abs. 3 GemO nicht erfüllt ist. Danach sind Neuwahlen nur dann durchzuführen, wenn sich auf Grund des neuen Stärkeverhältnisses im Rat auch eine andere Verteilung der Ausschusssitze ergeben würde. Hierzu ist die fiktive Sitzverteilung auf Grundlage des neuen Stärkeverhältnisses im Rat nach § 45 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 GemO i.V.m. § 41 Abs. 1 und 2 Kommunalwahlgesetz – KWG – zu ermitteln und mit der bisherigen Sitzverteilung im Ausschuss zu vergleichen (vgl. Lukas, in: PdK RhPf, GemO, § 45 Abs. 3, Rn. 33 ff.). Wenn sich aus diesem Vergleich eine andere Sitzverteilung ergibt, findet § 45 Abs. 3 GemO Anwendung und die Ausschussmitglieder sind neu zu wählen.
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a) Dass es auf der einen Seite dieses Vergleichs als Bezugspunkt auf die fiktive Sitzverteilung auf Grundlage des neuen Stärkeverhältnisses im Rat nach § 45 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 GemO i.V.m. § 41 Abs. 1 und 2 Kommunalwahlgesetz – KWG – ankommt, folgt bereits aus dem Wortlaut des § 45 Abs. 3 GemO. Dieser stellt gerade nicht auf die tatsächliche neue Sitzverteilung in den Ausschüssen ab, sondern im Konjunktiv darauf, ob sich auf Grund des neuen Stärkeverhältnisses eine andere Verteilung der Ausschusssitze ergeben würde. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch eine historische Auslegung, da es nach der amtlichen Begründung des Entwurfs für ein Gesetz zur Änderung und Neufassung des Selbstverwaltungsgesetzes für Rheinland-Pfalz vom 21. Dezember 1973 (GVBl. 1973, 417, 432), mit dem die Vorschrift der Wahlen zu den Gemeinderatsausschüssen neu geregelt wurde, darauf ankommen soll, ob die Kräfteverschiebung im Rat bei einer Verteilung der Ausschusssitze nach dem – seinerzeit anzuwendenden – Höchstzahlverfahren Einfluss auf die vorhandene Verteilung hätte (vgl. LTDrucks. 7/1884, S. 85). Relevant ist demnach gerade nicht die tatsächliche neue Sitzverteilung, sondern die neue Verteilung der Ausschusssitze, wie sie sich aufgrund des gesetzlich vorgesehenen Berechnungsverfahrens – inzwischen also des Divisorverfahrens nach § 45 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 GemO i.V.m. § 41 Abs. 1 und 2 KWG – ergeben würde.
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b) Auf der anderen Seite des nach § 45 Abs. 3 GemO anzustellenden Vergleichs, ob sich auf Grund des neuen Stärkeverhältnisses eine andere Verteilung der Ausschusssitze ergeben würde, ist auf die bisherige Sitzverteilung in dem Ausschuss abzustellen. Dabei kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob insoweit die tatsächliche oder die aufgrund des rechtlich vorgegebenen Berechnungsverfahrens fiktive bisherige Sitzverteilung relevant ist (vgl. dazu Lukas, in: PdK RhPf, GemO, § 45 Abs. 3, Rn. 33 f.), da beide vorliegend übereinstimmen. Nicht abzustellen ist für den Vergleich dagegen auf die neue Sitzverteilung in dem Ausschuss, die erst durch den Partei- und Fraktionswechsel eines Ausschussmitglieds entstanden ist, der auch das veränderte Stärkeverhältnis im Gemeinderat bewirkt hat. Darauf, ob infolge eines Partei- und Fraktionswechsels eines Ausschussmitglieds die dadurch entstehende tatsächliche Sitzverteilung von der fiktiven, dem neuen Stärkeverhältnis entsprechenden Sitzverteilung abweicht, kommt es also nicht an (vgl. Lukas, in: PdK RhPf, GemO, § 45 Abs. 3, Rn. 35). Dies ergibt sich ebenfalls schon aus dem Wortlaut des § 45 Abs. 3 GemO, der als differenzierendes Vergleichskriterium gerade auf die Änderung des Stärkeverhältnisses im Rat bzw. auf das neue Stärkeverhältnis abstellt, also auf einen „vorher/nachher-Vergleich“. Auch in der Gesetzesbegründung ist insoweit von der „vorhandenen“ Sitzverteilung die Rede (vgl. LTDrucks. 7/1884, S. 85).
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c) Legt man das neue Stärkeverhältnis infolge des Austritts des Ratsmitglieds H... aus der Freien Wählergemeinschaft und dessen Wechsel von der Klägerin zur CDU-Fraktion im beklagten Gemeinderat zugrunde, errechnet sich daraus nach dem nach § 45 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 GemO anzuwendenden Divisorverfahren des § 41 KWG eine Verteilung der zwölf Ausschusssitze, wonach der CDU fünf Sitze, der SPD, der FWG sowie B90/Die Grünen je zwei Sitze und der FDP ein Sitz zufielen. Dies entspricht der – sowohl rechnerischen als auch tatsächlichen – Sitzverteilung vor der Änderung des Stärkeverhältnisses im beklagten Gemeinderat. Es fehlt demnach an einer Änderung der Verteilung der Ausschusssitze auf Grund der Änderung des Stärkeverhältnisses der im Gemeinderat vertretenen politischen Gruppen im Sinne des § 45 Abs. 3 GemO.
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II. Die Klägerin kann einen Anspruch auf Neuwahl der Ausschüsse auch nicht aus § 44 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. § 44 Abs. 1 GemO herleiten. Danach kann der Gemeinderat – ohne das Vorliegen weiterer Voraussetzungen – einen Ausschuss auflösen. Gemäß § 44 Abs. 1 GemO stünde ihm im Anschluss daran theoretisch die Möglichkeit offen, den Ausschuss sogleich neu zu bilden und die Mitglieder nach § 45 Abs. 1 GemO zu wählen. Eine Auflösung und sofortige Neuwahl zum Zweck der Neubesetzung eines Ausschusses dürfte indes nicht zulässig sein, da darin eine unzulässige Umgehung des § 45 Abs. 3 GemO liegen dürfte, der die Neuwahl von Ausschüssen bewusst unter enge tatbestandliche Voraussetzungen stellt (vgl. OVG RP, Beschluss vom 14. Juli 1982 – 7 B 29/82 –, zur Wahl der Kreistagsausschüsse nach der Landkreisordnung). Selbst wenn der Gemeinderat aber auf Grundlage des § 44 Abs. 3 Satz 1 GemO zu einem solchen Vorgehen – oder jedenfalls zu einer Veränderung der personellen Zusammensetzung der Ausschüsse während der Wahlzeit – berechtigt wäre (so noch OVG RP, Beschluss vom 17. September 1976 – 7 B 4/76; Heck/Lukas, in: PdK RhPf B-1, GemO, Stand: November 2018, § 44, Rn. 14 m.w.N.), hat die Klägerin jedenfalls keinen dahingehenden Anspruch, da dieses Recht allein dem Gemeinderat aufgrund einer Mehrheitsentscheidung zustünde und diesbezügliche organschaftliche Rechte der Klägerin nicht bestehen (siehe auch OVG RP, Beschluss vom 17. September 1976 – 7 B 4/76).
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III. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Neuwahl der betreffenden Gemeinderatsausschüsse nach § 45 Abs. 3 GemO analog. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 45 Abs. 3 GemO auf Fälle wie den vorliegenden, in denen sich das Stärkeverhältnis der im Gemeinderat vertretenen Gruppen geändert hat und sich auf Grund dessen zwar keine andere Verteilung der Ausschusssitze ergeben würde, die neue tatsächliche Sitzverteilung in den Ausschüssen aber nicht mit der fiktiven Sitzverteilung anhand des neuen Stärkeverhältnisses übereinstimmt, liegen nicht vor.
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1. Die analoge Anwendung der von einer Norm angeordneten Rechtsfolge – hier: Neuwahl der Ausschüsse – auf Sachverhalte, die dieser Norm nicht unterfallen, setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine judikative Lösung ersetzen. Darüber hinaus ist eine vergleichbare Sach- und Interessenlage erforderlich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2018 – 5 P 2/17 –, BVerwGE 161, 313 = juris Rn. 16 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 29. März 2018 – 5 C 14/16 –, juris, Rn. 24).
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2. Vorliegend fehlt es bereits an einer planwidrigen Unvollständigkeit des § 45 Abs. 3 GemO. Ob eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2018 – 5 P 2/17 –, BVerwGE 161, 313 = juris Rn. 16 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 29. März 2018 – 5 C 14/16 –, juris, Rn. 24). Insoweit muss der Anwendungsbereich der Norm wegen eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig sein. Eine derartige Lücke darf von den Gerichten im Wege der Analogie geschlossen werden, wenn sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er diesen bedacht hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2014 – 2 C 2/13 –, juris, Rn. 17; BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2016 – 2 B 17/15 –, juris, Rn. 8).
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Daran gemessen kann nicht mit der gebotenen Gewissheit (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2018 – 5 C 14/16 –, juris, Rn. 24) festgestellt werden, dass es der Gesetzgeber planwidrig unterlassen hat, die Rechtsfolge der Neuwahl von Gemeinderatsausschüssen auch auf solche Fälle anzuordnen, in denen sich das Stärkeverhältnis der im Gemeinderat vertretenen Gruppen geändert hat und sich auf Grund dessen zwar keine andere Verteilung der Ausschusssitze ergeben würde, die neue tatsächliche Sitzverteilung in den Ausschüssen aber nicht mit der fiktiven Sitzverteilung anhand des neuen Stärkeverhältnisses übereinstimmt.
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a) Dagegen spricht zunächst die Gesetzgebungshistorie. Die Vorgängerregelung des § 45 Abs. 3 GemO, § 46 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 GemO in der Fassung der Gemeindeordnung vom 25. September 1964 (GVBl. 1964, 145, 152), lautete:
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„Ändert sich das Stärkeverhältnis der Parteien oder Gruppen, sind die Ausschussmitglieder neu zu wählen.“
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Einzige Voraussetzung für die Neuwahl der Ausschussmitglieder war demnach die Änderung des Stärkeverhältnisses in der kommunalen Vertretungskörperschaft. Mit dem Landesgesetz zur Änderung und Neufassung des Selbstverwaltungsgesetzes für Rheinland-Pfalz vom 21. Dezember 1973 (GVBl. 1973, 417, 432) änderte der Gesetzgeber die Regelung zu Neuwahlen von Ausschussmitgliedern und ergänzte diese in § 45 Abs. 3 GemO um eine zweite Voraussetzung, dass sich nämlich (außerdem) auf Grund des neuen Stärkeverhältnisses nach dem – seinerzeit geltenden – Höchstzahlverfahren eine andere Verteilung der Ausschusssitze ergeben würde. Das dahinterstehende Regelungsprogramm des Gesetzgebers wird in der amtlichen Begründung wie folgt erläutert (LTDrucks. 7/1884, S. 85):
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„In der Neufassung wird klargestellt, dass eine Änderung des Stärkeverhältnisses im Rat nicht in jedem Falle eine Neuwahl der Ausschüsse zur Folge hat. Sofern die Kräfteverschiebung bei einer Verteilung der Ausschusssitze nach dem Höchstzahlverfahren ohne Einfluss auf die vorhandene Verteilung wäre, besteht politisch und rechtlich keine Notwendigkeit, die Ausschüsse neu zu wählen.“
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Zum Regelungsprogramm, das durch die Gesetzesergänzung um eine zweite Tatbestandsvoraussetzung zum Ausdruck gebracht wurde, gehört also zunächst unzweifelhaft, dass nicht jede Änderung des Stärkeverhältnisses im Rat während einer laufenden Wahlperiode eine Neuwahl der Ausschüsse auslösen soll. Zwar ist allein damit noch nichts darüber ausgesagt, in welchen Fällen einer Änderung des Stärkeverhältnisses eine Neuwahl erfolgen soll und in welchen nicht. Durch die tatbestandliche Ergänzung in § 45 Abs. 3 Halbs. 2 GemO werden allerdings von der Rechtsfolge einer Neuwahl alle Fälle ausdrücklich ausgeschlossen, in denen sich auf Grund des neuen Stärkeverhältnisses keine andere Verteilung der Ausschusssitze ergeben würde. Dabei stellt die Gesetzesbegründung klar, dass es sich bei dem gesetzlich geregelten Fall nicht lediglich um eine Art Regelbeispiel handelt und Neuwahlen nicht etwa allgemein ausgeschlossen werden sollten in Fällen, in denen politisch und rechtlich keine Notwendigkeit hierfür besteht. Vielmehr hat der Gesetzgeber hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass nach dem gesetzlichen Regelungsprogramm gerade umgekehrt politisch und rechtlich keine Notwendigkeit für eine Neuwahl der Ausschüsse gesehen wird, wenn die Kräfteverschiebung bei einer Verteilung der Ausschusssitze ohne Einfluss auf die vorhandene Verteilung wäre. Dafür, dass der Gesetzgeber hierbei den Unterfall, dass die Kräfteverschiebung gerade durch den Partei- und Fraktionswechsel eines Ausschussmitglieds herbeigeführt wird und infolge die tatsächliche Sitzverteilung nicht der fiktiven Sitzverteilung aufgrund des Stärkeverhältnisses entspricht, nicht bedacht hätte, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Dies kann auch nicht allein aus dem Umstand geschlossen werden, dass in den Vorschriften zur Neuwahl von Ausschussmitgliedern anderer Bundesländer entsprechende Regelungen enthalten sind. Die einzelnen Länder verfügen bei der Ausgestaltung ihres Kommunalverfassungsrechts nämlich innerhalb der von Art. 28 Abs. 1 Grundgesetz – GG – gesetzten Grenzen über einen Gestaltungsspielraum.
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b) Die Regelung des § 45 Abs. 3 GemO dient nach Vorstehendem erkennbar dem Zweck, den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit auf der einen Seite mit dem Grundsatz der Kontinuität der Ausschüsse und dem Gedanken des freien Mandates auf der anderen Seite (vgl. OVG RP, Beschluss vom 14. Juli 1982 – 7 B 29/82 –, AS 17, 382 zur Wahl der Kreistagsausschüsse nach der Landkreisordnung) in einen schonenden Ausgleich zu bringen. Bei der Wahl der Ausschussmitglieder dient § 45 Abs. 1 GemO (i.V.m. § 41 KWG) dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit, wonach die Ausschüsse als verkleinerte Abbilder des Plenums dessen Zusammensetzung und das darin wirksame politische Kräftespektrum grundsätzlich widerspiegeln müssen (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 23. Mai 2014 – VGH B 22/13 –, juris, Rn. 14 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 – 8 C 18/03 –, BVerwGE 119, 305 = juris, Rn. 13). So werden sich die politischen Gruppen bei einem einheitlichen Wahlvorschlag gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GemO in der Regel auf einen Wahlvorschlag einigen, der ihrem Stärkeverhältnis entspricht. Bei mehreren Wahlvorschlägen gewährleistet § 45 Abs. 1 Satz 2 GemO i.V.m. § 41 KWG, dass jede Fraktion zumindest die gleiche Chance erhält, entsprechend ihrer Stärke im Plenum in die Ausschüsse gewählt zu werden (siehe zu dieser Anforderung BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2009 – 8 C 17/08 –, juris, Rn. 27; SächsOVG, Beschluss vom 14. September 2010 – 4 B 87/10 –, juris, Rn. 20). Die derart, unter Berücksichtigung des Prinzips der Spiegelbildlichkeit, gewählten Ausschüsse sollen dann grundsätzlich in ihrer Mitgliederzusammensetzung Bestand haben. Dies bringt § 45 Abs. 3 GemO hinreichend zum Ausdruck, der Neuwahlen nicht beliebig zulässt, sondern diese – wie gezeigt, bewusst und gewollt – unter enge tatbestandliche Voraussetzungen stellt. Zwar kommt hierbei wiederum dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit eine zentrale Bedeutung zu, da das Zusammenspiel der beiden tatbestandlichen Voraussetzungen (Veränderung des Stärkeverhältnisses im Rat und fiktive andere Sitzverteilung auf Grund des neuen Stärkeverhältnisses) bewirkt, dass Neuwahlen grundsätzlich nur in Fällen zulässig sind, in denen solche infolge von Kräfteverschiebungen im Rat zur Wahrung der Spiegelbildlichkeit erforderlich sind. Auf der anderen Seite lässt sich unter Berücksichtigung der bereits aufgeführten Umstände das Regelungsprogramm des § 45 Abs. 3 GemO aber nicht allein auf den Zweck der Wahrung der Spiegelbildlichkeit reduzieren, sondern die Vorschrift dient gerade auch der Kontinuität der Ausschüsse und dem Schutz des freien Mandats. Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers soll sich dabei der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit nur dann gegen den Grundsatz der Kontinuität der Ausschüsse und den Gedanken des freien Mandats durchsetzen, wenn die Kräfteverschiebung im Rat Einfluss auf die (fiktive) Sitzverteilung in den Ausschüssen hätte.
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c) Systematische Erwägungen bestätigen die Annahme, dass der rheinland-pfälzische Gesetzgeber sich für ein Modell der Ausschussbildung und Neuwahl entschieden hat, das dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit nicht absoluten Vorrang einräumt, sondern diesen vielmehr in einen gerechten Ausgleich mit anderen Verfassungsprinzipien bringen soll. So hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, dass die Mitglieder der Ausschüsse auf Grund von Vorschlägen der im Gemeinderat vertretenen politischen Gruppen durch den Gemeinderat gewählt und nicht (unmittelbar) durch die politischen Gruppen entsendet oder benannt werden. Mit dieser Entscheidung für eine Wahl sind bereits im Ausgangspunkt naturgemäß Unwägbarkeiten für die Beachtung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit verbunden, da es grundsätzlich denkbar ist, dass Mitglieder einer politischen Gruppe einen Kandidaten einer anderen politischen Gruppe wählen, mit der Folge, dass sich die Kräfteverhältnisse im Plenum gerade nicht in den Ausschüssen widerspiegeln (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 – 8 C 18/03 –, BVerwGE 119, 305 = juris, Rn. 19; BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2009 – 8 C 17/08 –, juris, Rn. 27; SächsOVG, Beschluss vom 14. September 2010 – 4 B 87/10 –, juris, Rn. 20). Demnach steht die (spiegelbildliche) Verteilung der Sitze auf die einzelnen Gruppen hier ohnehin nicht von vornherein fest, sondern hängt von der Wahlentscheidung des Gemeinderats ab (vgl. OVG RP, Urteil vom 15. Januar 1991 – 7 A 11123/90 –, juris, Rn. 34, in Abgrenzung zu den Wahlen zu Ortsbeiräten).
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IV. Die dargestellte Auslegung des § 45 Abs. 3 GemO begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; § 45 Abs. 3 GemO bedarf deswegen insoweit auch keiner verfassungskonformen Auslegung. Insbesondere verstößt die Regelung nicht gegen den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit.
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a) Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit folgt für die Gemeinderäte aus dem in Art. 74 Abs. 1 und 2 der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV –, Art. 20 Abs. 1 und 2 Grundgesetz – GG – verankerten Prinzip der demokratischen Repräsentation, das Art. 50 Abs. 1 Satz 1 LV und Art. 76 Abs. 1 LV i.V.m. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auf die Ebene der Gemeinden übertragen (VerfGH RP, Beschluss vom 23. Mai 2014 – VGH B 22/13 –, juris, Rn. 12 ff. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 – 8 C 18/03 –, BVerwGE 119, 305 = juris, Rn. 12 f.; BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2009 – 8 C 17/08 –, juris, Rn. 28 f.). Nach diesem Grundsatz müssen Ratsausschüsse als verkleinerte Abbilder des Plenums dessen Zusammensetzung und das darin wirksame politische Kräftespektrum grundsätzlich widerspiegeln (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 23. Mai 2014 – VGH B 22/13 –, juris, Rn. 14 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 – 8 C 18/03 –, BVerwGE 119, 305 = juris, Rn. 13; BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2009 – 8 C 17/08 –, juris, Rn. 19 f.).
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Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gilt indes nicht uneingeschränkt, vielmehr sind bei Vorliegen besonderer Gründe Differenzierungen zulässig. So ist ein schonender Ausgleich herzustellen, wenn andere, gleichrangige Verfassungsgüter mit dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit kollidieren (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Dezember 2004 – 2 BvE 3/02 –, BVerfGE 112, 118 = juris, Rn. 64 für eine Kollision mit dem Verfassungsgebot der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments und dem demokratischen Grundsatz der Mehrheitsentscheidung; BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2009 – 8 C 17/08 –, juris, Rn. 27 f.; OVG RP, Beschluss vom 15. Mai 2013 – 10 A 10229/13 –, juris, Rn. 3 zur Funktionsfähigkeit des Rates und der Ausschüsse als legitimierender Grund; OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2017 – 15 B 1286/16 –, juris, Rn. 9; siehe auch VerfGH RP, Urteil vom 23. Januar 2018 – VGH O 17/17 –, juris, Rn. 65).
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b) Im Ausgangspunkt wurde dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit hier insofern entsprochen, als die Mitglieder der Ausschüsse bei deren Bildung (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 23. Mai 2014 – VGH B 22/13 –, juris, Rn. 16, 18) auf Grundlage des § 45 Abs. 1 GemO i.V.m. § 41 KWG abhängig vom Stärkeverhältnis der im Gemeinderat vertretenen politischen Gruppen gewählt werden. In der Ausgestaltung des Wahlverfahrens (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 – 8 C 18/03 –, BVerwGE 119, 305 = juris, Rn. 19; SächsOVG, Beschluss vom 14. September 2010 – 4 B 87/10 –, juris, Rn. 20) des § 45 Abs. 1 GemO findet das Prinzip der demokratischen Repräsentation demnach Beachtung.
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Eine Abweichung von dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit könnte sich hier aber daraus ergeben, dass sich zu einem späteren – nach der Wahl bzw. der Bildung der Ausschüsse liegenden (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 23. Mai 2014 – VGH B 22/13 –, juris, Rn. 16, 18) – Zeitpunkt die Verteilung der Ausschusssitze auf die politischen Gruppen faktisch durch den Fraktionswechsel eines Ausschussmitglieds verändert hat und deswegen (nachträglich) nicht mehr dem Stärkeverhältnis im Gemeinderat entspricht (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2017 – 15 B 1286/16 –, juris, Rn. 7, wonach der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit auch nach dem Zeitpunkt der Bildung eines Ausschusses während einer laufenden Wahlperiode beachtet und deswegen zumindest eine wesentliche Änderung des Kräfteverhältnisses im Rat durch eine Anpassung der Ausschussbesetzungen nachvollzogen werden muss; OVG NRW, Urteil vom 24. November 2017 – 15 A 2331/15 –, juris, Rn. 81; VG Potsdam, Beschluss vom 12. Februar 2021 – 1 L 20/21 –, juris, Rn. 31).
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Diese Abweichung ist hier aber gerechtfertigt, da der Gesetzgeber die kollidierenden Rechtsgüter des im Prinzip der demokratischen Repräsentation verankerten Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit und dem Prinzip stabiler Mehrheitsbildung auf der einen Seite sowie die Grundsätze des freien Mandats und der Kontinuität der Gremienbesetzung bzw. Effektivität der Ausschussarbeit mit der Regelung des § 45 Abs. 3 GemO zu einem schonenden Ausgleich gebracht hat.
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aa) Zwar spricht neben dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit auch das Prinzip stabiler Mehrheitsbildungen für eine Notwendigkeit von Ausschussneuwahlen zumindest in Fällen, in denen die tatsächliche Verteilung der Ausschusssitze nicht (mehr) der fiktiven Sitzverteilung entspricht, die sich anhand des Stärkeverhältnisses der im Gemeinderat vertretenen politischen Gruppen ergeben würde, wenn sich dadurch zugleich auch die Mehrheitsverhältnisse von Rat und Ausschuss nicht mehr widerspiegeln. So ist nämlich für Bundestagsausschüsse aus dem Verfassungsgebot der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments und dem demokratischen Grundsatz der Mehrheitsentscheidung abzuleiten, dass bei Sachentscheidungen die die Regierung tragende parlamentarische Mehrheit sich auch in verkleinerten Abbildungen des Bundestages muss durchsetzen können (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Dezember 2004 – 2 BvE 3/02 –, BVerfGE 112, 118-164 = juris, Rn. 64; BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2009 – 8 C 17/08 –, juris, Rn. 23 f.). Dies lässt sich im Grundsatz wohl auch auf Gemeinderäte und ihre Ausschüsse übertragen.
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bb) Auf der anderen Seite sind im Rahmen der Bildung und Zusammensetzung von Gemeinderatsausschüsse aber auch das Prinzip des freien Mandats und der Grundsatz der Kontinuität der Gremienbesetzung zu beachten.
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Zwar ist das freie Mandat der gewählten Gemeinderatsmitglieder – anders als dies für die Abgeordneten des Deutschen Bundestags und des Landtags Rheinland-Pfalz der Fall ist – subjektiv-rechtlich nur einfachrechtlich (vgl. § 30 Abs. 1 GemO) und nicht in der Verfassung abgesichert, da Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 79 Abs. 2 Satz 2 LV auf Gemeinderatsmitglieder keine Anwendung finden (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 23. Mai 2014 – VGH B 22/13 –, juris, Rn. 13 f.; BVerfG, Beschluss vom 16. März 2005 – 2 BvR 315/05 –, juris, Rn. 14 f.; BVerfG, Beschluss vom 9. März 2009 – 2 BvR 120/09 –, juris, Rn. 12 ff.; BVerfG, Beschluss vom 5. September 2011 – 2 BvR 2228/09 –, juris, Rn. 8 ff.; SächsOVG, Urteil vom 7. Juli 2015 – 4 A 12/14 –, juris, Rn. 25). Jedenfalls objektiv-rechtlich folgt aus den durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auf die Ebene der Gemeinden übertragenen Prinzipien der repräsentativen Demokratie und Volkssouveränität jedoch, dass die Gemeindevertretung, auch wenn sie kein Parlament, sondern Organ einer Selbstverwaltungskörperschaft ist, die Gemeindebürger repräsentiert und die gesetzliche Ausgestaltung der Rechtsstellung ihrer Mitglieder diesem Umstand Rechnung tragen muss. Deshalb haben auch die Gemeindevertreter – zumindest in einem Kernbestand – ein freies Mandat inne (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 1992 – 7 C 20/91 –, BVerwGE 90, 104 = juris, Rn. 9; OVG RP, Beschluss vom 14. Juli 1982 – 7 B 29/82 –, AS 17, 382; Stamm, in: PdK RhPf B-1, GemO, Stand: November 2018, § 30, Rn. 3; vgl. auch BayVGH, Entscheidung vom 27. Oktober 1993 – Vf. 2-VII-93 –, juris, Rn. 44; ThürOVG, Urteil vom 14. November 2013 – 3 KO 900/11 –, juris, Rn. 42; SächsOVG, Urteil vom 27. Mai 2019 – 4 C 10/17 –, juris, Rn. 22; offengelassen in BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 1992 – 1 BvR 1392/92 –, juris, Rn. 4). Danach soll ein Ratsmitglied, auch wenn es in einen Ausschuss gewählt wird, dieses Mandat seiner freien Gewissensausübung entsprechend ausüben und sich entfalten können, ohne Gefahr laufen zu müssen, dass durch bloße Verschiebungen auf Zeit – oder wie hier: durch die Entscheidung einzelner Ratsmitglieder – Neuwahlen ausgelöst werden können, die auf sein freies Mandat einwirken (vgl. OVG RP, Beschluss vom 14. Juli 1982 – 7 B 29/82 –, AS 17, 382).
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Daneben ist auch dem Grundsatz der Kontinuität bei der Bildung der Selbstverwaltungsorgane als Ausfluss der notwendigen Stabilität und Effektivität der Ausschussarbeit Rechnung zu tragen (vgl. OVG RP, Beschluss vom 14. Juli 1982 – 7 B 29/82 –, AS 17, 382 zur Wahl der Kreistagsausschüsse nach der Landkreisordnung; VG Regensburg, Urteil vom 8. März 2017 – 3 K 16.1026 –, juris, Rn. 46, 53).
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cc) Diese kollidierenden Verfassungsgüter hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 45 GemO in einen schonenden Ausgleich gebracht.
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So wird durch das in § 45 Abs. 1 GemO normierte Wahlverfahren zunächst gewährleistet, dass jede politische Gruppe die gleiche Chance erhält, entsprechend ihrer Stärke im Plenum in die Ausschüsse gewählt zu werden (vgl. zu dieser Anforderung BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2009 – 8 C 17/08 –, juris, Rn. 27; SächsOVG, Beschluss vom 14. September 2010 – 4 B 87/10 –, juris, Rn. 20). Die mit § 45 Abs. 3 GemO verbundenen Beschränkungen des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit betreffen bereits bestehende Ausschüsse während einer laufenden Wahlperiode. Auch in diesem Zusammenhang bleibt der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit aber nicht unberücksichtigt, da Neuwahlen gerade dann vorgesehen sind, wenn sich aufgrund einer Änderung des Stärkeverhältnisses der im Gemeinderat vertretenen Gruppen eine andere Verteilung der Ausschusssitze ergeben würde. Eine weitergehende Pflicht zur Durchführung von Neuwahlen während einer laufenden Wahlperiode in Fällen wie dem vorliegenden, in dem die tatsächliche Verteilung der Ausschusssitze nicht mehr dem Kräfteverhältnis im Rat entspricht, war unter Berücksichtigung der kollidierenden Rechtsgüter verfassungsrechtlich dagegen nicht geboten.
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Zunächst ist entscheidend zu berücksichtigen, dass sich der Landesgesetzgeber vorliegend – zulässigerweise – dafür entschieden hat, dass die Mitglieder der Ausschüsse auf Grund von Vorschlägen der im Gemeinderat vertretenen politischen Gruppen durch den Gemeinderat gewählt und nicht (unmittelbar) durch die politischen Gruppen entsendet oder benannt werden. Mit dieser Entscheidung für eine Wahl sind ohnehin bereits naturgemäß Unwägbarkeiten für die Beachtung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit verbunden, da es grundsätzlich denkbar ist, dass Mitglieder einer politischen Gruppe einen Kandidaten einer anderen politischen Gruppe wählen, mit der Folge, dass sich die Kräfteverhältnisse im Plenum nicht in den Ausschüssen widerspiegeln (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 – 8 C 18/03 –, BVerwGE 119, 305 = juris, Rn. 19; BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2009 – 8 C 17/08 –, juris, Rn. 27; SächsOVG, Beschluss vom 14. September 2010 – 4 B 87/10 –, juris, Rn. 20; siehe auch HessVGH, Urteil vom 7. Juli 2003 – 8 UE 3075/02 –, juris, Rn. 28). Derartige mögliche Beeinträchtigungen des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit sind aber grundsätzlich hinzunehmen, so lange bei der Gestaltung des Wahlverfahrens die Grundentscheidung der Verfassung für die Prinzipien der Volkssouveränität und der Demokratie auch auf der Ebene der Gemeinden respektiert wurde, die Wahl also jeder politischen Gruppe die gleiche Chance bietet, entsprechend ihrer Stärke im Plenum in die Ausschüsse gewählt zu werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2009 – 8 C 17/08 –, juris, Rn. 27; SächsOVG, Beschluss vom 14. September 2010 – 4 B 87/10 –, juris, Rn. 20). Neben diesen Unwägbarkeiten bewirkt die Wahl der Ausschussmitglieder aber auch, dass diese ihre Legitimation auf die Wahl durch den Gemeinderat zurückführen können, die sich – wie sich im Umkehrschluss aus § 45 Abs. 3 GemO ergibt – grundsätzlich auf die gesamte Wahlperiode erstreckt und damit einer vorherigen einseitigen Abberufung der Ausschussmitglieder durch die jeweilige vorschlagende politische Gruppe entgegensteht. An dem Charakter der Bildung der Ausschüsse durch Wahlen ändert auch der Umstand nichts, dass diese nach § 45 Abs. 3 GemO auf dem Vorschlagsrecht der politischen Gruppen beruhen. Der Gemeinderat ist an die Vorschläge der einzelnen Gruppen nämlich nicht gebunden, insbesondere besteht kein Anspruch einer politischen Gruppe etwa auf Wahl bestimmter vorgeschlagener Personen (vgl. OVG RP, Beschluss vom 29. Mai 1985 – 7 B 11/85 –; OVG RP, Urteil vom 15. Januar 1991 – 7 A 11123/90 –, juris, Rn. 36, jeweils zu den Wahlen zu Ortsbeiräten). Da es sich um Wahlen handelt, steht die Verteilung der Sitze auf die einzelnen Gruppen gerade nicht von vornherein fest, sondern unterliegt der Entscheidung des Gemeinderats (vgl. OVG RP, Urteil vom 15. Januar 1991 – 7 A 11123/90 –, juris, Rn. 34, in Abgrenzung zu den Wahlen zu Ortsbeiräten). Weiter erfordert eine effektive Arbeit in den Ausschüssen und damit deren Funktionsfähigkeit (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 23. Mai 2014 – VGH B 22/13 – juris, Rn. 20 ff. zur Effektivität der Ausschussarbeit; OVG RP, Beschluss vom 15. Mai 2013 – 10 A 10229/13 –, juris, Rn. 3 zur Funktionsfähigkeit des Rates und der Ausschüsse als Rechtfertigungsgrund; OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2017 – 15 B 1286/16 –, juris, Rn. 9) eine gewisse Konstanz in deren personeller Zusammensetzung, damit dort Erfahrungen und Fachwissen gebildet und eingesetzt werden können (vgl. VG Regensburg, Urteil vom 8. März 2017 – 3 K 16.1026 –, juris, Rn. 46). Dem stünden häufigere Neuwahlen der Ausschüsse während laufender Legislaturperioden entgegen.
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Dies rechtfertigt es zunächst, jedenfalls die Neuwahl des gesamten Ausschusses – und damit den Verlust der Stellung in dem jeweiligen Ausschuss für alle Mitglieder – nicht allein von der Entscheidung einzelner Rats- bzw. Ausschussmitglieder zum Wechsel ihrer Partei- bzw. Fraktionszugehörigkeit abhängig zu machen, zumal bei einem Wechsel einer verhältnismäßig größeren Anzahl von Mitgliedern in der Regel wohl auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 GemO erfüllt sein dürften.
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Vor dem Hintergrund, dass das Prinzip des freien Mandats auch für das seine Partei- bzw. Fraktionszugehörigkeit wechselnde Ausschussmitglied gilt, wäre darüber hinaus auch eine Neuwahl nur des betroffenen Ausschussmitglieds verfassungsrechtlich zumindest nicht geboten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die untergeordnete Bedeutung der Ausschüsse im Verhältnis zum Gemeinderat zu berücksichtigen (BVerwG, Beschluss vom 7. Dezember 1992 – 7 B 49/92 –, juris, Rn. 5). So beraten die Ausschüsse die gemeindlichen Angelegenheiten grundsätzlich nur vor. Soweit ihnen Gegenstände zur abschließenden Entscheidung übertragen werden, gewinnt der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit zwar wiederum erhöhte Relevanz (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 – 8 C 18/03 –, BVerwGE 119, 305 = juris, Rn. 14; BVerwG, Beschluss vom 7. Dezember 1992 – 7 B 49/92 –, juris, Rn. 5). Auch hier ergibt sich aber in einem Umkehrschluss aus § 32 Abs. 2 GemO, dass es sich lediglich um Fälle von geringer Bedeutung handeln darf; § 32 Abs. 2 GemO schließt insoweit für alle bedeutenden kommunalpolitischen Fragen eine Entscheidungszuständigkeit der Ausschüsse gerade aus. Aus diesem Grund sind selbst politische Gruppen, die überhaupt nicht in Ausschüssen vertreten sind, zumindest an den wichtigen Entscheidungen im Sinne des § 32 Abs. 2 GemO beteiligt (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 23. Mai 2014 – VGH B 22/13 –, juris, Rn. 23; OVG RP, Beschluss vom 15. Mai 2013 – 10 A 10229/13 –, juris, Rn. 3; auch BVerwG, Beschluss vom 7. Dezember 1992 – 7 B 49/92 –, juris, Rn. 5). Hinzu kommt, dass Ratsmitglieder, die nicht in einem Ausschuss vertreten sind, nach § 46 Abs. 4 GemO das Recht haben, an den öffentlichen und nicht öffentlichen Ausschusssitzungen als Zuhörer teilzunehmen, so dass sie sich über die Ausschussarbeit schon vor einer Entscheidung im Gemeinderat informieren können (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 23. Mai 2014 – VGH B 22/13 –, juris, Rn. 23). Schließlich kann der Gemeinderat gemäß § 44 Abs. 3 GemO dem Ausschuss übertragene Zuständigkeiten wieder entziehen und Angelegenheiten an sich ziehen, ohne dass hierfür weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Der Gemeinderat kann auch Beschlüsse eines Ausschusses aufheben oder ändern, soweit auf Grund dieser Beschlüsse nicht bereits Rechte Dritter entstanden sind (vgl. § 44 Abs. 3 Satz 2 GemO). Damit ist gewährleistet, dass sich im Konfliktfall regelmäßig die Mehrheit im Rat durchsetzt und dieser abschließend entscheiden kann (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 1978 – 2 BvR 134/76, 2 BvR 268/76 –, BVerfGE 47, 253 = juris, Rn. 44 f.).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
- 56
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2 VwGO.
- 57
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
- 58
Beschluss
- 59
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 10.000,00 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.3, 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, LKRZ 2014, 169).
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