Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 LA 60/13

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 8. Kammer, Einzelrichter - vom 19.06.2013 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung eines positiven Bauvorbescheides für die Nutzungsänderung eines Hauses auf dem ihr gehörenden Grundstück … in der Gemeinde … zu einem Wohnhaus.

2

Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage aus den Gründen des Widerspruchsbescheides (mit Ausnahme der Ausführungen zu Fragen des Denkmalschutzes) abgewiesen und ergänzend ausgeführt, dass die beabsichtigte reine Wohnnutzung des Gebäudes die Variationsbreite der genehmigten Nutzung des Gebäudes verlassen würde. Auch lägen die Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 und/oder Nr. 5 BauGB nicht vor. Es gehe nicht um die Erweiterung eines zulässigerweise errichteten Wohngebäudes und das betroffene Gebäude sei auch kein erhaltenswertes, das Bild der Kulturlandschaft prägendes Gebäude. Schließlich stehe die eingetragene Baulast einem positiven Bauvorbescheid für eine reine Wohnnutzung des Gebäudes entgegen.

II.

3

1. Zum Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wäre darzulegen, dass das Ergebnis der erstinstanzlichen Entscheidung - Klagabweisung - ernstlichen Richtigkeitszweifeln ausgesetzt ist. Dazu ist eine substantielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil geboten. Ausreichend, aber auch erforderlich ist es, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. u. a. BVerfG, Beschl. v. 10.9.2009, 1 BvR 814/09, NJW 2009, 3642).

4

a. Die Klägerin führt in der Begründung des Zulassungsantrags zunächst aus, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts (S. 7) könne das streitgegenständliche Haus aus heutiger Sicht nicht mehr als "Ausstellungshaus" bezeichnet werden. Diese Darlegungen der Klägerin begründen keine ernstlichen Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass das Gebäude als Ausstellungshaus genehmigt worden ist. Die gerügte Bezeichnung ist - dies zeigen die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu nachfolgend erfolgten Teilgenehmigungen einer Wohnnutzung einzelner Räume - unzweifelhaft als Darstellung der Genehmigungshistorie zu verstehen und als solche richtig.

5

Dies gilt auch, soweit die Auffassung des Verwaltungsgerichts zum genehmigten Umfang einer wohnlichen Nutzung des Erdgeschosses gerügt wird. Auch insoweit lassen die Ausführungen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts steht im Einklang mit dem das Haus der Klägerin betreffenden Beschluss des erkennenden Senates vom 16.09.2008 - 1 LA 69/08 - zur Nutzung der Räume im Erdgeschoss als Galerie. Im Übrigen ist diese Rüge unbeachtlich, weil die dargelegten Gründe nicht erkennen lassen, dass das Endergebnis des Verwaltungsgerichts falsch ist (dazu nachfolgend Ziffer 1c).

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b. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen auch im Hinblick auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts dazu, dass die beabsichtigte reine Wohnnutzung die Variationsbreite der genehmigten Nutzung des Gebäudes verlassen würde, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Der Senat hat sich zur Frage einer Nutzung von Räumen im Erdgeschoss des Gebäudes zu anderen als Ausstellungszwecken bereits im o.g. Beschluss vom 16.09.2008 geäußert und eine Büronutzung für unzulässig erachtet. Die von der Klägerin nunmehr beabsichtigte reine Wohnnutzung des streitgegenständlichen Gebäudes ist von den erteilten Baugenehmigungen vom 15.01.1970 mit Nachtrag vom 09.02.1971 sowie der Baugenehmigung vom 15.02.2005 nicht abgedeckt. Zutreffend stellt bereits der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 15.09.2011 (S. 2) fest, dass die Nutzung von Räumen im Dachgeschoss zu Wohnzwecken allein vor dem Hintergrund zugelassen worden ist, um den Betrieb der Galerie im Außenbereich sicherzustellen. Die Variationsbreite dieser primär genehmigten Nutzung des Gebäudes zum Betreiben einer Kunstausstellung mit Verkauf im Erdgeschoss umfasst zweifelsfrei keine andere Nutzungsart ohne jedweden Bezug zu einer künstlerischen Betätigung.

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Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die beabsichtigte reine Wohnnutzung des Anwesens daher nicht vom Bestandsschutz erfasst, da sie nicht in der Variationsbreite der genehmigten Nutzung liegt.

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Auf die Darlegungen der Klägerin in der Beschwerdeschrift zu den Belangen des § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB (städtebauliche Belange), § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB (Belange des Umweltschutzes) und § 1 Abs. 6 Nr. BauGB (Belange des Verkehrs) kommt es dementsprechend nicht an.

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c. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Auffassung des Beklagten im Widerspruchsbescheid dazu, dass die beabsichtigte Nutzung des Gebäudes als Einfamilienhaus mit einer unerwünschten Zersiedelung des Außenbereiches bzw. Entstehung einer Splittersiedlung verbunden wäre und öffentlichen Belangen iSd § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB entgegen stehe, falsch ist.

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Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass bereits das Fehlen der Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Nr. 4 bzw. Nr. 5 BauGB einer Einzelfallgenehmigung gemäß § 35 Abs. 2 und 3 BauGB entgegensteht.

11

Gemäß § 35 Abs. 4 Nr. 4 BauGB kann zwar der Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, nicht entgegen gehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB sind und einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwertes dient.

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Ohne erkennbare Rechtsfehler ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen hier nicht vorliegen. Die Ausführungen in der Beschwerde stellen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass das streitgegenständliche Anwesen kein erhaltenswertes, das Bild der Kulturlandschaft prägendes Gebäude sei, nicht substantiiert in Frage. Allein der Umstand, dass das Haus der Klägerin – dies deuten die vom Einzelrichter des Verwaltungsgerichts gefertigten Bilder an – offenbar mit hochwertigen Materialien (Reet etc.) errichtet worden ist und das Anwesen an die Formsprache angeglichen ist, die in dieser Landschaft ansonsten typisch ist, macht es selbst noch nicht zu einem erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäude. Auf das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Nr. 4 BauGB kommt es angesichts dessen nicht (mehr) an.

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Ohne erkennbare Rechtsfehler hat das Verwaltungsgericht auch festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Nr. 5 BauGB hier nicht vorliegen.

14

Nach dieser Vorschrift kann zwar unter den dort benannten Voraussetzungen der Erweiterung eines Wohngebäudes nicht entgegen gehalten werden, dass dieses Vorhaben Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widerspricht, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt, soweit es im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB ist.

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Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei der geplanten reinen Wohnnutzung des Hauses nicht um die Erweiterung eines zulässigerweise errichteten Wohngebäudes im Sinne dieser Vorschrift handelt, lässt entgegen der Auffassung der Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu. Das Gebäude ist ursprünglich als Ausstellungshaus genehmigt worden; die in 2005 zur Sicherung dieser Nutzung genehmigte Teilnutzung von Räumen zu Wohnzwecken ändert daran jedenfalls im Hinblick auf § 35 Abs. 4 Nr. 5 BauGB nichts.

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d. Soweit die Klägerin den Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid zu Fragen des Denkmalschutzes entgegentritt, liegen die Voraussetzungen im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bereits deshalb nicht vor, weil das Verwaltungsgericht darauf in seiner Entscheidung ausdrücklich nicht Bezug genommen (vgl. EA S. 7), sondern diese als nicht entscheidungserheblich offen gelassen hat.

17

e. Die Kritik der Klägerin an den Ausführungen des Beklagten in dem vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Widerspruchsbescheid zur Bedeutung des Flächen-nutzungsplanes für das Vorhaben und ihre Kritik an der Versagung des gemeindlichen Einvernehmens gemäß § 36 Abs. 1 BauGB begründen ebenfalls keine Richtigkeitszweifel an dem erstinstanzlichen Urteil. Das Gebäude liegt eindeutig in einer Außenbereichslage gemäß § 35 BauGB und eine reine Wohnnutzung ist - dazu bereits oben Ziffer 1c - nicht genehmigungsfähig.

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f. Soweit die Klägerin mit der Beschwerde ausführt, die eingetragene Baulast stehe einem positiven Bauvorbescheid nicht entgegen, genügt dies zur Darlegung ernstlicher Richtigkeitszweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung nicht. Der Senat hat bereits mit seinem das Gebäude der Klägerin betreffenden Beschluss vom 16.09.2008 - 1 LA 69/08 - hinreichend deutlich gemacht, dass Zweifel an der Wirksamkeit dieser Baulast, mit der sich die Klägerin verpflichtet hat, die Ausstellungsräume I und II und den Lagerraum im Erdgeschoss des streitgegenständlichen Gebäudes "ausschließlich zum Betreiben einer Kunstausstellung mit Verkauf zu nutzen", nicht bestehen. Das Vorbringen der Klägerin zur Unwirksamkeit dieser Baulast stellt dies nicht mit überzeugenden Gründen in Abrede.

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Ernstliche Richtigkeitszweifel bestehen auch nicht, soweit die Klägerin eine Verpflichtung des Beklagten, einen Verzicht auf die Baulast nach Maßgabe des § 80 Abs. 3 Satz 2 LBO zu erklären, reklamiert. Selbst angesichts der vorgetragenen Gründe ist hier weder eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse noch ein Wegfall des öffentlichen Interesses an der Baulast erkennbar. Im Übrigen vermag ein Verzicht des Beklagten auf die Baulast der Klägerin nicht weiterzuhelfen, da die fehlenden Voraussetzungen des § 35 BauGB einer Änderung der Nutzung des Gebäudes zu reinen Wohnzwecken entgegensteht.

20

g. Auf die Ausführungen der Klägerin zur Gleichbehandlung im Hinblick auf eine Wohnnutzung von Neu- und Umbauten in der Nachbarschaft des Anwesens und zum Brandschutz des Gebäudes nach Maßgabe des § 33 Abs. 2 LBO kommt es angesichts dessen, dass bereits die fehlenden Voraussetzungen des § 35 BauGB einer Nutzung des Gebäudes zu reinen Wohnzwecken entgegensteht, nicht an; im Übrigen sind sie auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung begründen zu können.

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2. Der Zulassungsgrund der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor. Die von der Klägerin (lediglich) mit dem Hinweis auf das mit der Beschwerde dargelegte Vorbringen selbst eingeschätzte "Komplexität der tatsächlichen und rechtlichen Fragen" des Falles lässt keine tatsächlichen und/oder rechtlichen Schwierigkeiten erkennen. Das ergibt sich aus den vorhergehenden Ausführungen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

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3. Zur Grundsatzbedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wird im Zulassungsantrag zunächst als klärungsbedürftig die Frage aufgeworfen, ob, wenn im Grundsatz gleich ausgestattete Räume nicht mehr zu Ausstellungs-, sondern zu Wohnzwecken genutzt werden, dies die dem Bestandsgebäude immanente eigene tatsächliche Variationsbreite überschreitet oder nicht.

23

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dieser Frage keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen. Eine bestimmte, über den Einzelfall hinaus bedeutsame Fragestellung ist daraus schon deshalb nicht zu entnehmen, weil die Variationsbreite der genehmigten Nutzung eines Gebäudes regelmäßig vom Einzelfall abhängt.

24

Auch die als grundsätzlich bedeutsam angeführte Frage, ob ein nach (unrichtiger) Auffassung des Erstgerichts "banaler Bau" der Prägung des Bildes einer Kulturlandschaft im Sinne des § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 BauGB entgegenstehen kann, lässt keine über den Einzelfall hinaus bedeutsame Fragestellung erkennen. Die Frage, ob ein Gebäude nach Maßgabe dieser Vorschrift erhaltenswert ist und das Bild der Kulturlandschaft prägt, ist nicht verallgemeinerungsfähig, da dies vom Einzelfall abhängt.

25

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch die Frage, ob eine sich aus der vorangegangenen Genehmigung gemäß der LBO Schleswig-Holstein ergebende öffentlich-rechtliche Verpflichtung Gegenstand einer Baulast im Sinne des § 80 Abs. 1 S. 1 LBO Schleswig-Holstein sein kann, nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung klärungsbedürftig. Die aufgeworfene Frage ist für den Ausgang des Verfahrens schon deswegen unbeachtlich, weil - anders als der Frage zugrundegelegt - hier eine andere Reihenfolge der Ereignisse bei einer rechtlichen Würdigung des Falles zu beachten ist: Die notariell beurkundete Verpflichtungserklärung der Klägerin zur Übernahme einer Baulast datiert auf den 08.12.2004 (Beiakte B, Bl. 20/21), die Eintragung in das Baulastenverzeichnis ist am 26.01.2005 vorgenommen worden ist (Beiakte B, Bl. 19) und erst nachfolgend ist die Baugenehmigung der Klägerin am 15.02.2005 erteilt worden.

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Schließlich lässt auch die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, ob der Verzicht auf eine Baulast wegen eines fehlenden öffentlichen Interesses dann zu erklären ist, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse dahingehend geändert haben, dass das Gebäude bei Beibehaltung der Baulast auf Dauer nicht mehr unterhalten werden kann und der Baulastverpflichtete dadurch in seinem Eigentumsrecht aus Art. 14 GG unverhältnismäßig verletzt ist, keine über den Einzelfall hinaus bedeutsame Fragestellung erkennen. Diese Frage ist nicht verallgemeinerungsfähig, sondern hängt gerade auch im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Belastung des Baulastverpflichteten vom Einzelfall ab.

27

4. Zum Zulassungsgrund des Verfahrensmangels im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist dem Zulassungsantrag nicht zu entnehmen, worin der Verfahrensmangel liegt, auf dem die erstinstanzliche Entscheidung beruhen kann.

28

Die Klägerin rügt zwar, dass für die Augenscheinseinnahme der Örtlichkeit, Anfertigung von Fotos und die Erörterung der Sache nur 45 Minuten zur Verfügung gestanden hätten, der Einzelrichter wegen nachfolgender Termine offensichtlich unter Zeitdruck gestanden und auf eine schnelle Beendigung der Erörterung gedrängt habe. Aufgrund dessen habe sich keine Zeit gefunden, die anwesenden Gesellschafter der Klägerin ausreichend anzuhören. Die Erörterung habe im Übrigen im Stehen stattgefunden, so dass den Parteien ein Rückgriff auf unterstützende Unterlagen zum Vortrag schlicht nicht möglich gewesen sei. Der Rechtsstreit mit seiner umfangreichen Vorgeschichte hätte nach erfolgter Durchführung der Ortsbesichtigung im Gerichtssaal des Verwaltungsgerichts stattfinden müssen. Die Art und Weise der Verhandlungsführung habe den Grundsatz eines fairen Verfahrens und auch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt. Auf diesen Verfahrensmängeln könne das erstinstanzliche Urteil beruhen, da bei ausreichender Zeit zum Austausch der Sach- und Rechtsmeinungen der Einzelrichter in entscheidungserheblichen Punkten zu einer anderen Rechtsauffassung hätte gelangen können.

29

Mit diesem Vortrag dringt die Klägerin nicht durch. Die von ihr als Verstoß gegen das Gebot eines fairen Verfahrens und einen Gehörsverstoß gerügten äußeren Umstände der mündlichen Verhandlung und die aus ihrer Sicht zu kurz bemessene Äußerungsmöglichkeit begründen keinen Zulassungsgrund im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO.

30

Gegen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor Ort ist grundsätzlich weder im Hinblick auf das Gebot eines fairen Verfahrens, noch unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs etwas zu erinnern.

31

Gemäß § 102 Abs. 3 VwGO können die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist. Gerade in baurechtlichen Streitigkeiten ist es bekanntermaßen eine Frage der Zweckmäßigkeit, ob nur eine Augenscheinseinnahme „vor Ort“ mit einer Fortsetzung im Gerichtssaal erfolgt, oder ob Orts- und Verhandlungstermin zusammengelegt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Februar 1992 - 4 B 27.92 -, juris; Ortloff/Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, Stand August 2012, § 102 Rn. 12). Abgesehen davon, dass die Frage der Zweckmäßigkeit einer Zusammenlegung von Orts- und Verhandlungstermin gemäß § 173 Satz 1 VwGO iVm § 219 Abs. 1 ZPO in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt ist, lassen weder die Verfahrensakte noch das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts im Übrigen erkennen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin oder ihre beiden anwesenden Gesellschafter Einwände gegen die Zweckmäßigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor Ort in … erhoben haben.

32

Ob die von der Klägerin gerügten Umstände der vom Verwaltungsgericht vor Ort in … durchgeführten mündlichen Verhandlung geeignet sind, einen Verfahrensmangel zu begründen, ist bereits zweifelhaft, kann hier aber im Ergebnis dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls hat die Klägerin ein diesbezügliches Rügerecht verloren.

33

Nach § 173 Satz 1 VwGO iVm § 295 Abs. 1 ZPO verliert ein Beteiligter das Rügerecht, wenn er auf die Befolgung einer Verfahrensvorschrift verzichtet oder den Verfahrensmangel in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt hat, obgleich er zu dieser Verhandlung erschienen war und ihm der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste (vgl. dazu nur BVerwG, Beschluss vom 03.06.2014 - 2 B 105/12 - m.w.N.).

34

Das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 13.06.2013 weist nichts dazu auf, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin oder ihre beiden anwesenden Gesellschafter Einwände im Hinblick auf die Art und Weise der Durchführung dieser Verhandlung erhoben haben.

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Bereits aufgrund der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor Ort musste der Prozessbevollmächtigte der Klägerin damit rechnen, dass die Durchführung der mündlichen Verhandlung mit Einschränkungen, beispielsweise im Hinblick auf einen Rückgriff auf unterstützende Unterlagen zum Vortrag, verbunden sein würde.

36

Auch soweit die Klägerin einen Zeitdruck des Einzelrichters und zu kurz bemessenen Äußerungsmöglichkeiten rügt, enthält das Gerichtsprotokoll nicht einmal ansatzweise einen Hinweis auf einen irregulären Verfahrensablauf beziehungsweise eine darauf bezogene und förmlich zu Protokoll erklärte Rüge des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, obwohl dies nach den oben dargestellten Grundsätzen geboten gewesen wäre. Im Gegenteil, ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung am 13.06.2013 ist u.a. die Sach- und Rechtlage erörtert und anschließend von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem Beklagten Sachanträge gestellt worden.

37

5. Weitere Zulassungsgründe sind nicht dargelegt.

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Die Kosten des Antragsverfahrens hat die Klägerin zu tragen, weil ihr Antrag keinen Erfolg gehabt hat (§ 154 Abs. 1 VwGO).

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Anlass, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aus Billigkeitsgründen für erstattungsfähig zu erklären, besteht nicht; denn die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich damit nicht am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt (vgl. §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).

40

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO), das Urteil des Verwaltungsgerichts mithin rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 S. 4 VwGO).


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