Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 MB 13/15
Tenor
Die Beschwerden des Antragsgegners und des Beigeladenen gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer-vom 1. Juni 2015 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen werden dem Antragsgegner und dem Beigeladenen je zur Hälfte auferlegt.
Gründe
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Mit dem im Tenor genannten Beschluss hat das Verwaltungsgericht dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die von ihm unter dem 31. Oktober 2014 ausgeschriebene Stelle „Leitung Fachbereich VI (Kriminalitätsbekämpfung)“ bei der Fachinspektion für Aus- und Fortbildung PD AFB, Kategorie - A -, mit dem Beigeladenen oder anderweitig endgültig zu besetzen. Der Antragsteller habe einen Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 1 VwGO für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die vom Antragsgegner getroffene Auswahlentscheidung für die Vergabe der ausgeschriebenen Stelle könne die Rechtsstellung des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG beeinträchtigen, weil sie eine Voraussetzung für die dauerhafte Vergabe eines höheren Statusamts schaffe. Dem Antragsteller stehe auch ein Anordnungsanspruch zu, weil die Auswahlentscheidung des Antragsgegners den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletze. Der Antragsgegner hätte entscheidungserheblich berücksichtigen müssen, dass der Antragsteller zusätzlich und unbestritten während des gesamten Beurteilungszeitraums den jetzt zur Besetzung ausgeschriebenen, auf die Kategorie A angehobenen Dienstposten wahrgenommen habe und für eben diese Tätigkeit im Gesamturteil mit der Leistungsebene 1 bewertet worden sei, während der Beigeladene mit Wahrnehmung eines Dienstpostens der Kategorie D, allerdings im statushöheren Amt, mit der Leistungsebene 3 beurteilt worden sei. Der bereits daraus resultierende Eignungsvorsprung des Antragstellers gegenüber dem Beigeladenen könne mit den vom Antragsgegner bemühten Kriterien der „Verwendungsbreite“ und „Stehzeit im gehobenen Dienst“ und letztlich auch - so das Verwaltungsgericht sinngemäß weiter - durch das höhere Statusamt des Beigeladenen nicht ausgeglichen werden.
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Die hiergegen gerichteten Beschwerden des Antragsgegners und des Beigeladenen bleiben erfolglos.
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1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber nicht begründet.
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In seiner Beschwerdebegründung stellt der Antragsgegner die Richtigkeit der das Vorliegen eines Anordnungsgrundes betreffenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht in Frage. Daher bedarf es insoweit keiner weitergehenden Ausführungen seitens des erkennenden Senats.
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Dem Antragsteller steht auch ein Anordnungsanspruch zur Seite.
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Nach dem gegenwärtigen Aktenstand spricht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die der Vergabe des ausgeschriebenen Dienstpostens zugrundeliegende Auswahlentscheidung des Antragsgegners zugunsten des Beigeladenen den nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insoweit maßgeblichen rechtlichen Vorgaben nicht genügt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Gründen seines Beschlusses vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1/13 - (NVwZ 2014, 75 ff.) ausgeführt:
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„[22] Der Inhalt dienstlicher Beurteilungen ist auf das Statusamt bezogen. Beurteilungen treffen eine Aussage, ob und in welchem Maße der Beamte den Anforderungen gewachsen ist, die mit den Aufgaben seines Amts und dessen Laufbahn verbunden sind. Sie tragen dem Umstand Rechnung, dass die Vergabe eines Statusamts nicht aufgrund der Anforderungen des Dienstpostens erfolgen soll, den der ausgewählte Bewerber nach der Vergabe des Statusamts oder vorher in einer Bewährungszeit wahrnehmen soll. Denn der ausgewählte Bewerber soll der am besten geeignete für jeden Dienstposten sein, der für einen Inhaber des höheren Statusamts amtsangemessen ist.
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[24] Bei der Bestimmung des Anforderungsprofils ist der Dienstherr aber an die gesetzlichen Vorgaben gebunden und damit, soweit eine an Art. 33 II GG zu messende Dienstpostenvergabe in Rede steht, auch zur Einhaltung des Grundsatzes der Bestenauswahl verpflichtet. Hiermit ist eine Einengung des Bewerberfeldes aufgrund der besonderen Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens grundsätzlich nicht vereinbar.
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[25] Zwar entscheidet der Dienstherr über die Einrichtung und nähere Ausgestaltung von Dienstposten innerhalb des von Verfassung und Parlament vorgegebenen Rahmens auf Grund der ihm zukommenden Organisationsgewalt nach seinen Bedürfnissen. ...
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[26] Die Organisationsgewalt des Dienstherrn ist aber beschränkt und an die Auswahlgrundsätze des Art. 33 II GG gebunden, wenn mit der Dienstpostenzuweisung Vorwirkungen auf die spätere Vergabe des Amts im statusrechtlichen Sinne verbunden sind und die hierauf bezogene Auswahlentscheidung damit vorweggenommen oder vorbestimmt wird. Diese Bindung bereits der Auswahlentscheidung für die Dienstpostenvergabe an die Auswahlgrundsätze des Art. 33 II GG kann ein Dienstherr nur vermeiden, wenn er die Dienstpostenvergabe von der Auswahlentscheidung für die Vergabe des Statusamts entkoppelt.
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[27] In diesen Vorwirkungsfällen sind damit auch die Vorgaben des Anforderungsprofils den Maßstäben aus Art. 33 II GG unterworfen. Mit dem Anforderungsprofil wird die Zusammensetzung des Bewerberfeldes gesteuert und eingeengt. Durch die Bestimmung des Anforderungsprofils legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest, an ihnen werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber um den Dienstposten gemessen. Fehler im Anforderungsprofil führen daher grundsätzlich auch zur Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens, weil die Auswahlerwägungen dann auf sachfremden, nicht am Grundsatz der Bestenauswahl orientierten Gesichtspunkten beruhen.
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[30] Die an Art. 33 II GG zu messende Auswahlentscheidung darf daher grundsätzlich nicht anhand der Anforderungen des konkreten Dienstpostens erfolgen.
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[31] Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann. Diese Voraussetzungen hat der Dienstherr darzulegen, sie unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle.“
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Der Antragsgegner hat die Vergabe des ausgeschriebenen Beförderungsdienstpostens nicht von der Auswahlentscheidung für die Vergabe des entsprechenden Statusamts „entkoppelt“. Vielmehr ergibt sich aus den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Dienstposten um einen solchen der Kategorie A handelt, auf dem „bei erfolgter Bewährung nach drei Monaten eine Ernennung zum nächst höheren Statusamt erfolgt“ (vgl. Bl. 19 der Beiakten „A“). Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht unwidersprochen festgestellt, die Dienstpostenvergabe schaffe hier eine Voraussetzung für die dauerhafte Vergabe eines höheren Statusamts. Auch dem Akteninhalt im Übrigen lässt sich nicht entnehmen, dass seitens des Antragsgegners vor der Vergabe des dem ausgeschriebenen Dienstposten entsprechenden Statusamts eine erneute Auswahlentscheidung beabsichtigt wäre. Daher sind hier mit der Dienstpostenzuweisung Vorwirkungen auf die spätere Vergabe des entsprechenden Amts im statusrechtlichen Sinne verbunden, indem die hierauf bezogene Auswahlentscheidung jedenfalls vorbestimmt wird.
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In derartigen „Vorwirkungsfällen“ darf die an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Auswahlentscheidung nach den dargestellten höchstrichterlichen Vorgaben grundsätzlich nicht anhand der Anforderungen des konkreten Dienstpostens erfolgen. Letzteres hat der Antragsgegner bei der von ihm zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen getroffenen Auswahlentscheidung nicht beachtet. Vielmehr hat der Antragsgegner ein dienstpostenbezogenes Anforderungsprofil erstellt, ausweislich seines Auswahlvermerks von Januar 2015 eine vergleichende Betrachtung und Prüfung der Bewerber gemessen an dem dienstpostenbezogenen Anforderungsprofil vorgenommen, dabei dem Auswahlkriterium „Grad der Entsprechung des Anforderungsprofils“ die entscheidende Rolle beigemessen und dem Beigeladenen abschließend „einen höheren Entsprechungsgrad mit dem Anforderungsprofil“ zugesprochen als dem Antragsteller (vgl. Bl. 59 und 60 der Beiakten „A“).
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Der Antragsgegner hat nicht schlüssig dargelegt, dass die von ihm anhand der Anforderungen des ausgeschriebenen Dienstpostens getroffene Auswahlentscheidung ausnahmsweise deshalb zulässig wäre, weil die Wahrnehmung der Aufgaben des Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzte, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringe und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen könne.
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Mangels hinreichender entgegenstehender Anhaltspunkte ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt von der Möglichkeit auszugehen, dass der ausgeschriebene Dienstposten im Falle einer an den dargestellten höchstrichterlichen Vorgaben orientierten Wiederholung des Auswahlverfahrens rechtsfehlerfrei an den Antragsteller vergeben werden könnte. Dabei ist nicht zuletzt zu berücksichtigen, dass dem Antragsgegner insoweit ein Beurteilungsspielraum zusteht, er ausweislich des Auswahlvermerks von Januar 2015 auch den Antragsteller als „grundsätzlich für die Übernahme des ausgeschriebenen Dienstpostens geeignet“ angesehen hat (vgl. Bl. 58 der Beiakten „A“) und der Antragsteller den ausgeschriebenen, auf die Kategorie A angehobenen Dienstposten bereits längere Zeit wahrgenommen hat. Dementsprechend hat auch der Antragsgegner in seiner ergänzenden Beschwerdebegründung vom 23. Juni 2015 vorgetragen, sicherlich wäre es (dann) vertretbar gewesen, wenn er, der Antragsgegner, den Leistungsvorsprung des Beigeladenen als überwindbar angesehen und das Auswahlverfahren zu Gunsten des „Antragsgegners“ (richtig: „Antragstellers“) entschieden hätte.
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Nach alledem spricht aufgrund des gegenwärtigen Aktenstands eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die der Vergabe des ausgeschriebenen Dienstpostens zugrundeliegende Auswahlentscheidung des Antragsgegners mit der dargestellten neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unvereinbar ist. Bereits diese Unvereinbarkeit rechtfertigt - das gebietet der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes - die Annahme eines Anordnungsanspruchs zugunsten des Antragstellers, ohne dass es im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens darauf ankommt, inwieweit der erkennende Senat sich die zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu eigen macht. Letzteres wird ebenso wie im Übrigen verbleibende offene Tatsachen- und Rechtsfragen abschließend im Hauptsacheverfahren zu klären sein (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 28.4.2015 - 2 MB 5/15 -; ausführlich hierzu: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 23.5.2014 - OVG 7 S 20.14 -, IÖD 2014, 148 f.).
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2. Die Beschwerde des Beigeladenen ist mangels ordnungsgemäßer Prozessvertretung unzulässig (§ 67 Abs. 4 iVm Abs. 2 Satz 1 VwGO), wäre aufgrund der vorangehend dargestellten Erwägungen jedoch auch unbegründet.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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