Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 MB 14/15
Tenor
Die Beschwerden des Antragsgegners und des Beigeladenen gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer-vom 23. Juni 2015 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen werden dem Antragsgegner und dem Beigeladenen je zur Hälfte auferlegt.
Gründe
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Mit dem im Tenor genannten Beschluss hat das Verwaltungsgericht dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die von ihm unter dem 09. Oktober 2014 ausgeschriebene Stelle „Vertretung der Leitung im Sachgebiet 1 bei der Kriminalpolizeistelle Heide, Polizeidirektion Itzehoe, Kategorie - D -„ mit dem Beigeladenen oder anderweitig endgültig zu besetzen. Der Antragsteller habe einen Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 1 VwGO für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die vom Antragsgegner getroffene Auswahlentscheidung für die Vergabe des streitbefangenen Dienstpostens könne die Rechtsstellung des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG beeinträchtigen, weil sie eine Voraussetzung für die dauerhafte Vergabe eines höheren Statusamtes schaffe. Dem Antragsteller stehe auch ein Anordnungsanspruch zu, weil die Auswahlentscheidung des Antragsgegners den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletze. Der Antragsgegner hätte entscheidungserheblich berücksichtigen müssen, dass der Antragsteller in der Leistungsbeurteilung achtmal die Bewertung „übertrifft die Anforderungen“ erhalten habe, der Beigeladene hingegen nur sechsmal. Desweiteren sei völlig unberücksichtigt geblieben, dass bei dem Antragsteller über mindestens sieben Jahre hinweg ein Führungsverhalten zu beurteilen gewesen sei, weil der Antragsteller Führungsverantwortung wahrgenommen habe. Im Übrigen falle auf, dass einige Einzelmerkmale der Beurteilung mehrfach bei den Anforderungsprofilmerkmalen gewertet worden seien. Eine tragfähige Begründung hierfür fehle. Insgesamt habe sich der Antragsgegner durch die mehrfache Wertung einzelner Beurteilungsmerkmale sowie die Nichtberücksichtigung von insgesamt sechs einzelnen Beurteilungsmerkmalen (Führungsverhalten) nahezu vollständig von dem Grundsatz entfernt, dass die dienstliche Beurteilung Grundlage der Auswahlentscheidung sein müsse. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses wird auf den Inhalt desselben verwiesen.
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Die hiergegen gerichteten Beschwerden des Antragsgegners und des Beigeladenen bleiben erfolglos.
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1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber nicht begründet.
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Die Richtigkeit der Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes im Sinne von § 123 Abs. 1 VwGO wird von dem Antragsgegner in seiner Beschwerdebegründung nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Das gilt zunächst für die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Vergabe des streitbefangenen Dienstpostens schaffe eine Voraussetzung für die dauerhafte Vergabe eines höheren Statusamts. Der weiteren Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Vergabe des streitbefangenen Dienstpostens könne die Rechtstellung des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG beeinträchtigen, tritt der Antragsgegner - anders lässt sich sein diesbezügliches Beschwerdevorbringen nicht interpretieren - mit dem Einwand entgegen, es sei nicht vorgetragen, dass bis Januar 2017 nicht mit einer Entscheidung in der beim Verwaltungsgericht bereits anhängigen Hauptsache zu rechnen sei. Dieser Einwand greift deshalb nicht durch, weil gänzlich offen ist, zu welchem Zeitpunkt über die gegenwärtig beim Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 11 A 252/15 anhängige Klage rechtskräftig entschieden sein wird. Das gilt nicht zuletzt deshalb, weil der Antragsgegner innerhalb der ihm vom Verwaltungsgericht vorgegebenen Frist von zwei Monaten keine Gegenerklärung zur Klage abgegeben hat und es dementsprechend auch noch an der von dem Antragsteller in Aussicht gestellten weiteren Klagebegründung fehlt. Unabhängig von den vorangehenden Ausführungen dürfte sich ein Anordnungsgrund jedoch auch aus dem Beschwerdevorbringen des Antragsgegners im Übrigen ergeben. Denn der Antragsgegner hat vorgetragen, ein insoweit (beurteilungs-)relevanter Erfahrungsvorsprung und damit ein Anordnungsgrund sei nur dann anzunehmen, wenn zwischen dem Dienstantritt auf dem strittigen Dienstposten und der gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache ein Zeitraum von deutlich mehr als sechs Monaten liege. Unter Berücksichtigung der dargestellten prozessualen Situation im Hauptsacheverfahren erscheint es überwiegend wahrscheinlich, dass dieses Verfahren erst nach Ablauf eines Zeitraums von deutlich mehr als sechs Monaten rechtskräftig abgeschlossen sein wird.
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Dem Antragsteller steht auch ein Anordnungsanspruch zur Seite. Nach dem gegenwärtigen Aktenstand spricht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die der Vergabe des ausgeschriebenen Dienstpostens zugrundeliegende Auswahlentscheidung des Antragsgegners zugunsten des Beigeladenen den nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insoweit maßgeblichen rechtlichen Vorgaben nicht genügt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Gründen seines Beschlusses vom 20. Juni 2013-2 VR 1/13 - (NVwZ 2014, 75 ff.) ausgeführt:
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„[22] Der Inhalt dienstlicher Beurteilungen ist auf das Statusamt bezogen. Beurteilungen treffen eine Aussage, ob und in welchem Maße der Beamte den Anforderungen gewachsen ist, die mit den Aufgaben seines Amts und dessen Laufbahn verbunden sind. Sie tragen dem Umstand Rechnung, dass die Vergabe eines Statusamts nicht aufgrund der Anforderungen des Dienstpostens erfolgen soll, den der ausgewählte Bewerber nach der Vergabe des Statusamts oder vorher in einer Bewährungszeit wahrnehmen soll. Denn der ausgewählte Bewerber soll der am besten geeignete für jeden Dienstposten sein, der für einen Inhaber des höheren Statusamts amtsangemessen ist.
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[24] Bei der Bestimmung des Anforderungsprofils ist der Dienstherr aber an die gesetzlichen Vorgaben gebunden und damit, soweit eine an Art. 33 II GG zu messende Dienstpostenvergabe in Rede steht, auch zur Einhaltung des Grundsatzes der Bestenauswahl verpflichtet. Hiermit ist eine Einengung des Bewerberfeldes aufgrund der besonderen Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens grundsätzlich nicht vereinbar.
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[25] Zwar entscheidet der Dienstherr über die Einrichtung und nähere Ausgestaltung von Dienstposten innerhalb des von Verfassung und Parlament vorgegebenen Rahmens auf Grund der ihm zukommenden Organisationsgewalt nach seinen Bedürfnissen. ...
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[26] Die Organisationsgewalt des Dienstherrn ist aber beschränkt und an die Auswahlgrundsätze des Art. 33 II GG gebunden, wenn mit der Dienstpostenzuweisung Vorwirkungen auf die spätere Vergabe des Amts im statusrechtlichen Sinne verbunden sind und die hierauf bezogene Auswahlentscheidung damit vorweggenommen oder vorbestimmt wird. Diese Bindung bereits der Auswahlentscheidung für die Dienstpostenvergabe an die Auswahlgrundsätze des Art. 33 II GG kann ein Dienstherr nur vermeiden, wenn er die Dienstpostenvergabe von der Auswahlentscheidung für die Vergabe des Statusamts entkoppelt.
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[27] In diesen Vorwirkungsfällen sind damit auch die Vorgaben des Anforderungsprofils den Maßstäben aus Art. 33 II GG unterworfen. Mit dem Anforderungsprofil wird die Zusammensetzung des Bewerberfeldes gesteuert und eingeengt. Durch die Bestimmung des Anforderungsprofils legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest, an ihnen werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber um den Dienstposten gemessen. Fehler im Anforderungsprofil führen daher grundsätzlich auch zur Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens, weil die Auswahlerwägungen dann auf sachfremden, nicht am Grundsatz der Bestenauswahl orientierten Gesichtspunkten beruhen.
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[30] Die an Art. 33 II GG zu messende Auswahlentscheidung darf daher grundsätzlich nicht anhand der Anforderungen des konkreten Dienstpostens erfolgen.
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[31] Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann. Diese Voraussetzungen hat der Dienstherr darzulegen, sie unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle.“
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Auch wenn sich hier an die Vergabe des streitbefangenen Dienstpostens „nicht unmittelbar“ eine Beförderung anschließen mag, so handelt es sich nach dem Vortrag des Antragsgegners bei diesem Dienstposten sowohl für den Antragsteller als auch für den Beigeladenen um einen höherwertigen Dienstposten, der eine Beförderung in das Statusamt A 12 grundsätzlich ermöglicht und somit entsprechend der Ansicht des Verwaltungsgerichts „eine Voraussetzung“ für die dauerhafte Vergabe eines höheren Statusamts schafft. Daher sind mit der Zuweisung des streitbefangenen Dienstpostens im Verhältnis des Antragstellers und des Beigeladenen - allein hierauf kommt es an - Vorwirkungen auf die spätere Vergabe des Statusamts A 12 verbunden. In derartigen „Vorwirkungsfällen“ darf die an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Auswahlentscheidung nach den dargestellten höchstrichterlichen Vorgaben grundsätzlich nicht anhand der Anforderungen des konkreten Dienstpostens erfolgen. Letzteres hat der Antragsgegner bei der von ihm zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen getroffenen Auswahlentscheidung nicht beachtet. Vielmehr hat der Antragsgegner ein dienstpostenbezogenes Anforderungsprofil erstellt, ausweislich seines Auswahlvermerks von Januar 2015 eine vergleichende Betrachtung und Prüfung der Bewerber gemessen an diesem dienstpostenbezogenen Anforderungsprofil vorgenommen und dem Beigeladenen abschließend den „größten Entsprechungsgrad mit dem Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle“ zugesprochen (vgl. Blatt 25 und 30 der Beiakten „A“).
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Der Antragsgegner hat nicht schlüssig dargelegt, dass die von ihm anhand der Anforderungen des ausgeschriebenen Dienstpostens getroffene Auswahlentscheidung ausnahmsweise deshalb zulässig wäre, weil die Wahrnehmung der Aufgaben des Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzte, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringe und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen könne.
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Nach dem gegenwärtigen Aktenstand erscheint es auch nicht unmöglich, dass der ausgeschriebene Dienstposten im Falle einer an den dargestellten höchstrichterlichen Vorgaben orientierten Wiederholung des Auswahlverfahrens rechtsfehlerfrei an den Antragsteller vergeben werden könnte. Das gilt auch mit Blick auf das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners, allein die Auswertung der Matrix rechtfertige die Auswahl des Beigeladenen. Denn aus diesem Vorbringen ergibt sich nicht, dass sich nicht auch die Auswahl des Antragstellers unter Berücksichtigung des dem Antragsgegner insoweit zustehenden Beurteilungsspielraums bei Auswertung der Matrix rechtfertigen ließe.
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Nach alledem spricht aufgrund des gegenwärtigen Aktenstands eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die der Vergabe des ausgeschriebenen Dienstpostens zugrundeliegende Auswahlentscheidung des Antragsgegners mit der dargestellten neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unvereinbar ist. Bereits diese Unvereinbarkeit rechtfertigt - das gebietet der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes - die Annahme eines Anordnungsanspruchs zugunsten des Antragstellers, ohne dass es im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens darauf ankommt, inwieweit der erkennende Senat sich die zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu eigen macht. Letzteres wird ebenso wie im Übrigen verbleibende offene Tatsachen- und Rechtsfragen abschließend im Hauptsacheverfahren zu klären sein (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 28.4.2015 - 2 MB 5/15 -; ausführlich hierzu: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 23.5.2014 - OVG 7 S 20.14 -, IÖD 2014, 148 f.).
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2. Die zulässige Beschwerde des Beigeladenen ist aus den vorangehend dargestellten Erwägungen gleichfalls unbegründet.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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