Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 LA 61/16
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer - vom 21. April 2016 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Der Kläger ist Bundesfeuerwehrmann und begehrt einen weiteren finanziellen Ausgleich für vom 1. Januar 2009 bis 31. Juli 2013 geleistete Mehrarbeit, bei der die Beklagte Bereitschaftszeiten bei der Mehrarbeitsvergütung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BMVergV nur zur Hälfte angerechnet hat. Widerspruch und Klage blieben erfolglos.
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II. Der zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet. Das Vorbringen des Klägers, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegen nicht vor.
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1. Die Berufung ist nicht wegen Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen. Nach dieser Vorschrift ist die Berufung zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Verfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die Abweichung muss einen die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz betreffen und darf nicht allein in der fehlerhaften Anwendung eines obergerichtlichen Rechtssatzes bestehen. Die Darlegung des Zulassungsgrundes setzt voraus, dass der Antragsteller zum einen die Entscheidung des Gerichts, von der abgewichen worden sein soll, sowie einen in dieser Entscheidung enthaltenen entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz so bezeichnet, dass er ohne weiteres auffindbar ist. Zum anderen muss er einen gleichfalls entscheidungserheblichen ebenso abstrakten Rechtssatz aus der angefochtenen Entscheidung anführen bzw. – soweit ein solcher in der Entscheidung nicht ausdrücklich ausgesprochen ist – herausarbeiten. Der Antragsteller hat ferner zu verdeutlichen, worin die geltend gemachte Abweichung zu sehen ist und warum die angegriffene Entscheidung auf dieser Abweichung beruht (OVG Schleswig, Beschluss vom 14. Mai 1999 - 2 L 244/98 -, NordÖR 1999, 285 = NVwZ 1999, 1354 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
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Soweit der Kläger der Auffassung ist, dass das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2012 (2 C 29.11 -, juris, Rn. 40 sowie 2 C 24.11 -, juris, Rn. 43) sowie vom 17. September 2015 (2 C 29.11 -, BVerwG 143, 381, Rn. 35) abweicht, erfüllt er die aufgezeigten Voraussetzungen einer Darlegung nicht. Ein der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts entgegenstehender Rechtssatz in dem angegriffenen Urteil wird weder bezeichnet noch herausgearbeitet.
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Darüber hinaus weicht das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung nicht von den genannten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts ab. Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 26. Juli 2012 (aaO) zwar entschieden, dass eine Ermäßigung des Ausgleichs durch eine geringere Gewichtung des Bereitschaftsdienstes bei einer Umwandlung in einen Geldausgleich unzulässig ist, weshalb die Mehrarbeitsvergütung nicht um ein Sechstel reduziert werden darf. Dieser Rechtssatz bezieht sich allerdings auf Freizeitausgleich bzw. Vergütung in Geld aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch sowie dem nationalrechtlichen Ausgleichsanspruch aus Treu und Glaube wegen rechtswidriger Zuvielarbeit. Gleiches gilt für das ebenfalls benannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. September 2015 (2 C 29.11 -, juris, Rn. 67 ff). Zur Vergütung einer rechtmäßigen Mehrarbeit nach der Bundesmehrarbeitsvergütungsverordnung enthalten die zitierten Entscheidungen keine Aussagen.
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2. Eine Zulassung der Berufung kommt nach den Darlegungen des Klägers auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in Betracht. Grundsätzliche Bedeutung weist eine Rechtsstreitigkeit dann auf, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf. Um diese Bedeutung darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Zudem ist darzustellen, dass sie entscheidungserheblich und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 22. November 2017 - 2 LA 117/15 -, Rn. 19, juris). Diesen Anforderungen an die Darlegung werden die Ausführungen des Klägers nicht gerecht.
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Die Frage, „ob und in welchem Umfang Mehrarbeit von Beamten der Bundesfeuerwehr bei Ableistung von Arbeitszeit auch im Rahmen von Bereitschaftsdiensten zu gewähren ist“, genügt den dargelegten Anforderungen nicht. Sie ist bereits unverständlich. Es ist nicht ersichtlich, worauf der Kläger mit dieser Frage abzielt.
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Die Frage, „ob die Unterscheidung des Beklagten bei der arbeitszeitrechtlichen und besoldungsrechtlichen Bewertung der geleisteten Bereitschaftsdienste zulässig ist, mit dem Ergebnis, dass Bereitschaftsdienst nur zur Hälfte als Mehrarbeit vergütet wird“, hat keine grundsätzliche Bedeutung im dargelegten Sinn, da sie durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits mit Urteil vom 29. April 2004 (2 C 9.03) entschieden, dass es zulässig ist, dass die Mehrarbeitsvergütung für Bereitschaftsdienst nicht die Höhe der Mehrarbeitsvergütung für Volldienst erreicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 2 C 9.03 -, juris, Rn. 14). Unionsrecht gebietet im Hinblick auf die Vergütung nicht die Gleichstellung von Mehrarbeit ohne Rücksicht darauf, ob sie als Volldienst oder als Bereitschaftsdienst geleistet wird. Zwar ist nach dem Recht der Europäischen Union Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit zu qualifizieren. Unionsrecht regelt indessen nicht die Entlohnung für als Mehrarbeit erbrachten Bereitschaftsdienst. Aus den arbeitszeitrechtlichen Schutzvorschriften ergibt sich auch mittelbar kein Anspruch darauf, dass Bereitschaftsdienst wie Volldienst zu vergüten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 2 C 9.03 -, juris, Rn. 15; zudem allgemein BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2009 - 2 C 90.07 - juris, Rn. 16). Das vom Kläger zitierte Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2000 (C-303/98, zit. nach juris) enthält keine Aussagen zur Vergütung von Mehrarbeit, sondern bezieht sich allein auf die arbeitszeitliche Einordnung von Bereitschaftszeiten.
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3. Der von dem Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Ernstliche Zweifel bestehen nach ständiger Rechtsprechung des Senats, wenn ein Erfolg des Rechtsmittels, dessen Zulassung begehrt wird, mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie dessen Misserfolg (OVG Schleswig, Beschluss vom 14. Mai 1999 - 2 L 244/98 -, juris, Rn. 21). Die Zweifel müssen das Ergebnis der Entscheidung betreffen (OVG Schleswig, Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 4 M 102/99). Gemessen an diesen Maßstäben rechtfertigt das Zulassungsvorbringen des Klägers keine ernstlichen Zweifel an der angegriffenen Entscheidung.
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Soweit der Kläger rügt, er habe einen Anspruch auf Ausgleich der vom ihm im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Juli 2013 geleisteten Mehrarbeit, ist dies für den Zeitraum über dem 30. Oktober 2012 hinaus bereits unerheblich. Das Verwaltungsgericht stützt die Ablehnung etwaiger Ansprüche auf weitere Vergütung für diesen Zeitraum zum einem auf eine Unzulässigkeit der Klage und zum anderen auf die Unbegründetheit der erhobenen Ansprüche. Der Kläger wendet sich indes nicht gegen den selbständig tragenden Ablehnungsgrund der Unzulässigkeit der Klage.
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Hinsichtlich der Ansprüche vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Oktober 2012 greifen die Einwände des Klägers nicht durch. Dass eine Vergütung dem Volldienst entsprechend zu erfolgen habe, weil der Freizeitausgleich von Mehrarbeit im Verhältnis von 1:1 erfolgen müsse, folgt weder aus nationalem noch aus europäischem Recht.
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Grundlage für die Vergütung von Bereitschaftszeiten in Mehrarbeit ist § 5 Abs. 1 Satz 2 BMVergV. Danach wird eine Stunde Dienst in Bereitschaft nur entsprechend dem Umfang der erfahrungsgemäß bei der betreffenden Mehrarbeit durchschnittlich anfallenden Inanspruchnahme berücksichtigt; dabei ist schon die Ableistung eines Dienstes in Bereitschaft als solche in jeweils angemessenem Umfang anzurechnen. § 5 Abs. 1 Satz 1 Satz 2 BMVergV ist mit höherrangigem Recht vereinbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2004, aaO, Rn. 13). Die Regelung beruht auf der in § 48 Abs. 1 Satz 1 BBesG enthaltenen Ermächtigung zum Erlass der Bundesmehrarbeitsvergütungsverordnung. § 48 Abs. 1 Satz 3 BBesG bestimmt, dass sich die Höhe der Vergütung nach dem Umfang der tatsächlich geleisteten Mehrarbeit zu richten hat, was Raum für eine sich von der Arbeitszeit lösende Betrachtung eröffnet (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. August 2015 - 1 A 419/14 -, juris, Rn. 85).
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Der Kläger übersieht bei seiner Argumentation, dass zwischen der arbeitszeitlichen, vollen Anerkennung von Bereitschaftsdienstzeiten und deren Vergütung zu unterscheiden ist. Mit der Mehrarbeitsvergütung wird nicht die zeitliche Mehrarbeit des Beamten abgegolten. Dies wäre eine unzulässige Überstundenvergütung, die gerechterweise mindestens den rechnerisch auf eine Stunde entfallenden Anteil der Besoldung ausmachen müsste. Bei der Mehrarbeitsvergütung handelt es sich vielmehr um eine Abgeltung dafür, dass dem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die grundsätzlich vorgesehene Dienstbefreiung nicht erteilt werden kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. August 2015 - 1 A 419/14 -, juris, Rn. 87, zudem Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, Stand: November 2016, § 88 Rn. 34).
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Die Vergütung der Bereitschaftsdienstzeiten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BMVergV widerspricht auch nicht dem Unionsrecht. Denn ein Übergriff des Gemeinschaftsrechts auf das Besoldungsrecht ist ausgeschlossen, weshalb der nationale Gesetzgeber die Mehrarbeitsvergütung für Bereitschaftsdienst niedriger ansetzen kann als für den Volldienst (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2009 - 2 C 90.07 -, juris, Rn. 16).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
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Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
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