Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 MB 36/17

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 9. Kammer - vom 5. Dezember 2017 geändert:

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Ausbaubeitragsbescheid vom 30. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2017 wird angeordnet, soweit die Antragstellerin zu einem Straßenausbaubeitrag von mehr als 1.559,19 Euro herangezogen worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu 83 % und die Antragsgegnerin zu 17 %.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 469,26 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 5. Dezember 2017 ist in dem tenorierten Umfange begründet; im Übrigen ist sie unbegründet und war daher zurückzuweisen.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid über die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 1.877,04 € für die teilweise Erneuerung der Straße C. in Lübeck vom 30. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2017 nach teilweiser Einstellung des Verfahrens insgesamt abgelehnt. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen diesen Bescheid über die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag von mehr als 1.559,19 € abgelehnt hat. Denn die zur Begründung der Beschwerde dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses insoweit in Frage.

3

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat zu erfolgen, wenn die Anfechtungsklage der Antragstellerin keine aufschiebende Wirkung entfaltet – was angesichts des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nach Ablehnung des Aussetzungsantrages durch die Antragsgegnerin (vgl. § 80 Abs. 4 VwGO) der Fall ist – und eine Interessenabwägung ergibt, dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 1, Alt. 1 VwGO).

4

Im Rahmen dieser Abwägung finden vor allem die Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei einer summarischen Prüfung Berücksichtigung. Ist der Bescheid offensichtlich rechtswidrig beziehungsweise bestehen in Anlehnung an § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides, so überwiegt in der Regel das Aussetzungsinteresse. Ist der Bescheid hingegen offensichtlich rechtmäßig, überwiegt in der Regel das Vollziehungsinteresse.

5

Vorliegend überwiegt das Vollziehungsinteresse lediglich in dem tenorierten Umfange, also in Höhe eines Betrages von 1.559,19 €. Insoweit ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides. Soweit die Antragsgegnerin die Antragstellerin aber zur Zahlung eines Straßenausbaubeitrages herangezogen hat, der diesen Betrag überschreitet, unterliegt der Bescheid ernstlichen Zweifeln. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn der Erfolg der Klage zumindest ebenso wahrscheinlich wie ihr Misserfolg ist (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Juli 2016 – 2 MB 12/16 – juris, Rn. 4 m.w.N.).

6

Gemessen daran führt der Einwand der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe das Grundstück des sogenannten Blockbinnenhofes (Flurstück …) zu Unrecht bei der Beitragsberechnung unberücksichtigt gelassen, zu ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Bescheide (1.). Mit ihren weiteren Einwänden, es bestünden Bedenken an der Rechtmäßigkeit der der Veranlagung zugrunde liegenden Satzung (2.), das Abrechnungsgebiet sei fehlerhaft bestimmt worden (3.), es liege eine willkürliche Abschnittsbildung vor (4.), der der Beitragserhebung zum Teil zugrunde gelegte Einheitssatz sei fehlerhaft bzw. nicht nachvollziehbar berechnet worden (5.) und das Grundstück der Antragstellerin sei nicht beitragsfähig (6.), kann die Antragstellerin indes nicht gehört werden.

7

Voranstellend merkt der Senat an, dass es für eine Darlegung im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht genügt, soweit die Antragstellerin auf ihr gesamtes Vorbringen im erstinstanzlichen Eilrechtsschutzverfahren Bezug nimmt oder dieses lediglich wiederholt. Es reicht auch nicht aus, dass die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts mit pauschalen Angriffen oder formelhaften Wendungen gerügt wird. Die Beschwerdeführerin oder der Beschwerdeführer darf sich nicht darauf beschränken, die Punkte anzugeben, in denen der erstinstanzliche Beschluss angegriffen werden soll. Vielmehr muss sie oder er plausibel erläutern, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung in den angegebenen Punkten für unrichtig gehalten wird. Die Beschwerdebegründung muss an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb diese aus der Sicht der Beschwerdeführerin bzw. des Beschwerdeführers nicht tragfähig sind bzw. aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen die Entscheidung unrichtig sein soll und geändert werden muss. Das erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 31. Juli 2002 – 3 M 34/02 – juris, Rn. 3; OVG Münster, Beschluss vom 24. Mai 2018 – 1 B 1095/17 – juris, Rn. 7; VGH München, Beschluss vom 8. Januar 2018 – 3 CS 17.2543 – juris, Rn. 2 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 146 Rn. 41).

8

1. Zur Berücksichtigungsfähigkeit des sogenannten Blockbinnenhofes bei der Aufwandsverteilung führt das Verwaltungsgericht zwar zunächst zutreffend aus, dass die Fläche nicht deshalb außer Betracht zu bleiben habe, weil es sich nicht um eine Erschließungsanlage im Sinne von § 127 Abs. 1 oder § 123 Abs. 2 BauGB handele. Das Verwaltungsgericht vertritt dann weiter die Ansicht, dass die im Eigentum der Antragsgegnerin stehende Fläche aufgrund des Umlegungsbeschlusses und der darauf beruhenden Grunddienstbarkeit(en) jeglicher Nutzung durch diese jedoch entzogen sei. Die Antragsgegnerin werde nur als Treuhänderin der aus den Teilhabern (den Hofanliegern) bestehenden Hofgemeinschaft tätig und habe durch die Erneuerung der Straße C. keinerlei Vorteile.

9

Ob die letztgenannte Annahme des Verwaltungsgerichts zutrifft, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Insoweit rügt die Antragstellerin jedenfalls im Ergebnis zu Recht, dass die Fläche des Blockbinnenhofes bei der Aufwandsverteilung herangezogen werden müsse. Mögliche Beitragspflichtige sind nach § 8 Abs. 1 KAG neben den Grundstückseigentümern auch die zur Nutzung von Grundstücken dinglich Berechtigten und Gewerbetreibende. Als relevante grundstücks- und betriebsbezogene Vorteile kommen nur wirtschaftliche Vorteile in Betracht. Wirtschaftliche Vorteile, die aus Straßenbaumaßnahmen erwachsen können, sind sowohl die Erleichterung der Zugänglichkeit der betroffenen Grundstücke und der darauf befindlichen Baulichkeiten als auch die Steigerung der Attraktivität der Wohn- und Geschäftslage (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 28. Oktober 1997 – 2 L 281/95 – juris, Rn 24 ff.; Thiem/ Böttcher, KAG, § 8 Rn. 517). In beiden Fällen erhöht sich der Gebrauchswert von Wohn- und Geschäftsgrundstücken. Die Dauervorteile aus einer Straßenbaumaßnahme (erleichterte Zugänglichkeit und/ oder Steigerung der Attraktivität der Wohn- und Geschäftslage) erwachsen als grundstücksbezogene Vorteile ausschließlich den Grundstückseigentümern und den ihnen insoweit gleichzustellenden zur Nutzung von Grundstücken dinglich Berechtigten (vgl. Habermann/ Arndt, KAG, § 8 Rn. 140; Thiem/ Böttcher, KAG, § 8 Rn. 520). Ob eine Straßenbaumaßnahme grundstücksbezogene Vorteile vermittelt, ist nicht aus der subjektiven Sicht des einzelnen Grundstückseigentümers und insbesondere nicht unter Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzung seines Grundstücks, sondern objektiv zu beurteilen (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 28. Oktober 1997, – 2 L 281/95 – juris, Rn. 26 und Beschluss vom 8. Mai 2008 – 2 LA 7/08 – n.v.).

10

Die Heranziehung der Antragstellerin zu Straßenausbaubeiträgen infolge der streitgegenständlichen Maßnahme rechtfertigt sich mit der Erhöhung des Gebrauchswertes ihres Grundstücks durch dessen verbesserte Erreichbarkeit. Unabhängig von der Frage, ob durch die betroffene Ausbaumaßnahme auch der Antragsgegnerin als Eigentümerin des Blockbinnenhofes ein solcher Vorteil erwächst, profitieren jedoch die Anlieger, welche die Fläche im Rahmen der ihnen eingeräumten Grunddienstbarkeit als Parkfläche nutzen, dauerhaft von der Ausbaumaßnahme durch die Erhöhung des Gebrauchswertes des Blockbinnenhofes. § 8 Abs. 1 KAG bezieht den Kreis der zur Nutzung von Grundstücken dinglich Berechtigten – zu diesen dürfte u.a. auch die Antragstellerin gehören – ausdrücklich in den Kreis der möglichen Beitragspflichtigen ein. Eine ausschließlich auf die Antragsgegnerin als Eigentümerin der Fläche bezogene Betrachtung der durch die Ausbaumaßnahme vermittelten Vorteilslage dürfte zu eng sein. Angesichts dieser klaren gesetzlichen Vorgabe führt die Nichtberücksichtigung des Blockbinnenhofes jedenfalls zu ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Festsetzungsbescheides.

11

Ausweislich der von der Antragsgegnerin vorgelegten Vergleichsberechnung, in der dem Abrechnungsgebiet der Blockbinnenhof (Flurstück …) hinzugefügt wurde, ergibt sich für die Antragstellerin eine Beitragsforderung in Höhe von 1.559,19 Euro. Soweit die Beitragsforderung hierüber hinausgeht, bestehen jedenfalls ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung.

12

2. Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass – entgegen der Ausführungen des Verwaltungsgerichts – erhebliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung, den Ausbau, Umbau und die Erneuerung von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen vom 9. Dezember 2014 (ABS) bestehen. Das Verwaltungsgericht setze sich nicht mit ihrem Vortrag auseinander, wonach die Satzung schon deshalb unwirksam sei, weil der Bürgerschaft der Antragsgegnerin die Kalkulationsgrundlage bei der Satzungsabfassung nicht vorgelegen habe. Ein rechtmäßiger Beschluss über die Satzung und die „Anpassung“ des Einheitssatzes sei nicht denkbar, wenn der Bürgerschaft die Kalkulation und die ihr zugrunde liegenden Leitentscheidungen nicht vorgelegen hätten. Dies gelte vor allem dann, wenn – wie hier – der Einheitssatz um mehrere 100 % gegenüber dem bisherigen Wert neu festgesetzt werden soll.

13

Ausweislich der Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts hat die Antragsgegnerin zur Berechnung des Einheitssatzes für den Einbau der Regenwasserleitung im gerichtlichen Verfahren eine Übersicht (Anlage AG 6) vorgelegt, nach der sie aus 30 Baumaßnahmen in den Jahren 2005 bis 2009 die Kosten für die Regenwasserleitung ermittelt und die Hälfte des sich daraus ergebenden Betrages der Straßenentwässerung zugeordnet habe. Aus den von der Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass die Anlage AG 6 nicht Bestandteil der Beschlussvorlage für die Neufassung der Straßenausbaubeitragssatzung vom 7. Oktober 2014 gewesen ist.

14

Unabhängig von der Frage, ob die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung des Senats zur Kalkulation von Benutzungsgebühren nach § 6 KAG (vgl. Urteil vom 15. Mai 2017 – 2 KN 1/16 – juris) auch auf die Bildung von Einheitssätzen für Straßenausbaubeiträge gemäß § 8 Abs. 4 Satz 3 KAG anwendbar ist – eine nähere Begründung und entsprechende rechtliche Durchdringung enthält die Beschwerdebegründung nicht –, führen die von ihr erhobenen Einwendungen jedenfalls nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der betroffenen Satzungsbestimmung. Im Rahmen der vorliegend gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage geht der Senat davon aus, dass die in der Anlage AG 6 enthaltenen Berechnungsgrundlagen für die Bildung des streitgegenständlichen Einheitssatzes in Höhe von 840 Euro nicht zu den sogenannten kalkulatorischen Grundentscheidungen gehören und deshalb dem Satzungsgeber – der Bürgerschaft der Antragsgegnerin – bei der Beschlussfassung über die Satzungsänderung nicht vorgelegt werden mussten.

15

Zu den kalkulatorischen Leitentscheidungen sind alle Entscheidungen zu rechnen, die nicht durch Gesetz oder Satzungsregelung bindend vorgeschrieben sind, d.h. soweit dem für die Kalkulation zuständigen Gremium danach ein Entscheidungsspielraum belassen ist, und die sich auf das Ergebnis der Kalkulation auswirken. Diese Entscheidungen hat das Gericht zu akzeptieren, eine „Korrektur“ ist ihm aufgrund des Gewaltenteilungsprinzips versagt (vgl. Habermann, in: Habermann/ Arndt, KAG-SH, § 8 Rn. 565). Bei der Bildung des Einheitssatzes nach § 8 Abs. 4 Satz 3 KAG kommt dem Satzungsgeber ein solcher Entscheidungsspielraum nicht zu. § 8 Abs. 4 Satz 3 KAG bestimmt, dass die Einheitssätze nach den durchschnittlichen Kosten festzusetzen sind, die im Gebiet der Beitragsberechtigten oder des Beitragsberechtigten üblicherweise für vergleichbare öffentliche Einrichtungen aufzuwenden sind. Der nach Einheitssätzen berechnete Betrag ist zwar Ergebnis einer Vergleichsberechnung und deshalb in gewissem Umfang pauschaliert. Er bleibt jedoch eine Kostenerstattung und damit den Prinzipien des Aufwandsersatzes verhaftet (vgl. Griwotz, in: Ernst/ Zinkahn/ Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, 128 EL., § 130 Rn. 6). Bei den normativen Vorgaben zur Bildung von Einheitssätzen handelt es sich um – jedenfalls zum Teil – unbestimmte Rechtsbegriffe, die der vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Dies gilt insbesondere für den Begriff der vergleichbaren öffentlichen Einrichtungen. Auf eine entsprechende Rüge hätte das Gericht in der Hauptsache zu prüfen, ob bei der Berechnung des Einheitssatzes Maßnahmen berücksichtigt wurden, die vergleichbare öffentliche Einrichtungen betreffen. Ein dem Satzungsgeber vorbehaltener Entscheidungsspielraum bei der Auswahl der öffentlichen Einrichtungen besteht indes nicht.

16

Allein aus dem Umstand, dass sich der neue Einheitssatz gegenüber dem vorherigen um mehrere hundert Prozent erhöht hat, folgt nicht, dass es sich bei der Bildung des neuen Einheitssatzes um eine sogenannte kalkulatorische Leitscheidung handelt. Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich insoweit in dieser pauschalen Annahme, ohne den aufgeworfenen Gesichtspunkt in rechtlicher Hinsicht näher zu erläutern. Unabhängig davon enthält die Satzungsvorlage zur Neufassung der Straßenausbaubeitragssatzung vom 7. Oktober 2014 mehrere Begründungselemente für die Erhöhung des Einheitssatzes von 260 Euro aus dem Jahr 1996 auf 840 Euro. Hierzu und zu den entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verhält sich die Beschwerdebegründung jedoch nicht.

17

Ergänzend merkt der Senat an, dass Zweifel an der vom Verwaltungsgericht geäußerten Auffassung bestehen, wonach im Falle der Unanwendbarkeit von Einheitssätzen die Beitragspflichten auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten entstehen. Der Senat hält es jedenfalls für zweifelhaft, ob insoweit die vom Verwaltungsgericht herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht (Urteil vom 15. November – 8 C 41.84 – juris, Rn. 25 ff.) auf im Rahmen der Aufwandsermittlung für Straßenausbaumaßnahmen herangezogene Einheitssätze im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 3 KAG übertragbar ist. Hiergegen könnte sprechen, dass nicht entgegen den getroffenen Satzungsbestimmungen ohne gesetzliche Grundlage eine andere Ermittlungsmethode gewählt werden kann. Die Gemeinde könnte vielmehr gehalten sein, entweder neue Einheitssätze in die Satzung aufzunehmen oder die Abrechnung nach tatsächlichen Kosten festzulegen (vgl. hierzu Habermann, in: Habermann/ Arndt, KAG-SH, § 8 Rn. 204). Hierauf kommt es nach den obigen Ausführungen indes nicht an.

18

3. Die Rüge der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht gehe „fehlsam“ davon aus, dass gegen die Bildung des Einheitssatzes für den Einbau der Regenwasserleitung keine Bedenken bestehen würden, begründet ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung.

19

Soweit die Antragstellerin die Fehlerhaftigkeit des Einheitssatzes pauschal damit begründet, die Ermittlung von Einheitssätzen sei schon deshalb nicht möglich, weil die Antragsgegnerin sowohl im Trenn- als auch im Mischsystem entwässere, genügt sie hiermit nicht den Begründungsanforderungen. Für den Senat ist nicht nachvollziehbar, warum der streitbefangene Einheitssatz allein wegen des Vorhandenseins verschiedener Entwässerungssysteme fehlerhaft sein soll. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin hierzu unwidersprochen ausgeführt, dass die Kostenermittlung für die Berechnung der Einheitssätze vollständig auf dem Bau neuer Kanäle im Trennsystem basiere. Auch die in diesem Zusammenhang erneut erhobene Rüge, die Antragsgegnerin lege keine notwendigen kalkulatorischen Leitentscheidungen vor, greift neben den obigen Ausführungen schon allein mangels weiterer Substantiierung nicht durch. Die Antragstellerin legt nicht dar, an welchen kalkulatorischen Leitentscheidungen es fehle und welche Auswirkungen das Fehlen auf die Rechtmäßigkeit des Einheitssatzes haben soll. Dabei sei an dieser Stelle erneut darauf hingewiesen, dass bei der Bildung eines Einheitssatzes nach § 8 Abs. 4 Satz 3 KAG kein Raum für kalkulatorische Leitentscheidungen besteht.

20

Auch die weiteren von der Antragstellerin erhobenen Einwendungen stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage. Mit dem Vortrag, sie habe die in der Anlage AG 6 benannten Werte bestritten, verweist sie offensichtlich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Dies genügt – wie bereits dargestellt – nicht den Begründungsanforderungen. Im Übrigen genügt das schlichte Bestreiten auch nicht dem Darlegungserfordernis zur Begründung ernstlicher Zweifel. Die Antragstellerin rügt zudem, dass in der in Anlage AG 6 dargestellten Berechnung „Pauschalannahmen“ ohne nachvollziehbare Grundlagen gebildet würden und nicht nachvollziehbare prozentuale Anteile an angeblich auf die Regenentwässerung bezogenen Kosten benannt würden. Mit diesen – nicht näher begründeten – Erwägungen genügt die Antragstellerin ebenfalls nicht dem Begründungserfordernis. Sie erläutert weder von welchen „Pauschalannahmen“ sie ausgeht, noch aus welchen konkreten Gründen die prozentualen Anteile nicht nachvollziehbar sein sollen. Mangels entsprechender Substantiierung ist das Vorbringen nicht geeignet, durchgreifende Zweifel an der Plausibilität der Einheitssatzberechnung zu begründen.

21

4. Die Rüge der Antragstellerin, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Abrechnungsgebiet und der Relevanz des Sanierungsgebiets Block 22 seien fehlerhaft, hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht führt hierzu aus, dass die betroffene Einrichtung aus Rechtsgründen an der Kreuzung I.-straße und nicht – unter Einbeziehung der T.-straße – erst an der Straße „Bei St. Johannis“ ende. Die T.-straße sei Teil des förmlich festgelegten Sanierungsgebietes „Block 22“ und daher gemäß § 154 Abs. 1 Satz 3 BauGB nicht berücksichtigungsfähig.

22

Die Antragstellerin hält dem ohne Erfolg entgegen, dass die Bürgerschaft der Antragsgegnerin in der Sitzung vom 28. September 2017 die Satzung der Hansestadt Lübeck vom 20. Juni 1986 über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes „Block 22 – T.-straße“ aufgehoben hat. Ihrer Ansicht nach habe dies Auswirkungen auf die streitgegenständliche Veranlagung, da weitere Grundstücke in das Abrechnungsgebiet im Verlauf des einheitlichen Straßenzuges T.-straße/ C. einzubeziehen seien. Dies ist indes unzutreffend, da maßgeblicher Zeitpunkt bei der Ermittlung der Aufwandsverteilung das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht ist (vgl. Urteil des Senats vom 14. November 2016 – 2 LB 4/16 – juris, Rn. 42, so auch OVG Schleswig, Urteil vom 05. März 2015 – 4 LB 4/14 – juris, Rn. 55). Die sachliche Beitragspflicht ist nach den unwidersprochenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts vorliegend am 23. November 2015 mit der Abnahme entstanden. Zu diesem Zeitpunkt war das förmliche Sanierungsgebiet „Block 22“ noch nicht aufgehoben worden. Vor diesem Hintergrund erschließt sich dem Senat die rechtliche Relevanz des Vortrags der Antragstellerin nicht.

23

5. Soweit die Antragstellerin rügt, ihr erstinstanzlicher Vortrag zur Willkür bei der Abschnittsbildung sei nicht berücksichtigt worden, genügt ihr Vorbringen nicht den Darlegungsanforderungen. Die Antragstellerin verweist hierbei auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und führt aus, dass eine Verfügung vom 2. September 2016 dokumentiere, dass es sich nicht um eine zulässige Abschnittsbildung handele und die Maßnahme entsprechend dem Bauprogramm abgeschlossen worden sei. Etwaige Unklarheiten würden zu Lasten der Gemeinde gehen.

24

Für den Senat ist anhand der Beschwerdebegründung nicht nachvollziehbar, welche tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts insoweit angegriffen werden sollen. Wie bereits dargelegt, genügt die pauschale Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen nicht dem Begründungserfordernis des § 146 Abs. Abs. 4 Satz 3 VwGO. Die Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts erörtern eine Verfügung vom 2. September 2016 zudem nicht. Vielmehr wird ausgeführt, dass die streitbefangene Maßnahme nach dem Bauprogramm abgeschlossen und die sachliche Beitragspflicht mit der Abnahme am 23. November 2015 entstanden sei. Eine Abschnittsbildung sei deshalb nicht zulässig und nicht erforderlich gewesen. Die Antragstellerin hätte daher zumindest darlegen müssen, welchen Inhalt die Verfügung vom 2. September 2016 hat und aus welchen konkreten Gründen sie die Rechtmäßigkeit des Festsetzungsbescheides beeinflussen könnte. Es fehlt zudem an Ausführungen dazu, in welchem (rechtlichen) Verhältnis die benannte Verfügung und das Bauprogramm der Antragsgegnerin zueinander stehen sollen und wie sich dieses Verhältnis auf die Beitragsfestsetzung auswirke, zumal es nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf die Abschnittsbildung nicht ankommt.

25

Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang noch vorträgt, es sei davon auszugehen, dass den in nördlicher Richtung im weiteren Verlauf des Straßenzuges der T.-straße belegenen Grundstücken bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise durch die Maßnahme ein beitragsrechtlich relevanter Vorteil erwachse, ist dies aus den unter 4. ausgeführten Gründen unbeachtlich.

26

6. Das Verwaltungsgericht hat ferner zutreffend ausgeführt, dass das Grundstück der Antragstellerin zu Recht in die Aufwandsverteilung einbezogen wurde, weil es als Hinterliegergrundstück durch die Straße C. erschlossen werde. Die Beitragsfähigkeit des Grundstücks folge aus dem Umstand, dass die Zufahrt zum Grundstück der Antragstellerin über das unmittelbar anliegende Grundstück und den Blockbinnenhof durch die im Rahmen des Umlegungsverfahrens eingetragenen Grunddienstbarkeiten gesichert sei. Alle Teilhaber des Blockbinnenhofes, d.h. die Eigentümer der anliegenden Grundstücke, verfügten über ein dauerhaftes und rechtlich gesichertes Durchfahrtsrechts.

27

Die Antragstellerin trägt insoweit vor, das betroffene Grundstück sei kein „Hinterliegergrundstück“ und das Verwaltungsgericht verkenne den Inhalt der Grunddienstbarkeit. Diese enthalte lediglich ein Nutzungsrecht an dem Blockbinnenhof bzw. an den Durchfahrten, sei aber gerade kein für die Beitragsveranlagung als „Hinterliegergrundstück“ notwendiges Wegerecht zur Erreichung des veranlagten Grundstücks.

28

Mit diesem Vortrag begründet die Antragstellerin keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung. Mit der Beschwerdebegründung werden die Ausführungen des Verwaltungsgerichts schon nicht plausibel in Frage gestellt. Die Differenzierung der Antragstellerin bezüglich des Inhalts der Grunddienstbarkeit ist nicht nachvollziehbar. Weshalb die – ein Nutzungsrecht vermittelnden – Grunddienstbarkeiten nicht auch ein entsprechendes Wegerecht an den Durchfahrten und dem Blockbinnenhof vermitteln sollen, wird nicht näher begründet. Dies ist angesichts des Umstands, dass eine Nutzung der Flächen auch dessen Betreten bzw. Befahren zwingend voraussetzt, auch nicht schlüssig. Darüber hinaus ist Folgendes zu beachten:

29

Nach der Rechtsprechung des Senats liegt bei einem Hinterliegergrundstück eine vorteilsbedeutsame Inanspruchnahmemöglichkeit in den Fällen, in denen Anlieger- und Hinterliegergrundstücke im Eigentum verschiedener Personen stehen, immer dann vor, wenn eine tatsächlich genutzte Verbindung zwischen der Straße und dem Hinterliegergrundstück besteht und die Zufahrt vom Hinterliegergrundstück über das Anliegergrundstück zur ausgebauten Straße in der Weise angelegt ist, das mit Blick ausschließlich auf diese Verkehrslage die Erreichbarkeitsanforderungen erfüllt sind, von denen das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht die Bebaubarkeit des Hinterliegergrundstücks abhängig machen (vgl Urteil vom 24. Oktober 1996 – 2 L 108/96 – juris, Leitsatz Nr. 3 m.w.N.). Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Landesbauordnung Schleswig-Holstein (LBO) verlangt für die Bebauung eines Hinterliegergrundstücks eine befahrbare, öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren Verkehrsfläche. Die Zufahrt zu dem Grundstück der Antragstellerin ist nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts durch eine Grunddienstbarkeit gesichert. Eine privatrechtliche Grunddienstbarkeit stellt im Gegensatz zu einer in das Baulastenverzeichnis auf der Grundlage von § 80 LBO eingetragenen Baulast keine öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt dar. Der Senat hat jedoch in einer vergleichbaren Situation entscheiden, dass es für die gebotene rechtliche Sicherung der Zufahrt ausreicht, wenn die Grunddienstbarkeit auf einem – wie hier – auf der Grundlage des Bundesbaugesetzes erlassenen Umlegungsplan beruht (vgl. Urteil vom 16. September 1997 – 2 L 198/96 – juris, Rn. 30). Der Umlegungsplan nebst Umlegungsverzeichnis enthält eine öffentlich-rechtliche Regelung, die die beteiligten Eigentümer und die Antragsgegnerin bindet, so dass die übrigen Anlieger schutzwürdig die Einbeziehung der am Blockbinnenhof gelegenen Grundstücke erwarten durften.

30

Der Senat hat in der letztgenannten Entscheidung deshalb offen gelassen, ob grundsätzlich eine durch eine Grunddienstbarkeit gesicherte Zufahrt die Heranziehung eines Hinterliegergrundstücks rechtfertigt, wenn der Eigentümer eines Hinterliegergrundstücks aufgrund des durch die eingetragene Grunddienstbarkeit bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnisses einen Anspruch gegen den Eigentümer des dinglich belasteten Nachbargrundstücks darauf hat, dass der Nachbar eine entsprechende Baulasterklärung abgibt (vgl. OVG Schleswig, a.a.O., Rn. 31). Der 4. Senat des erkennenden Gerichts hat demgegenüber entschieden, dass es bei einem Hinterliegergrundstück für die dauerhafte Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße und damit für die Vorteilslage ausreicht, wenn ein Notwegerecht im Sinne des § 917 BGB beziehungsweise ein Notwegeanspruch besteht (vgl. Urteil vom 8. Juli 2015 – 4 LB 15/14 – juris, Rn. 51 f.). Es ist zwar fraglich, ob – wie in den zitierten Entscheidungen des 2. Senats – weiterhin im Grundsatz die Eintragung einer Baulast zu fordern ist. Zweifelhaft könnte dies deshalb sein, weil die Beitragspflicht bei Straßenausbaubeiträgen – anders als im Erschließungsbeitragsrecht – nicht davon abhängt, dass die ausgebaute Straße dem Grundstück die Bebaubarkeit vermittelt (vgl. Habermann/ Arndt, KAG, § 8 Rn 185; Thiem/ Böttcher, KAG, § 8 Rn 577 ff.). Einer abschließenden Entscheidung zu dieser Frage bedarf es aufgrund der voranstehenden Ausführungen zur öffentlich-rechtlichen Regelung aufgrund des Umlegungsplans jedoch nicht.

31

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO.

32

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG; Ziffer 3.1, 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (ein Viertel des Betrages der streitigen Abgabe).

33

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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