Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 MB 12/19

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer - vom 12. September 2019 geändert:

Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die kommissarische Besetzung des Dienstpostens der stellvertretenden Abteilungsleitung … des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume und Integration des Landes Schleswig-Holstein mit der Beigeladenen rückgängig zu machen und diesen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht zu besetzen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf € 23.235,96 festgesetzt.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 12. September 2019 ist begründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses durchgreifend infrage.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers – eines Ministerialrates (Besoldungsgruppe A 16) –, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, die Beigeladene – eine Regierungsdirektorin (Besoldungsgruppe A 15) – oder einen anderen Mitbewerber in die Planstelle der Funktion der stellvertretenden Abteilungsleitung … des Antragsgegners einzuweisen, abgelehnt.

3

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe bereits einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Dieser folge nicht aus der Erwägung, dass die Beigeladene auf dem Dienstposten einen für eine spätere Beförderung relevanten Erfahrungs- oder Bewährungsvorsprung erlangen könne. Der Antragsgegner habe zugesichert, dass ein durch die vorläufige Aufgabenwahrnehmung durch die Beigeladene erreichter etwaiger Bewährungsvorsprung im Falle seines – des Antragsgegners – Unterliegens in einem auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der getroffenen Auswahlentscheidung gerichteten Verfahren bei einer daraufhin notwendigen erneuten Auswahlentscheidung ausgeblendet werden würde.Das Ausblenden des Bewährungsvorsprungs der Beigeladenen sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der ersten Auswahlentscheidung keine weitere nachfolgen solle. Der Antragsgegner beabsichtige die endgültige Übertragung des Beförderungsdienstpostens an die Beigeladene sowie im Falle ihrer Bewährung die Übertragung des Statusamtes ohne weiteres Auswahlverfahren nur für den Fall, dass die streitbefangene Auswahlentscheidung gerichtlich bestätigt werde. Zudem sei die Beigeladene auch nach der kommissarischen Übertragung des Beförderungsdienstpostens weiterhin Leiterin des Referats … . Ihr werde lediglich zusätzlich – vorläufig – die Funktion der stellvertretenden Abteilungsleitung übertragen, sodass auch bei Ausblenden der Leistungen auf dem höherwertigen Dienstposten ein Rückschluss auf die Leistungen in ihrem bisherigen Statusamt möglich sei.

4

Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

5

Der Antragsteller kann mit seinen gegen die fiktive Ausblendung geltend gemachten Einwänden durchdringen. Ihm steht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und des Antragsgegners ein Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Seite.

6

Zwar ist Gegenstand des Rechtsstreits nicht die Vergabe eines statusrechtlichen Amtes, die nach Ernennung des ausgewählten Bewerbers nach dem Grundsatz der Ämterstabilität nur noch rückgängig gemacht werden könnte, wenn der unterlegene Bewerber unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG an der Ausschöpfung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten gehindert worden wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 – BVerwG 2 C 16.09 –, Juris Rn. 27). Die mit dem Eilantrag angegriffene Übertragung des Dienstpostens auf einen Mitbewerber kann nachträglich aufgehoben und der Dienstposten anderweitig besetzt werden, so dass dem Antragsteller auch nachgelagerter Rechtsschutz zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. September 2011 – 2 VR 3.11 –, Juris Rn. 19).

7

Die von dem Antragsgegner getroffene Auswahlentscheidung für die Dienstpostenvergabe vermag die Rechtsstellung des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) aber dennoch zu beeinträchtigen, weil nicht auszuschließen ist, dass sie in Bezug auf den Antragsteller eine negative Vorauswahl für die Vergabe eines höheren Statusamts (hier: der Besoldungsgruppe B 2) trifft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 2 VR 4.11 –, Juris Rn. 11 f. m.w.N.; hierzu auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2007 – 2 BvR 2457/04 –, Juris Rn. 11).

8

Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Die Verbindlichkeit dieses verfassungsseitig angeordneten Maßstabs gilt nicht nur für die unmittelbare Vergabe eines Amtes im statusrechtlichen Sinne, sondern auch für vorgelagerte Auswahlentscheidungen, durch die eine zwingende Voraussetzung für die nachfolgende Ämtervergabe vermittelt und die Auswahl für die Ämtervergabe damit vorweggenommen oder vorbestimmt wird (stRspr: vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 –, Juris Rn. 14.; Urteile vom 16. August 2001 – 2 A 3.00 –, Juris Rn. 27 f, vom 16. Oktober 2008 – 2 A 9.07 – Juris Rn. 49 und vom 26. September 2012 – 2 C 74.10 –, Juris Rn. 18).

9

Der von dem Antragsgegner zur Neubesetzung im Rahmen eines Interessebekundungsverfahrens ausgeschriebene und mit der Besoldungsgruppe B 2 bewertete Dienstposten der stellvertretenden Abteilungsleitung … des Antragsgegners stellt für den Antragsteller (wie auch für die Beigeladene) einen höherwertigen Dienstposten dar. Die – nur noch – kommissarische Besetzung dieses Dienstpostens mit der Beigeladenen sowie die in diesem Zusammenhang seitens des Antragsgegners abgegebenen Zusicherungen sind nicht geeignet die Vorverlagerung der Auswahlentscheidung für die spätere Ämtervergabe auf die streitgegenständliche Vergabe des Dienstpostens, mithin den Anordnungsgrund, sicher entfallen zu lassen.

10

Dieser besteht nicht etwa deshalb nicht, weil der Dienstherr die höherwertige Aufgabenwahrnehmung im Falle einer später als rechtswidrig festgestellten Dienstposteninhaberschaft im Wege einer fiktiven Fortschreibung der dienstlichen Beurteilung ausblenden dürfte. Die Figur des Ausblendens eines etwaigen Bewährungsvorsprungs im Falle der Rechtswidrigkeit der Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens unterliegt einem eingeschränkten Anwendungsbereich und sachlichen Voraussetzungen. Es handelt sich um eine Option des Dienstherrn, der die damit verbundenen Vor - und Nachteile für die dienstlichen Interessen, aber auch für den ausgewählten Bewerber abzuwägen hat (vgl. Rechtsprechung zur Figur des „Ausblendens“ eines etwaigen Bewährungsvorsprungs im Falle der Rechtswidrigkeit der Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens: BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 2017 – 2 VR 2.16 –, Juris Leitsatz 2 und Rn. 21, 28; Senatsbeschluss vom 29. Juni 2018 – 2 MB 3/18 –, Juris Rn. 10). Sie setzt zunächst voraus, dass die Aufgaben des ausgeschriebenen Dienstpostens zur Sicherstellung des öffentlichen Interesses an einer ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung einer ununterbrochenen Wahrnehmung bedürfen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2016 – 2 VR 2.15 –, Juris Rn. 33). Erst bei einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung sind in diesem Zusammenhang Eingriffe in den Bewerbungsverfahrensanspruch gerechtfertigt (vgl. OVG der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 23. Mai 2018 – 2 B 91/18 –, Juris Rn. 17).

11

Bereits diese Voraussetzung für die kommissarische Besetzung des Dienstpostens unter Anwendung der Figur das „Ausblendens“ liegt nicht vor.

12

Hierzu rügt die Beschwerde durchgreifend, dass mit dem pauschalen Vortrag des Antragsgegners, es sei bei Abwesenheit des Abteilungsleiters … erforderlich, auf eine Vertretung zurückgreifen zu können, nicht dargelegt sei, dass die kommissarische Besetzung zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist. Ein solches Erfordernis zieht der unwidersprochene Vortrag des Antragstellers, dass der streitgegenständliche Dienstposten bereits seit dem 1. August 2018 vakant gewesen sei, durchgreifend in Zweifel. Insoweit wäre es zudem ohne weiteres möglich gewesen, die Funktionsaufgaben der stellvertretenden Abteilungsleitung … für die Dauer des Verfahrens auf eine – nicht bzw. nicht mehr verfahrensbeteiligte – Referatsleitung der Abteilung zu übertragen, zumal der Antragsgegner selbst davon ausgeht, dass diese grds. ebenfalls für eine Wahrnehmung des Dienstpostens geeignet gewesen wären (vgl. Auswahlvermerk vom 26. März 2019, Beiakte E, Bl. 24).

13

Überdies begegnet die Anwendung der Figur des „Ausblendens“ in diesem Fall Bedenken, da weder der Antragsteller noch die Beigeladene die notwendige laufbahnrechtliche Erprobung (vgl. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Landesbeamtengesetz - LBG) aufweisen. Insoweit dürfte das Erfordernis einer Erprobung des Antragstellers auf dem höherwertigen Dienstposten zum Zwecke des Nachweises seiner praktischen Bewährung mit der Vorstellung unvereinbar sein, die Erprobung könne im Wege der fiktiven Fortschreibung der bisherigen dienstlichen Tätigkeit erlangt werden, etwa im Sinne eines Einblendens, während andererseits die Beigeladene sich durch die kommissarische Wahrnehmung des höherwertigen Dienstpostens tatsächlich erproben kann (vgl. von der Weiden, jurisPR-BVerwG 6/2018 Anm. 6).

14

Ob – wie der Antragsgegner meint – der Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LBG entgegensteht, dass die der Dienstpostenübertragung nachfolgende Verleihung des Statusamtes ein Amt mit leitender Funktion iSd. § 5 LBG betrifft, begegnet vorliegend Zweifeln. Das der Besoldungsgruppe B 2 zugeordnete Amt der Ministerialrätin/ des Ministerialrates als Vertreterin oder Vertreter einer Abteilungsleiterin oder eines Abteilungsleiters bei einer obersten Landesbehörde dürfte kein Amt mit leitender Funktion iSd. § 5 LBG darstellen. Die Legaldefinition des Amtes mit leitender Funktion in § 5 Abs. 2 LBG ermöglicht eine entsprechende Zuordnung nicht. Insbesondere allein der Umstand, dass es sich um ein Amt handelt, welches der Besoldungsordnung B angehört, reicht bereits dem Wortlaut der Norm nach für eine solche Annahme nicht aus. Andernfalls wäre die sprachliche Klarstellung „der Besoldungsgruppe B angehörende Ämter mit leitender Funktion“ obsolet. Überdies ist vorliegend zu berücksichtigen, dass das in Rede stehende Statusamt sich gerade nicht durch einen dauerhaften Anfall von Leitungsaufgaben iSd. § 5 LBG auszeichnet. Diese sind vielmehr lediglich im Vertretungsfalle wahrzunehmen.

15

Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Gesetzeshistorie als unergiebig dar. Zwar ist der Begründung zu § 20b LBG a.F. (vgl. LT-Drucks. 14/1055, S. 29 ff.), welcher die Übertragung von Ämtern mit leitender Funktion auf Zeit betraf, zu entnehmen, dass soweit die Ämter der Stellvertreterinnen und Stellvertreter der von Satz 1 erfassten Führungspositionen auf Zeit der Besoldungsordnung B angehörten, diese ebenfalls zunächst im Beamtenverhältnis auf Zeit zu übertragen seien. Einen Niederschlag hat dieser (damalige) gesetzgeberische Wille – nach Aufgabe des Instituts des Amtes mit leitender Funktion auf Zeit – im Wortlaut des § 5 LBG jedoch nicht gefunden. So stellt der Gesetzgeber zu dessen Anwendungsbereich im Rahmen der Gesetzesbegründung lediglich fest, dass Ämter mit leitender Funktion – wie nach geltendem Recht – die der Besoldungsordnung B angehörenden Ämter mit leitender Funktion sowie Ämter der Leiterinnen und Leiter von Behörden oder Teilen von Behörden, soweit nicht gesetzlich hiervon ausgenommen, sind (vgl. LT-Drucks. 16/2306, S. 142). In Ansehung der restriktiven Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Einschränkbarkeit des beamtenrechtlichen Lebenszeitprinzips (vgl. zur Verfassungswidrigkeit des Amtes mit leitender Funktion auf Zeit im rheinland-pfälzischen Landesrecht: BVerfG, Beschluss vom 28. Mai 2008 – 2 BvL 11/07 –) dürfte zur Ausdehnung des Anwendungsbereiches des § 5 LBG auf Ämter, welche lediglich im Vertretungsfalle leitende Funktionen iSd. § 5 Abs. 2 LBG wahrzunehmen haben, zudem zumindest eine ausdrückliche Normierung notwendig sein (vgl. etwa im niedersächsischen Landesrecht: § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c Niedersächsisches Beamtengesetz - NBG, der ausdrücklich die ständige Vertretung der Abteilungsleitung nennt).

16

Vor diesem Hintergrund spricht zwar Überwiegendes dafür, es kann aber zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass die Beigeladene – auch wenn dies vom Antragsgegner nicht beabsichtigt sein mag – durch kommissarische Wahrnehmung der Aufgaben des Dienstpostens mangels Anwendbarkeit des § 5 LBG die laufbahnrechtliche Bewährung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LBG erwirbt. Einer endgültigen Entscheidung zur Anwendbarkeit des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LBG auf die vorliegende Fallkonstellation bedarf es im Eilverfahren nicht, da – wie ausgeführt – bereits die fehlende Darstellung der Notwendigkeit der kommissarischen Aufgabenwahrnehmung zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Funktionierens der öffentlichen Verwaltung genügt, um den Anordnungsgrund zu bejahen. Aber auch unabhängig davon führt die Beschränkung der Figur des „Ausblendens“ auf Ausnahmefälle dazu, dass sie nur dann zulässig ist, wenn feststeht, dass der Rechtsschutzsuchende dadurch keinen Nachteil erleiden kann.

17

Da das Beschwerdevorbringen gegen die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts durchgreift, hat der Senat über das Antragsbegehren ohne weitere Beschränkungen nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Umfang des erstinstanzlichen Gerichts zu entscheiden (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2018 – 2 MB 12/18 –, Juris Rn. 15; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 19. Februar 2016
1 Bs 255/15 –, Juris Rn. 11).

18

Dem Antragsteller steht auch ein Anordnungsanspruch zu, weil die Auswahlentscheidung des Antragsgegners für die Vergabe des Dienstpostens den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt.

19

Die Auswahlentscheidung beruht auf einem fehlerhaften Leistungsvergleich. Nach Art. 33 Abs. 2 GG dürfen öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinne nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Dabei zielt die Befähigung auf allgemein der Tätigkeit zugutekommende Fähigkeiten wie Begabung, Allgemeinwissen, Lebenserfahrung und allgemeine Ausbildung. Fachliche Leistung bedeutet Fachwissen, Fachkönnen und Bewährung im Fach. Eignung im engeren Sinne erfasst insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind. Anderen Gesichtspunkten darf nur Bedeutung zugemessen werden, wenn ihnen ebenfalls Verfassungsrang eingeräumt ist bzw. erst dann, wenn sich aus dem Vergleich von unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten kein Vorsprung von Bewerbern ergibt. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte den Anforderungen seines Amts genügt und sich in einem höheren Amt voraussichtlich bewähren wird. Auswahlentscheidungen sind danach grundsätzlich anhand aktueller dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen, die auf das Statusamt bezogen sind und eine Aussage dazu treffen, ob und in welchem Maße der Beamte den Anforderungen seines Amts und dessen Laufbahn gewachsen ist und sich im nächsthöheren Amt voraussichtlich bewähren wird (stRspr., vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 20. September 2007 – 2 BvR 1972/07 –, Juris Rn. 8 und vom 9. August 2016 – 2 BvR 1287/16 –, Juris Rn. 75 m.w.N.; BVerwG, zuletzt Urteile vom 9. Mai 2019 – 2 C 1.18 –, Juris Rn. 32, vom 26. Januar 2012 – 2 A 7.09 –, Juris Rn. 176, vom 4. November 2010 – 2 C 16.09 –, Juris Rn. 46 und vom 30. Juni 2011 – 2 C 19.10 –, Juris Rn. 15 f.; Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 2 VR 1.16 –, Juris Rn. 23). Maßgeblich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, welches anhand einer Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte gebildet wurde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 2 BvR 1958/13 – Juris Rn. 58, Kammerbeschlüsse vom 14. Oktober 2012 – 2 BvR 1120/12 –, Juris Rn. 12 und vom 9. August 2016 – 2 BvR 1287/16 –, Juris Rn. 79). Hilfskriterien, zu denen auch das gewählte Auswahlgespräch zählt, sind jedoch nur heranzuziehen, wenn sich nach dem Leistungsvergleich kein Eignungsvorsprung eines Bewerbers feststellen lässt (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 27. April 2010 – 1 WB 39.09 –, Juris Rn. 39; Senatsbeschluss vom 27. Februar 2019 – 2 MB 22/18 –, Juris Rn. 21; Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss vom 16. Januar 1995 – 3 M 91/94 – Juris Rn. 11; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Mai 2004 – 1 B 300/04 –, Juris Rn. 9; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 5 ME 151/16 –, Juris Rn. 23 m.w.N.; zu anderen Hilfskriterien: BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2011 – 2 C 19.10 –, Juris Rn. 20).

20

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Auswahlentscheidung des Antragsgegners vom 26. März 2019 fehlerhaft, weil der Antragsgegner unzulässiger Weise (sogar maßgeblich) den Eindruck aus den Auswahlgesprächen als maßgebliches Kriterium für seine Auswahlentscheidung herangezogen hat. So würdigt der Auswahlvermerk des Antragsgegners vom 26. März 2019 (Beiakte E, Bl. 23 bis 26) zunächst unter 2. vorrangig die mit dem Antragsteller sowie der Beigeladenen geführten Auswahlgespräche und stellt unter 3. bereits ein Zwischenergebnis fest („In den Auswahlgesprächen hat Frau ... vor allem hinsichtlich ihres übergreifenden Wissens und ihrer Strukturiertheit überzeugen können. Sie hat sich dabei als besonders geeignet für die Wahrnehmung der stellvertretenden Abteilungsleitung präsentiert. Sie hat hier einen signifikanten Vorsprung gegenüber Herrn ...“), bevor ein Leistungsvergleich anhand der letzten dienstlichen Beurteilungen überhaupt vorgenommen wird. Insoweit handelt der Antragsgegner geradezu in Umkehr der vorgenannten Grundsätze, indem er nicht zunächst ermittelt, ob (unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Statusämter) von im wesentlichen gleichen Beurteilungen auszugehen ist, was erst Voraussetzung für die Berücksichtigung der geführten Auswahlgespräche gewesen wäre, sondern im Rahmen seiner Auswahlentscheidung vielmehr einen Vergleich der Beurteilungen im Lichte der geführten Auswahlgespräche vornimmt.

21

Darüber hinaus rügt der Antragsteller in diesem Zusammenhang zurecht, dass bereits aufgrund der letzten dienstlichen Beurteilungen im Rahmen des Leistungsvergleichs nicht von einem Gleichstand oder gar Vorsprung der Beigeladenen auszugehen ist. Sowohl der Antragsteller als auch die Beigeladene erhielten unter dem 31. August 2018 Regelbeurteilungen zum Stichtag 1. September 2018 für den Beurteilungszeitraum vom 1. September 2015 bis zum 31. August 2018. Beide Regelbeurteilungen schlossen in der Leistungsbewertung mit der Note „4“ („Die Anforderungen werden deutlich übertroffen“) ab. Der Antragsteller erzielte im Einzelnen einmal die Note „5“, achtmal die Note „4“ und sechsmal die Note „3“. Die Beigeladene erreichte dreimal die Note „5“ und zwölfmal die Note „4“. In der Befähigungsbewertung erreichte der Antragsteller zweimal den Ausprägungsgrad „A“ und sechsmal „B“. Die Beigeladene erreichte jeweils viermal die Ausprägungsgrade „A“ und „B“.

22

Nach ständiger Rechtsprechung ist – wenn sich Beurteilungen konkurrierender Bewerber auf unterschiedliche Statusämter beziehen – anzunehmen, dass bei formal gleicher Bewertung die Beurteilung eines Bewerbers im höheren Statusamt grundsätzlich besser ist, als diejenige des in einem niedrigeren Statusamt befindlichen Konkurrenten. Dem liegt die mit den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG zu vereinbarende Überlegung zugrunde, dass an den Inhaber eines höheren statusrechtlichen Amtes von vornherein höhere Erwartungen zu stellen sind als an den Inhaber eines niedrigeren statusrechtlichen Amtes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. September 2012 – 1 WB 44.11 –, Juris Rn. 38, m.w.N.). Dieser Grundsatz vom höheren Statusamt kann zwar nicht schematisch auf jeden Fall einer Beförderungskonkurrenz zwischen zwei Beamten oder Richtern unterschiedlicher Statusämter angewendet werden, sondern das zusätzlich zu berücksichtigende Gewicht der in einem höheren Statusamt erteilten Beurteilung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. Senatsbeschluss vom 29. September 2017 – 2 MB 3/17 –, Juris Rn. 15 m.w.N. zur stRspr. des BVerfG).

23

Soweit der Antragsgegner unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen dazu geltend macht, dem höheren Statusamt des Antragstellers sei im Verhältnis zur Beigeladenen im Rahmen des Leistungsvergleichs keine maßgebliche Bedeutung beizumessen, da sowohl der Antragsteller als auch die Beigeladene – wenn auch mit unterschiedlichen Statusämtern – eine Referatsleitung innehaben, ist zu berücksichtigen, dass sich die Beurteilung auf das innegehabte Statusamt zu beziehen hat und eine Aussage dazu zu treffen hat, ob und in welchem Maße der Beamte den Anforderungen seines Amts und dessen Laufbahn gewachsen ist. Der Dienstposten und die Erfüllung von dessen Anforderungen ist indes nicht Gegenstand der Beurteilung (vgl. BVerwG, Urteil vom 09. Mai 2019 – 2 C 1.18 –, Juris Rn. 32). Überdies setzt er sich mit dieser Argumentation auch in direkten Widerspruch zu seinen eigenen – im Auswahlvermerk vom 26. März 2019 (Beiakte E, Bl. 25 f.) – niedergelegten Erwägungen. So stellt der Antragsgegner selbst fest, dass – trotz gleicher Gesamtnote der Leistungsbeurteilungen (hier: „4“) – die Beurteilung des Antragstellers aufgrund des innegehabten (höheren) Statusamtes stärker zu gewichten sei. Legt der Antragsgegner insoweit selbst zugrunde, dass die Beurteilung des Antragstellers aufgrund seines Statusamtes anhand eines anderen Maßstabes erfolgte, als die der Beigeladenen und ihm insoweit der Vorrang einzuräumen sei, erweist sich die Auswahlentscheidung auch im Hinblick auf die nachfolgenden Erwägungen zum Vergleich der Befähigungsbewertung als fehlerhaft.

24

Enthält eine Beurteilung – wie hier – ein Leistungsgesamturteil und Aussagen zur Befähigung, ohne ein Gesamturteil, welches Eignung, Leistung und Befähigung umfasst, muss der Dienstherr zwar bei Beförderungen und Auswahlentscheidungen immer mindestens beide Elemente berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Juni 2018 – 2 MB 3/18 –, Juris Rn. 17, OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Februar 2009 – 1 Bs 208/08 –, Juris LS 2 und Rn. 3), wenn man nicht verlangte, dass er Beurteilungen erstellen lassen muss, die mit einem alle Elemente des Art. 33 Abs. 2 GG erfassenden Gesamturteil abschließen (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 - 2 C 12.14 -, Juris, Rn. 45).

25

Es wäre also seinerseits rechtsfehlerhaft der Befähigungsbewertung im Verhältnis zur Leistungsbeurteilung keinerlei Bedeutung beizumessen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass in der Befähigungsbewertung lediglich die im dienstlichen Umgang gezeigten Fähigkeiten und Kenntnisse differenziert bewertet werden, die für die dienstliche Verwendung und berufliche Entwicklung – im Sinne einer Potenzialeinschätzung (vgl. zur Potenzialeinschätzung BVerwG, Urteil vom 19. März 2015
– 2 C 12.14 –, Juris Rn. 42 ff.) – von Bedeutung sind (vgl. 4.6.1 der Vereinbarung mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften nach § 59 des Mitbestimmungsgesetzes Schleswig-Holstein über die Beurteilung der Beschäftigten des Landes Schleswig-Holstein vom 9. April 2009, Amtsbl. SH 2009, 482). Vor dem Hintergrund des sich aus der Leistungsbeurteilung ergebenden und auch seitens des Antragsgegners seiner Auswahlentscheidung zunächst zugrunde gelegten Beurteilungsvorsprungs des Antragstellers, ist die nach Auffassung des Antragsgegners bessere Befähigungsbewertung der Beigeladenen indes nicht geeignet, abschließend einen Beurteilungsvorsprung ihrerseits oder auch nur eine im Wesentlichen gleiche Beurteilungslage zum Antragsteller zu begründen. Denn den Befähigungsmerkmalen kommt bei einer Regelbeurteilung nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Bei ihnen handelt es sich handelt es lediglich um allgemein für die dienstliche Verwendung bedeutsame Eigenschaften eines Beamten (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Januar 2016 – 2 A 1.14 –, Juris Rn. 37 und vom 19. März 2015 – 2 C 12.14 –, Juris Rn. 41 ff.). Vor dem Hintergrund, dass sie nicht auf ein bestimmtes Amt und die hierfür bestehenden Anforderungen bezogen sind, ist ihnen für die anzustellende Prognose über die voraussichtliche Bewährung eines Bewerbers im angestrebten höheren Statusamt kein maßgebliches Gewicht beizumessen. Selbst wenn man dies jedoch wollte, könnte Bezugspunkt der Befähigungsbewertung der Beigeladenen aufgrund des Laufbahnprinzips allenfalls das nächsthöhere Statusamt (hier: das – vom Antragsteller bereits innegehabte – Statusamt des Ministerialrates) sein, sodass ein etwaiger Beurteilungsvorsprung der Beigeladenen auch vor diesem Hintergrund nicht geeignet sein kann, einen solchen des Antragstellers in Bezug auf die Leistungsbeurteilung auch nur auszugleichen.

26

Ohne dass es für die Entscheidung darauf ankommt, weist der Senat darauf hin, dass sich die Auswahlentscheidung auch insoweit als mangelbehaftet darstellen dürfte, als im Auswahlvermerk festgestellt wird, dass die Beigeladene bezogen auf die Anforderungen an die Stellvertretung der Abteilungsleitung der Allgemeinen Abteilung am besten für diese Funktion geeignet sei (Auswahlvermerk vom 26. März, Beiakte E, Bl. 26). Unklar bleibt insoweit bereits, welche Anforderungen dieser Feststellung zugrunde gelegt worden sind. Ein Anforderungsprofil ist dem Verwaltungsvorgang nicht zu entnehmen. Überdies wird damit auch zum Ausdruck gebracht, dass die Auswahlentscheidung ausschließlich anhand der Anforderungen des Dienstpostens erfolgte. Vor dem Hintergrund, dass Gegenstand des Verfahrens nicht eine bloße Dienstpostenkonkurrenz ist, sondern auch der Zugang zu einem neuen (statusrechtlich höheren) Amt, ist Bezugspunkt für den vorzunehmenden Eignungs-, Befähigungs- und Leistungsvergleich jedoch das konkret angestrebte Amt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2019 – 2 C 1.18 –, Juris Rn. 32; Beschlüsse vom 19. Dezember 2014 – 2 VR 1.14 –, Juris Rn. 25 und vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 –, Juris Rn. 28).

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

28

Der Wert des Streitgegenstandes beträgt gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 GKG ein Viertel der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge des angestrebten Amtes mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 29. Juli 2014 – 2 O 11/14 – m.w.N.).

29

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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