Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 NB 8/19

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 9. Kammer - vom 16. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin/der Antragsteller trägt die Kosten des jeweiligen Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf jeweils 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

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Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16. Mai 2019 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern und die von den Antragstellern begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen, mit der die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin – 1. klinisches Fachsemester – bei der Antragsgegnerin nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2019 begehrt wird.

2

Die Antragsteller haben mit ihrem Beschwerdevorbringen keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO); ihr Vorbringen bietet keinen Anlass zur Beanstandung der in dem angefochtenen Beschluss zu Grunde gelegten patientenbezogenen Aufnahmekapazität.

3

Als patientenbezogene jährliche Aufnahmekapazität für den Studienabschnitt zwischen dem Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nach § 1 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 der Approbationsordnung für Ärzte und dem Beginn des Praktischen Jahres nach § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 der Approbationsordnung für Ärzte sind 15,5 Prozent der Gesamtzahl der tagesbelegten Betten des Klinikums anzusetzen (§ 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Hochschulzulassungsverordnung – HZVO).Liegt die Zahl nach Nummer 1 niedriger als das Berechnungsergebnis des Abschnittes 2 unter Berücksichtigung der Überprüfung nach § 15 Absatz 2 Nummer 1 bis 3, 7 und 8, Absatz 3 Nummer 1 bis 3, erhöht sie sich je 1.000 Poliklinische Neuzugänge im Jahr um die Zahl Eins. Die Zahl nach Nummer 1 wird jedoch höchstens um 50 Prozent erhöht (§ 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HZVO).

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1. Die Antragsteller bringen vor, die Mitternachtszählung sei überholt. Die tagesbelegten Betten seien zu einem Tages-Zeitpunkt zu zählen. Der Rückgriff auf den „klassischen stationären Patienten“ (Übernachtungspatient) habe keinen Rückhalt in der Hochschulzulassungsverordnung. Ein Großteil der heutzutage (nach Diagnose) als „Tagespatient“ oder als „Kurzzeitpatient“ aufgenommenen Patienten sei früher (zum Zeitpunkt der Schaffung der Hochschulzulassungsverordnung) vollstationär aufgenommen worden. Da für die Frage der Ausbildungsgeeignetheit die Frage, ob der Patient in der Klinik übernachte, irrelevant sei, müssten alle Tagespatienten gezählt werden. Die Zahl der Tagespatienten habe sich in den letzten 10 bis 30 Jahren stetig erhöht, was sich aus den Statistiken des statistischen Bundesamtes zur Verweildauer ergebe. Ein großer (und immer größer werdender) Teil der (auch zur Ausbildung zur Verfügung stehenden Patienten) verlasse nunmehr die Klinik über Nacht. Es liege nicht im „Einschätzungsermessen des Normgebers“, in welchem Umfang er Folgerungen aus der Erhöhung der Zahl der Tagespatienten ziehe. Die Mitternachtszählung sei keine vom Normgeber vorgeschriebene Berechnungsmethode. § 18 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 HZVO spreche von „tagesbelegten Betten“ (und nicht von nächtlich belegten Betten). In der Vergangenheit sei es zwar zweckmäßig gewesen, die Zahl der tagesbelegten Betten zu einer bestimmten Uhrzeit (Mitternacht) zu ermitteln, zu der der Krankenhausbetrieb zu einem Großteil zum Erliegen komme und eine entsprechend beauftragte Krankenschwester die nötige Zeit gehabt habe, die Station abzugehen, um die belegten Betten zu zählen und in ein Patientenbuch einzutragen. Heute sei das (längst) nicht mehr Stand der Technik, die Belegungszahlen würden vollständig durch Datenbanksysteme erfasst. Die Zahl der tagesbelegten Betten und damit die Ausbildungskapazität erhöhte sich, wenn man eine zeitgemäße Zählung der Patienten zugrunde lege (z.B. um 12:00 Uhr mittags).

5

Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.

6

Das Verwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit der ständigen Senatsrechtsprechung (vgl. Beschl. v. 24.07.2017 – 3 NB 20/17 –; Beschl. v. 28.10.2016 – NB 5/16 u.a. –; Beschl. v. 15.09.2015 – 3 NB 52/15 u.a. –; Beschl. v. 29.09.2014 – 3 NB 87/14 u.a.–) entschieden, dass die Gesamtzahl tagesbelegter Betten aufgrund einer an die stationär aufgenommenen Patienten anknüpfenden Mitternachtszählung im Rahmen der Anwendung von § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZVO zu ermitteln ist und daher eine Einbeziehung der Tageskliniken nicht in Betracht kommt. Dabei geht die Zählweise von dem klassischen, stationär aufgenommenen Patienten aus, der sich über einen Zeitraum von mehreren Tagen ununterbrochen im Krankenhaus aufhält. Demzufolge ist die Anknüpfung an den sog. „Übernachtungspatienten“ sachgerecht. Zwar hat sich – dies ist den Antragstellern zuzugeben – in den vergangenen Jahren die Verweildauer im Krankenhaus verkürzt und die Anzahl der ambulant vorgenommenen Behandlungen zu Lasten der Bettenkapazität erhöht. Insoweit wäre es dann aber eine logische Folge, den Parameter von 15,5 v. H. in § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZVO zu Ungunsten der Studienbewerber zu reduzieren und nicht zu erhöhen. Denn es fehlen belastbare Erhebungen bzw. Kriterien dazu, dass und gegebenenfalls in welchem Umfang die ambulant versorgten Patienten zu Ausbildungszwecken überhaupt geeignet sind und hierfür zur Verfügung stehen.

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Die von den Antragstellern aufgezeigte grundlegende Änderung der Krankenhausbehandlung vermag es allein nicht zu rechtfertigen, im Wege einer gerichtlichen (Eil-)Entscheidung eine Erfassungsmethode vorzugeben, bei der diese neuen Behandlungsformen in die Berechnung der „tagesbelegten Betten“ mit einzubeziehen wären. Es ist dem Senat verwehrt, einzelne Parameter des § 18 Abs. 1 HZVO herauszugreifen und im Sinne der Antragsteller zu ändern, da es sich bei den in der Hochschulzulassungsverordnung enthaltenen Parametern um ein System von aufeinander abgestimmten, hochaggregierten Rechengrößen handelt, die ihrerseits eine Vielzahl von Einzeltatbeständen berücksichtigen. Zwar ist der Normgeber verpflichtet, von Annahmen auszugehen, die dem aktuellen Erkenntnis- und Erfahrungsstand entsprechen. Dabei ist indes zu gewärtigen, dass die Eingabegrößen, die den patientenbezogenen Engpass bestimmen, in ihrer Höhe nicht im naturwissenschaftlichen Sinne beweisbar sind. Das System der Kapazitätsermittlung soll die realen Gegebenheiten soweit wie möglich zutreffend abbilden. Damit kann indes keine Einzelfallgerechtigkeit einhergehen. Dafür wäre nämlich ein Verfahren erforderlich, das sich aufgrund einer nahezu unbeschränkten Anzahl von Eingabegrößen als intransparent und kaum noch handhabbar erweisen würde. Daher ist es dem Normgeber im Rahmen seines Ermessens vorbehalten, die der Norm zugrundeliegenden Annahmen und die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 20.12.2016 –2 NB 120/16 – Rn. 14; VGH München, Beschl. v. 26.07.2016 – 7 CE 16.10143 u. a. –, juris Rn. 10; Beschl. v. 28.07.2014 – 7 CE 14.10038 u.a. –, juris Rn. 15; OVG Münster, Beschl. v. 07.12.2015 – 13 C 18/15 -, juris Rn. 5 f.). Dass der Verordnungsgeber diesen Maßgaben nicht nachgekommen ist, ist noch nicht ersichtlich.

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2. Die Antragsteller meinen, es sei zwingend ein Schwundausgleichsfaktor in Ansatz zu bringen, der den (etwaigen) Schwund in den klinischen Fachsemestern (Fachsemester 5 bis 10) berücksichtige. Es werde bestritten, dass die Antragsgegnerin im klinischen Abschnitt des Medizinstudiums freiwerdende Studienplätze höherer Semester auffüllen müsse und so sämtliche freigewordene Studienplätze wiederbesetzt würden. Es sei (eher) unwahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin für alle Studienabbrecher in den höheren Fachsemestern überhaupt genügend Bewerbungen erhalte, um die freigewordenen Studienplätze aufzufüllen. Zum Auffüllen der Zulassungszahl im höheren klinischen Semester könnten nur die Ortswechsler herangezogen werden. Zwar führe ein Ortswechsel zu einer Hochschule immer zu einer erhöhten Belegungszahl der Hochschule, zu der gewechselt worden sei. Bei der ursprünglichen Hochschule ergebe sich dadurch jedoch ein Schwund. Da immer Studierende im klinischen Ausbildungsabschnitt das Studium aufgäben, liege über alle bundesdeutschen Hochschulen betrachtet eine negative Netto-Bilanz vor, d.h. grundsätzlich gebe es in Deutschland im klinischen Ausbildungsabschnitt einen Schwund.

9

Fehlgeleitet sei die Annahme des Verwaltungsgerichts, wonach die Einbeziehung eines Schwundausgleichsfaktors systemwidrig sei. Systemwidrig wäre der Ansatz eines Schwundausgleichsfaktors dann, wenn eine Erhöhung der Ausbildungskapazität im 1. Semester die dortige „Ausstattung“ (also genau auf dieses eine Semester) überbeanspruchen würde. In Bezug auf die zur Ausbildung zur Verfügung stehenden Patienten sei dies gerade nicht der Fall.

10

Die Studierenden aus allen sechs klinischen Fachsemestern würden an den zur Verfügung stehenden Patienten ausgebildet. Diese Zahl der für die Ausbildung zur Verfügung stehenden Patienten begrenze die Ausbildungskapazität im gesamten klinischen Studienabschnitt. Daher sei auch die vom Bundesverwaltungsgericht geforderte „Austauschbarkeit“ der Lehre gegeben. Nehme die Zahl der Studierenden in den höheren klinischen Semestern ab (Schwund), sinke auch die Nachfrage der Patienten. Einen „Flaschenhals“ für ein bestimmtes Fachsemester gebe es hier (im 1. klinischen Semester) nicht. Erfolge ein Schwund bei den Studierenden in den höheren klinischen Semestern, könne und müsse das mit einer höheren Anzahl an Studienplätzen im 1. klinischen Fachsemester ausgeglichen werden. Der generelle und pauschale Nichtansatz einer Schwundquote verstoße gegen § 17 HZVO.

11

Mit diesem Vorbringen dringen die Antragsteller nicht durch.

12

Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 24. Juli 2017 – 3 NB 20/17 – ausgeführt hat, regelt § 17 HZVO explizit, dass die Studienanfängerzahl zu erhöhen ist, wenn zu erwarten ist, dass wegen verringerter Lehrnachfrage die Zahl der Abgänge an Studierenden in höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge. Damit gilt die so definierte Schwundquote nur für die Studienanfängerzahl. Das vorstehende Verständnis ist in der Struktur der Hochschulzulassungsverordnung angelegt, wonach der Schwundausgleich (§ 15 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. § 17 HZVO) gerade nicht auf das nach § 18 HZVO engpassorientierte Ergebnis, sondern nur auf das nach den Vorschriften des Abschnittes II des Ersten Teils berechnete Ergebnis vorzunehmen ist (vgl. § 15 Abs. 1 HZVO). Mithin fehlt es an einer (verordnungs-)rechtlichen Grundlage für einen Schwundausgleich hinsichtlich der patientenbezogenen Kapazität.

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Ungeachtet dessen wäre die Implementierung eines derartigen Schwundausgleichs auch mit der Struktur des Schwundausgleichs nicht vereinbar (so auch zutreffend das Verwaltungsgericht, Beschlussabdruck Seite 11). Die Konzeption des Schwundausgleichs beruht nämlich darauf, dass auch Abweichungen von der prognostizierten Entwicklung durch einen geringeren Schwund im Bereich des Lehrpersonals „verkraftet“ werden können. Diese Unterstellung ist auf das „Flaschenhalsprinzip“, das sich in den das Höchstmaß an Einsatzfähigkeit der Sachausstattung verkörpernden Grenzwerten ausdrückt, nicht zu übertragen (BVerwG, Urt. v. 13.12.1984 – 7 C 3.83 u. a. –, juris Rn. 55). Der Ansatz einer personalbezogenen Schwundkorrektur beruht auf der Annahme, dass die wegen Studienabbruchs oder wegen eines Hochschulwechsels eingesparte Lehrkapazität in höheren Fachsemestern die Zulassung einer erhöhten Zahl von Studienanfängern ermöglicht, weil das in höheren Fachsemestern entlastete Lehrpersonal für Lehrveranstaltungen in niedrigeren Fachsemestern eingesetzt werden kann. Die Idee des Schwundausgleichs beruht also auf der Fiktion der Austauschbarkeit aller im Studienverlauf nachgefragten Lehre. Erst diese Fiktion ermöglicht es, in einen Rechenvorgang einzutreten, der angibt, wie viele Studierende mehr zugelassen sind, weil andere Studierende ihr Studium nicht beenden (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.11.1987 – 7 C 103.86 u.a. –, juris Rn. 12). Eine derartige Austauschbarkeit der Lehre scheidet indes aus strukturellen Gründen für die patientenbezogene Kapazität aus, da eine beliebige Umverteilung von Patienten in andere Fachsemester erkennbar nicht in Betracht kommt. Dementsprechend macht § 15 Abs. 3 Nr. 3 HZVO die Berücksichtigung des Schwundverhaltens von einer Entlastung des Lehrpersonals abhängig und knüpft damit lediglich an die personalbezogene Kapazität der Lehreinheit an (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 30.09.2008 – NC 9 S 2234/08 –, juris Rn. 7). Die auch mit Bezug auf die Ausführungen des VGH Mannheim angestellten Erwägungen des Verwaltungsgerichts – auch wenn es um jeweils andere Ressourcen in den Studiengängen Human- und Zahnmedizin geht – sind daher nicht zu beanstanden. Es erschließt sich auch nicht, warum die Anzahl der tagesbelegten Betten kein ebenso limitierender Faktor sein soll, wie dies bei den klinischen Behandlungseinheiten der Fall ist.

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Nach alledem war dem Antrag,

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der Antragsgegnerin aufzugeben, eine Schwundberechnung, basierend auf den Belegungszahlen der letzten Jahre, für den klinischen Ausbildungsabschnitt im Studiengang Medizin vorzulegen,

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nicht zu entsprechen.

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3. Die Antragsteller wenden ein, alle anderen Oberverwaltungsgerichte hätten inzwischen erkannt, dass spätestens ab dem Wintersemester 2018/2019 die Privatpatienten bei der Berechnung der klinischen Ausbildungskapazität zu berücksichtigen seien. Es gehe um die Durchsetzung der erschöpfenden Kapazitäten unter Berücksichtigung aller ausbildungsgeeigneter Patienten, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Kassenpatienten oder Privatpatienten handele. Alle diese Patienten stünden grundsätzlich für die Ausbildung der Studierenden zur Verfügung. Etwas anderes könne sich auch nicht aus privatrechtlichen Verträgen der medizinischen Hochschullehrer einerseits und des Universitätsklinikums andererseits ergeben. Wie der Krankenhausträger Leistungen der Medizinprofessoren abrechne bzw. welche (privaten) Rechte die Medizinprofessoren hinsichtlich ihrer Honorierung geltend machen könnten, sei kapazitätsrechtlich irrelevant.

18

Die Antragsgegnerin könne nicht beweisen, dass die Verträge zwischen Universitätsklinikum einerseits und den medizinischen Hochschullehrern andererseits (im Hinblick auf die Berücksichtigung von Privatpatienten) völlig anders seien als an allen anderen deutschen Hochschulkliniken. Es gebe keine gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Vorgaben des Landes Schleswig-Holstein, nach denen es gerechtfertigt sei, bei dem abstrakten Berechnungssystem der Hochzulassungsverordnung die Privatpatienten weiterhin nicht zu berücksichtigen.

19

Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.

20

Nach der (bisherigen) Rechtsprechung des Senats sind „Privatpatienten“ für die Kapazitätsberechnung nicht in die „Gesamtzahl der tagesbelegten Betten des Klinikums“ im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZVO einzubeziehen, weil „Privatpatienten“ nicht ärztliche Patienten des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein sind (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 24.07.2017 – 3 NB 20/17 –; Beschl. v. 28.10.2016 – 3 NB 5/16 u.a. –; Beschl. v. 15.09.2015 – 3 NB 32/15 u.a. –). An dieser Rechtsprechung hält der Senat verbunden mit der Klarstellung fest, dass nur die „Wahlleistungspatienten“ – nicht alle „Privatpatienten“ – bei der „Gesamtzahl der tagesbelegten Betten des Klinikums“ nicht zu berücksichtigen sind (der Begriff „Privatpatient“ ist in diesem Zusammenhang nicht hinreichend präzise). Denn wahlärztliche Leistungen sind nicht stets von den (individuell vereinbarten) Leistungen der Privaten Krankenversicherung (PKV) umfasst. Darüber hinaus können wahlärztliche Leistungen – worauf die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 11. Juni 2020 zutreffend hingewiesen hat – auch von gesetzlich Versicherten „gebucht“ werden.

21

Der Umstand, dass nur „Wahlleistungspatienten“ – nicht „Privatpatienten“ – in der „Gesamtzahl der tagesbelegten Betten des Klinikums“ (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZVO) keine Berücksichtigung finden, wirkt sich indes nicht zugunsten der Antragsteller aus. Denn die Antragsgegnerin hat im Schriftsatz vom 11. Juni 2020 ausgeführt, dass bei der bereits vorliegenden Kapazitätsberechnung (als Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 18. März 2019 im Verfahren 1. Instanz übersandt) nur „Wahlleistungspatienten“ bzw. die Position „Wahlarzt“ (daneben die Positionen „tagesklinische Belegung“ und „Neugeborene“) herausgerechnet worden seien. Die Antragsgegnerin war daher – im Hinblick auf den Hinweis des Berichterstatters vom 26. Mai 2020 – nicht gehalten, eine neue Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazitäten nach der Hochschulzulassungsverordnung für den Studiengang Humanmedizin (Berechnungszeitraum Wintersemester 2018/2019 und Sommersemester 2019) vorzulegen.

22

Der Rechtsprechung des Senats lag und liegt die tragende Erwägung zugrunde, dass die Nichtberücksichtigung von „Wahlleistungspatienten“ der in den Allgemeinen Vertragsbedingungen enthaltenen besonderen rechtlichen Konstruktion bei der Aufnahme von Patienten, die ärztliche Wahlleistungen für sich in Anspruch nehmen, entspricht. Insoweit wird ein ärztlicher Behandlungsvertrag nämlich nur zwischen dem jeweiligen „Wahlleistungspatienten“ und dem Wahlarzt abgeschlossen; eine vertragliche Beziehung zwischen dem Universitätsklinikum und dem Patienten hinsichtlich der Erbringung ärztlicher Leistungen entsteht nicht (vgl. Beschl. v. 24.07.2017 – 3 NB 20/17 –; Beschl. v. 14.09.2015 – 3 NB 4/15 u. a. –; Beschl. v. 15.09.2015 – 3 NB 52/15 u. a. –; Beschl. v. 29.09.2014 – 3 NB 87/14 u.a. –). Es liegt ein so genannter gespaltener Krankenhausvertrag vor, wonach der behandelnde Arzt durch den gesondert mit dem Patienten abzuschließenden Behandlungsvertrag über die Erbringung wahlärztlicher Leistungen insoweit alleiniger Vertragspartner des „Wahlleistungspatienten“ mit allen sich daraus ergebenden Rechten (Vergütungsanspruch) und Pflichten (persönliche Leistungserbringung, Haftung) wird. Dies ergibt sich aus § 6 Abs. 4, Abs. 5 der Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB). Im Übrigen sieht § 2 Abs. 2b) AVB ausdrücklich die Inanspruchnahme von persönlichen ärztlichen Leistungen durch zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen berechtigte Chefärztinnen/Chefärzte/leitende Ärztinnen/leitende Ärzte des UKSH vor und trägt damit der in Schleswig-Holstein herrschenden besonderen vertraglichen Ausgestaltung des wahlärztlichen Behandlungsvertrages (Stichwort: gespaltener Krankenhausvertrag) Rechnung. Während § 2 Abs. 1 AVB grundsätzlich den Umfang der vom UKSH zu erbringenden medizinischen Leistungen regelt, stellt sich § 2 Abs. 2b) AVB als für „Wahlleistungspatienten“ geltende spezielle Regelung dar. Dies kommt in dem Wortlaut „persönliche ärztliche Leistungen“ zum Ausdruck. Der „Wahlleistungspatient“ wird auch nicht für eine logische Sekunde Patient des Universitätsklinikums. Denn der Patient nimmt nicht für eine logische Sekunde ärztliche Leistungen und damit auch kein „tagesbelegtes Bett“ in Anspruch; er würde folglich auch für die Lehre nicht zur Verfügung stehen.

23

Dass die Chefärzte in allen Fällen ärztlicher Wahlleistung – sowohl Chefärzte mit klassischem Liquidationsrecht als auch Chefärzte mit Chefarztverträgen – zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet sind, der Vertrag über die wahlärztliche Behandlung ausschließlich zwischen Patient/in und dem Chefarzt/der Chefärztin zustande kommt und bei den „Wahlleistungspatienten“ in der Regel kein Unterricht am Krankenbett stattfindet, hat der auch Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein Prof. Dr med. J. S. in einer dienstlichen Erklärung vom 20. Juni 2016 bestätigt.

24

Die in den Allgemeinen Vertragsbedingungen der Antragsgegnerin enthaltene Möglichkeit, wahlärztliche Leistungen in Anspruch nehmen zu können mit der Folge, dass für die ärztliche Leistungserbringung ausschließlich der Wahlarzt zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet ist, hält sich im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben des § 17 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG). Der Bundesgerichtshof hat hierzu in seinem Urteil vom 24. Januar 2016 (– III ZR 107/15 –, juris Rn. 23 mwN) ausgeführt, dass sich beim gespaltenen Arzt-Krankenhaus-Vertrag der Vertrag mit dem Krankenhausträger auf die Unterbringung, Verpflegung und pflegerische Versorgung beschränke, während die ärztliche Versorgung nicht zu den Pflichten des Krankenhauses gehöre und die ärztlichen Leistungen nur auf Grund eines besonderen Behandlungsvertrags mit dem Arzt erbracht werden würden. Zu einem Abschluss eines derartigen Vertrages komme es dann, wenn der Krankenhausträger im Rahmen der Aufnahmeverträge mit den Patienten gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG vereinbare, dass nicht er, sondern allein die Wahlärzte die wahlärztlichen Leistungen erbrächten und gesondert berechneten. Auch hier trete nicht der einzelne Arzt, sondern der Krankenhausträger dem Patienten anlässlich dessen Aufnahme als Vertragspartner entgegen; dem Patienten werde „freie Arztwahl“ als Wahlleistung angeboten. Dementsprechend müsse die gesonderte Berechnung wahlärztlicher Leistungen mit dem Krankenhausträger vor deren Erbringung schriftlich vereinbart werden (§ 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KHEntgG). Daneben komme es zum Abschluss eines gesonderten Behandlungsvertrags zwischen dem Patienten und dem Wahlarzt, wobei es konstruktiv möglich sei, den gesonderten Behandlungsvertrag zwischen dem Patienten und dem Wahlarzt bereits – im Wege eines Vertretergeschäfts – zugleich Gegenstand der zwischen dem Krankenhausträger und dem Patienten abgeschlossenen Vereinbarung über die gesonderte Erbringung und Abrechnung wahlärztlicher Leistungen werden zu lassen.

25

Diese Praxis am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein zielt nicht darauf ab, die Ausbildungskapazität in dem bei der Antragsgegnerin angebotenen Studiengang Humanmedizin zu verknappen, sondern ist Ausdruck der dem Universitätsklinikum zustehenden Organisationshoheit. Dass die „Wahlleistungspatienten“ infolge der Nichtberücksichtigung in § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZVO („tagesbelegte Betten des Klinikums“) aus der Ausbildungskapazität herausfallen, stellt sich daher nicht als zielgerichteter Eingriff in das Grundrecht der Berufswahlfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) dar, sondern als (rechtliche) Folge der aufgezeigten Vertragskonstruktion am UKSH. Der eingetretenen Kapazitätsverminderung steht das Kapazitätserschöpfungsgebot nicht entgegen. Dieses beinhaltet weder einen Kapazitätserhaltungs- noch einen Kapazitätsbeschaffungsanspruch im Sinne einer Kapazitätserweiterung, sondern nur einen Anspruch auf Erschöpfung und Teilhabe des Bewerbers an der im Rahmen des Auftrags und des Selbstentscheidungsrechts der Hochschule zulässigerweise tatsächlich vorhandenen Ausbildungskapazität nach den Regelungen der Hochschulzulassungsverordnung (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 24.07.2017 – 3 NB 20/17 –; OVG Münster, Beschl. v. 22.02.2006 – 13 C 3/06 –, juris Rn. 5 f. mwN; BVerfG, Urt. v. 18.07.1972 – 1 BvL 32/70, 1 BvL 25/71 –, juris).

26

Die Rechtsprechung des Senats trägt den wiederholt dargestellten rechtlichen Besonderheiten am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Rechnung. Die an anderen Universitätskliniken herrschenden Verhältnisse sind nicht ohne weiteres mit den hier geltenden Verhältnissen vergleichbar. Auch nach der Rechtsprechung anderer Obergerichte sind Patienten bei der Ermittlung der patientenbezogenen Kapazität nicht einzubeziehen, wenn diese – wie auch die „Wahlleistungspatienten“ am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein – für die Ausbildung der Studierenden (Unterricht am Krankenbett) nicht zur Verfügung stehen.

27

So entspricht es der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass die Privatpatienten der seinerzeit im Rahmen einer dienstrechtlichen Nebentätigkeit liquidationsberechtigten Klinikärzte nicht Patienten der Universität, sondern Patienten des jeweiligen Arztes seien und deshalb für die Ausbildung der Studierenden (Unterricht am Krankenbett) von vornherein nicht zur Verfügung stünden mit der Folge, dass die betreffenden Patientenbetten insoweit nicht als tagesbelegte Betten im Sinne des Kapazitätsrechts anzusehen seien. An dieser Rechtsprechung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof trotz der hiergegen erhobenen Einwände unverändert festgehalten und bestätigt, dass die Privatpatienten der liquidationsberechtigten Klinikärzte, welche von jenen aufgrund eines gesonderten Behandlungsvertrages behandelt würden, seit jeher nicht der Ausbildung der Studierenden (Unterricht am Krankenbett) dienten und ihre Einbeziehung in die Berechnung der patientenbezogenen Kapazität vom Verordnungsgeber auch nicht gewollt gewesen sei. Erst mit dem „neuen Chefarztrecht“, wonach Privatpatienten nicht mehr Patienten des Chefarztes, sondern Patienten des Klinikums seien, würden die betreffenden Privatbetten folgerichtig von der Universität als tagesbelegte Betten des Klinikums angesehen und in die Kapazitätsberechnung einbezogen. Für die „Altfälle“ bleibe es jedoch bis zum Ausscheiden der Chefärzte, welche noch über einen Chefarztvertrag nach „Altrecht“ verfügten, unverändert dabei, dass deren Privatpatienten für den Unterricht am Krankenbett nicht zur Verfügung stünden und deshalb auch nicht in die Kapazitätsberechnung einzubeziehen seien (VGH München, Beschl. v. 27.09.2017 – 7 ZB 17.20000 –, juris Rn. 8).

28

Auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat an seiner Auffassung, dass Privatpatienten bei der Berechnung der patientenbezogenen Ausbildungskapazität „allesamt“ nicht mitgezählt werden, erst nicht mehr festgehalten, als eine veränderte Ausgestaltung der Dienstverhältnisse zwischen den Kliniken und den mit Leitungsaufgaben betrauten Professoren sowie veränderte Strukturen der Krankenhausorganisation es erforderlich gemacht habe, diesen neuen Gegebenheiten bei der Berechnung der patientenbezogenen Kapazität Rechnung zu tragen. Da der neu innerhalb der W-Besoldungsstruktur berufene Chefarzt, der die Wahlleistung für den Patienten erbringe, gegenüber dem Klinikum zur Behandlung von Privatpatienten vertraglich verpflichtet sei – die Behandlung von Privatpatienten gehöre zu seinen Pflichten im Hauptamt – seien die in dieser Konstellation von Privatpatienten belegten Betten zu den „tagesbelegten Betten eines Klinikums“ zu zählen. Deshalb könne bei diesem „neuen Chefarztrecht“ nicht mehr davon ausgegangen werden, dass Privatpatienten Patienten des Chefarztes und nicht des Klinikums seien. Die Ausgestaltung des Dienstverhältnisses zwischen Klinik und Professor habe Auswirkungen auf die Bestimmung der zur Ausbildung zur Verfügung stehenden patientenbezogenen Kapazität (VGH Kassel, Beschl. v. 29.03.2018 – 10 B 2502/17.FM.W7 –).

29

Nach dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen seien die Privatbetten einzelner Chefärzte bzw. Klinikdirektoren dann nicht in die Berechnung der tagesbelegten Betten einzubeziehen, wenn diese über Verträge verfügten, die ihnen nach „altem Chefarztrecht" aufgrund landesrechtlicher Vorschriften das Recht einräumten, Privatpatienten im Rahmen einer Nebentätigkeit stationär zu behandeln und die daraus resultierenden Forderungen selbst zu liquidieren (sog. Altvertragler). Deren Patienten seien nicht als Patienten des Universitätsklinikums anzusehen, weil die Behandlung für die Lehrpersonen (nur) eine entgeltliche Nebentätigkeit unter Benutzung der Einrichtung des Klinikums darstelle. Hinsichtlich der Privatpatienten von Chefärzten, die über Verträge nach „neuem Chefarztrecht“ verfügten (sog. Neuvertragler), sei hingegen eine Einbeziehung vorzunehmen (OVG Münster, Beschl. v. 05.06.2019 – 13 C 3/19 –, juris Rn. 15 bis 17, Beschl. v. 07.05.2018 – 13 C 20/18 –, juris Rn. 20 bis 22).

30

Am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein liegt indes nach wie vor eine hiervon abweichende rechtliche (und tatsächliche) Lage vor. Denn die Vertragsausgestaltung zwischen Chefarzt und „Wahlleistungspatient“ besteht rechtlich unabhängig davon, wer intern liquidationsberechtigt für die ärztliche Leistung ist.

31

Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Auffassung, dass Privatpatienten bei der Kapazitätsberechnung zu berücksichtigen seien (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 23.01.2017 – 3 NC 27/16 –, juris Rn. 19; Beschl. v. 30.07.2014 – 3 Nc 10/14 –, juris) in seinem Beschluss vom 30. Juli 2014 (vgl. a.a.O., Rn. 13) ausgeführt:

32

„Für die Behandlung als Privatpatient muss ein entsprechender Vertrag mit der Klinik geschlossen werden, durch den der Privatpatient Patient des Klinikums wird. Anhaltspunkte, dass rechtlich gleichwohl die mit Privatpatienten belegten Betten entgegen den tatsächlichen und vertraglichen Verhältnissen nicht als Patienten des Klinikums angesehen werden müssten, sind nicht ersichtlich“.

33

Die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hebt ebenfalls darauf ab, dass es darauf ankommt, dass die Patienten grundsätzlich für die Ausbildung zur Verfügung stehen. In Anbetracht des Umstandes, dass die ärztliche Betreuung der Privatpatienten jedenfalls zunehmend zu den Vertragspflichten des jeweiligen Universitätsprofessors gehöre, hätten sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert, so dass ab dem Wintersemester 2014/15 unter der „Gesamtzahl der tagesbelegten Betten des Klinikums“ auch diejenigen Betten zu verstehen seien, die mit Privatpatienten belegt seien (OVG Lüneburg, Beschl. v. 09.09.2015 – 2 NB 368/14 –, juris Rn. 35 ff.).

34

Am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein haben sich hingegen die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht geändert; die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses als sogenannter gespaltener Krankenhausvertrag hat zur Folge, dass die „Wahlleistungspatienten“ nicht solche des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein werden und infolgedessen nicht zur Bestimmung der „Gesamtzahl der tagesbelegten Betten des Klinikums“ im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZVO herangezogen werden können.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

36

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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