Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 MB 13/20

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 12. Kammer – vom 26. März 2020 geändert:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 1. Januar 2020 vorläufig Sonderurlaub unter Wegfall der Bezüge bis zum rechtskräftigen Abschluss des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gegen die … GmbH (…-GmbH) – jetzt: … GmbH – und im Falle des Obsiegens bis zum Abschluss des beamtenrechtlichen Hauptsacheverfahrens zu gewähren.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. März 2020 ist begründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), stellen den angefochtenen Beschluss infrage.

2

Der Antragsteller steht im Dienst der Antragsgegnerin und ist seit dem Jahre 2001, zuletzt befristet bis zum 31. Dezember 2019, beurlaubt. Seit dem Jahre 2005 ist er bei der … GmbH (… GmbH) – jetzt: … GmbH – als „Manager Produktionsinnovation“ in … angestellt. Das Verwaltungsgericht hat seinen Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm weiterhin Sonderurlaub (ab dem 1. Januar 2020) zur Weiterführung einer Tätigkeit bei der … GmbH bis zum Abschluss des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gegen die … GmbH – jetzt: … GmbH – und im Falle des Obsiegens bis zum Abschluss des beamtenrechtlichen Hauptsacheverfahrens zu gewähren, abgelehnt.

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Zur Begründung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch – hier: auf (Weiter)Gewährung von Sonderurlaub nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost - Postpersonalrechtsgesetz, PostPersRG – nicht glaubhaft gemacht. Das dafür nach § 4 Abs. 2 Satz 2 PostPersRG erforderliche dienstliche Interesse liege nicht vor, weil der Arbeitsplatz des Antragstellers bei der … GmbH zum 1. Januar 2020 weggefallen sei und dort keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten bestünden (Beschlussabdruck Seite 5). Daran ändere auch seine erfolgreiche Kündigungsschutzklage und die in diesem Zusammenhang erfolgte Beauftragung des Antragstellers mit einem Projekt bei der … GmbH nichts. Denn mit Verweis auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Kassel vom 12. Mai 2015 (1 B 416/15, juris, Rn. 3) könnten andere Arbeitsverhältnisse nur ausgeübt werden, wenn die beamtenrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Urlaub vorlägen. Insoweit habe das Arbeitsrecht dem Beamtenrecht zu folgen. Auch ergebe sich unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung (Art. 3 Abs. 1 GG), weil der Antragsteller seit dem Jahre 2001 bis zum 31. Dezember 2019 beurlaubt war, kein Anspruch auf weitere Gewährung von Urlaub. Zum einen mache die Befristung die erneute Ermessenausübung nach deren Ablauf deutlich. Zum anderen laufe die Verlängerungspraxis unter Hinweis auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 19. Oktober 2015 (1 A 178/14, juris Rn. 13 ff.) mit zunehmender Dauer der Gesamtbeurlaubungszeit dem grundsätzlich auch für die Beamten bei den Nachfolgeunternehmen der ehemaligen Deutschen Bundespost geltenden Lebenszeitprinzip als tragendem Strukturprinzip des Beamtenrechts immer stärker zuwider (Beschlussabdruck Seite 5 bis 6).

4

Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

5

Der Antragsteller hat sowohl den für eine Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO (es handelt sich um ein Verpflichtungsbegehren) erforderlichen Anordnungsanspruch (1) als auch den dazu ebenfalls notwendigen Anordnungsgrund (2) glaubhaft gemacht.

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1. Der Antragsteller hat nach summarischer Prüfung höchstwahrscheinlich ab dem 1. Januar 2020 einen Anspruch auf (Weiter-)Gewährung von befristetem Sonderurlaub – unter Wegfall der Besoldung – zur Fortsetzung seiner privatwirtschaftlichen Beschäftigung bei der … GmbH – einem Tochterunternehmen der Beklagten – nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost – Postpersonalrechtsgesetz, PostPersRG – in der Fassung vom 27. Juni 2017 (BGBl. I S. 1944). Nach dieser Vorschriftkann Beamten, die bei einem Postnachfolgeunternehmen beschäftigt sind, auf Antrag Sonderurlaub unter Wegfall der Besoldung zur Wahrnehmung einer beruflichen Tätigkeit bei einem Postnachfolgeunternehmen oder bei einem Unternehmen nach Absatz 4 Satz 2 gewährt werden. Die … GmbH bzw. ihre Rechtsnachfolgerin, die … GmbH, ist ein Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG (vgl. dazu auch: VGH München, Beschluss vom 23. März 2017 – 6 B 16.1627 – juris Rn. 16).

7

Die Beurlaubung dient in diesem Fall dienstlichen Interessen (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 PostPersRG). Sie werden gleichsam gesetzlich fingiert. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Antragsteller und der … GmbH bzw. ihrer Rechtsnachfolgerin, der … GmbH, besteht weiterhin fort. Es ist durch die außerordentliche Kündigung zum 31. Dezember 2019, hilfsweise durch die ordentliche Kündigung zum 31. Juli 2020 der … GmbH nicht aufgelöst worden. Das Arbeitsgericht … hat die außerordentliche bzw. ordentliche Kündigung auf die Kündigungsschutzklage (vgl. § 4 Satz 1 KSchG) für unwirksam erklärt. Damit hat der Antragsteller auch grundsätzlich einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung und zwar entweder weil er in erster Instanz mit seiner Kündigungsschutzklage obsiegt hat (vgl. dazu BAG, Großer Senat, Beschluss vom 27. Februar 1985 – GS 1/84 –, juris, Leitsätze: zur Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses außerhalb der Regelung der § 102 Abs. 5 BetrVG, § 79 BPersVG – hier: nach einem die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendem Urteil) oder weil das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes unter den Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG – der Betriebsrat hat den Kündigungen widersprochen (vgl. Schreiben der … GmbH an den Antragsteller vom 10. Dezember 2018, Bl. 30 f. d. A.) – fortbesteht (vgl. dazu BAG, Urteil vom 17. Juni 1999 – 2 AZR 608/99 –, juris, Rn. 20, 22 zum Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG bei erhobener Kündigungsschutzklage). Damit ist es auf Tatbestandsseite auch grundsätzlich unerheblich – was hier aber gerade Gegenstand des Kündigungsprozesses ist –, dass die … GmbH, wie die Beklagte behauptet, den Antragsteller nicht weiterbeschäftigen kann, bzw. dass der Arbeitsplatz des Antragstellers weggefallen sein soll. Dies lässt bei fortbestehenden Arbeitsverhältnis und damit einhergehendem Anspruch auf Weiterbeschäftigung das dienstliche Interesse iSd. § 4 Abs. 2 Satz 2 PostPersRG nicht entfallen.

8

Insoweit ist das Verwaltungsgericht zwar zutreffend davon ausgegangen, dass das Arbeitsrecht dem Beamtenrecht zu folgen hat; dies lässt aber nicht den Anspruch auf weitere Beurlaubung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PostPersRG entfallen und nimmt nicht hinreichend die gesetzgeberische Intension nach der Einführung des § 4 Abs. 2 PostPersRG durch Art. 1 Nr. 6 lit. a des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Personalrechts der Beamtinnen und Beamten der früheren Deutschen Bundespost vom 28. Mai 2015 in den Blick. Danach ist das dienstliche Interesse an einer Beurlaubung immer dann anzunehmen, wenn es der Wahrnehmung einer beruflichen Tätigkeit bei Tochter- und Enkelunternehmen der Postnachfolgeunternehmen dient. Damit sollten die bestehenden gesetzlichen Vorschriften zur Beurlaubung im dienstlichen Interesse entbürokratisiert und flexibilisiert werden und die Beurlaubung künftig generell in allen diesen Fällen anerkannt werden (vgl. dazu BT-Drs 18/3512, Seite 25). Die Vorgängervorschrift (§ 4 Abs. 3 PostPersRG) regelte nur die ruhegehaltsfähige Beurlaubung von Beamtinnen und Beamten der Postnachfolgeunternehmen zur Wahrnehmung einer Tätigkeit bei ihrer Aktiengesellschaft (sogenannte „In-sich-Beurlaubung“) und nur für diesen Fall ist das dienstliche Interesse daran fingiert worden. Deshalb richteten sich Beurlaubungen zur Wahrnehmung einer Tätigkeit bei einem Tochter- und Enkelunternehmen eines Postnachfolgeunternehmens weiterhin nach der Sonderurlaubsverordnung (§ 13 SUrlV a. F., jetzt § 3 iVm § 22 SUrlV) mit der Notwendigkeit, dass das dienstliche Interesse in jedem Einzelfall anerkannt werden musste (vgl. dazu BT-Drs 18/3512, Seite 28). Denn eine Beurlaubung nach § 3 iVm § 22 SUrlV kann nur bewilligt werden, wenn dienstliche Interessen nicht entgegenstehen und ein wichtiger Grund dafür vorliegt.

9

Vor diesem Hintergrund geben auch die Ausführungen des 1. Senats des Verwaltungsgerichtshofes Kassel in dem vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Beschluss vom 12. Mai 2015 (1 B 416/15, juris, Rn. 3) für den vorliegenden Fall nichts her. Zwar hat der dortige Antragsteller ebenfalls die weitere Gewährung von Sonderurlaub zur Fortführung seiner Tätigkeit bei der … GmbH – wie hier auch – beantragt, aber nicht auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PostPersRG, der noch nicht galt, sondern nach § 13 SUrlV a. F. Unabhängig davon, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Antragsteller und der … GmbH hier – anders als das in der in Bezug genommenen Entscheidung – nicht beendet ist, ist der für eine Bewilligung nach dieser Vorschrift (§ 13 SUrlV a.F; jetzt § 22 iVm § 3 SUrlV) erforderliche wichtige Grund nicht Tatbestandsvoraussetzung des § 4 Abs. 2 PostPersRG.

10

Das von der Norm eröffnete Ermessen, das die Antragsgegnerin noch gar nicht ausgeübt hat, weil sie den Tatbestand schon nicht als erfüllt angesehen hat (vgl. den ablehnenden Bescheid vom 28. November 2019, Bl. 26 d. A.), ist bei summarischer Prüfung höchstwahrscheinlich auf Null reduziert. Das Arbeitsverhältnis besteht weiterhin fort und die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller auch keine konkrete amtsangemessene Beschäftigung außerhalb der … GmbH bzw. deren Rechtsnachfolgerin in Aussicht gestellt, geschweige denn zugewiesen.

11

Entgegen den Ausführungen der Antragsgegnerin war bei der Ausübung des von der Norm eröffneten Ermessens etwa aus Fürsorgesichtspunkten nicht einzustellen, dass der Antragsteller bei der … GmbH nicht hätte weiterbeschäftigt werden können. Denn dies ist nicht der Fall. Dagegen sprechen schon die in erster Instanz erfolgreiche Kündigungsschutzklage, mit der der Antragsteller erreicht hat, dass die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen für unwirksam erklärt worden ist, sowie der Umstand, dass der Antragsteller bei der … GmbH weiterbeschäftigt wird. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller (als Beamten) mit Wirkung vom 1. März 2020 bis zum 31. August 2020 (vgl. die Zuweisungen vom 30. März 2020 und 3. April 2020, Bl. 71 bis 75 d. A) nicht etwa eine amtsangemessene Beschäftigung im Postnachfolgeunternehmen, sondern in diesem Tochterunternehmen zugewiesen. Eine konkrete amtsangemessene Beschäftigung außerhalb dieser GmbH und außerhalb dieses Zeitraums hat sie dem Antragsteller hingegen noch nicht einmal in Aussicht gestellt. Die Antragsgegnerin hat dazu lediglich behauptet, dass sie den Antragsteller auch über den Monat August 2020 hinaus beschäftigen wird. Soweit die Antragsgegnerin einwendet, die Zuweisung sei befristet und diene der Abwendung arbeitsrechtlicher Nachteile für das Tochterunternehmen und um auf den Schwebezustand – die … GmbH hat das erstinstanzliche Urteil angefochten – arbeitsrechtlich und (flankierend dienstrechtlich) Rücksicht zu nehmen, erstaunt dies, wenn sie gleichzeitig suggeriert, keinen Einfluss auf das Unternehmen zu haben. Im Übrigen belegt diese Vorgehensweise, dass der Arbeitsplatz – wovon das Arbeitsgericht offenbar ausgeht –, immer noch vorhanden ist und nicht etwa, wie behauptet, durch (arbeitsgerichtsfeste) Umstrukturierungen beseitigt worden ist.

12

Zwar mag ein fortbestehendes Arbeitsverhältnis mit zunehmender Dauer der Gesamtbeurlaubungszeit – wie hier: – der Antragsteller ist seit dem Jahre 2001 beurlaubt –, dem auch für die Beamtinnen und Beamten der früheren Deutschen Bundespost grundsätzlich geltenden Lebenszeitprinzip als tragendem Strukturprinzip des Beamtenrechts immer stärker zuwiderlaufen und eine Reduzierung des Ermessens auf Null im Grundsatz nicht begründen (vgl. dazu den vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 19. Oktober 2015 – 1 A 178/14 –, juris, Rn. 13 ff.). Dabei sind, wie in dem zitierten Beschluss ebenfalls ausgeführt wird, aber etwaige gesetzliche Sondervorschriften zu beachten. Insoweit ergibt sich hier – anders als in dem der zitierten Entscheidung zugrundeliegenden Fall – aus den Vorschriften des Postpersonalrechtsgesetzes Gegenteiliges. Die Regelung des § 4 Abs. 3 PostPersRG in der Fassung vom 21. November 2011, die dem in Bezug genommenen Fall zugrunde liegt und nach welcher die sogenannten „In-sich-Beurlaubungen“ mit Verlängerungsmöglichkeit auf höchstens 10 Jahre beschränkt waren, ist mit Ablauf des 5. Juni 2015 außer Kraft getreten und mit Wirkung zum 6. Juni 2015 durch Art. 1 Nr. 6 lit. a des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Personalrechts der Beamtinnen und Beamten der früheren Deutschen Bundespost vom 28. Mai 2015 und seither unverändert als § 4 Abs. 2 PostPersRG neu gefasst worden. Die neue Fassung enthält diese Beschränkung nicht mehr und betrifft auch nicht nur die sog. „In-sich-Beurlaubungen“. Der Gesetzgeber wollte das dienstrechtliche Instrumentarium gerade auch für den Fall entbürokratisieren und flexibilisieren, dass in dem Postnachfolgeunternehmen – hier die Deutsche Telekom AG – keine dem Amt des Beamten angemessene Verwendung möglich ist (vgl. dazu bereits die obigen Ausführungen zum Tatbestandsmerkmal; BT-Drs 18/3512, Seite 25). Vorläufig muss der Senat davon ausgehen, dass für den Antragsteller die Möglichkeit einer anderweitigen amtsangemessenen Beschäftigung derzeit außerhalb der … GmbH nicht besteht. Die Antragsgegnerin hat dazu bisher lediglich ganz allgemein behauptet, dass sie den Antragsteller auch nach dem Monat August 2020 beschäftigen wird.

13

Klarstellend sei noch angemerkt, dass die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidungen lediglich bedingt auf den vorliegenden Fall übertragbar sind, weil sie Beurlaubungen nach § 13 SUrlV a. F. (jetzt: § 3 iVm § 22 SUrlV) und nicht – wie hier – nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PostPersRG betreffen. Diese sind freilich zwar neben einer Beurlaubung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PostPersRG möglich (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 8 PostPersRG; BT-Drs 18/3512, Seite 28), setzten aber zusätzlich das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ voraus.

14

2. Der Antragsteller hat auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, was das Verwaltungsgericht offen gelassen hat (Beschlussabdruck Seite 7), einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs.2, § 294 ZPO).

15

Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass ihm unzumutbare und irreversible Nachteile drohen, wenn er nicht (sofort) vorläufig bei Obsiegen im arbeitsrechtlichen Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache beurlaubt wird. Das Rechtsschutzbedürfnis für den Arbeitsprozess dürfte nachträglich entfallen, wenn der Antragsteller nunmehr zwar in gleicher Funktion, aber eben nicht als Arbeitnehmer bei der … GmbH (weiter-) beschäftigt ist, sondern aufgrund einer Zuweisung der Antragsgegnerin als Beamter Dienst versieht. Er wäre dann nicht mehr in der Lage, seine Arbeitskraft als Arbeitnehmer anzubieten. Darauf, dass der Antragsteller erklärt, dass er die Zuweisung als Beamter erfüllt, besteht die Antragsgegnerin aber, indem sie ihn für den Fall, dass er beabsichtigt, die Tätigkeit stattdessen allein in der Eigenschaft als Arbeitnehmer in Erfüllung eines Arbeitsverhältnisses auszuüben, aufgefordert hat, die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zu beantragen. Zugleich hat sie ihm angedroht, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu prüfen (vgl. Schreiben der Antragsgegnerin vom 30. April 2020, Bl. 115 f. d. A.).

16

Dabei übersieht der Senat nicht, dass ein Beamter zuvörderst dem Dienstherrn verpflichtet ist, andere Arbeitsverhältnisse nur nachrangig ausüben kann und, wenn er dies anders gestalten will, es ihm freisteht, auf seinen Beamtenstatus zu verzichten – sein Grundrecht aus Art. 12 GG ist dadurch nicht verletzt – (vgl. dazu auch: OVG Münster, Beschluss vom 12. März 2013 – 1 B 28/13 –, juris, Rn. 15 f. mit Verweis auf OVG Koblenz, Beschluss vom 5. Mai 2008 – 10 B 10156/08 – juris, Rn. 8; VGH Kassel, aaO, juris, Rn. 3). Hier ist das dienstliche Interesse an der Bewilligung von Sonderurlaub aber höchstwahrscheinlich gegeben, nachdem der Antragsteller im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht, bei dem die von der Antragsgegnerin behaupteten Umstrukturierungsmaßnahmen und der damit verbundene Wegfall des Arbeitsplatzes Gegenstand waren, obsiegt hat. Vor diesem Hintergrund ist es gänzlich unverständlich, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller nicht vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens, dass ihr Tochterunternehmen in 2. Instanz weiter betreibt, Sonderurlaub zur Weiterführung seiner privatrechtlichen Beschäftigung in diesem Tochterunternehmen bewilligt. Gewichtige Gründe, die einer vorläufigen Weiterbeschäftigung ausnahmsweise entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere wäre der Antragssteller in dem Fall, dass er in der Hauptsache unterliegt, auch nicht unentschuldigt mit den daraus folgenden disziplinarrechtlichen Sanktionen dem Dienst ferngeblieben – wovon die Antragsgegnerin auszugehen scheint. Von ihm in einer solchen Situation im Gegenteil zu verlangen, dass er seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis beantragen soll, soweit er weiterhin bei ihrem Tochterunternehmen aufgrund eines privaten Anstellungsvertrages tätig sein will, ist rechtsmissbräuchlich.

17

Vor diesem Hintergrund war ihm daher vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren, da andernfalls in doppelter Hinsicht eine Rechtsschutzlücke entstünde: Er verlöre den Rechtsschutz vor den Arbeitsgerichten und den Verwaltungsgerichten. In diesem Fall gebietet es das verfassungsrechtliche Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG – unabhängig davon, ob mit dem Erlass der einstweiligen Anordnung überhaupt eine Vorwegnahme der Hauptsache verbunden wäre und unabhängig davon, ob ein Vorwegnahmeverbot im Eilverfahren überhaupt existiert (vgl. zum Streitstand: Adelheid Puttler in: Sodan/Ziekow, a. a. O., § 123, Rn. 11, 102 ff. mwN. aus der Rspr. und Lit.) – auch die Hauptsache vorwegzunehmen.

18

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

19

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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