Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 O 13/21
Tenor
Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16. März 2021 (8 D 2/21) ist rechtskräftig.
Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
- 1
Die Beteiligten haben über die vom Verwaltungsgericht erlassene Androhung eines Zwangsgeldes gegenüber der Vollstreckungsschuldnerin gestritten. Die Androhung sollte der Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil dienen (VG Schleswig, Urt. v. 20.04.2018 - 6 A 48/16 -, juris), mit welchem die Vollstreckungsschuldnerin verpflichtet worden war, dem Vollstreckungsgläubiger Akteneinsicht in den beim Kraftfahrt-Bundesamt geführten Schriftverkehr betreffend der am 15. Oktober 2015 erfolgten Anordnung zum Rückruf von VW-Dieselfahrzeugmodellen inklusive des dazu geführten Verwaltungsvorganges und der als Beiakte „B“ geführten Akte zu gewähren. Bevor der Senat über die Beschwerde der Beigeladenen oder auch nur über die zugleich beantragte Aussetzung der Vollziehung entscheiden konnte, hat sich das Beschwerdeverfahren durch faktische Zugänglichmachung der noch ausstehenden Aktenbestandteile der Beiakte „B“ erledigt, so dass das Beschwerdeverfahren entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen ist.
- 2
Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Es erscheint hier billig, die Kosten des Rechtsstreits der Beschwerde führenden Beigeladenen aufzuerlegen, da sie mit ihrer Beschwerde aller Voraussicht nach nicht durchgedrungen wäre. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen des § 172 Satz 1 VwGO vorgelegen haben. Das Kraftfahrt-Bundesamt war der ihm vom Gericht auferlegten Verpflichtung bis dahin nicht vollständig nachgekommen, insoweit lag eine grundlose Säumnis vor. Insbesondere war die Entscheidung des Kraftfahrt-Bundesamtes, dem Urteil Folge zu leisten und der Vollstreckungsgläubigerin nunmehr vollständige Akteneinsicht zu gewähren, nicht suspendiert.
- 3
1. Ein durch Widerspruch und Anfechtungsklage angreifbarer und suspendierbarer Verwaltungsakt lag entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht vor.
- 4
Richtig ist, dass es nach Erlass eines zur Informationsgewährung verpflichtenden Urteils zunächst eines behördlichen Zwischenschrittes in Form eines Verwaltungsaktes bedarf, bevor es zur eigentlichen Akteneinsicht kommt. Obwohl sich weder im UIG noch im IFG verfahrensrechtliche Regelungen über stattgebende Entscheidungen zu Informationsbegehren finden, ist anerkannt, dass diese in Form eines begünstigenden Verwaltungsaktes ergehen (vgl. nur Reidt/Schiller in: Landmann/Rohmer UmweltR, 93. EL August 2020, UIG § 6 Rn. 8; bei Beteiligung Dritter: § 6 Rn. 18) und Informationsbegehren deshalb im Wege der Verpflichtungsklage zu erstreiten sind. Den begehrten Verwaltungsakt kann das Gericht nicht selbst erlassen, sondern muss dies der Behörde aufgeben (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 21.01.2021 - 4 LB 3/19 -, juris Rn. 64 m.w.N. zum IZG des Landes). Erst der zu erlassende Verwaltungsakt ist die Grundlage für die Einsichtsgewährung (vgl. Schoch, IFG des Bundes, 2. Aufl. 2016, § 7 Rn. 73). Die Pflicht zum Erlass des begünstigenden Verwaltungsaktes gilt auch dann, wenn das Urteil wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt haben sollte (Wolff in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 442 m.w.N.).
- 5
Hiervon ausgehend war die Verpflichtung aus dem Urteil vom 20. April 2018 durch das von der Beschwerdeführerin angeführte „Offenlegungsschreiben“ vom 2. Dezember 2020 noch nicht erfüllt und die dagegen erhobene Anfechtungsklage der Beschwerdeführerin (8 A 9/21) schon kein statthaftes Rechtsmittel. Denn das „Offenlegungsschreiben“ stellt sich nach Inhalt und Form nicht als Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 VwVfG dar. Das Kraftfahrt-Bundesamt informierte die beigeladene Beschwerdeführerin lediglich darüber, dass sie die streitgegenständlichen Unterlagen gemäß dem Tenor des Urteils nunmehr vollständig herausgeben werde, traf aber keine eigenständige Einzelfallregelung. Im Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2020 wird das Schreiben ebenfalls nur als „Informationsschreiben“ bezeichnet. Es sei kein Verwaltungsakt ergangen, sondern lediglich die Absicht der Vornahme eines Realhandelns angekündigt worden.
- 6
Wenn das Kraftfahrt-Bundesamt die Gewährung des Informationszugangs entgegen der hier vertretenen Auffassung als Realakt der Verwaltung qualifiziert (zu dieser Gegenauffassung Schoch, IFG des Bundes, 2. Aufl. 2016, § 7 Rn. 72; zur Zulässigkeit in einfach gelagerten Fällen Rn 74; bei Drittbeteiligung: § 8 Rn. 60) und entsprechend handelt, bleibt dem Drittbetroffenen zur Wahrung seiner verfahrensrechtlichen Rechtsposition nur der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO (VGH Kassel, Beschl. v. 16.02.2012 - 6 B 2464/11 - NVwZ 2012, 710, juris Rn. 21 zu § 8 Abs. 2 IFG).
- 7
2. Dessen ungeachtet könnte dem Verwaltungsgericht auch in der Annahme gefolgt werden, dass die Anfechtungsklage – ihre Statthaftigkeit unterstellt – auch deshalb keinen Suspensiveffekt entfaltet, weil sie wegen entgegenstehender Rechtskraft des Urteils vom 20. April 2018 hinsichtlich der Beiakte „B“ offensichtlich unzulässig ist.
- 8
Der Tenor des Urteils verpflichtet die Vollstreckungsschuldnerin dazu, „Akteneinsicht zu gewähren in den gesamten Schriftverkehr aus der Zeit vom 18. September 2015 bis 15. Oktober 2015 betreffend der am 15.Oktober 2015 erfolgten Anordnung zum Rückruf von VW-Dieselfahrzeugmodellen inklusive des dazu geführten Verwaltungsvorgangs und der als Beiakte „B“ geführten Akte, unter Ausnahme personenbezogenen Daten“. Eine weitergehende Einschränkung enthält der Tenor nicht.
- 9
Eine Auslegung unter Berücksichtigung von Tatbestand und Entscheidungsgründen ergibt zwar, dass sich der streitgegenständliche Schriftverkehr auf den Rückruf der Fahrzeuge der Motorbaureihe EA 189 EU5 bezog. In den Entscheidungsgründen wird außerdem ausgeführt, dass die Beklagte (Vollstreckungsschuldnerin) in der mündlichen Verhandlung am 20. April 2018 versichert habe, dass es sich bei dem dem Gericht übersandten – und überwiegend geschwärzten – Aktenordner (Beiakte B) um den gesamten Aktenvorgang bezüglich des vom Kläger (Vollstreckungsgläubiger) begehrten Kommunikationsvorganges handele (VG Schleswig, Urt. v. 20.04.2018 - 6 A 48/16 -, juris Rn. 1, 3, 22, 50). Unter diesen Umständen bestand aus Sicht des Verwaltungsgerichts aber auch keine Veranlassung, den Tenor gerade in Bezug auf die Beiakte „B“ weiter einzuschränken. Zudem lässt sich nicht feststellen, dass das Kraftfahrt-Bundesamt oder die beigeladene Beschwerdeführerin in dem ursprünglichen Verwaltungsverfahren sowie dem anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht hätten, dass in der streitbefangenen Beiakte „B“ weitere Informationen enthalten seien, die dem Vollstreckungsgläubiger nicht zugänglich zu machen wären. Hiervon ging bereits das Verwaltungsgericht in dem hier angegriffenen Beschluss aus, ohne dass die Beschwerdeführerin dem entgegengetreten wäre.
- 10
Nähme man nunmehr mit der Beschwerdeführerin an, dass im Zusammenhang mit dem Schriftverkehr zum Rückruf von Fahrzeugen der Motorbaureihe EA 189 EU5 auch Fahrzeuge mit dem Nachfolgemodell EA 288 in der Beiakte „B“ Erwähnung finden, könnte dies dann zwar im Urteil fehlerhafter Weise unberücksichtigt geblieben sein, ändert aber nichts an der Bestimmtheit und Eindeutigkeit des Tenors und seiner nach Rechtskraft eingetretenen uneingeschränkten Vollstreckbarkeit. Zutreffend weist die Vollstreckungsgläubigerin darauf hin, dass es Sache der Vollstreckungsschuldnerin oder der beigeladenen Beschwerdeführerin gewesen wäre, dies im Erkenntnisverfahren rechtzeitig geltend zu machen.
- 11
Eine Streitwertfestsetzung erübrigt sich, da Gerichtskosten nicht erhoben werden (Ziffer 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG - Kostenverzeichnis -).
- 12
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO)
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- VwGO § 172 1x
- § 8 Abs. 2 IFG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 152 1x
- VwVfG § 35 Begriff des Verwaltungsaktes 1x
- 4 LB 3/19 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 123 1x
- 6 B 2464/11 1x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (6. Kammer) - 6 A 48/16 2x
- VwGO § 92 1x
- 8 A 9/21 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 161 1x
- 8 D 2/21 1x (nicht zugeordnet)