Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (5. Senat) - 5 LA 222/20
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 6. Kammer, Einzelrichter - vom 29. Mai 2020 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
- 1
Der Antrag ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
- 2
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.
- 3
Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen nach ständiger Rechtsprechung auch des erkennenden Senats vor, wenn ein Erfolg des Rechtsmittels, dessen Zulassung begehrt wird, mindestens ebenso wahrscheinlich ist, wie dessen Misserfolg (Schl.-Holst. OVG, Beschl. v. 14.05.1999, - 2 L 244/98 -, NordÖR 1999, 285). Dabei müssen die Zweifel das Ergebnis der Entscheidung betreffen (Schl.-Holst. OVG, Beschl. v. 14.12.1999, - 4 M 102/99 -, NVwZ 2000, 341). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils scheiden deshalb auch dann aus, wenn zwar einzelne Rechtssätze oder tatsächliche Feststellungen, welche das Urteil tragen, zu Zweifeln Anlass bieten, das Urteil aber im Ergebnis aus anderen Gründen offensichtlich richtig ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004 – 7 AV 4.03 –, Rn. 7, juris).
- 4
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Berufung nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen, weil das Urteil im Ergebnis offensichtlich richtig ist.
- 5
Der Kläger macht geltend, eine entscheidungserhebliche Tatsachenfeststellung stehe in Frage, weil sich das Verwaltungsgericht mit seinen Gegenargumenten zum Vorhandensein eines Mäanders nicht auseinandergesetzt habe. Der streitgegenständliche Vorfluter sei bei seiner erstmaligen Herstellung nicht mit einer mäanderförmigen Schlängelung angelegt worden. Ein solcher Verlauf sei für einen Entwässerungsgraben nicht gewählt worden, weil dies dem Sinn und Zweck der ungehinderten Entwässerung widersprochen hätte. Unstreitig befinde sich an der streitgegenständlichen Stelle eine Bodenniveausenke und die tiefste Stelle des ehemaligen Vorfluters auf diesem Grundstück. An dieser Stelle werde das Grundwasser berührt und sei gelegentlich eine Wasseransammlung zu verzeichnen, was durch die an dieser Stelle vorhandene Gewässervegetation ersichtlich sei.
- 6
Diese Tatsachen sind schon nicht entscheidungserheblich, weil das Verwaltungsgericht in seinem Urteil keine Feststellungen dazu getroffen hat, an welchen Stellen das Gewässer Nr. 410 wieviel Wasser wie häufig führt und wie und zu welchem Zweck das Gewässer ursprünglich entstanden ist.
- 7
Bei dem Gewässer Nr. 410 handelt es sich um ein oberirdisches Gewässer im Sinne des § 3 Nr. 1 WHG. Oberirdische Gewässer sind danach das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser. Die von dem Antragsgegner zur Örtlichkeit vorgelegten Fotografien vom 7. April 2020 (Anlagenkonvolut B1, GA 11 ff.) belegen anschaulich, dass in dem streitbefangenen Bereich Wasser in einem Bett steht, wobei die Vegetation in diesem Bereich (Rohrkolben etc.) darauf hindeutet, dass dieser Zustand nicht nur vorübergehender Natur ist.
- 8
Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, ob der hier in Rede stehenden Abschnitt des Gewässers Nr. 410 ursprünglich als Mäander angelegt worden war oder ob in dem Bereich ein – von dem Gewässer durchzogener – Teich vorhanden war. Für die Rechtmäßigkeit der nach § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG ergangen Ordnungsverfügung ist vielmehr entscheidend, ob es sich dabei um eine nach pflichtgemäßem Ermessen angeordnete, im Einzelfall notwendige Maßnahme handelt, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG sicherzustellen. Das ist hier der Fall.
- 9
Auf dem Grundstück des Klägers liegt eine zu beseitigende Beeinträchtigung des Wasserhaushalts vor, weil das Gewässer Nr. 410 illegal ausgebaut wurde. Der Ausbau eines Gewässers ohne die erforderliche Erlaubnis oder Bewilligung stellt bereits für sich genommen eine Gefahr für ein Gewässer dar. Die lediglich formelle Illegalität einer Handlung rechtfertigt daher grundsätzlich - unabhängig von der hier ebenfalls fehlenden materiellen Rechtmäßigkeit - ein repressives Einschreiten der zuständigen Behörde (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. März 2012 – 3 S 150/12 –, Rn. 5, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Juni 2020 – 13 ME 53/20 –, Rn. 4, 5 juris).
- 10
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend anhand der vorliegenden Unterlagen und des durchgeführten Ortstermins festgestellt hat, wurde das Gewässer Nr. 410 illegal begradigt. Anhand der vorliegenden Unterlagen ist auch für den Senat zweifelsfrei zu erkennen, dass das Ufer des Gewässers in jüngerer Zeit wesentlich umgestaltet wurde. Eine vormals im Gewässerverlauf vorhandene, schlingenartige Ausformung des Ufers in südwestlicher Richtung ist gegenwärtig nicht mehr in nennenswertem Umfang vorhanden. Dies belegen unter anderem die für die Zeit bis 2012 (Anlage 1 und Anlage 2, GA 11 f.) und für die Zeit nach 2013 bis 2015 (Anlage 3, GA 13) vorgelegten Luftbilder sehr anschaulich. Dieser Befund wird durch die von dem Kläger als Anlagenkonvolut 4 vorgelegten Luftbilder (GA 91, 92), die belegen sollen, dass die Vegetation wieder den Ausgangszustand zeige, nicht in Frage gestellt.
- 11
Eine Genehmigung dieser Veränderung des Uferbereichs liegt nicht vor und ist auch nicht zu erreichen, da die Begradigung den in § 67 Abs. 1 Satz 1 WHG definierten Ausbaugrundsätzen widerspricht, weil durch die Beseitigung des vormals vorhandenen Uferverlaufs eine nachteilige Veränderung des Gewässerzustandes herbeigeführt wurde und naturraumtypische Lebensgemeinschaften nicht bewahrt wurden. Die begradigte Uferlinie ist kürzer als der ehemals schlingenartige Verlauf und bietet den naturraumtypischen Lebensgemeinschaften weniger Raum als der Ausgangszustand.
- 12
Schließlich erweist sich die Ordnungsverfügung nach § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG auch als notwendig. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass dem Kläger neben der Beseitigung der Begradigung die „Wiederherstellung der ursprünglichen Mäander“ aufgegeben wurde. Selbst wenn der ursprüngliche Uferverlauf mit der Bezeichnung „Mäander“ nicht zutreffend beschrieben wäre, weil es sich bei ursprünglichen Uferverlauf nicht um einen Mäander, also eine auf natürliche Weise entstandene Flussschlinge, sondern um den Saum einer vormals schlingenartig ausgeprägten “Bodenniveausenke“ oder schlicht um eine etwa halbrunde Ausformung des Ufers gehandelt hätte, erweist sich die Anordnung jedenfalls als notwendig, um den illegalen Ausbau des Gewässers zu beseitigen und den anhand er Luftbilder und Höhenprofile dokumentierten Ausgangszustand bestmöglich wieder herzustellen.
- 13
2. Die Berufung ist auch nicht wegen eines vorliegenden Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruht, nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Verfahrensmängel sind nicht festzustellen.
- 14
Ein Verfahrensmangel ergibt sich nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht Beweisanregungen des Klägers zu der Behauptung in der Vorgeschichte sei an der streitbefangenen Stelle des Gewässers weder ein Mäander noch ein Teich vorhanden gewesen, nicht nachgegangen ist und die für diese Behauptungen in der Klageschrift zahlreich benannten Zeugen nicht vernommen hat.
- 15
Das Verwaltungsgericht war nicht verpflichtet, zu unerheblichen Tatsachen Beweis durch die Vernehmung von Zeugen zu erheben. Es kommt nicht entscheidungserheblich darauf an, ob der Ausgangszustand des Gewässers in der Vorgeschichte von den Zeugen als Mäander oder als Teich wahrgenommen wurde oder ob es sich bei dem betroffenen Bereich, wie es der Kläger einräumt, um eine „Bodenniveausenke“ gehandelt hat. Denn für die Annahme einer zu beseitigenden Beeinträchtigung des Wasserhaushalts reicht es aus (s.o.), dass hier ein illegaler Gewässerausbau in Gestalt einer wesentlichen Umgestaltung des Ufers in diesem Bereich vorgenommen wurde.
- 16
Auch die zum Beweis der Tatsache angebotenen Zeugen, dass eine Begradigung des Vorfluters oder die Aufschüttung eines Teichs nicht stattgefunden habe, waren nicht zu vernehmen. Denn der angeregte Zeugenbeweis ist zum Beweis dieser Tatsache ungeeignet. Die Zeugen überblicken nach Darstellung des Klägers lediglich einen Teilzeitraum. Der Kläger hat in der Klage (Seite 4) angegeben, dass sich die Zeugen … und … das Grundstück im Winter 2014/2015 angesehen haben. Selbst wenn die Zeugen die Behauptung des Klägers bestätigen, schließt dies nicht aus, dass der illegale Gewässerausbau in der Vorgeschichte (Herbst 2014 bis Anfang 2013) erfolgte. Denn der noch in den Jahren 2011/2012 (GA 12) dokumentierte Ausgangszustand erscheint bereits auf einem Luftbild für den Zeitraum 2013-2015 (GA 13) verändert.
- 17
Unbeschadet dessen liegt schließlich auch eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO nicht vor. Der Kläger hat in der in mündlichen Verhandlung, anlässlich derer die Örtlichkeit allseits in Augenschein genommen wurde, keine Beweisanträge gestellt und insbesondere nicht geltend gemacht, dass der Landwirt, der das Grundstück mehr als 20 Jahre bis zum Jahr 2013 bewirtschaftet hat, zum Verlauf des Vorfluters vernommen werden soll. Bei der Unterlassung eines förmlichen Beweisantrags durch die anwaltlich vertretene Partei braucht sich dem Gericht die Notwendigkeit einer – weiteren – Sachverhaltsaufklärung auch in den Fällen nicht aufzudrängen, in denen zuvor eine Beweiserhebung angeregt oder die Stellung eines Beweisantrags angekündigt worden war (vgl. Schoch/Schneider VwGO/Dawin, 39. EL Juli 2020, VwGO § 86 Rn. 81).
- 18
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
- 19
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
- 20
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
- 21
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- VwGO § 124 2x
- § 3 Nr. 1 WHG 1x (nicht zugeordnet)
- § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG 2x (nicht zugeordnet)
- § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG 1x (nicht zugeordnet)
- § 67 Abs. 1 Satz 1 WHG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 86 1x
- VwGO § 154 1x
- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124a 1x
- VwGO § 152 1x
- § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 L 244/98 1x (nicht zugeordnet)
- 4 M 102/99 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 3 S 150/12 1x
- 13 ME 53/20 1x (nicht zugeordnet)