Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (5. Senat) - 5 MB 22/21

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 1. Kammer - vom 8. Juli 2021 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

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Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8. Juli 2021 ist unbegründet.

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1. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 1. April 2021 in Gestalt des Änderungsbescheides von 10. Juni 2021 mit Beschluss vom 8. Juli 2021 abgelehnt. Die streitgegenständlichen Bescheide verletzen offensichtlich keine Rechte der Antragstellerin. Die Duldungsverfügung sei im Einzelfall erforderlich und verhältnismäßig, um sicherzustellen, dass die Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 eingehalten würden (§ 40a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG).Die Antragstellerin könne sich nicht darauf berufen, dass nach § 40a Abs. 1 Satz 3 BNatSchG Maßnahmen mit jagdlichen Mitteln im Einvernehmen mit den Jagdausübungsberechtigten durchzuführen seien, da sie keine Jagdausübungsberechtigte sei. Im Übrigen könne der Antragsgegner auch nach objektivem Recht ohne das Einverständnis des Jagdausübungsberechtigten die Duldung gegenüber der Antragstellerin als Eigentümerin anordnen und die vorgesehenen Maßnahmen durchführen. Im Anwendungsbereich des § 40a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG dürfe aus unionsrechtlicher Sicht die Anwendung von Beseitigungsmaßnahmen in einer frühen Phase der Invasion, zu der die Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1, 2 VO (EU) Nr. 1143/2014 verpflichtet seien, nicht am fehlenden Einvernehmen eines Jagdausübungsberechtigten scheitern.

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2. Hiergegen hat die Antragstellerin am 13. Juli 2021 Beschwerde eingelegt. Mit Änderungsbescheid vom 10. August 2021 passte der Antragsgegner die Fristbestimmung in Ziffer 1 der Duldungsanordnung vom 1. April 2021 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 10. Juni 2021 an; danach hat die Antragstellerin die Maßnahmen im Zeitraum vom 29. August bis zum 29. November 2021 zu dulden. Gegen den Änderungsbescheid vom 10. August 2021 legte die Antragstellerin am 11. August 2021 Widerspruch ein. Am 17. August 2021 hat die Antragstellerin den Änderungsbescheid in das Beschwerdeverfahren einbezogen.

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Die Antragstellerin bringt mit ihrer Beschwerde vor, sie übe das Jagdausübungsrecht durch ihren Geschäftsführer als Angestellten aus. Dieser werde nicht eigenständiger Träger des Jagdausübungsrechts, sondern als ihr Organ und Angestellter tätig. Vor diesem Hintergrund sei sie auch weiterhin Jagdausübungsberechtigte und habe im Hinblick auf das notwendige Einvernehmen bei der Entnahme von Muntjaks mit jagdlichen Maßnahmen ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis. Hinsichtlich der Entnahme von Muntjaks mit Hilfe jagdlicher Maßnahmen sei kein Einvernehmen hergestellt worden. Das Verwaltungsgericht vertrete die rechtsirrige Auffassung, eines solchen Einvernehmens habe es aufgrund der „Gefahr im Verzug“ nicht bedurft. Der Antragsgegner habe über ein Jahr Zeit gehabt, um sachlich und rechtlich angemessene Entnahmemaßnahmen zu entwickeln, sie den örtlichen Jagdausübungsberechtigten anzubieten und ihr Einvernehmen einzuholen. Eine Behörde, die über ein Jahr lang keine Anstalten mache, das gesetzlich erforderliche Einvernehmen der Jagdausübungsberechtigten zu jagdlichen Entnahmemaßnahmen herzustellen, könne sich nicht auf Gefahr im Verzug berufen, wenn sie selbst zu dieser angeblichen Zwangssituation beigetragen habe. Anfang des Jahres 2020 hätten sich im Raum Kosel nach den Ermittlungen des Antragsgegners ca. drei Muntjaks befunden. Der Antragsgegner habe sich von vornherein auf Alleingänge verlegt, um entgegen den Erfordernissen des Gesetzes sofort selbst tätig zu werden. Die in den Eigenjagdbezirk Kosel entsandte Person kenne sich dort offensichtlich nicht aus; ihr sei offensichtlich noch kein einziger Abschuss gelungen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts bedeute, dass das Einvernehmen zu einer leeren Hülle verkomme; es sei nämlich immer das Interesse des Verordnungsgebers, effektiv und dauerhaft invasive Arten zu beseitigen. Das Ergebnis sei eine schlussendlich unprofessionelle Entnahmestrategie, die Art. 14 Abs. 1 GG zuwiderlaufe und dabei nur unzureichende Ergebnisse erzielen werde. Das Verwaltungsgericht umgehe das Verbot der Nichtanwendungskompetenz nationaler Gesetze, die ausschließlich dem Bundesverfassungsgericht zukomme. Ferner sei festzustellen, dass die vom Antragsgegner gewählten eigenständigen Maßnahmen offenbar nicht geeignet und erforderlich seien, um unter Heranziehung der „Gefahr im Verzug“ einen Erfolg zu erzielen. Der Vollstreckungsgehilfe des Antragsgegners streife ohne jegliche jagdrechtliche Erlaubnis anhaltend mit Schusswaffe durch ihren Jagdbezirk, ohne sich mit ihrem Geschäftsführer abzustimmen.

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3. Die dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

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In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Aussetzungsinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Ist es – wegen der besonderen Dringlichkeit einer alsbaldigen Entscheidung oder wegen der Komplexität der aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen – nicht möglich, die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wenigstens summarisch zu beurteilen, so sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 –, juris Rn. 8).

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Nach diesem Maßstab überwiegt das Vollzugsinteresse des Antragsgegners, weil der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 1. April 2021 in Gestalt des Änderungsbescheides von 10. August 2021 voraussichtlich erfolglos sein wird.

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Rechtsgrundlage für die Duldungsanordnung (Ziffer 1 des Bescheides vom 1. April 2021) ist § 40a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 40a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG.

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a) Nach § 40a Abs. 3 Satz 2 BNatSchG sind Eigentümer von Grundstücken und anderen in Absatz 2 genannten Sachen sowie der Inhaber der tatsächlichen Gewalt verpflichtet, Maßnahmen der zuständigen Behörde zur Beseitigung oder Verhinderung einer Ausbreitung invasiver Arten zu dulden.

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Der Chinesische Muntjak (Muntiacus reevesi), auch Zwergmuntiak genannt, zählt zu den invasiven gebietsfremden Arten von unionsweiter Bedeutung; die Art ist anhand der in Art. 4 Abs. 3 VO (EU) Nr. 1143/2014 festgelegten Kriterien in die von der Kommission erstellte „Unionsliste“ (Durchführungsverordnung [EU] 2016/1141 der Kommission vom 13. Juli 2016) aufgenommen worden. Nach den Ausführungen des Antragsgegners (S. 4 des Bescheides vom 1. April 2021) umfassen die Auswirkungen des Muntjaks auf die Biodiversität durch den selektiven Fraß vielfältige Veränderungen der Vegetation, insbesondere die Verjüngungskapazität von Gehölzen sowie von typischen Kräutern in Wäldern, darunter gefährdete Arten wie z.B. Primula vulgaris (Stängellose Schlüsselblume) und der daran gebundenen Tierarten bis zu einer Nahrungskonkurrenz zum Rehwild.

11

Die Antragstellerin ist Eigentümerin der in Anlage 1 zum Bescheid vom 1. April 2021 dargestellten Flächen im Bereich Kosel (Kreis Rendsburg-Eckernförde). Ende März 2020 wurde in Kosel ein Vorkommen der Art bekannt und der Europäischen Union nach Art. 16 VO (EU) Nr. 1143/2014 schriftlich notifiziert. Am 31. März 2020 wurde dem Antragsgegner von der Unteren Jagdbehörde des Kreises Rendsburg-Eckernförde die Antragstellerin als Eigentümerin des Eigenjagdbezirks Kosel, in dem drei Chinesische Muntjaks gesichtet wurden, benannt.

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b) Nach § 40a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG treffen die zuständigen Behörden nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall erforderlichen und verhältnismäßigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014, dieses Kapitels und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsvorschriften in Bezug auf invasive Arten eingehalten werden.

13

Die Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 enthält Bestimmungen für die Prävention, Minimierung und Abschwächung der nachteiligen Auswirkungen sowohl der vorsätzlichen wie der nicht vorsätzlichen Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten auf die Biodiversität in der Union (Art. 1).

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Art. 17 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1143/2014 verlangt, dass die Mitgliedstaaten nach der Früherkennung und innerhalb von drei Monaten nach ihrer Notifizierung gemäß Art. 16 Beseitigungsmaßnahmen anwenden, diese Maßnahmen der Kommission notifizieren und die anderen Mitgliedstaaten unterrichten. Bei der Anwendung von Beseitigungsmaßnahmen stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die angewendeten Methoden die vollständige und dauerhafte Beseitigung der Population der betreffenden invasiven gebietsfremden Arten — unter angemessener Berücksichtigung der menschlichen Gesundheit und der Umwelt und insbesondere der Nichtziel-Arten und ihren Lebensräumen — gewährleisten und dass Tieren vermeidbare Schmerzen, Qualen oder Leiden erspart bleiben, Art. 17 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1143/2014.

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Unschädlich ist, dass der Antragsgegner bei der Angabe der Rechtsgrundlage im Bescheid vom 1. April 2021 auf § 40a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 40a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG (statt auf Nr. 1) abgestellt hat. Denn der Wechsel der Rechtsgrundlage ließe die Duldungsanordnung im Wesentlichen unverändert (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.03.2010 – 8 C 12.09 –, juris Rn. 16).

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Die ergriffene Maßnahme des Antragsgegners stellt sich auch unter Berücksichtigung der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) als ermessensfehlerfrei, insbesondere als verhältnismäßig dar. Die Antragstellerin hat es zu dulden, dass Mitarbeiter des Antragsgegners oder vom Antragsgegner beauftragte Personen Maßnahmen zur Beseitigung oder zur Verhinderung einer Ausbreitung des Vorkommens der invasiven Art Chinesischer Muntjak durchführen; die Maßnahmen umfassen neben dem Betreten der in Anlage 1 bezeichneten Flächen der Antragstellerin auch die tödliche Entnahme der Muntjaks.

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Die Maßnahme ist geeignet, um den in Art. 1, Art. 17 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1143/2014 dargelegten Zweck – Beseitigung der Population der invasiven gebietsfremden Art, um nachteilige Auswirkungen auf die Biodiversität in der Europäischen Union zu verhindern – zu erreichen.

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Sie ist auch erforderlich; mit den bisherigen Maßnahmen konnte der Zweck nicht erreicht werden. Der Antragsgegner hat seit der ersten Sichtung Ende März 2020 Maßnahmen zur Beseitigung des Muntjakvorkommens ergriffen. Unter dem 6. April 2020 ordnete der Antragsgegner gegenüber Herrn … … – dem Geschäftsführer der Antragstellerin – an, Chinesische Muntjaks innerhalb des Eigenjagdbezirks Kosel mit dem Ziel der Bestandserschöpfung durch Abschuss aus der Natur zu entnehmen und diese Maßnahme durch das Anfüttern der Tiere sowie den Versuch des Einfangens zu begleiten. Neben dem Geschäftsführer der Antragstellerin waren auch weitere Jägerinnen und Jäger mit der Beseitigung im bis März 2021 noch verpachteten Eigenjagdbezirks der Antragstellerin betraut. Bis in den Januar 2021 hinein wurden zudem insgesamt knapp 40 Jägerinnen und Jäger in anliegenden Jagdbezirken angewiesen, vorkommende Muntjaks zu beseitigen. Ferner gestattet der Antragsgegner zur Minimierung der Population Dritten, Muntjaks mittels Netzen auf privaten Grundstücken (vorbehaltlich der Zustimmung des jeweiligen Verfügungsberechtigten) einzufangen. Einen Drittem wurde zudem die gegen Ausbruch und Vermehrung gesicherte Haltung der eingefangenen Tiere gestattet (vgl. die Ausführungen des Antragsgegners auf S. 9 f. des Schriftsatzes vom 19. April 2021, Bl. 74 GA). Diese Maßnahmen haben jedoch nicht zur Bestandserschöpfung geführt. Im Februar und März 2021 erfolgten gegenüber dem Antragsgegner insgesamt fünf Meldungen zum Vorhandensein von Chinesischen Muntjaks im Raum Kosel, von denen zwei in den Eigenjagdbezirk der Antragstellerin fallen und zwei in unmittelbarer Nähe im Siedlungsbereich Kosel liegen. Seitens des Antragsgegners wird das Vorkommen im Raum Kosel und im Kern im Eigenjagdbezirk der Antragstellerin weiterhin auf etwa fünf Exemplare geschätzt.

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Die Maßnahme ist auch angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinne). Mit dem Betreten der Flächen der Antragstellerin durch Mitarbeiter des Antragsgegners oder durch diese beauftragte Dritte ist zwar eine Beeinträchtigung der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) verbunden. Der Eingriff wird aber dadurch abgemildert, dass die Durchführung der Maßnahme gegenüber der Antragstellerin mindestens 24 Stunden vor dem jeweiligen Beginn per E-Mail angekündigt werden muss (Ziffer 2 des Bescheides vom 1. April 2021). Das Interesse der Antragstellerin (an einem Nichtbetreten ihrer Eigentumsflächen) muss in einer Güterabwägung hinter dem hohen öffentlichen Interesse an der Prävention, Minimierung und Abschwächung nachteiliger Auswirkungen durch invasive gebietsfremde Arten auf die Biodiversität in der Europäischen Union zurückstehen.

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c) Es spricht einiges dafür, dass die Antragstellerin sich nicht auf das fehlende Einvernehmen des Jagdausübungsberechtigten berufen kann. Nach § 40a Abs. 1 Satz 3 BNatSchG sind Maßnahmen mit jagdlichen Mitteln im Einvernehmen mit den Jagdausübungsberechtigten durchzuführen.

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In einem Eigenjagdbezirk ist der Eigentümer jagdausübungsberechtigt (§ 7 Abs. 4 Satz 1 BJagdG). Zusammenhängende Grundflächen mit einer land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich nutzbaren Fläche von 75 Hektar an, die im Eigentum ein und derselben Person oder einer Personengemeinschaft stehen, bilden einen Eigenjagdbezirk (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BJagdG). Die zusammenhängenden Flächen der Antragstellerin in der Gemeinde Kosel überschreiten die für die Bildung eines Eigenjagdbezirks erforderliche Größe von 75 ha. Befinden sich Eigenjagdbezirke im Eigentum oder Nießbrauch einer juristischen Person oder Personenmehrheit oder ist die Eigentümerin oder der Eigentümer als natürliche Person nicht im Besitz eines gültigen Jahresjagdscheins und wird die Jagd weder durch Jagdpächterinnen oder Jagdpächter noch durch angestellte Jägerinnen oder Jäger ausgeübt, sind jagdausübungsberechtigt diejenigen, die die Verfügungsberechtigten der Jagdbehörde benennen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 LJagdG).

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Es spricht derzeit mehr für die Annahme, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin – Herr … … – durch Benennung seitens der Antragstellerin Jagdausübungsberechtigter für den Eigenjagdbezirk Kosel geworden ist, so dass sich auch nur dieser auf eine Verletzung subjektiver Rechte berufen könnte (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

23

Die Untere Jagdbehörde des Kreises Rendsburg-Eckernförde teilte dem Antragsgegner am 31. März 2020 mit, dass Herr … … – der Geschäftsführer der Antragstellerin – Jagdausübungsberechtigter für den Eigenjagdbezirks Kosel sei. Herr … … machte in seinem Schreiben vom 1. Dezember 2020 an den Antragsgegner selbst geltend, ihm obliege als Jagdausübungsberechtigter der Jagdschutz. In einem weiteren Schreiben vom 24. Februar 2021 äußerte sich Herr … … über seinen Rechtsbeistand dahingehend, dass er als „Inhaber des gesetzlich festgeschriebenen und geschützten Jagdrechts“ zum Beispiel haben wissen wollen, ob es Absprachen oder Abstimmungen zwischen dem Antragsgegner und den Herren …/… … über jagdliche Aktivitäten zum Muntjakfang gegeben habe. Im Beschwerdeverfahren bringt die Antragstellerin indes nunmehr – unter Vorlage des mit Wirkung ab dem 4. April 2010 geänderten Anstellungsvertrages – vor, sie sei selbst Jagdausübungsberechtigte, da sie die Jagd durch ihren Geschäftsführer nur als angestellten Jäger ausübe. Die Frage, ob die Antragstellerin oder ihr Geschäftsführer für den Eigenjagdbezirk Kosel jagdausübungsberechtigt ist, braucht indes nicht abschließend geklärt zu werden, da es der Erteilung des Einvernehmens im vorliegenden Fall nicht bedarf.

24

d) Bei einer Gefahr im Verzug bedarf es des Einvernehmens nach den Sätzen 2 bis 5 nicht (§ 40a Abs. 1 Satz 6 BNatSchG). § 40a Abs. 1 Satz 6 BNatSchG ist – wie vom Verwaltungsgericht zutreffend erkannt (Beschlussabdruck S. S. 28 f.) – im Lichte des Unionsrechts auszulegen. Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des innerstaatlichen Rechts, wonach es dem nationalen Gericht obliegt, das nationale Recht so weit wie möglich in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht auszulegen, ist dem System der Verträge immanent, da dem nationalen Gericht dadurch ermöglicht wird, im Rahmen seiner Zuständigkeit die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen, wenn es über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit entscheidet (EuGH, Urt. vom 19.11.2019 – C-585/18 u.a. –, juris Rn. 159).

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Eine Gefahr im Verzug liegt in Eilfällen vor, in denen die zeitliche Verzögerung, die durch die Herstellung des Einvernehmens einträte, den Erfolg der Maßnahme zu vereiteln droht (vgl. Lau, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 40a Rn. 8). Bei § 40a Abs. 1 Satz 6 BNatSchG kommen solche Eilfälle unter Berücksichtigung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus Art. 17 VO (EU) Nr. 1143/2014 vor allem bei invasiven Arten in Betracht, die noch nicht etabliert sind und bei denen ein sofortiges Handeln zur Verhinderung der Einbringung oder zu Vermeidung der Ausbreitung lebensfähiger Populationen erforderlich ist (so auch Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 95. EL Mai 2021, § 40a BNatSchG Rn. 11; Lau, a.a.O., § 40a Rn. 8). Ein derartiger – die Gefahr im Verzug begründender – Eilfall ist gegeben. Obwohl der Geschäftsführer der Antragstellerin mit Schreiben vom 24. Februar 2021 (Blatt 148 BA A) das Einvernehmen versagt hat, sind die nun ergriffenen Maßnahmen zur effektiven Durchsetzung des Unionsrechts erforderlich.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

27

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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