Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 LA 111/20

Tenor

Die Anträge des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 13. Kammer, Einzelrichter - vom 30. Juni 2020 und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Goldmann, Neumünster, werden abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

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I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgenden Gründen nicht die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

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II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2020 ergangene und auf der Geschäftsstelle am 30. Juni 2020 niedergelegte Urteil ist unbegründet. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG liegt nicht vor; jedenfalls hat der Kläger die Voraussetzungen hierfür nicht ausreichend dargelegt.

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Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn für die Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete fallübergreifende, bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Rechtsmittelverfahren erheblich wäre und deren Klärung im Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint (Senat, Beschl. v. 29.05.2018 - 4 LA 56/17 - juris Rn. 3). Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass vom Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung regelmäßig auch dann auszugehen ist, wenn eine bundesrechtliche Rechtsfrage in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte uneinheitlich beurteilt wird und es an einer Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht fehlt. Anders verhält es sich jedoch bei Tatsachenfragen; hier kommt es regelmäßig nur auf die Klärung des im Instanzenzug übergeordneten Oberverwaltungsgerichts an, weil wegen der Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts eine weitergehende Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch das Bundesverwaltungsgericht ausscheidet (BVerfG, Kammerbeschl. v. 14.11.2016 - 2 BvR 31/14 -, juris Rn. 11 m.w.N.; OVG Schleswig, Beschl. v. 15.04.2020 - 4 LA 152/19 -, juris Rn. 5; OVG Münster, Beschl. v. 10.01.2003 - 9 A 4513/02.A - juris).

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Hierauf verweisend meint der Kläger, dass die (nachfolgend noch detailliert darzustellende) Rechtsfrage, ob in Bezug auf den Zielstaat Griechenland bei einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG eine individuelle Schutzerklärung der griechischen Behörden vor Erlass des Bescheides notwendig ist oder nicht, durch nationale Oberverwaltungsgerichte in entscheidungserheblicher Weise unterschiedlich beantwortet werde. Während der hier zuständige Senat in seinem Urteil vom 6. September 2019 entschieden habe, dass eine individuelle Schutzerklärung der griechischen Behörden bei Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht notwendig sei (Az. 4 LB 17/18, juris Rn. 181), gingen das OVG Münster und das OVG Lüneburg davon aus, dass sich für den Fall einer Rückführung nach Griechenland unter Berücksichtigung der derzeitigen Situation in Griechenland stets die Erforderlichkeit einer zuvor entsprechenden einzelfallbezogenen Zusicherung durch die griechischen Behörden ergebe, und zwar ohne dass insbesondere die Erklärung des griechischen Ministeriums für Migrationspolitik vom 8. Januar 2018 eine solche konkrete Zusicherung im Sinne der Rechtsprechung sei (OVG Münster, Beschl. v. 30.01.2020 - 11 A 2480/19.A - juris Rn. 30; OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.06.2020 - 10 LA 111/20 -, juris Rn. 15).

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Konkret stellen sich laut Kläger zumindest folgende zwei grundsätzlich klärungsbedürftige Fragen, nämlich

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1. ob „es aufgrund der aktuellen Situation in Griechenland in Bezug auf dort bereits anerkannte Flüchtlinge im Rahmen einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 Asylgesetz verfassungsrechtlich und konventionsrechtlich erforderlich (ist), dass sich das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge vor Erlass einer Unzulässigkeitsentscheidung und der damit einhergehenden Androhung der Abschiebung gem. §§ 35, 36 Asylgesetz in Bezug auf die Rückführungsabsicht in den Drittstaat Griechenland eine einzelfallbezogene Zusicherung (individuelle Schutzerklärung) der zuständigen Behörden in Griechenland einholen muss“

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und

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2. ob „die in den Grundsatzfragen des griechischen Ministeriums für Migrationspolitik vom 08.01.2018 angesprochene Erklärung einer konkreten einzelfallbezogenen Zusicherung im Sinne einer individuellen Schutzerklärung“ entspricht.

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Eine Grundsatzbedeutung ergibt sich daraus nicht. Der Kläger legt eine Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der aufgeworfenen Fragen nicht dar.

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1. Eine Rechts- oder Tatsachenfrage, für die eine grundsätzliche Bedeutung geltend gemacht wird, muss so eindeutig bezeichnet werden, dass im Zulassungsverfahren beurteilt werden kann, ob sie in einem zuzulassenden Berufungsverfahren klärungsbedürftig und -fähig ist. Bleibt hingegen offen, ob eine konkrete Rechtsfrage, eine bestimmte tatsächliche Situation oder beides einer obergerichtlichen Klärung zugeführt werden soll, so dass der Antragsteller es dem Berufungsgericht überlässt, sich einen Zulassungsgrund gleichsam "auszusuchen", sind die Darlegungsanforderungen nicht erfüllt (Thür. OVG, Beschl. v. 16.07.1999 - 3 EO 510/99 -, juris Rn. 17; Berlit in: GK AsylG, April 2016, § 78 Rn. 593). So liegt es aber hier. Der Kläger führt nicht weiter aus, warum es sich bei den beiden Fragen überhaupt um uneinheitlich beurteilte Rechtsfragen (und nicht um Tatsachenfragen) handeln soll.

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Zumindest die erste Frage beinhaltet ihrem Wortlaut nach eine Vermengung von Sachverhaltselementen („aufgrund der aktuellen Situation in Griechenland“) und Rechtsfragen („im Rahmen einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 Asylgesetz verfassungsrechtlich und konventionsrechtlich erforderlich“). Die als „umfangreiche Begründung“ bezeichneten Ausführungen unter Gliederungspunkt E. der Antragsschrift geben für die gebotene eindeutige Bezeichnung ebenfalls nichts her. Sie beschränken sich auf eine nahezu wörtliche Wiedergabe der Entscheidungsgründe eines Urteils des VG Minden vom 6. Februar 2020 (Az. 12 K 491/19 A., in juris ab Rn. 20), die – naturgemäß – sowohl rechtliche als auch tatsächliche Ausführungen enthalten.

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Gleiches gilt für die als widersprüchlich bezeichneten Aussagen des Senats in seinem Urteil vom 6. September 2019 einerseits und des OVG Münster sowie des OVG Lüneburg (beide a.a.O.) andererseits. Die zitierte Aussage des Senats steht im Kontext zuvor getroffener Tatsachenfeststellungen, wonach die für eine Bejahung einer EMRK-widrigen Behandlung erforderliche existenzielle materielle Notlage für anerkannt Schutzberechtigte nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit zu besorgen sei. Ein Verweis auf einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union sei im Übrigen erst dann ausgeschlossen, wenn die Behandlung des Betroffenen die Schwelle des Art. 3 EMRK / Art. 4 GRC unterschreite, nicht aber schon dann, wenn einzelne Vorgaben und Garantien der sog. Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) durch den Überstellungszielstaat nicht oder nur unvollständig umgesetzt würden. Ebenso wenig lasse sich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein allgemeines Erfordernis einer individuellen Zusicherung der griechischen Behörden entnehmen. Hiervon ausgehend ist der Senat in dem zu entscheidenden Fall zu dem Schluss gekommen, dass eine solche Zusicherung angesichts der dargestellten Lebensbedingungen für anerkannt Schutzberechtigte in der Situation des Klägers auch nicht erforderlich sei (Urt. v. 06.09.2019 - 4 LB 17/18 -, juris Rn. 179-181). Demgegenüber hatte sich das OVG Münster einerseits zu der vom Bundesamt als Zulassungsantragstellerin aufgeworfenen Tatsachenfrage zu äußern,

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„ob in Griechenland als international schutzberechtigte Anerkannten in Griechenland stets eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK droht, sodass das Prinzip der normativen Vergewisserung für einen sicheren Drittstaat durchbrochen ist“,

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verneinte aber bereits die Darlegungsanforderungen aus § 74 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen und der Schlussfolgerung der ersten Instanz, dass ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK wahrscheinlich sei, soll das Bundesamt im Zulassungsantrag keine aktuelleren Erkenntnisse benannt haben, die zu einer anderen als der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Bewertung hätten führen können. Des Weiteren hatte es sich zu der Rechtsfrage zu äußern,

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„ob es im Rahmen des asylrechtlichen Verfahrens bei als problematisch eingestuften Verhältnissen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, der Zielstaat der Überstellung ist, für den Erlass der Überstellungsentscheidung einer einzelfallbezogenen von diesem Mitgliedstaat abzugebenden Zusicherung bezüglich adäquater (Wieder) Aufnahmebedingungen bedarf und

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welche Mindestanforderungen eine solche Zusicherung erfüllen muss“.

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Ausgangspunkt für das Zulassungsverfahren war auch hier die erstinstanzliche Feststellung, dass eine Rückführung aller Voraussicht nach gegen Art. 3 EMRK / Art. 4 GRC verstoßen würde, allerdings eingekleidet in die abstrakte Formulierung „bei als problematisch eingestuften Verhältnissen in einem Mitgliedstaat“. Die sich daran anschließende Rechtsfrage, ob es in diesem Falle vor der Rückführung einer einzelfallbezogenen Zusicherung bedarf, hat das OVG Münster anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unproblematisch bejahen können („Daraus ergibt sich …“) und dies zugleich auf den Fall der Rückführung nach Griechenland bezogen (s. Beschl. v. 30.01.2020 - 11 A 2480/19.A -, juris Rn. 15-17, 23-30). Die vom Bundesamt als Zulassungsantragstellerin gegenüber dem OVG Lüneburg aufgeworfenen Fragen,

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„ob Antragstellern, welche in Griechenland internationalen Schutz erhalten haben, eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 EMRK / Art. 4 GrCH droht,

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welche Mindestanforderungen die Zusicherung eines Mitgliedstaates erfüllen muss und

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ob solche individuell oder generalisierend erfolgen kann und ob die durch Griechenland angegebenen Erklärung vom 08.01.2018 diese Mindestanforderungen erfüllt“,

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enthielten sowohl Tatsachen- als auch Rechtsfragenelemente, ohne dass danach weiter differenziert worden wäre. Wiederum ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen der ersten Instanz scheiterte auch dieser Zulassungsantrag an den Darlegungsanforderungen. Darüber hinaus wurde bezüglich der Fragen zu der Erklärung des griechischen Ministeriums für Migrationspolitik vom 8. Januar 2018 ebenfalls ausgeführt, dass diese sich anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beantworten ließen (s. Beschl. v. 10.06.2020 - 10 LA 111/20 -, juris Rn. 13-15).

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a. Abgesehen davon ergibt sich aus den vom Kläger gegenübergestellten Aussagen – selbst wenn man die Frage nach der Notwendigkeit einer individuellen Zusicherung auf der Grundlage einer gleichen oder jedenfalls vergleichbaren Tatsachenfeststellung als Rechtsfrage ansehen wollte – keine sich widersprechende und damit uneinheitliche Rechtsprechung. Denn der ebenfalls zitierte Satz des Senats, dass sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein allgemeines Erfordernis einer individuellen Zusicherung der griechischen Behörden nicht entnehmen lasse, schließt es keinesfalls aus, die Notwendigkeit einer Zusicherung im Einzelfall anzunehmen. Mehr oder Anderes beinhalten auch die zitierten Aussagen des OVG Münster und des OVG Lüneburg nicht. Entgegen den Ausführungen des Klägers hat das OVG Münster gerade nicht festgestellt, dass unter Berücksichtigung der derzeitigen Situation in Griechenland „stets“ die Erforderlichkeit einer zuvor entsprechenden einzelfallbezogenen Zusicherung durch die griechischen Behörden einzuholen sei (vgl. nochmals Beschl. v. 30.01.2020 - 11 A 2480/19.A -, juris Rn. 15 ff., 22 ff.). Hier werden zwei vom Bundesamt aufgeworfene Grundsatzfragen vermengt, zu denen sich das OVG Münster im Übrigen inhaltlich gar nicht geäußert hat (s.o.). Dies ergibt sich auch nicht aus dem in Bezug genommenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Ausgangspunkt dort waren die Anforderungen an die Beurteilung der Aufnahmebedingungen in dem Abschiebungszielstaat als unmenschliche und entwürdigende Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK (Beschl. v. 31.07.2018 - 2 BvR 714/18 -, juris Rn. 16). Die Kammer sah die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung in einem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als verletzt an. In diesem Zusammenhang führte sie u.a. aus, dass die fachliche Beurteilung der möglicherweise gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Aufnahmebedingungen im Zielstaat jedenfalls dann, wenn die Aufnahmebedingungen ernsthaft zweifelhaft sind, auf einer hinreichend verlässlichen, auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage beruhen müssen: „Dabei kann es sowohl verfassungsrechtlich als auch konventionsrechtlich geboten sein, dass sich die zuständigen Behörden und Gerichte vor einer Rückführung in den Drittstaat über die dortigen Verhältnisse informieren und gegebenenfalls Zusicherungen der zuständigen Behörden einholen“ (a.a.O. Rn. 19).

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b. Ginge man davon aus, dass die erste aufgeworfene Frage im Kern auf die tatsächliche Prognose ausgerichtet sein soll, ob dem Kläger als Schutzberechtigtem angesichts der tatsächlichen Gegebenheiten in Griechenland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRC droht (so dass es einer individuellen Zusicherung bedürfte), es sich also um eine Tatsachenfrage in Bezug auf die „aktuelle Situation in Griechenland“ handeln soll, fehlt es dennoch an der Darlegung einer Klärungsbedürftigkeit. Insoweit kommt es – wie ausgeführt – nur auf die Klärung des im Instanzenzug übergeordneten Gerichts an.

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Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des zuständigen Senats ist jedoch mit dem zitierten Urteil vom 6. September 2019 und unter Beachtung der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 19.03.2019 - Rs. C-163/17 - Jawo) zu Art. 4 GRC (und damit zum gleichlautenden Art. 3 EMRK) in grundsätzlicher Form geklärt, dass anerkannt schutzberechtigte Personen in Griechenland grundsätzlich nicht mit einer konventionswidrigen Behandlung rechnen müssen, weil sie sich in so ernsthafter Armut, Bedürftigkeit und extremer materieller Not wiederfänden, dass dies mit der Menschenwürde nicht mehr vereinbar wäre. Es lasse sich nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die Befriedigung elementarster Bedürfnisse grundsätzlich und aus systemimmanenten Gründen nicht gelingen könne. Eine individuelle Zusicherung sei deshalb für anerkannt Schutzberechtigte in der Situation des Klägers nicht erforderlich (Urt. v. 06.09.2019 - 4 LB 17/18 -, juris Rn. 50, 160-165, 181).

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Im Übrigen setzt die Darlegung einer (noch oder wieder) bestehenden Klärungsbedürftigkeit einer Tatsachenfrage eine intensive, fallbezogene Auseinandersetzung mit den von dem Verwaltungsgericht herangezogenen und bewerteten Erkenntnismitteln voraus (vgl. nur OVG Schleswig, Beschl. v. 20.05.2019 - 4 LA 171/19 -, juris Rn. 10). Dies kann durch eine eigenständige Bewertung der bereits vom Verwaltungsgericht herangezogenen Erkenntnismittel geschehen oder auch durch Berufung auf weitere, neue oder vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte Erkenntnismittel (OVG Münster, Beschl. v. 29.03.2018 - 19 A 552/17.A -, juris Rn. 6). Des Weiteren muss substantiiert dargelegt werden, welche Erkenntnismittel eine anderslautende Entscheidung nahelegen könnten. Dies leistet der Zulassungsantrag nicht. Allein die vollständige Wiedergabe der Entscheidungsgründe eines anderen erstinstanzlichen Urteils (s.o.: VG Minden, Urt. v. 06.02.2020 - 12 K 491/19 A -, in juris ab Rn. 20) über mehr als 15 Seiten stellt keine Auseinandersetzung mit dem hier angefochtenen Urteil dar; ob und inwieweit das VG Minden die herangezogenen Erkenntnismittel anders bewertet oder sich auf andere, vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte Erkenntnismittel bezieht, wird zudem nicht dargelegt. Entsprechend fehlt es an einer eigenständigen Bewertung der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Erkenntnismittel.

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Aus denselben Gründen reicht auch die am Ende des Zulassungsantrags aufgestellte Behauptung, dass die Rechtsprechung des Senats deshalb überholt sei, weil sich die ohnehin schon kritische Situation in Griechenland aufgrund der Corona-Epidemie nochmals verschärfen werde, den genannten Anforderungen nicht.

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2. Bei der zweiten vom Kläger aufgeworfenen Frage zur Qualität der Erklärung des griechischen Ministeriums für Migrationspolitik vom 8. Januar 2018 kann letztlich offenbleiben, ob es sich nicht auch eher um eine Tatsachen- denn eine Rechtsfrage handelt. Als Rechtsfrage wird sie von den zitierten obergerichtlichen Entscheidungen nicht uneinheitlich beurteilt. Denn der Senat hat sich dazu in seinem Urteil vom 6. September 2019 überhaupt nicht geäußert (und hatte hierzu nach den tatsächlichen Feststellungen auch keine Veranlassung). Im Übrigen bestünde auch insoweit kein Klärungsbedarf. Vielmehr lässt sich diese Frage ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens mit dem OVG Münster (Beschl. v. 30.01.2020 - 11 A 2480/19.A -, juris Rn. 30) und dem OVG Lüneburg (Beschl. v. 10.06.2020 - 10 LA 111/20 -, juris Rn. 15) dahingehend beantworten, dass es sich bei der Erklärung nicht um eine konkrete einzelfallbezogene Zusicherung im Sinne einer individuellen Schutzerklärung handelt, sondern diese sich auf die Feststellung beschränkt, dass die Richtlinie 2011/95/EU in nationales Recht umgesetzt worden sei und eine richtlinienkonforme Behandlung der Rückkehrer, die internationalen Schutz genössen, zugesichert werde. Damit wird letztlich nur auf die Selbstverständlichkeit hingewiesen, dass in Griechenland geltendes Recht zur Anwendung kommt.

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3. Soweit der Kläger ergänzend und außerhalb der Begründungsfrist auf einen Beschluss des 1. Senats des OVG Schleswig verweist (v. 21.07.2020 - 1 LA 91/19 - n.v.), ergibt sich daraus nichts anderes. Zwar hat der für sogenannte Dublin-Verfahren zuständige 1. Senat in der Konstellation eines in Deutschland nachgeborenen Kindes die Frage für klärungsbedürftig erachtet,

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„ob anerkannt schutzberechtigten Asylbewerbern in Griechenland hinreichend schwere Schlechtbehandlung droht, die zur Annahme einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK führt,

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sich aber zur Frage selbst nicht inhaltlich geäußert. Im Übrigen ergibt sich daraus für den hier zuständigen 4. Senat ebenso wenig eine Bindung wie diese seitens des 1. Senats angenommen worden ist in Bezug auf die vom 4. Senat bereits geklärte Frage.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

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Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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