Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 LA 431/18
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 12. Kammer, Einzelrichter – vom 24. Juli 2018 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 6.630,52 EUR festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nicht begründet. Ihr Vorbringen, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht.
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1. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der sich die Klägerin gegen die Rückforderung von Anwärtersonderzuschlägen nach ihrem Wechsel aus dem Allgemeinen Justizvollzugsdienst in die Finanzverwaltung wendet, abgewiesen. Sie sei nach Bestehen der Laufbahnprüfung nicht mindestens fünf Jahre als Beamtin im öffentlichen Dienst der Laufbahn verblieben, für die sie die Befähigung erworben habe. In Schleswig-Holstein sei als Laufbahnwechsel auch ein Wechsel der Fachrichtung anzusehen. Die Klägerin habe die Gründe dafür, dass sie die Voraussetzungen für die Gewährung von Anwärtersonderzuschlägen nicht erfüllt habe, auch zu vertreten. Sie habe sich freiwillig und aus eigenem Antrieb auf eine freie Stelle in der Finanzverwaltung beworben. Die rechtlichen Folgen ihres Handelns seien ihr aufgrund des Inhalts einer entsprechenden Verpflichtungserklärung auch bewusst gewesen. Auf Entreicherung könne sie sich nicht berufen, weil sie verschärft hafte. Schließlich seien bei der Entscheidung des Beklagten keine Ermessensfehler erkennbar.
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2. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor bzw. wurde nicht ausreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
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Für das Vorliegen ernstlicher Zweifel ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats erforderlich, dass ein Erfolg des Rechtsmittels, dessen Zulassung begehrt wird, mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie dessen Misserfolg (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. Mai 1999 – 2 L 244/98 –, juris LS 3 und Rn. 21, und vom 30. Juli 2021 – 2 LA 15/19 –, juris Rn. 3). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen jedoch nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 2019 – 1 BvR 587/17 –, juris Rn. 32; Kammerbeschluss vom 20. Dezember 2010 –1 BvR 2011/10 –, juris Rn. 19). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juni 2016 – 1 BvR 2453/12 –, juris Rn. 17; BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 – 7 AV 4.03 –, juris LS und Rn. 9; Senatsbeschlüsse vom 20. August 2018 – 2 LA 212/17 –, juris Rn. 2, und vom 30. Juli 2021 – 2 LA 15/19 –, juris Rn. 3; OVG Berlin, Beschluss vom 30. November 2020 – OVG 11 N 63.19 –, juris Rn. 5). Ausgehend davon ergeben sich aus dem Vortrag der Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts.
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a) Die Klägerin ist der Auffassung, dass kein Laufbahnwechsel vorgelegen habe. Es sei der Laufbahnbegriff in § 16 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) einschlägig, nach dem eine Laufbahn alle Ämter umfasst, die verwandte und gleichwertige Vor- und Ausbildungen voraussetzen, und nicht der in § 13 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes (LBG), wonach eine Laufbahn alle Ämter umfasst, die derselben Fachrichtung und derselben Laufbahngruppe angehören. Das trifft nicht zu.
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Die Klägerin war und ist Beamtin des Landes Schleswig-Holstein. Für sie gilt deshalb neben dem Beamtenstatusgesetz (BeamtStG), das keine Legaldefinition des Laufbahnbegriffs enthält und seit der Föderalismusreform eine solche auch nicht mehr enthalten dürfte (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG), das Landesbeamtengesetz (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 LBG). § 13 Abs. 1 LBG hat seine heutige Fassung durch das Gesetz zur Neuregelung des Beamtenrechts in Schleswig-Holstein vom 26. März 2009 (GVOBl. 2009 Nr. 5, S. 93) erhalten, galt also bereits im Zeitpunkt der Einstellung der Klägerin als Justizobersekretäranwärterin im November 2009. Selbst wenn dem Bundesbesoldungsgesetz in der durch das Gesetz zur Überleitung des Bundesbesoldungsgesetzes, des Beamtenversorgungsgesetzes und ergänzender Vorschriften sowie Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2008 (GVOBl. 2008 Nr. 22, S. 785, im Folgenden: BBesG-ÜfSH) in Landesrecht übergeleiteten Fassung ein anderer Laufbahnbegriff zugrunde gelegen haben sollte, wäre dieser nach dem Grundsatz, dass dem später erlassenen Gesetz der Vorrang zukommt („lex posterior derogat legi priori“, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 2011 – 3 C 20.10 –, juris Rn. 25) durch § 13 Abs. 1 LBG abgelöst worden. Dass nach dieser Norm ein Wechsel der Fachrichtung auch einen Laufbahnwechsel nach sich zieht, hat die Klägerin nicht infrage gestellt.
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Aber selbst wenn – so die Klägerin – passend zum Bundesbesoldungsgesetz die Definition des Laufbahnbegriffs auch aus dem Bundesbeamtengesetz entnommen werden müsste, führte dies nicht weiter. Denn zu berücksichtigen wäre, dass insoweit die Anwendung des Bundesbesoldungsgesetzes in seiner bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung (vgl. § 85 BBesG, s. auch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Überleitung des Bundesbesoldungsgesetzes, des Beamtenversorgungsgesetzes und ergänzender Vorschriften sowie Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2008
) nach sich zöge, dass auch der bundesrechtliche Laufbahnbegriff in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden wäre. Insoweit galt bis zur Föderalismusreform auf Bundesebene ein im Verhältnis zu den hier anzuwendenden schleswig-holsteinischen Regelungen sogar noch differenzierterer Laufbahnbegriff, nach dem jeder Fachrichtungswechsel ein Laufbahnwechsel war (vgl. § 11 Abs. 1 BRRG a.F. für Landesbeamte sowie die dazu identische Legaldefinition der Laufbahn für Bundesbeamte in § 2 Abs. 2 BLV a.F.: „Eine Laufbahn umfasst alle Ämter derselben Fachrichtung, die die gleiche Vor- und Ausbildung …“). In der Folge gab es in Bund und Ländern bis zu 800 unterschiedliche Laufbahnen, wobei die Neuregelung auf Bundesebene auf eine Reduzierung der Laufbahnen zielte. Auch die Länder haben in nunmehr eigener Zuständigkeit ihr Laufbahnrecht vereinfacht; einen Gleichklang zwischen den verschiedenen Ländern und dem Bund gibt es aber seitdem nicht mehr.
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Die von der Klägerin unterzeichnete Verpflichtungserklärung vom 29. Oktober 2009, in der es u.a. ausdrücklich heißt: „(…) nach Bestehen der Laufbahnprüfung mindestens fünf Jahre (…) in der Laufbahn (Fachrichtung) verbleibe (…)“, war nicht „missverständlich“, weil sie „ausschließlich bundesrechtliche Normen und keinerlei landesgesetzliche Vorschriften zitiert“. Die Klägerin übersieht insoweit, dass das Bundesbesoldungsgesetz zu diesem Zeitpunkt in Landesrecht übergeleitet war, ohne dass sich sein amtlicher Zitiername geändert hätte. Der in der Praxis häufig verwendete Zusatz „ÜfSH“ war also für einen zutreffenden Verweis auf dieses Gesetz nicht erforderlich. Die Verpflichtungserklärung ging, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, auch nicht über den Inhalt von § 63 Abs. 3 Satz 1 BBesG-ÜfSH hinaus.
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b) Soweit die Klägerin geltend macht, dass nach § 59 Abs. 5 BBesG-ÜfSH die Gewährung von Anwärterbezügen nur bei solchen Anwärterinnen und Anwärtern von Auflagen abhängig gemacht werden könne, die im Rahmen ihres Vorbereitungsdienstes ein Studium ableisten, führt dies nicht weiter. Zwar gehören auch die Anwärtersonderzuschläge zu den Anwärterbezügen (§ 59 Abs. 2 Satz 1 BBesG-ÜfSH). § 59 Abs. 5 BBesG-ÜfSH schafft jedoch die Möglichkeit, über § 63 Abs. 2 BBesG-ÜfSH, der als gesetzlich geregelte Auflage anzusehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Januar 1992 – 2 C 30.90 –, juris Rn. 14 m. w. N.; Plog/Wiedow, BBG, § 63 BbesG Rn. 88 <28. Dezember 2021>), hinaus für die betroffene Gruppe von Anwärterinnen und Anwärtern nicht nur die Gewährung von Anwärtersonderzuschlägen, sondern von Anwärterbezügen insgesamt von Auflagen abhängig zu machen. Das hat jedoch keine Auswirkungen auf die Anwendbarkeit von § 63 Abs. 2 BBesG-ÜfSH auf andere Anwärterinnen und Anwärter.
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c) Soweit die Klägerin behauptet, das Verwaltungsgericht erläutere nicht, weshalb § 19 Abs. 3 ALVO nicht einschlägig sei, trifft dies schon nicht zu, denn dazu enthält das Urteil (UA S. 8 oben) eine Begründung. Im Übrigen lässt der Zulassungsantrag hierzu jegliche Ausführungen (vgl. zum Darlegungserfordernis § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO) vermissen, weshalb – gleichwohl – § 19 Abs. 3 ALVO zur Anwendung kommen soll.
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d) Mit dem Vortrag, dass sie die Nichterfüllung der Voraussetzungen von § 63 Abs. 2 BBesG-ÜfSH nicht im Sinne von § 63 Abs. 3 Satz 1 BBesG-ÜfSH zu vertreten habe, kann die Klägerin ebenfalls nicht durchdringen. Sie macht geltend, dass sich das Finanzverwaltungsamt auf ihre Bewerbung hin für sie entschieden habe und danach gegenüber dem Beklagten ein Interesse an ihrer möglichst baldigen Versetzung geäußert habe. Darauf kommt es jedoch nicht an. Die Klägerin zitiert selbst die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Januar 1992 (– 2 C 30.90 –, juris), wonach es erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass das Ausscheiden aus dem Vorbereitungsdienst auf Umständen beruht, die dem Verantwortungsbereich des Beamten zuzurechnen sind. Scheidet der Beamte auf eigenen Antrag aus, hat er dies grundsätzlich zu vertreten. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt, wenn das Motiv eines auf Entlassung oder Versetzung gerichteten Antrags ein von beiden Seiten beabsichtigter Laufbahnwechsel war (vgl. BVerwG, a. a. O., Rn. 17 f.). Zu betrachten ist also die Zeit vor der Antragstellung und die Frage, ob der Dienstherr zu diesem Zeitpunkt dem Beamten zu erkennen gegeben hat, dass der Wechsel in eine andere Laufbahn in seinem, des Dienstherrn, Interesse liege, und dadurch den Entlassungsantrag veranlasst hat.
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Insoweit trägt die Klägerin selbst vor, dass ihrer Versetzung ursprünglich eine Bewerbung aus eigenem Entschluss zugrunde lag. Dass sich das Finanzverwaltungsamt danach und dann sogar wiederholt an den Beklagten gewandt hat, um die Versetzung schnellstmöglich zu vollziehen, ist unerheblich. Auf die Beweggründe, die die Klägerin zu dem Wechsel bewogen haben und ob diese billigenswert oder aus wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen verständlich sind, kommt es ebenfalls nicht an (vgl. Sturm, in: GKÖD Bd. III, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, K § 63 Rn. 21 <2021>).
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e) Im Gegensatz zur Darstellung der Klägerin hat das Verwaltungsgericht die Billigkeitsentscheidung des Beklagten nach § 63 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG-ÜfSH der Sache nach überprüft, auch wenn es nicht eindeutig zwischen der Frage der Billigkeit (unbestimmter Rechtsbegriff) und der des Ermessens unterscheidet (Urteilsumdruck S. 9, vorletzter Absatz). Ob angesichts der Formulierung in § 63 Abs. 3 Satz 1, dass der Anwärtersonderzuschlag „in voller Höhe“ zurückzuzahlen „ist“, überhaupt ganz oder teilweise von einem Rückzahlungsverlangen abgesehen werden kann (vgl. dagegen OVG Münster, Beschluss vom 20. September 2021 – 1 A 922/19 –, juris Rn. 8, 14, 25; a.A. Buchwald, in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, § 63 BBesG Rn. 16 <2021>; Sturm, in: GKÖD Bd. III, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, K § 63 Rn. 31 <2021>; Plog/Wiedow, BBG, § 63 BBesG Rn. 111 ff. <28. Dezember 2021>), kann dabei dahinstehen. Für ein vollständiges oder teilweises Absehen von der Rückforderung bestand hier jedenfalls kein Anlass. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend macht, dass die Billigkeitsentscheidung des Beklagten zu beanstanden sei, weil sie nicht in der Lage sei, die monatlichen Zahlungen zu leisten (aa), entreichert sei (bb), ein Mitverschulden des Dienstherrn vorgelegen habe (cc), auch dienstliche Gründe zu dem Laufbahnwechsel geführt hätten (dd), sowie eine Gleichbehandlung mit Anwärtern, die gänzlich aus dem öffentlichen Dienst ausschieden, nicht zu rechtfertigen sei (ee), stellt sie damit die Richtigkeit des Ergebnisses des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht infrage.
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aa) Zu ihrer Behauptung, nicht in der Lage zu sein, die vom Beklagten festgesetzten Raten in Höhe von 214 EUR monatlich zu zahlen und allenfalls 100 EUR monatlich aufbringen zu können, hat sie nicht dargelegt, dass sie gegenüber der Beklagten zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Oktober 1998 – 2 C 21.97 –, juris LS 1 und Rn. 9, und vom 22. März 2017 – 5 C 5.16 –, juris Rn. 27) entsprechend zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere sonstigen finanziellen Verpflichtungen, vorgetragen hätte. Der gerichtlichen Überprüfung der Billigkeitsentscheidung dürfen nur die Umstände zugrunde gelegt werden, die der Behörde aufgrund des Vorbringens des Schuldners oder nach Lage der Akten ohnehin bekannt waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2017 – 5 C 5.16 –, juris Rn. 27 m.w.N.). In ihrem Antwortschreiben vom 17. Juni 2021 (Beiakte A, Bl. 20 ff.), auf das das Anhörungsschreiben des Beklagten vom 26. Mai 2014 (Beiakte A, Bl. 17) Bezug nimmt, hat die Klägerin keine derartigen Angaben gemacht. Sogar auf eine entsprechende direkte Aufforderung des Beklagten in dessen erstinstanzlichem Schriftsatz vom 7. Juni 2016 hat die Klägerin – soweit ersichtlich – nicht reagiert. Aus ihrem Vortrag, sie sei von A7 auf A6 zurückgestuft worden, ihre Zulagen seien weggefallen und ihre Probezeit sei um weitere drei Jahre verlängert worden, lässt sich zwar ersehen, dass sie nun geringere monatliche Einkünfte als vor dem Laufbahnwechsel hat, aber es lässt sich daraus nicht ansatzweise schließen, dass ihre finanziellen Verhältnisse so angespannt sein könnten, dass sie die festgesetzten Raten nicht zahlen könnte. Im Übrigen hat der Beklagte seiner Billigkeitsentscheidung nicht etwa eine Besoldung nach A7, sondern: „ledig, keine Kinder, Vollzeitbeschäftigung mit Dienstbezügen nach Bes.Gr. A6“ zugrunde gelegt.
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bb) Auf Entreicherung im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG-ÜfSH i. V. m. §818 Abs. 3 BGB kann sich die Klägerin nicht berufen. Sollte für die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften im Zusammenhang mit der Rückforderung von Anwärtersonderbezügen überhaupt Raum sein (vgl. dagegen unter Verweis darauf, dass der Anwärtersonderzuschlag nach dem
§ 63 Abs. 3 Satz 1 BBesG in voller Höhe zurückzuzahlen „ist“: Hebeler/Kersten/Lindner, Handbuch Besoldungsrecht, 2015, § 14 Rn. 47; Sturm, in: GKÖD Bd. III, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, K § 63 Rn. 29 <2021>), würde die Klägerin jedenfalls gemäß § 820 Abs. 1 Satz 1 BGB verschärft haften. Nach dieser Vorschrift findet die verschärfte Haftung Anwendung, wenn mit der Leistung ein Erfolg bezweckt wurde, dessen Eintritt nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als ungewiss angesehen wurde. Hier ist die Zweckbestimmung des Anwärtersonderzuschlags nach § 63 BBesG-ÜfSH teilweise nicht erfüllt, weil die Klägerin vor Ablauf von fünf Jahren die Laufbahn gewechselt hat (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 22. März 1995 – 1 UE 1955/93 –, juris Rn. 32).
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt auch kein Mitverschulden des Beklagten vor, das bei einer Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen wäre. Sie macht geltend, dass der Beklagte sie noch vor ihrer Versetzung auf den spezifischen Inhalt der Verpflichtungserklärung und die hieraus folgenden finanziellen Auswirkungen ausdrücklich hätte hinweisen müssen. Dabei handelt es sich schon nicht um einen im Rahmen der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigenden Umstand. Die Rechtsprechung nimmt einen solchen nur dann an, wenn sich das Mitverschulden auf die Überzahlung selbst bezieht, die Verwaltung also von vornherein hätte erkennen können oder erkennen müssen, dass sie überhöhte Bezüge zahlt (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2019 – 2 C 24.17 –, juris Rn. 19 m. w. N.).
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Darüber hinaus liegt der behauptete Verstoß des Beklagten gegen seine Fürsorgepflicht nicht vor. Zwar hat der Dienstherr den Beamten vollständig und zutreffend zu beraten, wenn eine Beratung veranlasst erscheint, weil Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass der Beamte die Sach- oder Rechtslage nicht oder nicht ihrer Tragweite entsprechend erfasst (vgl. nur Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 10. Aufl. 2020, § 10 Rn. 19 m. w. N.). Aus einer E-Mail der Klägerin an den Beklagten vom 20. Februar 2014 (Beiakte A, Bl. 16) geht jedoch hervor, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt – einen Monat vor Zugang der Versetzungsverfügung (Empfangsbekenntnis in Beiakte B, o. Bl.) – sowohl des Laufbahnwechsels als auch der drohenden Rückzahlung der Anwärtersonderzuschläge bewusst war und ihre Versetzung dennoch weiter betrieben hat. Aus der Antwort des Beklagten vom gleichen Tage (ebenda) konnte sie auch ersehen, welche ungefähre Höhe die Rückforderung haben würde.
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dd) Soweit die Klägerin rügt, dass der Beklagte „sowohl die dienstlichen als auch die persönlichen Belange der Klägerin in seine Ermessensentscheidung“ hätte einstellen müssen – sie macht psychische Belastungen und Migräneanfälle vor der Versetzung geltend –, gibt es hierfür keinen rechtlichen Ansatz. Neben einem Mitverschulden der Verwaltung an der Überzahlung sind vornehmlich die Möglichkeiten für eine Rückabwicklung der rechtsgrundlosen Leistung einschließlich der daraus folgenden wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen auf den Betroffenen und seine Familie in die Erwägungen einzustellen (vgl. Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 10. Aufl. 2020, § 15 Rn. 69). Eine nochmalige Würdigung der gesamten Rechtsbeziehungen, aus der der Bereicherungsanspruch erwächst, hat nicht zu erfolgen (BVerwG, Urteile vom 16. Juli 2020 – 2 C 7.19 –, juris Rn. 30 m.w.N., und vom 22. März 2017 – 5 C 5.16 –, juris Rn. 27; OVG Münster, Urteil vom 17. August 2018 – 1 A 2317/16 –, juris Rn. 65; Beschluss vom 20. September 2021 – 1 A 922/19 –, juris Rn. 17; Hebeler, in: GKÖD Bd. III, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, K § 12 Rn. 35 m. w. N. <2021>). Im Übrigen widerspricht die Schilderung der erstmals in der Zulassungsschrift (S. 6, 3. und 4. Absatz) dargestellten beiden Vorfälle ihrer Aussage im Schreiben vom 17. Juni 2014 (Beiakte A, Bl. 20 f.), in dem sie die Beweggründe für ihren Versetzungswunsch dargelegt hatte, und ausweislich dessen es „nie direkt zu einem Vorfall“ gekommen sei.
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ee) Soweit die Klägerin schließlich geltend macht, dass sie in einer mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Art und Weise „mit den – anhand der gesetzlichen Systematik vorgesehenen – Normadressaten des § 63 BBesG-ÜfSH“ gleichbehandelt werde, kann sie auch damit nicht durchdringen. Anders als die Klägerin meint, soll die Vorschrift nicht nur solche Fälle abdecken, in denen ein Anwärter aus dem öffentlichen Dienst entlassen wird bzw. diesen auf eigene Verantwortung verlässt. Denn Voraussetzung für den Anspruch auf Anwärtersonderzuschläge ist nach § 63 Abs. 2 Nr. 2 BBesG-ÜfSH ausdrücklich, dass die Laufbahn nicht gewechselt wird. Das hat die Klägerin jedoch getan (s.o. a).
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Darin liegt auch keine Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte. Sowohl im Falle des vorzeitigen endgültigen Ausscheidens aus dem öffentlichen Dienst wie dem des vorzeitigen Laufbahnwechsels übt der Beamte nicht mehr die Tätigkeit aus, für die er durch die Gewährung der Anwärtersonderzuschläge gewonnen werden sollte. Damit kann deren Zweck – die zumindest mittelfristige Gewinnung von Kräften für Bereiche, in denen ein erheblicher Mangel an qualifizierten Bewerbern besteht (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BBesG-ÜfSH) – in beiden Fällen nicht mehr erreicht werden.
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Selbst wenn unterschiedliche Sachverhalte vorliegen würden, wäre deren Gleichbehandlung aus diesem Grund jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Es ist nicht ersichtlich, warum Anwärter, die diese Bereiche für andere Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, in denen ein solcher Mangel nicht herrscht, verlassen anders zu behandeln sein sollten als solche Anwärter, die den öffentlichen Dienst gänzlich verlassen.
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3. Aus demselben Grund liegt auch der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht vor. Die Klägerin macht insoweit geltend, dass noch keine höchstrichterliche Entscheidung zu der Thematik vorliege, ob im öffentlichen Dienst verbleibende Beamte im Hinblick auf die Rückforderung von Anwärtersonderbezügen nicht besser – ungleich – behandelt werden müssten als solche, die gänzlich aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden. Wie soeben unter 2. e) ee) dargestellt, liegt die von der Klägerin behauptete Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte jedoch nicht vor.
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3. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht nicht von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Januar 1992 (– 2 C 30.90 –) ab. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr in Übereinstimmung mit dieser Entscheidung angenommen, dass ein freiwillig und aus eigenem Antrieb erfolgter Laufbahnwechsel dazu führt, dass die Nichterfüllung der Anforderungen von § 63 Abs. 2 BBesG-ÜfSH vom Beamten zu vertreten sind (s.o. 2. d). Dass die Klägerin die tatsächliche Situation in ihrem Fall anders bewertet, vermag eine Divergenz nicht zu begründen.
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4. Soweit die Klägerin zu Beginn ihrer Begründungsschrift behauptet hat, dass die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweise, hat sie dies in keiner Weise näher begründet, sodass es schon an einer ausreichenden Darlegung dieses Zulassungsgrundes fehlt. Auch die – ohnehin nach Ablauf der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgetragenen – Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 16. Januar 2019 (dort unter 2.) entsprechen nicht den Anforderungen an die Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
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Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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